Die Transzendenz von e und π Margarethe Haiges Ausarbeitung zum Vortrag im Proseminar Analysis (Wintersemester 2008/09, Leitung PD Dr. Gudrun Thäter) Zusammenfassung: Schon in der Antike beschäftigten sich die Griechen mit der Quadratur des Kreises. Problemstellung dabei ist es, einen Kreis mit Hilfe von Zirkel und Lineal in ein flä√ chengleiches Quadrat zu verwandeln. Dazu müsste man die Strecke π (bzw. π) konstruieren können. In meiner Hausarbeit beschäftige ich mich zuerst allgemein mit der Konstruierbarkeit von Zahlen und beweise dann, dass konstruierbare Zahlen algebraisch sind. Da die Menge der algebraischen Zahlen abzählbar ist, folgt daraus, dass die Menge der tranzendenten Zahlen (das sind per Definition alle Zahlen aus R, die nicht algebraisch sind) überabzählbar ist. Dass transzendente Zahlen überhaupt existieren, wurde erst 1844 von Joseph Liouville bewiesen. Dreißig Jahre später zeigte Georg Cantor die Überabzählbarkeit ihrer Menge. Diese Erkenntnisse waren in der Geschichte der Mathematik revolutionär und anfangs kaum vorstellbar. In meiner Arbeit gehe ich danach näher auf die Zahlen e und π ein. Bei den Transzendenzbeweisen habe ich zwei verschiedene Methoden gewählt. Der Beweis der Zahl e ist direkt geführt, der Beweis für die Zahl π indirekt. Erstmals gelang dem französischen Mathematiker Charles Hermite 1873 der Beweis der Transzendenz von e. Durch eine Verfeinerung der Schlußweisen Hermites bewies Carl Louis Ferdinand von Lindemann einige Jahre später sein berühmtes Theorem: π ist transzendent. Dadurch ergibt sich also die Unmöglichkeit der Quadratur des Kreises. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 3 2 Konstruierbarkeit von Zahlen 2.1 Konstruktion von Rechenoperationen . . . . . . . . . . 2.2 Konstruktion des Schnittpunktes zweier Geraden . . . 2.3 Konstruktion des Schnittpunktes von Gerade und Kreis 2.4 Konstruktion des Schnittpunktes zweier Kreise . . . . . 2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 4 5 6 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Algebraizität konstruierbarer Zahlen 6 4 Existenz transzendenter Zahlen 4.1 Abzählbarkeit der Menge A der algebraischen Zahlen . . . . . . . . . . 4.2 Überabzählbarkeit der Menge T der transzendenten Zahlen . . . . . . . 7 8 8 5 Transzendenz der Eulerschen Zahl e 9 6 Transzendenz der Zahl π 13 7 Resümee 15 Abbildungsverzeichnis 2.1 2.2 2.3 Konstruktion der Multiplikation (aus [3], S.91) . . . . . . . . . . . . . . . . Konstruktion der Division (aus [3], S.91, angepasst) . . . . . . . . . . . . . Konstruktion der Quadratwurzel (aus [3], S.92, angepasst) . . . . . . . . . . 2 3 4 4 1 Einleitung Die Zahlen e und π sind uns aus vielen Formeln und in den unterschiedlichsten Darstellungen bekannt. Ihre Transzendenz ist ein weiterer Aspekt der Vielfalt ihrer interessanten Eigenschaften. Um den Begriff der Transzendenz zu verstehen, zunächst folgende Definition: Definition Zahl α ∈ C heißt algebraisch, wenn es ein Polynom P 1.1 Eine k P (z) = m b z ∈ Z[z] mit grad P = m > 0 gibt, so dass P (α) = 0 gilt. Die Menge k=0 k aller algebraischen Zahlen wird mit A bezeichnet. Zahlen aus C\A heißen transzendent. Transzendente Zahlen sind also Zahlen, die nicht Nullstelle eines ganzzahligen Polynoms sein können. Um den Bezug zur Quadratur des Kreises herzustellen, möchte ich ein Kapitel über die Konstruierbarkeit von Zahlen voranstellen. 2 Konstruierbarkeit von Zahlen Definition 2.1 Eine Zahl k ∈ R heißt konstruierbar, falls ausgehend von einer Strecke der Länge 1 mit Zirkel und Lineal eine Strecke der Länge |k| konstruiert werden kann. 2.1 Konstruktion von Rechenoperationen Sind zwei Strecken a und b bereits konstruiert, so können wir diese mit Zirkel und Lineal addieren, subtrahieren, multiplizieren oder dividieren. Bei der Addition werden auf einer Geraden nacheinander Kreise mit den Radien a und b abgetragen, so dass eine Länge der Strecke a + b entsteht. Bei der Subtraktion wird dementsprechend der zweite Kreis in Richtung des Ausgangspunktes abgetragen. Für die Multiplikation verwendet man als Hilfsmittel den Strahlensatz. Von einem festen Ausgangspunkt 0 werden auf einer Geraden die Strecken 1 und a markiert. Auf einer Hilfsgeraden, welche die Gerade im Punkt 0 schneidet, wird von 0 aus die Strecke b abgetragen. Durch 1 und b wird eine Gerade gelegt. Die Parallele zu dieser durch a schneidet die Hilfsgerade im Abstand x = ab vom Nullpunkt, denn es gilt a x = b 1 ⇔ x = ab Abbildung 2.1: Konstruktion der Multiplikation (aus [3], S.91) 3 Bei der Division wird auf einer Geraden die Strecke a abgetragen. Auf der Hilfsgeraden, die die Gerade im Ausgangspunkt 0 unter beliebigem Winkel schneidet, werden die Längen 1 und b abgetragen. a und b werden verbunden, ihre Parallele durch 1 schneidet die erste Gerade im Abstand x = ab vom Nullpunkt, denn es gilt x 1 = a b ⇔ x= a b Abbildung 2.2: Konstruktion der Division (aus [3], S.91, angepasst) Außer den vier Grundrechenarten ist es auch noch möglich, die Quadratwurzel einer Zahl a zu konstruieren. Dazu werden auf einer Geraden nacheinander die Strecken a und 1 abgetragen. Über der Strecke a + 1 wird der Thaleskreis mit dem Radius r = a+1 2 konstruiert. Der Schnittpunkt C von der im rechten Winkel zur Strecke a + 1 über dem Punkt a konstruierten Hilfsgeraden mit dem Kreis bildet nach dem Satz des Thales mit 0 und B ein rechtwinkliges Dreieck. Abbildung 2.3: Konstruktion der Quadratwurzel (aus [3], S.92, angepasst) Nun wird der Satz des Pythagoras angewendet: s 2 2 √ a+1 a−1 2 2 2 − = a x =r −y ⇒ x= 2 2 2.2 Konstruktion des Schnittpunktes zweier Geraden Seien zwei nicht parallele Geraden durch folgende Gleichungen gegeben 0 = ax + by + c (2.1) 0 = dx + ey + f (2.2) 4 mit a, b, c, d, e, f ∈ Q und o.B.d.A. b 6= 0 und bd − ae 6= 0. Nun wird (2.1) nach y aufgelöst und in (2.2) eingesetzt. Es ergibt sich: ax + c +f 0 = dx + e − b bf − ec ⇔ x= ∈Q ea − bd Durch Einsetzen von x in (2.1) erkennt man, dass auch y rational ist. Beim Schneiden zweier Geraden mit rationalen Koeffizienten ergibt sich also ein Schnittpunkt mit rationalen Koordinaten. 2.3 Konstruktion des Schnittpunktes von Gerade und Kreis Seien eine Gerade und ein Kreis durch folgende Gleichungen gegeben 0 = ax + by + c (2.3) 0 = x2 + y 2 + 2αx + 2βy + γ (2.4) mit a, b, c, α, β, γ ∈ Q. O.B.d.A. wird b 6= 0 angenommen. Nach Umstellung der Geradengleichung (2.3) nach y und Einsetzen in die Kreisgleichung (2.4) ergibt sich: ax + c y=− b 2 ax + c ax + c 2 0=x + + 2αx − 2β +γ b b 1 1 1 = x2 + 2 a2 x2 + 2axc + c2 + 2αx − 2αβx − 2βc + γ b b b 2 1 1 1 c 1 = x2 + 2 a2 x2 + 2 2axc + 2αx − 2αβx + 2 − 2βc + γ b b b b 2 b a2 x 2 2αβ 1 2ac c = 1+ 2 x2 + + 2α − x + 2 − 2βc + γ 2 b b b b{z |b } | {z } | {z } =:A =:B =:C Die neuen Koeffizienten A, B und C ∈ Q werden zur Vereinfachung eingeführt. Man erhält folgende quadratische Gleichung mit den Lösungen 0 = Ax2 + Bx + C √ −B ± B 2 − 4AC x1/2 = 2A Beim Schneiden einer Gerade mit einem Kreis mit rationalen Koeffizienten ergibt sich also ein Schnittpunkt mit rationalen Koordinaten oder mit Koordinaten, die Quadratwurzeln rationaler Zahlen sind. 5 2.4 Konstruktion des Schnittpunktes zweier Kreise Die Konstruktion des Schnittpunktes zweier Kreise erfolgt analog zur Konstruktion des Schnittpunktes von Gerade und Kreis. Beim Schneiden zweier Kreise entsteht wiederum ein Schnittpunkt mit rationalen Koordinaten oder mit Koordinaten, die Quadratwurzeln rationaler Zahlen sind. 2.5 Zusammenfassung Die beim Schneiden von Gerade und Kreis oder zwei Kreisen entstandenen Schnittpunkte haben, wie oben gezeigt, entweder rationale Koordinaten oder Koordinaten, die Quadratwurzeln rationaler Zahlen sind. Zusammengefasst lassen sie sich in der Form √ a+b k mit a, b, k ∈ Q ausdrücken. n o √ Definiere K0 := Q und K1 := a + b k, a, b, k ∈ Q . K1 ist bezüglich Addition und Multiplikation abgeschlossen, besitzt ein neutrales und ein inverses Elemente und es gilt das Distributivgesetz. Daraus folgt, dass K1 ein Körper ist. Definiere als nächstes für ein festes k1 ∈ K1 den Körper o n p K2 := a1 + b1 k1 | a1 , b1 ∈ K1 mit K1 ⊂ K2 . Nach n Schritten erhält man für ein festes kn−1 ∈ Kn−1 den Körper n o p Kn := an−1 + bn−1 kn−1 | an−1 , bn−1 ∈ Kn−1 . Es entsteht also eine Körperfolge Q = K0 ⊂ K1 ⊂ K2 ⊂ ... ⊂ Kn ⊂ ... ⊂ K mit K := Körper der konstruierbaren Zahlen. Daraus folgt: Konstruierbar sind nur solche Zahlen, die durch eine derartige Folge von Erweiterungskörpern erreicht werden können, die also zu einem Kj gehören. 3 Algebraizität konstruierbarer Zahlen Die Definition einer algebraischen Zahl ist schon in der Einleitung aufgeführt. Für den Beweis der Algebraizität konstruierbarer Zahlen ist zunächst das folgende Lemma zu zeigen: Lemma 3.1 Sei xk ∈ Kk konstruierbar. Dann löst xk eine Gleichung vom Grad 2l mit Koeffizienten aus Kk−l , wobei 0 < l ≤ k ist. Beweis per Induktion über l ∈ N: 6 Induktionsanfang:p l=1 Sei xk = ak−1 + bk−1 kk−1 ∈ K mit ak−1 , bk−1 , kk−1 ∈ Kk−1 gegeben. Wegen p xk = ak−1 + bk−1 kk−1 ⇔ (xk − ak−1 )2 = b2k−1 kk−1 ⇔ x2k − 2ak−1 xk − a2k−1 − b2k−1 kk−1 = 0 (3.1) erkennt man, dass xk die Gleichung (3.1) löst, also Nullstelle des Polynoms ist. Da das Polynom den Grad 21 besitzt und seine Koeffizienten aus Kk−1 stammen, ist der Induktionsanfang bewiesen. Induktionsvoraussetzung: Sei xk ∈ Kk Nullstelle des Polynoms f (x) = αL xL + αL−1 xL−1 + ... + α1 x + α0 √ vom Grad L = 2l mit Koeffizienten αj ∈ Kk−l für alle j = 0, 1, ..., L und αj = aj +bj w mit aj , bj ∈ Kk−l−1 und einem festen w ∈ Kk−l−1 . Induktionsschluss: √ √ √ √ f (x) = aL + bL w xL + aL−1 + bL−1 w xL−1 + ... + a1 + b1 w x + a0 + b0 w √ = aL xL + aL−1 xL−1 + ... + a1 x + a0 + w bL xL + bL−1 xL−1 + ... + b1 x + b0 Da nach Induktionsvoraussetzung f (xk ) = 0 gilt, folgt √ L−1 L w b x 0 = aL xLk + aL−1 xL−1 + b x + ... + b x + b + ... + a x + a + L L−1 1 k 0 1 k 0 k k k √ L−1 L L ⇔ − aL xk + aL−1 xk + ... + a1 xk + a0 = w bL xk + bL−1 xL−1 + ... + b1 xk + b0 k und nach Quadrieren ⇔ aL xLk + aL−1 xkL−1 + ... + a1 xk + a0 2 = w bL xLk + bL−1 xL−1 + ... + b1 xk + b0 k 2 . Diese Gleichung zeigt, dass xk Nullstelle eines Polynoms vom Grad 2 · L = 2 · 2l = 2l+1 mit Koeffizienten aus Kk−l−1 ist. Damit ist der Induktionsschluss bewiesen. q.e.d. Da xk beliebig gewählt war, ergibt sich mit Hilfe des Lemmas 3.1 sofort der folgende Satz: Satz 3.2 Konstruierbare Zahlen sind algebraisch. 4 Existenz transzendenter Zahlen Um die Existenz transzendenter Zahlen zu zeigen, wird zunächst bewiesen, dass die Menge A der algebraischen Zahlen abzählbar ist. Aus der Überabzählbarkeit der Menge R der reellen Zahlen folgt dann nicht nur die Existenz der transzendenten Zahlen, sondern sogar die Überabzählbarkeit ihrer Menge T. 7 4.1 Abzählbarkeit der Menge A der algebraischen Zahlen Definition 4.1 Eine Menge heißt abzählbar, wenn man ihr Elemente bijektiv den natürlichen Zahlen N zuordnen kann. Eine unendliche Menge, die nicht abzählbar ist, heißt überabzählbar. Jede Vereinigung einer abzählbaren Anzahl von abzählbaren Mengen ist wieder abzählbar. Sei A die Menge der algebraischen Zahlen. Jedes a ∈ A ist nach Definition Nullstelle eines ganzzahligen Polynoms. Jedes Polynom besitzt höchstens endlich viele Nullstellen. Für den Beweis der Abzählbarkeit von A reicht es also, das folgende Lemma zu zeigen: Lemma 4.2 Die Menge der Polynome mit ganzzahligen Koeffizienten ist abzählbar. Beweis: Für einen festen Grad n eines Polynoms gibt es für jeden der Koeffizienten a0 , ..., an abzählbar viele Möglichkeiten: für n = 1 : P (x) = a1 x + a0 gilt: a1 ↔ Z, a0 ↔ Z Dieses Polynom ersten Grades ist durch seine beiden ganzzahligen Koeffizienten definiert. Die Menge der Polynome ersten Grades mit ganzzahligen Koeffizienten kann bijektiv auf die Vereinigung von Z mit sich selbst abgebildet werden. Da Z abzählbar ist, ist die Vereinigung Z ∪ Z abzählbar und somit auch die Menge P1 der Polynome ersten Grades mit ganzzahligen Koeffizienten. für n = 2 : P (x) = a2 x2 + a1 x + a0 gilt: a2 ↔ Z, a1 ↔ Z, a0 ↔ Z Die Menge der Polynome zweiten Grades mit ganzzahligen Koeffizienten kann durch eine Bijektion auf die Vereinigung von Z mit P1 abgebildet werden. Da P1 abzählbar ist, ist die Vereinigung Z ∪ P1 abzählbar und damit ebenso P2 . Insgesamt ergibt sich: Die Menge der Polynome n-ten Grades mit ganzzahligen Koeffizienten ist abzählbar als abzählbar unendliche Vereinigung abzählbarer Mengen. Damit ist bewiesen: Die Menge A der algebraischen Zahlen ist abzählbar. q.e.d. 4.2 Überabzählbarkeit der Menge T der transzendenten Zahlen Theorem 4.3 Die Menge T der transzendenten Zahlen ist nicht leer, sondern überabzählbar. Beweis: Es besteht die disjunkte Vereinigung R = A ∪˙ T. Annahme: Sei T = ∅. Dann folgt R = A. Das führt zu einem Widerspruch, da A abzählbar und R überabzählbar ist. Somit ist T nicht leer. Weil abzählbare Vereinigungen abzählbarer Mengen wieder abzählbare Mengen ergeben, folgt: T ist überabzählbar. q.e.d. 8 5 Transzendenz der Eulerschen Zahl e Der hier vorgestellte Beweis der Transzendenz der Eulerschen Zahl e geht nicht direkt von einer der möglichen Definitionen von e aus, sondern verwendet eine abgeleitete Eigenschaft der Exponentialfunktion. Er baut auf folgender Tatsache auf: Für alle k ∈ N gilt: Z ∞ xk · e−x dx = k! (5.1) 0 Beweis: Es gilt: lim xk · e−x = 0 für alle k ∈ N x→∞ (5.2) Definiere nun eine Funktion fk (x) = xk · e−x mit x ∈ R und für alle k ∈ N. Weil fk stetig ist, existiert die Stammfunktion Fk und ist durch die zusätzliche Bedingung Fk (0) = 0 eindeutig bestimmt. Für k > 0 ist auch folgende Funktion Stammfunktion von fk : F̄k (x) = k · Fk−1 (x) − xk · e−x mit x ∈ R Da die Differenz zweier Stammfunktionen zur gleichen Funktion eine konstante Funktion ist und F̄k (0) = 0 = Fk (0) ist, gilt: F̄k = Fk . Daraus ergibt sich: Z ∞ Z x̄ k −x x · e dx = lim xk · e−x dx nach Definition des uneigentlichen Integrals x̄→∞ 0 0 = lim Fk (x̄) − Fk (0) x̄→∞ = lim Fk (x̄) da Fk (0) = 0 = lim F̄k (x̄) da Fk (x) = F̄k (x) x̄→∞ x̄→∞ k = lim (k · Fk−1 (x̄) − x̄ · e−x̄} ) | {z x̄→∞ =0 nach(5.2) = lim k · Fk−1 (x̄) x̄→∞ = k · lim Fk−1 (x̄) x̄→∞ Da F0 (x̄) = 1 − e−x̄ ∀x̄ ∈ R ⇒ limx̄→∞ F0 (x̄) existiert und hat den Wert 1. Aus der Gleichungskette folgt damit der Reihe nach: Z ∞ x · e−x dx = lim F1 (x̄) = 1 · lim F0 (x̄) = 1 = 1! x̄→∞ x̄→∞ Z 0∞ x2 · e−x dx = lim F2 (x̄) = 2 · lim F1 (x̄) = 2 = 2! x̄→∞ x̄→∞ Z0 ∞ x3 · e−x dx = lim F3 (x̄) = 3 · lim F2 (x̄) = 6 = 3! x̄→∞ 0 x̄→∞ .. . Z 0 ∞ xk · e−x dx = lim Fk (x̄) = k · lim Fk−1 (x̄) = k! x̄→∞ x̄→∞ 9 Damit ist die Vorbemerkung bewiesen. q.e.d. Zum Transzendenzbeweis werden noch zwei weitere Hilfsmittel verwendet (und hier als bekannt vorausgesetzt): xk =0 x→∞ k! ∀x ∈ R lim (5.3) und die verallgemeinerte Dreiecksgleichung |x0 + x1 + x2 + ... + xn | ≤ |x0 | + |x1 | + |x2 | + ... + |xn | ∀xi ∈ R. (5.4) Nun kommen wir zum eigentlichen Beweis. Er wird hier direkt geführt und nicht wie sonst oft üblich durch einen Widerspruch. Zu zeigen ist deshalb: Satz 5.1 e ist nicht algebraisch, für jede Wahl von n ∈ N und a0 , a1 , ..., an ∈ Z mit a0 6= 0 und an 6= 0 gilt also: an xn + an−1 xn−1 + . . . + a1 x + a0 6= 0. (5.5) Beweisidee: Es seien solche Zahlen n, a0 , a1 , ..., an gegeben. Dann werden die Zahlen r, s ∈ R und p ∈ Z konstruiert, so dass gilt: r · an en + an−1 en−1 + . . . + a1 e + a0 = s + p (5.6) mit |s| < 1 (5.7) und p 6= 0 (5.8) Da p ∈ Z ist, folgt aus (5.7) und (5.8), dass p + s von Null verschieden ist. Dann kann aber auch keiner der Faktoren auf der linken Seite der Gleichung (5.6) verschwinden, so dass (5.5) folgt. Zur Ausführung dieser Idee werden nun zwei Hilfsfunktionen definiert: g(x) = x · (x − 1)(x − 2) . . . (x − n); h(x) = (x − 1)(x − 2) . . . (x − n) · e−x ; x∈R x∈R Sei k ∈ N zunächst beliebig aber fest gewählt mit f (x) = g(x)k · h(x); x∈R also f (x) = xk ((x − 1)(x − 2) . . . (x − n))k+1 · e−x ∀x ∈ R. Durch Ausmultiplizieren erhält man k+n(k+1) f (x) = e −x · X bj x k mit bj ∈ Z. j=k Im Fall j = k ist b = ±(n!)k+1 . Nun betrachten wir folgendes Integral: k+n(k+1) Z w0 = f (x)dx = X j=k 10 Z bj · 0 ∞ xj e−x (5.9) Wegen (5.1) sind die Integrale unter der Summe ganze, durch k! teilbare Zahlen. Für j > k sind sie sogar durch (k + 1)! teilbar. Da auch alle Koeffizienten bj ganze Zahlen sind, ergibt sich: w0 = ±(n!)k+1 · k! + c0 (k + 1)! mit c0 ∈ Z. Wir setzen w0 = ±(n!)k+1 + c0 (k + 1). k! Nun spalten wir w0 für i = 1, ..., n auf: Z Z i f (x)dx und wi = w 0 = vi + w i mit vi = r= 0 ∞ f (x)dx i So erhalten wir für r · (an en + an−1 en−1 + . . . + a1 e + a0 ) eine Zerlegung der Form vn an en + . . . + v1 a1 e wn an en + . . . + w1 a1 e + w0 a0 + . k! k! Es bleibt zu zeigen, dass bei geeigneter Wahl von k die Zahlen s := vn an en + . . . + v1 a1 e k! w n an e n + . . . + w 1 a1 e + w 0 a0 k! und p := die geforderten Eigenschaften haben. Betrachtung von p: Der Graph der Funktion f eingeschränkt auf den Bereich x ≥ i bestimmt dieselbe Fläche wie der Graph der Funktion f˜(x̃) = f (x̃ + i); x̃ ≥ 0. Für i > 0 gilt also: Z ∞ (x̃ + i)k [(x̃ + i − 1)(x̃ + i − 2) . . . x̃ . . . (x̃ + i − n)]k+1 · e−x̃−i dx̃ wi = 0 Wenn wir die Integrationsvariable wieder in x umbenennen und e−i aus dem Integral herausziehen, erhalten wir Z ∞ wi = (x + i)k [(x + i − 1)(x + i − 2) . . . x . . . (x + i − n)]k+1 · e−x · e−i dx 0 Z ∞ −i =e (x + i)k [(x + i − 1)(x + i − 2) . . . x . . . (x + i − n)]k+1 · e−x dx. 0 Da in der eckigen Klammer das x „rein“ vorkommt, ist der Integrand nun von der Form k+n(k+1) X b̃j xj mit b̃j ∈ Z ∀j. j=k+1 Daraus folgt k+n(k+1) −i wi = e X Z b̃j j=k+1 11 0 ∞ xi e−x dx. Mit (5.1) folgt nun, dass jedes Integral unter der Summe durch (k + 1)! teilbar ist, d.h. wi = e−i · ci · (k + 1)! mit ci ∈ Z. Zusammenfassend ergibt sich: wn an en + . . . + w1 a1 e + w0 a0 k! = (cn an + . . . + c1 a1 + c0 a0 ) · (k + 1) ± (n!)k+1 · a0 p= = c(k + 1) ± (n!)k+1 · a0 mit c ∈ Z Wähle nun k so, dass k + 1 > n und k + 1 > a0 und k ∈ P eine Primzahl. (n!)k+1 · a0 ist ungleich Null. Mit einer solchen Wahl von k teilt (k + 1) nicht (n!)k+1 · a0 . Daraus folgt: p = c(k + 1) ± (n!)k+1 · a0 6= 0 Betrachtung von s: Betrachte die Einschränkungen der Funktionen g, h, f auf dem Intervall [0, n]. Da alle drei Funktionen stetig und das Intervall kompakt ist, folgt: g, h, f sind beschränkt, d.h. ∃ G > 0, H > 0 ∈ R, so dass ∀x ∈ [0, n] gilt: |g(x)| ≤ G, |h(x)| ≤ H ⇒ |f (x)| ≤ Gk · H ⇔ −Gk · H ≤ f (x) ≤ Gk · H Daraus folgen für i = 1, 2, ..., n die Integralabschätzungen Z i k −G · H · i ≤ f (x)dx = vi ≤ Gk · H · i 0 k ⇔ |vi | ≤ G · H · i Das ergibt insgesamt mit Hilfe der verallgemeinerten Dreiecksungleichung (5.4): |s| · k! = |vn an en + . . . + v1 a1 e| ≤ |vn an en | + . . . + |v1 a1 e| = |vn | |an | en + . . . + |v1 | |a1 | e ≤ Gk · H · (n · |an | en + . . . + 1 · |a1 | e) mit z = H · (n · |an | en + . . . + 1 · |a1 | e) unabhängig von k. Aus (5.3) können wir nun folgern: Gk Gk · z = ( lim ) · z = 0 · z = 0, k→∞ k! k→∞ k! lim |s| = lim k→∞ für genügend großes k gilt also |s| ≤ Gk · z < 1. k! Da es unendlich viele Primzahlen gibt, lässt sich nun sicher ein k finden, so dass |s| < 1 und p 6= 0 ist. Hiermit ist die Transzendenz von e bewiesen. q.e.d. 12 6 Transzendenz der Zahl π Vor dem eigentlichen Transzendenzbeweis der Zahl π werden noch einige Vorbemerkungen gemacht. Sei f ∈ R[X] vom Grad m und Z t et−u f (u)du mit t ∈ C. I(t) = 0 Durch partielle Integration folgt dann, dass t I(t) = e m X fj (0) − j=0 m X fj (t). (6.1) j=0 Dabei bezeichnet fj die j-te Ableitung von f . Mit f¯ bezeichnen wir nun das Polynom, das wir erhalten, wenn wir alle Koeffizienten von f durch deren Absolutbetrag ersetzen. Z t t−u e f (u) du ≤ |t| e|t| f¯(|t|) |I(t)| = (6.2) 0 für jedes t ∈ C. Definition 6.1 Sei n ∈ N, n > 1, A ein Ring. Dann heißt das Polynom p ∈ A[X1 , ..., Xn ] symmetrisch in X1 , ..., Xn , wenn p(Xσ(1) , ..., Xσ(n) ) = p(X1 , ..., Xn ) für alle Permutationen σ ∈ Sn , d.h. das Polynom p ist symmetrisch genau dann wenn p invariant ist unter den Operationen der Permutationen. Vereinfacht ausgedrückt: Ein Polynom in mehreren Unbestimmten heißt symmetrisch, wenn man die Unbestimmten untereinander vertauschen kann, ohne das Polynom zu verändern. Beispiel: p=X +Y +1 q =X +Y2 → → p̃ = Y + X + 1 q̃ = Y + X 2 p ist symmetrisch q ist nicht symmetrisch Definition 6.2 Es seien T, X1 , ..., Xn Unbestimmte. Die Koeffizienten von (T + X1 )(T + X2 ) . . . (T + Xn ) = T n + σ1 T n−1 + . . . + σn als Polynom in T sind symmetrisch in X1 , ..., Xn ; sie heißen elementarsymmetrische Polynome. Die elementarsymmetrischen Polynome können explizit angegeben werden als σ1 = X1 + ... + Xn σ2 = X1 X2 + ... + X1 Xn + X2 X3 + ... + X2 Xn + ... + Xn−1 Xn .. . 13 σk = .. . P 1≤i1 <i2 <...<ik <n xi 1 · · · xi k σn = X1 ...Xn . Der Hauptsatz über elementarsymmetrische Polynome besagt, dass sich jedes symmetrische Polynom p ∈ Z[X1 , ..., Xn ] als Polynom in elementarsymmetrischen Polynomen σ1 , ..., σn in n Variablen schreiben lässt, also p(X1 , ..., Xn ) = P (σ1 (X1 , ..., Xn ), ..., σn (X1 , ..., Xn )) für ein Polynom P ∈ Z[X1 , ..., Xn ]. Für den Beweis dieser Aussage verweise ich auf [1], Satz 44.9. Nun zum Transzendenzbeweis. Beweisidee: Nehmen wir an π sei algebraisch und sei P ∈ Z[X] mit P (π) = 0. Dann erzeugen wir eine Zahl N ∈ Z, indem wir die Koeffizienten von P und Eigenschaften von π verwenden. Als nächstes zeigt man, dass N 6= 0 ist und somit 0 < |N |. Danach zeigt man, dass ebenso |N | < 1 gilt und kommt somit zu einem Widerspruch. Satz 6.3 Die Kreiszahl π ist transzendent. Beweis: Ist π algebraisch, dann ist auch θ1 = iπ algebraisch. Sei d der Grad von θ und P (X) ∈ Z[X] mit P (θ1 ) = 0. Mit l ∈ Z wird der Führungskoeffizient von P bezeichnet und mit θ1 , θ2 , ..., θd ∈ C alle Nullstellen von P in C. (x − θ1 )(x − θ2 ) · · · (x − θd ) = 0 Indem nun die Eulersche Identität eiπ = −1 verwendet wird, erhält man (1 + eθ1 )(1 + eθ2 )(1 + eθ3 ) · · · (1 + eθd ) = 0 Durch Ausmultiplizieren lässt sich der Ausdruck als eine Summe von 2d Termen der Form eΘ mit Θ = 1 θ1 + 2 θ2 + ... + d θd und ∈ {0, 1} schreiben. Nun nehmen wir an, dass genau n dieser Zahlen von 0 verschieden sind und bezeichnen diese mit α1 , ..., αn . Somit gilt (2d − n)e0 + eα1 + ... + eαn = 0 mit q := 2d − n ⇔ q + e0 + eα1 + ... + eαn = 0 ⇔ eα1 + ... + eαn = −q Dabei ist q ∈ N\ {0}. Setze nun f (X) = (lX)p−1 (lX − lα1 )p · · · (lX − lαn )p ⇔ = lnp X p−1 (X − α1 )p · · · (X − αn )p 14 (6.3) für eine Primzahl p und betrachte J = I(α1 ) + . . . + I(αn ). Mit (6.1) folgt nun J = e α1 m X fj (0) − j=0 m X fj (α1 ) + eα2 m X fj (0) − j=0 = −q fj (0) − j=0 fj (0) − j=0 j=0 = (eα1 + eα2 + . . . + eαn ) m X m X m X n X m X fj (α2 ) + . . . + eαn fj (αk ) fj (0) − j=0 j=0 m X n X m X m X fj (αn ) j=0 und wegen (6.3) j=0 k=1 fj (αk ), j=0 k=1 mit m = (n + 1)p − 1 und fj j-te Ableitung von f . Die Summe über k ist ein symmetrisches Polynom in lα1 , ..., lαn mit ganzen Koeffizienten. Aus dem Fundamentalsatz über elementarsymmetrische Polynome zusammen mit der Beobachtung, dass ein elementarsymmetrisches Polynom in lα1 , ..., lαn auch ein elementarsymmetrische Polynom in den 2d Zahlen lΘ ist, folgt: J ∈ Z. Da nun fj (αk ) = 0 für j < p folgt die Teilbarkeit durch p!. Außerdem ist fj (0) für j 6= p − 1 offenbar auch eine durch p! teilbare ganze Zahl und fp−1 (0) = (p − 1)!(−l)np (α1 · · · αn )p eine ganze Zahl, welche durch (p − 1)!, aber nicht durch p! teilbar ist, sofern p groß genug gewählt ist. Für p > q gilt somit J ≥ (p − 1)!. Aus (6.2) folgt aber, dass |J| ≤ |α1 | e|α1 | f¯(|α1 |) + . . . + |αn | e|αn | f¯(|αn |) ≤ C p für eine Konstante C unabhängig von p. Somit ergibt sich ein Widerspruch für N = genügend groß gewählt wird. Daraus folgt: Die Zahl π ist transzendent. q.e.d. J (p−1)! ∈ Z mit 0 < |N | < 1, wenn p 7 Resümee Trotz anfänglicher Skepsis entwickelte sich für mich Die Transzendenz von e und π im Lauf der Vorbereitung auf diese Hausarbeit zu einem sehr interessanten Thema. Dass die Transzendenzbeweise für e und π nicht nur komplizierte Beweise sind, bei denen man Abschätzungen an exotischen Integralen vornimmt, sondern dass sie ganz eng mit dem Thema der Quadratur des Kreises verbunden sind, wurde mir erst allmählich bewusst. Mit der intensiveren Beschäftigung konnte ich auch etwas von der Faszination spüren, die dieses Problem auf unsere mathematischen Urväter hatte. Ganze und rationale √ Zahlen sind uns selbst als Kinder geläufig. Dass es irrationale Zahlen (wie z.B. 2) gibt, lernen wir irgendwann zu verstehen. Aber dass Zahlen so wie e oder 15 π existieren, bei denen sich keine Regelmäßigkeit in den Nachkommastellen feststellen lässt und die durch ihre Transzendenz nicht einmal als Nullstelle eines ganzzahligen Polynoms aufzufassen sind, ist schwer zu begreifen. Natürlich konnte meine Hausarbeit nur einen kleinen Einblick in das Thema geben. Außerdem habe ich einige Beweise abgekürzt oder Sätze ohne Beweis verwendet. Interessierten Lesern empfehle ich deshalb das in der Bibliographie unter [1] aufgeführte Buch von Kaballo. Literatur [1] Kaballo, Winfried, Einführung in die Analysis. Spektrum Verlag, 2000, 2. Auflage. [2] Ebbinghaus, H.-D., Zahlen, Springer-Verlag, 1992, 3.Auflage. [3] Kramer, Jürg, Pippich, Anna v., Ist die Quadratur des Kreises möglich?, http://didaktik.mathematik.hu-berlin.de/Netzwerk/2007/pdf/berichtKramerPippich.pdf (Entnommen am 20.12.08) [4] Fritsch, Rudolf, Transzendenz von e im Leistungskurs?, http://www.mathematik.uni-muenchen.de/∼fritsch/euler.pdf (Entnommen am 20.12.08) [5] Fuchs, Clemens, Die Transzendenz von e und π, http://www.math.ethz.ch/∼fuchsc/hs08/itskript9101112-fuchs.pdf (Entnommen am 20.12.08) 16