www.praxismagazin-online.de • € 5,– • ISSN 1612-7307 • E 5973 • 29. Jahrgang 9 / 2012 Die medizinische Fachzeitschrift für Naturheilkunde Olivenblattextrakt bei Hypertonie Beratung Therapeutische Option Olivenblattextrakt bei Hypertonie Seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts werden die Inhaltsstoffe der Olivenblätter weltweit systematisch erforscht. Die angewandten Extrakte für medizinische Forschungen waren meist hochwertige konzentrierte Extrakte aus Olivenblättern von Olea europaea L, die eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit beim metabolischen Syndrom zeigen konnten. Die wirksamen Pflanzeninhaltsstoffe sind verschiedene Polyphenole wie Oleuropein und Flavonoide. Das Oleuropein als Leitsubstanz ist ein bitter schmeckendes Polyphenol, welches in sehr hohen Mengen im Blatt und nur in geringen Mengen im Olivenöl enthalten ist. Der reine Olivenblattextrakt (z. B. Olivenblattextrakt Natura SinoPlaSan®) enthält etwa 10 bis 12 mg/ ml Oleuropein. Titelfoto ©: Sebastian Kaulitzki – 123RF; Foto ©: joanna wnuk – iStockphoto – thinkstock Dosisabhängige Blutdrucksenkung Zahlreiche wissenschaftliche Studien konnten für Olivenblattextrakt neben einer antibakteriellen und antiviralen Wirkung auch gute Effekte bei Bluthochdruck dokumentieren. So beobachteten Cherif und seine Arbeitsgruppe [1] bei vorbehandelten wie auch neu einzustellenden Hypertonikern bei einer vorangestellten 15-tägigen Washout-Phase mit Plazebo nach einer 3-monatigen Therapie mit Olivenblattextrakt einen statistisch signifikanten Abfall des Blutdrucks (p < 0,001). Darüber hinaus fanden die Autoren auf niedrigerem Signifikanzniveau reduzierte Blutzuckerspiegel (p < 0,01) und Calciumwerte (p < 0,01). Nebenwirkungen und Veränderungen anderer biologischer Parameter wurden nicht beobachtet. In einer tierexperimentellen Studie [2] konnte gezeigt werden, dass die blutdrucksenkenden Effekte dosisabhängig sind und bei einer Dosierung von 100 mg/kg Körpergewicht am effektivsten waren. Wirkmechanismus geklärt Die Forschergruppe um Scheffler experimentierte 2008 mit Olivenblattextrakt an isolierten Kaninchen-Herzen und kultivierten Kardiomyozyten [3] und fanden eine konzentrationsabhängige Reduktion des systolischen Drucks im linken Ventrikel sowie einen erhöhten koronaren Blutfluss. Über Voltage clamp-Experimente konnte zudem festgestellt werden, dass Olivenblattextrakte die spannungsabhängigen L-Typ-Calcium-Kanäle reversibel hemmen und auf diese Weise die Kontraktionskraft der Herzmuskulatur regulieren. Damit hat Olivenblattextrakt auf physiologischer Ebene einen mit Calciumkanalblockern (Dihydropyridine) vergleichbaren Wirkmechanismus, der die antihypertensiven Effekte erklärt. Vergleichsstudie mit ACE-Hemmer Eine doppelblinde randomisierte klinische Studie [4] an Patienten mit Stufe I-Hypertonie untersuchte im Vergleich zum ACE-Hemmer Captopril eine antihypertensive sowie eine mögliche antilipämische Wirksamkeit von Olivenblattextrakt. Nach einer 8-wöchigen Behandlung konnte in beiden Gruppen der systolische (SBD) wie auch der diastolische Blutdruck (DBD) signifikant reduziert werden (s. Tab. 1). Darüber hinaus zeigte die Olivenblattextrakt-Gruppe im Gegensatz zu Captopril eine deutliche Verbesserung des Triglyceridprofils. Tab.1 Olivenblattextrakt (2 x 500 mg/d) Captopril (12,5 – 25 mg/d) vorher 149,3 ± 5,58 (SBD) / 93,9 ± 4,51 mmHg (DBD) 148,4 ± 5,56 (SBD) / 93,8 ± 4,88 mmHg (DBD) Reduktion nach 8 Wochen - 11,5 ± 8,5 (SBD) / - 4,8 ± 5,5 mmHg (DBD) - 13,7 ± 7,6 (SBD) / - 6,4 ± 5,2 mmHg (DBD) Praxis Magazin 3 / 2012 Insgesamt konnten diese Studien dokumentieren, dass Olivenblattextrakt beim metabolischen Syndrom und insbesondere bei der Hypertonie eine gute Wirksamkeit hat. Weitere Hinweise aus der Literatur legen auch eine adjuvante Behandlung bei Diabetes [5, 6] und bei Diabetes-induzierten neuropathischen Schmerzen [7] nahe. Daher könnte im naturheilkundlich orientierten Praxisalltag die adjuvante Gabe von Olivenblattextrakt beim metabolischen Syndrom neben einer Verbesserung der Parameter Blutzucker und Lipide eine Dosisreduktion oder ein Absetzen von chemisch-synthetischen Antihypertensiva möglich sein. Dies ist gerade bei multimedikamentös behandelten geriatrischen Patienten eine sicherlich bedenkenswerte therapeutische Option. Literatur 1) Cherif S et al.: J Pharm Belg. 1996 Mar-Apr;51(2):69-71. 2) Khayyal MT et al.: Arzneimittelforschung. 2002;52(11):797-802. 3) Scheffler A et al.: Ethnopharmacol. 2008 Nov 20;120(2):233-40. 4) Susalit E et al.: Phytomedicine. 2011 Feb 15;18(4):251-8. 5) Poudyal H et al.: J Nutr. 2010 May;140(5):946-53. 6) Wainstein J et al.: J Med Food. 2012 Jul; 15(7):605-10. 7) Kaeidi A et al.: J Ethnopharmacol. 2011 Jun 14;136(1):188-96. Folco Brümmer