Leitlinie Koronare Herzkrankheit A. Vorgehen bei Verdacht auf KHK 1. Basisdiagnostik Die Basisdiagnostik (Anamnese, klinische Untersuchung, Labor, Ruhe- und Belastungs-EKG, Echokardiographie) dient dazu, die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer therapiebedürftigen KHK zu bestimmen. Häufig führt bereits die Anamnese auf die richtige Spur. Anamnese Beschwerden (Schmerzcharakteristik, Differenzierung der Schmerzen in Richtung auf typische bzw. atypische Angina pectoris) Risikofaktoren, auch familiäre Disposition Körperliche Untersuchung Körpergröße + Gewicht (BMI) Blutdruck, Herzfrequenz Auskultation von Herz, Lunge und Gefäßen, Pulsstatus, Ödeme?, Halsvenenstauung? etc. Labordiagnostik Elektrolyte, Blutzucker, Lipidstatus, Kreatinin, Blutbild Ruhe-EKG Belastungs-EKG Diagnose atypischer Beschwerden Ausschluß einer Koronarinsuffizienz Ausmaß der Funktionseinschränkung 2. Ergänzende Basisdiagnostik Echokardiographie vor dem Belastungs-EKG - bei pathologischem Herzgeräusch - bei pathologischem Ruhe-EKG - bei Hinweisen für eine Herzinsuffizienz in Ruhe oder bei Belastung zum Ausschluß von anderen relevanten Herzerkrankungen Röntgen-Thorax bei Hinweisen auf eine Herzinsuffizienz in Ruhe oder bei Belastung bei Verdacht auf Vitien oder Kardiomyopathie zum Ausschluss extrakardialer Ursachen Duplexsonographie der Karotis bei thorakalen Beschwerden mit Risikofaktoren 03.2008/ Diener, Ramm, Wetzel Quellen: Edition Kardiologische Qualitätsnetze: KHK Ischämie-Diagnostik, 1999 Leitliniengruppe Hessen: Therapie der KHK, 2004 NVL_KHK Version 1.1 Mai 2006 Seite 1 von 6 Leitlinie Koronare Herzkrankheit 3. Erweiterte Diagnostik Wenn Wahrscheinlichkeit einer KHK gering ist: - bei unauffälliger Basisdiagnostik Wenn die Wahrscheinlichkeit einer KHK mittelgroß ist: - bei Riskofaktoren und nichteindeutigen/suspekten Ergebnissen der Basisdiagnostik - bei atypischer Angina pectoris mit unauffälligem Belastungs-EKG und/oder Risikofaktoren Suche nach extrakardialen bzw. psychosomatischen Ursachen Streßechokardiographie oder Thallium-Myokardszintigraphie (zur Festlegung der interventionellen oder operativen Therapie) Sind funktionell bedeutsame Koronarstenosen nachgewiesen oder nicht auszuschließen, erfolgt eine Koronarangiographie. Anderenfalls wird die Basisdiagnostik im halbjährlichen Abstand wiederholt. Wenn die Wahrscheinlichkeit einer KHK groß ist: - bei pathologischem Belastungs-EKG - bei typischer Angina pectoris - bei instabiler Angina pectoris - bei Angina pectoris bei niedriger Belastung Koronarangiographie (zur Festlegung der Therapiestrategie) B. Verlaufskontrolle bei Patienten, die als Koronarkranke bekannt sind Hierzu gehören Patienten mit bekannter KHK unter medikamentöser Therapie, Patienten nach STENT / PTCA oder Bypass-OP und Postinfarktpatienten. Die Patienten haben eine ausreichende linksventrikuläre Pumpfunktion und sind frei von höhergradigen Rhythmusstörungen. Verlaufskontrollschema (falls die Symptomatik oder neue Ereignisse keine frühere Untersuchung erfordern) Basisdiagnostik 4 und 12 Wochen nach Therapiebeginn bzw. nach Intervention, danach halbjährlich Ergibt die Basisdiagnostik den Verdacht auf eine Ischämie, so ist die erweiterte Diagnostik aus Abschnitt A angezeigt. 03.2008/ Diener, Ramm, Wetzel Quellen: Edition Kardiologische Qualitätsnetze: KHK Ischämie-Diagnostik, 1999 Leitliniengruppe Hessen: Therapie der KHK, 2004 NVL_KHK Version 1.1 Mai 2006 Seite 2 von 6 Leitlinie Koronare Herzkrankheit Konservative Therapie der Koronaren Herzkrankheit A. Wann ist eine konservative Therapie angezeigt? Die konservative Therapie ist die Ersttherapie. Sie wird durchgeführt, wenn eine interventionelle Therapie keine besseren Ergebnisse erwarten läßt, wenn eine interventionelle Therapie nicht möglich ist, wenn der Patient eine interventionelle Therapie ablehnt, als Überbrückung, so lange der KHK-Patient auf eine Intervention warten muß, wenn Ischämien und/oder Angina pectoris durch eine interventionelle Therapie nicht vollständig beseitigt werden können, als Begleittherapie aus prognostischen Gründen B. Allgemeine Maßnahmen Der Patient ist anzuhalten, vermeidbare Risikofaktoren (z.B. Rauchen, Übergewicht) abzubauen Behandelbare Risikofaktoren sollten konsequent diagnostiziert und therapiert werden Der Patient muß darüber aufgeklärt werden, wie er im Alltag Situationen, die zu Ischämien/Angina pectoris führen, vermeiden kann. Teilnahme an einer Herzsportgruppe C. Symptomatische Basistherapie Nitrospray zur Anfallsbehandlung Nitrate/Molsidomin zur Vermeidung einer Toleranzentwicklung muß ein nitratfreies Intervall von 8 – 10 Stunden in der Nacht eingehalten werden bei nächtlichen pectanginösen Beschwerden oder stummen Ischämien in den Morgenstunden sollte Molsidomin als nächtliche Gabe dazu gegeben werden. die erste Nitrateinnahme erfolgt gleich nach dem Aufwachen. Betablocker ohne ISA wenn zugleich andere Krankheiten mitbehandelt werden können, wie z.B. Hypertonie bei ventrikulären oder behandlungsbedürftigen supraventrikulären Rhythmusstörungen wenn Frequenzsenkung angestrebt wird D. Medikamentöse Kombinationstherapie, wenn die Basistherapie nicht ausreicht und eine interventionelle Therapie nicht angezeigt ist Nitrate und Betarezeptorenblocker kombiniert falls nach Ausschöpfung eines der beiden Basistherapeutika pectanginöse Beschwerden fortbestehen Nitrate und CalciumAntagonisten kombiniert falls nach Ausschöpfung der Nitrattherapie pectanginöse Beschwerden fortbestehen und Betarezeptorenblocker kontraindiziert sind Calcium-Antagonisten vom Typ Verapamil/Diltiazem bevorzugen, keine unretardierten Dihydropyrine einsetzen Nitrate und Betarezeptorenblocker kombiniert mit Calcium-Antagonisten die Dreifachkombination erfolgt erst, wenn die vorherigen Therapiewege keine ausreichende Wirkung gezeigt haben. 03.2008/ Diener, Ramm, Wetzel Quellen: Edition Kardiologische Qualitätsnetze: KHK Ischämie-Diagnostik, 1999 Leitliniengruppe Hessen: Therapie der KHK, 2004 NVL_KHK Version 1.1 Mai 2006 Seite 3 von 6 Leitlinie Koronare Herzkrankheit E. Prognostische Therapie ASS eine Indikation für ASS besteht bei allen Formen der KHK. Die Standarddosis ist 100 mg pro Tag. Betarezeptorenblocker nach Herzinfarkt, mindestens für die Dauer von zwei Jahren ACE-Hemmer Zur Prophylaxe einer Herzinsuffizienz bzw. zur Progressionshemmung: wenn sich die Auswurfleistung des Herzens verschlechtert hat (EF 40%) wenn die linke Herzkammer vergrößert ist wenn gleichzeitig Hypertonie oder eine diabetische Nephropathie besteht In diesen Fällen erfolgt die Dosierung einschleichend. Angestrebt wird die volle Dosierung von 150 mg/Tag bzw. 20 mg/Tag Enalapril CSE-Hemmer vergleiche Qualitätsstandard Fettstoffwechselstörung F. Zusätzliche Therapien bei Komplikationen Marcumar vergleiche Qualitätsstandard Antikoagulation bei Herzkrankheiten mit Cumarinen Antiarrhythmika vergleiche Qualitätsstandard Tachykarde ventrikuläre Arrhythmien 03.2008/ Diener, Ramm, Wetzel Quellen: Edition Kardiologische Qualitätsnetze: KHK Ischämie-Diagnostik, 1999 Leitliniengruppe Hessen: Therapie der KHK, 2004 NVL_KHK Version 1.1 Mai 2006 Seite 4 von 6 Leitlinie Koronare Herzkrankheit Medikamentöse Therapie der KHK (Schema) 03.2008/ Diener, Ramm, Wetzel Quellen: Edition Kardiologische Qualitätsnetze: KHK Ischämie-Diagnostik, 1999 Leitliniengruppe Hessen: Therapie der KHK, 2004 NVL_KHK Version 1.1 Mai 2006 Seite 5 von 6 Leitlinie Koronare Herzkrankheit G. Therapiekontrolle und Überwachung Bei Patienten ohne Herzinfarkt erfolgen vierteljährlich Befindlichkeitskontrolle, körperliche Untersuchung und Laborkontrolle und im jährlichen Abstand Belastungs-EKG, falls die Symptomatik oder neue Ereignisse keine frühere Untersuchung erfordern. Bei Patienten im Zustand nach Herzinfarkt erfolgen die Kontrollen gemäß dem Qualitätsstandard Überwachung von Infarktpatienten nach dem Krankenhaus. Schnittstellen in der hausärztlichen Betreuung Kooperationen Die koronare Herzkrankheit ist in allen ihren Ausprägungen eine Erkrankung, die ganz besonders eine Kooperation unter den beteiligten Fachgruppen benötigt. Die Risikostratifizierung bei Patienten mit stabiler Angina pectoris und asymptomatischer KHK sollte durch den Hausarzt erfolgen. Der Patient sollte bei Erstdiagnosestellung, bei Verschlechterung der Symptomatik und zur jährlichen Verlaufskontrolle – wenn diese nicht beim Hausarzt durchgeführt werden kann – dem Kardiologen vorgestellt werden. Bei Verschlechterung der Symptomatik sollte kurzfristig eine angemessene Abklärung erfolgen. Der Patient mit instabiler Angina pectoris sollte im Notarztwagen in ein Krankenhaus (mit der Möglichkeit invasiver Diagnostik) gebracht werden. In Absprache mit dem Hausarzt und unter Berücksichtigung der Risikokonstellation sollen die weitere Therapie und die Zeitintervalle für die fachärztlichen Kontrolluntersuchungen vom Facharzt vorgeschlagen werden. Notfallplan für Angina pectoris-Anfall Der Hausarzt sollte dem Patienten und seinen Angehörigen einen Notfallplan (Infozept) für den Angina pectoris-Anfall an die Hand geben. Notfallbehandlung durch den Hausarzt Nitrospray verabreichen (nur wenn RR syst. > 90 mmHg) falls keine Besserung: Notarzt bestellen und i.v.- Zugang (Braunüle) legen evtl. Schmerztherapie einleiten (z. B. 5 mg Morphinum hydrochloricum i.v.), evtl. kombiniert mit Antiemetikum (z. B. 1 Amp. Metoclopramid, i.v.) und einem Sedativum (z. B. 5 mg Diazepam i.v.) evtl. ASS i.v. (z. B 1/2 Amp. Aspisol®) nach Absprache mit dem Notfallkrankenhaus. Für die Gabe dieses Medikamentes besteht kein Zeitfenster 03.2008/ Diener, Ramm, Wetzel Quellen: Edition Kardiologische Qualitätsnetze: KHK Ischämie-Diagnostik, 1999 Leitliniengruppe Hessen: Therapie der KHK, 2004 NVL_KHK Version 1.1 Mai 2006 Seite 6 von 6