Sonderdruck aus salesbusiness 01-02.2013 sales business Springer Galber ❘ Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Wiesbaden Vertrieb | Verkauf | Strategie 8 | Chefsache Preis 28 | Jahresgespräche mit Industriekunden 53 | Mobile Lösungen für den Vertrieb Dr. Georg Tacke, CEO von SimonKucher & Partners „Die Fähigkeit, den richtigen Preis zu finden und durchzusetzen, muss man sich hart erarbeiten.“ »» Top-Story Interview DR. GEORG TACKE CEO der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners: „Wenn sich das Top-Management um das Thema Pricing kümmert, geben Unternehmen weniger Rabatte, setzen Preiserhöhungen besser durch und machen spürbar mehr Gewinn.“ 2 01/02.13 | salesbusiness „Viele Preiskriege basieren auf Missverständnissen“ Unternehmen, die das Thema Preis im Fokus haben, machen ein Viertel mehr Gewinn. Wie der B-to-B-Vertrieb bessere Preise erzielt, darüber sprach salesbusiness mit Dr. Georg Tacke, CEO der Pricing-Beratung Simon-Kucher & Partners. salesbusiness: Viele Unternehmen sehen sich Preiskämpfen ausgesetzt. Welche Fehler machen sie? Tacke: Sie unterschätzen das Thema Preis massiv. Besonders die Implikationen auf den Gewinn. Das hat zur Folge, dass Preise häufig aus der Hüfte geschossen werden. Man arbeitet intensiv an der Entwicklung neuer Produkte, aber über den Preis macht man sich erst kurz vor Markteinführung Gedanken. salesbusiness: Trotzdem, der Leidensdruck ist hoch … Tacke: Der Leidensdruck ist da, aber er wird nicht übertragen auf das Thema Pricing. Es heißt eher, „wir sind in einem schwierigen Umfeld, der Wettbewerb ist so hart“. Wenn Sie nach Gründen für den Preisdruck fragen, kommen als Antworten ausschließlich externe Ursachen. Nach unserer Erfahrung ist die Fähigkeit, den richtigen Preis zu finden und durchzusetzen, aber eine interne Fähigkeit, für die man hart arbeiten muss. salesbusiness: 2013 wird der Preisdruck weiter steigen. Wie sollen Unternehmen reagieren? Tacke: Ich warne davor, dem nachzugeben. Also proaktiv die Preise zu senken oder dem Vertrieb einen größeren Rabattspielraum zu geben. Meine Empfehlung lautet: Bleib bei deinem Fahrplan und wenn der Fahrplan vorsieht, dass du aufgrund gestiegener Rohstoffkosten deine Preise erhöhen musst, dann tu das. salesbusiness: Also weiterhin die Marge im Blick behalten? Tacke: Auf jeden Fall. Kostensteigerungen von vier oder fünf Prozent können Unternehmen auf Dauer nicht ohne Preiserhöhung wegstecken. salesbusiness: Sie haben Firmen zu ihrem Preismanagement befragt. Was hat Sie am meisten überrascht? Tacke: Dass der Anteil der Unternehmen, der angibt im Preiskrieg zu stehen, nochmals gestiegen ist. Man hätte denken können, der Prozentsatz von 46 Prozent aus der Studie 2011 war schon so hoch, die Unternehmen lernen daraus, aber das ist offensichtlich nicht so. Laut der aktuellen Pricing Studie 2012 befinden sich schon 59 Prozent der Unternehmen in einem Preiskrieg. Überrascht hat mich auch die Tatsache, dass, wenn sich das Top-Management um das Thema Pricing kümmert, das sehr deutlich spürbar ist. Diese Unternehmen setzen ihre Preise besser durch, führen häufiger Preissteigerungen durch – und sie machen mehr Gewinn. salesbusiness: Von welchen Branchen kann man beim Preismanagement lernen? Tacke: Eindeutig von der Pharmaindustrie. Pharmaunternehmen denken schon während der F&E-Phase darüber nach, wie sie ein Produkt über seinen Lebenszyklus am besten monetarisieren. Sie fangen früh an, denken global und über alle Zielgruppe hinweg. Auch die professionelle Soft wareindustrie agiert ganz hervorragend. Sie differenziert nach Anwendern, nach Branchen, nach salesbusiness | 01/02.13 Ländern und überlegt genau, mit welchen Preis-Modellen sie ihre Produkte gewinnbringend verkaufen kann. salesbusiness: Die deutsche Industrie hat hervorragende Produkte und ist sehr kundenorientiert. Warum hakt es beim Thema Preis? Tacke: Weil die Unternehmen sich auf Produkte und Kunden konzentrieren und zu wenig Ressourcen in die Preisanalyse und Preisstrategien stecken. Und sie erschrecken, wenn Kunden sagen „Ihr seid gut, Ihr habt einen klasse Service, aber Ihr seid teuer“. Wenn ein Unternehmen bei der Qualität und beim Service gut aufgestellt ist, dann darf der Kunde aber ruhig sagen „Ihr seid teuer“. salesbusiness: Wie vergrößern Unternehmen ihre Preismacht? Tacke: Indem sie sich früh mit dem Thema beschäft igen. Welches Industrieunternehmen überlegt schon Jahre oder Monate vor dem Marktstart, was für dieses Produkt die richtige Preisstrategie wäre?! Wichtig ist auch ein ganzheitlicher Ansatz. Wenn in einem Segment die Preisbereitschaft nicht da ist, setzt man den Preis niedriger, übersieht aber die Gefahr der Kannibalisierung. Unternehmen, die ganzheitlich denken, verzichten lieber auf solche Segmente. Anbieter sollten auch gezielt darüber nachdenken, wie sie ihre Produkte differenzieren, um vorhandene Preisbereitschaften abzuschöpfen. In einer Branche mit sehr niedrigen Margen kann ich keine so hohe Rendite erwarten wie in Industrien mit hohen Margen. Also muss ich meine Produkte so anpassen, dass ich genau dort mehr abschöpfe als in den Niedrigpreisbranchen. salesbusiness: Was droht Unternehmen, die sich zu wenig um den Preis kümmern? Tacke: Sie werden zu Getriebenen. Sie können Preiserhöhungen, die sie eigentlich durchführen müssten, nicht umsetzen, geben zu hohe Rabatte und das kostet sie laut unserer Studie ein Viertel ihres Gewinns. salesbusiness: Die konkreten Angebote schreibt der Vertrieb. Was läuft hier falsch? Tacke: Wenn wir an drei Standorten eines Unternehmens Angebote einholen, erhalten wir in der Regel drei unterschiedliche Preise. Manchmal verteilen wir interne Ausschreibungen an Vertriebler. Präzise Anfragen mit exaktem Lastenheft . Trotzdem unterscheiden sich die Angebote oft mals um bis zu 100 Prozent. Das ist für das Management erschreckend und ist so niemandem bewusst. salesbusiness: Sind also die Verhandlungsspielräume zu groß? Tacke: Es liegt eher daran, dass das Bauchgefühl der Leute, die in der Transaktion die Entscheidung treffen, sehr unterschiedlich ist. Die meisten Firmen haben 20 bis 25 Prozent absolute Top-Vertriebler, denen es gelingt, für die tolle Leistung, die ihr Unternehmen bietet, einen adäquaten Preis durchzusetzen. Andere können das gar nicht und dann gibt es das große Mittelfeld. Diese Unterschiede 3 müssen sie ausgleichen. Mit systematischen Hilfen, die die Schlechten und Mittleren näher an die Besten bringen. salesbusiness: Wie helfen Pricing-Systeme am Verhandlungstisch? Tacke: Der Einkauf hat auch seine Systeme, er bewertet die Anbieter, kategorisiert sie und will nur noch den Preis vergleichen. Er hat aufgerüstet und ist auf Verhandlungen deutlich besser vorbereitet als der Vertrieb. Wenn man sich ums Pricing kümmert und selbst Systeme einführt, kämpft man zumindest mit den gleichen Waffen. Dann kann der Vertrieb präzise analysieren, ist besser vorbereitet und nachweislich erfolgreicher. Wenn Sie ein Pricing-Tool live schalten, geht ab dem ersten Tag die Rabattvergabe nach unten und die Marge nach oben. salesbusiness: Firmen, deren Top-Management sich um das Pricing kümmert, sind profitabler. Sollten also die Chefs die Preise machen? Tacke: Die Geschäftsführung muss dafür sorgen, dass das ganze Unternehmen auf das Thema einen großen Wert legt. Indem sie das entsprechende Bewusstsein und eine Pricing-Organisation schafft, Esklationsregeln festlegt und dafür sorgt, dass die Preise nicht ausschließlich im Vertrieb gemacht werden. Der Preis ist ein großer Gewinnhebel. Deshalb gehört das Thema Pricing auch auf jede Geschäftsführungssitzung – als Pricing-Cockpit mit wenigen, aussagekräft igen Kennzahlen. Außerdem sollte das Top-Management ein bis zwei Stunden im Monat beim Preis in die Tiefe schauen. Zu Konditionensystemen, Angeboten oder Verträgen Fragen stellen und sich damit beschäft igen. So wird klar, dass der Geschäftsführung das Thema wichtig ist. Das versetzt Berge. salesbusiness: Wenn es so einfach ist, warum tut es niemand? Tacke: Weil Top-Manager sagen, der Preis, das ist Mechanik, die wird im Maschinenraum gemacht, damit habe ich nichts zu tun. Aber wenn es nicht richtig läuft, hat der Preis eben einen enorm negativen Einfluss auf den Gewinn. salesbusiness: Auktionen und Onlinevergaben, wie hilft da ein gezieltes Preismanagement? Tacke: Es gewinnt nicht immer der Günstigste. Weil nicht alle zu 100 Prozent vergleichbar sind. Ich muss also wissen, welches Premium ich mir leisten kann. Oder inwiefern ich eine Auktion oder einen Ausschreibungstext vorab beeinflussen kann. Wenn ich besser als die Konkurrenz bin und die bei geschätzten 100 liegt, warum biete ich nicht 105? Viele deutsche Unternehmen haben viel zu bieten und schöpfen dieses Potenzial nicht aus. salesbusiness: Setzt der Vertrieb die falschen Anreize? Braucht er engere Spielräume? Tacke: Nicht unbedingt. Die Preiskompetenz und die Durchsetzungskompetenz einzelner Vertriebsorganisationen sind sehr unterschiedlich. Deshalb empfehle ich immer, schau dir deinen Außendienst an und schnitz dann das Incentive-System, die Rabatt-Spielräume und Boni, die zu ihm passen. Je höher sein PricingKnow-how, desto größer kann und sollte sein Spielraum sein, damit er die Potenziale im Markt voll ausschöpft. Eine Organisation oder Landesgesellschaft , die noch dazulernen muss, fährt mit einem engeren Korsett hingegen deutlich besser. 4 salesbusiness: Wo sollte die Preishoheit liegen? Tacke: Wenn das Unternehmen noch kein Pricing-Profi ist, würde ich eine kleine Pricing-Organisation ganz oben ansiedeln, um während der nächsten Jahre, in denen ich das Unternehmen in Richtung Pricing-Excellence bringen will, genug Power drauf zu haben. Ansonsten gehört das Thema ins Marketing. Die Arbeitsteilung sieht so aus: Pricing und Marketing machen die Preise, gestalten die Systeme und Rabatte und lassen einen Freiraum, den der Vertrieb ausschöpfen muss und kann. Wenn dann der Vertrieb sagt, „ich komme mit den Spielräumen nicht zurecht“, ist das oft ein Indikator, dass die Preise nicht stimmen. salesbusiness: Die meisten Unternehmen empfi nden sich als zu teuer, obwohl das nicht stimmt. Sind Preiskriege einem Irrglauben geschuldet? Tacke: Viele Preiskriege basieren tatsächlich auf Missverständnissen. Zum einen werden Preissenkungen des Wettbewerbs meist als Angriff wahrgenommen, obwohl sie das nicht immer sind. Dass die Unternehmen sich selbst als teurer bewerten als sie es sind, liegt daran, dass die Informationen, die sie über den Wettbewerb erhalten, fast ausschließlich Niedrigpreisinformationen sind – etwa wenn sie einen Deal verloren haben. Die Informationslage ist also asymmetrisch. salesbusiness: Wie kommt man an verlässliche Preisinformationen? Tacke: Das ist schwierig und oft mals teuer. Unsere Empfehlung lautet deshalb, nach innen zu schauen. Heißt: Bei welchem Preis habe ich einen Auftrag gewonnen und bei welchem verloren. Die eigenen Angebote, ihre Erfolge und Misserfolge, die sollte man sauber analysieren. Extern muss man mit gewissen Unsicherheiten leben. salesbusiness: Viele Firmen scheuen sich vor Preiserhöhungen, weil sie Absatzrückgänge fürchten, auch solche, die sie sich leisten können, weil der Gewinn gar nicht leidet … Tacke: Die Frage, welchen Absatzverlust man sich bei einer Preiserhöhung um fünf Prozent und einer bestimmten Marge erlauben kann, können die wenigsten Manager beantworten; in unserer Studie war es nur ein Drittel. Das ist erschreckend. Gute Außendienstler haben eine kleine Karte in der Tasche, da steht drauf, wie viel mehr Menge sie bei welchem Rabatt reinholen müssen oder wie viel Absatzverlust sie hinnehmen können. Es ist eine einfache mathematische Formel. salesbusiness: Gibt es noch andere Gründe, warum der Mengenverlust so schreckt? Tacke: Marktanteil und Volumen sind bei den Zielsetzungen absolut überrepräsentiert. Wenn der Chef sagt, „Ihr holt jeden Deal, den ihr bekommen könnt“, dann enden Sie im Preiskrieg. Wenn er aber sagt, „balanciert Preis und Volumen so, dass ihr den höchsten Gewinn erzielt“, dann agiert der Vertrieb anders. Die Sanktionen kommen leider aber häufig, wenn jemand Volumen verloren hat. Es ist eine Frage des Erkennens und dann eine Frage der Priorisierung. Gehe ich tastsächlich auf Profit? Oder verlässt mich der Mut, wenn ich auch mal ein bis drei Prozent Menge verliere. Die Unternehmen, die Preiserhöhungen durchgesetzt haben, die haben diesen Mut gehabt, die haben vielleicht drei, vier Prozent Volumen verloren, stehen aber vom Gewinn her deutlich besser da. « Das Interview führte Annette Mühlberger 01/02.13 | salesbusiness Top-Story Preismanagement Foto:© Anthia Cumming / iStockphoto.com »» Chefsache Preis Annette Mühlberger 2013 wird der Druck auf die Preise weiter steigen. Unternehmen, die den Preis zur Chefsache machen, profitieren. Sie setzen ihre Preise besser durch, machen mehr Umsatz und mehr Gewinn. HIER LESEN SIE … • wie Sie es schaffen, bessere Preise zu erzielen und mehr Gewinn zu machen, • wie viel Rabattspielraum der Außendienst braucht, • wie Sie die Zahlungsbereitschaft von Kunden besser abschöpfen, • warum auch der B-to-BVertrieb ein systematisches Preismanagement braucht, • warum am Preiskampf nicht immer die Konkurrenz schuld ist. D er Leidensdruck beim Preis ist hoch. Fast 60 Prozent der Unternehmen sahen sich 2012 in Preiskriege verwickelt. 80 Prozent beklagten sich, dass der Preisdruck weiter gestiegen ist und rechnet nicht mit Besserung. Dabei führen Preisrückgänge zu drastischen Gewinneinbrüchen (eine amerikanische Studie spricht von durchschnittlich 12,3 Prozent Margenverlust bei einer Preissenkung von nur einem Prozent). In Deutschland sind vor allem die Industriegütermärkte von einem zunehmenden Preisverfall betroffen. Auch die deutschen Privatkunden gelten – neben den chinesischen – als die preissensitivsten Konsumenten überhaupt. Sie nehmen es Händlern schon fast persönlich übel, wenn diese zu hohe Preise verlangen. Im Industrie-Vertrieb sieht es kaum besser aus. Hier sitzt der Außendienst einem hochgerüsteten Einkauf gegenüber, der sich am Verhandlungstisch nur noch für eines interessiert: den richtigen Preis – und der sollte natürlich so niedrig wie möglich sein. Der Teufelskreis: Sinkende Preise bei steigenden Kosten Auch 2013 wird in Bezug auf den Preis kein einfaches Jahr. Die Konjunktur hat an Schwung verloren und die Inflation drückt auf die Preise. Dabei ist der salesbusiness | 01/02.13 Preis einer der stärksten Gewinnhebel überhaupt und Preissenkungen – zumal bei gestiegenen Material- und Rohstoff preisen – auf Dauer für Unternehmen kaum wegzustecken. Umgekehrt ist kaum ein Marketing- und Vertriebsinstrument so sensibel und wirkt so schnell und stark auf Wettbewerb und Kunden wie der Preis. Preisentscheidungen sind schnell umsetzbar, aber nur schwer umkehrbar. Das verführt auf der einen Seite. Und macht auf der anderen Seite die Preisfindung zu einem komplexen Gebilde, dem Unternehmen viel Aufmerksamkeit schenken sollten. Unternehmen können selbst viel für ihre Preismacht tun Doch das passiert – besonders im IndustriegüterVertrieb – noch viel zu wenig. „Das Pricing und dessen Implikationen auf die Unternehmensperformance werden zu selten kritisch hinterfragt“, beklagt nicht nur Harald Klaiber, Geschäftsführer der Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH. Klaiber ist Teilnehmer einer Studie der Universität Mannheim (Institut für Marktorientierte Unternehmensführung) zur Organisation des Pricings im Industriegüterbereich. Nicht nur diese Studie zeigt: Unternehmen können selbst sehr viel dafür tun, damit sie ihre Preise und notwendige Preiserhöhungen 5 »» Top-Story Preismanagement am Markt erfolgreicher durchsetzen. Dr. Alexander Hahn, Mitautor der Studie, sagt: „Die Organisation des Pricings beeinflusst sowohl die Profitabilität als auch das Umsatzwachstum.“ Die Mannheimer fanden heraus: • Die Qualität der zentralen, strategischen Preisentscheidungen steigt, wenn die Bereiche Marketing, Vertrieb und Finanzen in der Preisfindung eng zusammenarbeiten. Das betrifft Entscheidungen wie die strategische Bepreisung neuer Produkte, die Anpassungen von Listenpreisen, die Gestaltung von Rabattsystemen und das langfristige Preiscontrolling. • Eine hohe dezentrale Preissetzungsautorität im Vertrieb hat für Unternehmen Vor- und Nachteile. Vertriebsmitarbeiter mit größeren Preisspielräumen sind motivierter, können die Zahlungsbereitschaft von Kunden in Verhandlungen besser abschöpfen und auf geänderte Marktbedingungen besser reagieren. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass der Außendienst – mit solch großen Freiheiten ausgestattet – schneller Rabatte gibt, um seine Umsatzziele zu erreichen. Hahn: „Nervöse Überreaktionen auf Wettbewerbspreise können so schnell zu Preiskriegen führen und das Wissen der Kunden und diese Entscheidungshoheit zu einer unangenehmen Anspruchsinflation.“ Das Fazit der Untersuchung, der das Preisverhalten von 338 Industrieunternehmen zugrunde liegt, lautet deshalb: Am profitabelsten wirtschaften Unternehmen, die ein Mittelmaß von taktischer Preisautorität an ihre Vertriebsmitarbeiter delegieren. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen die auf das Thema Preismanagement spezialisierte Unter- nehmensberatung Simon-Kucher & Partners und ihr CEO Dr. Georg Tacke im salesbusiness-Interview. Tacke empfiehlt, den Preisspielraum des Außendienstes abhängig von seiner Fähigkeit zur Preisdurchsetzung zu machen. Seine Erfahrung: „Die Preis- und Durchsetzungskompetenz einzelner Außendienstorganisationen sind sehr unterschiedlich. Je höher die Preiskompetenz, desto größer kann und sollte der Spielraum sein, damit der Außendienst die Potenziale im Markt voll ausschöpft. Eine Vertriebsorganisation oder Landesgesellschaft, die an dieser Stelle noch dazulernen muss, fährt mit einem engeren Korsett hingegen deutlich besser.“ (Das komplette Interview lesen Sie auf Seite 12) Der Preis gehört in die Chefetage Auch Simon-Kucher & Partners hat 2012 europaweit 2 700 Entscheider von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen zum Thema Pricing befragt. Deren Antworten bestätigen den großen Einfluss, den die Unternehmen selbst auf die Durchsetzung ihrer Preise am Markt und damit auf ihren Gewinn haben. Und zwar unabhängig davon, wie hart der Wettbewerb und wie preissensibel die Kunden im Einzelfall sind. Das wichtigste Ergebnis: Die oberste Führungsebene muss sich des Themas Preis annehmen und sie sollte eine kleine, schlagkräft ige Organisation schaffen, die sich kontinuierlich um das Thema Pricing kümmert. Dass sich das lohnen kann, belegen folgende Zahlen: • Die Unternehmen, deren Top-Management sich aktiv dem Thema Preis widmet, erzielen höhere Gewinne (bis zu 30 Prozent häufiger) und setzen ih- CHECKLISTE Das gibt es rund um den Preis zu tun Preisstrategie festlegen • strategische Preispositionierungen für Produkte, Produktlinien und Kundensegmente vorgeben • Kundennutzen, Wettbewerbsposition, Kosten berücksichtigen • Preise mit Zielgrößen der Vertriebs- und Marketingplanung abstimmen Preise durchsetzen • Kunden von Preisen und Leistungen überzeugen • Nutzens kommunizieren • kundenspezifische Konditionen anbieten • individuelle Kundenbedürfnisse berücksichtigen • Umsatzdruck aushalten • Tendenz zum Preisnachlass auf Kosten der Marge verringern/verhindern Preise hüten • direkte und indirekte Konditionenarten analysieren • erzielte Netto- und Wettbewerbspreise überwachen • internationale Preiskorridore, Preisbänder, Abgabepreise des Handels und Wettbewerbspreisen untersuchen Auf den Preis trainieren • Methoden und Instrumente zur Findung, Steuerung und Durchsetzung von Preisen • Tools und Checklisten • Trainings und Schulung Preise managen • Preisaktivitäten zentral koordinieren • kontinuierliche Verbesserung der Pricing-Excellence sicherstellen BUCHTIPPS Preismanagement auf Business-toBusiness-Märkten Preisstrategie – Preisbestimmung – Preisdurchsetzung von Christian Homburg und Dirk Totzek Springer Gabler 2011 ISBN 978-8349-1559-7 69,95 Euro Preismanagement Strategie – Analyse – Entscheidung – Umsetzung von Hermann Simon und Martin Fassnacht Springer Gabler 2009 ISBN 978-3-409-39149-9 59,90 Euro www.springer-gabler.de Quelle: Kunold/Antolin: Systematisches Preismanagement im Maschinenbau. In: Homburg/Totzek: Preismanagement in Businessto-Business-Märkten, Springer Gabler 2011 6 01/02.13 | salesbusiness RECHENBEISPIEL Mit welchem Preis in die Ausschreibung? Selbst wenn, wie in Ausschreibungen, allein der Preis über den Zuschlag entscheidet, gibt es Methoden, die Unternehmen davor schützen, zu günstige Angebote abzugeben und Gewinn zu verschenken. Homburg und Totzek schlagen folgendes Vorgehen vor: Für alternative Angebote wird der erwartete Gewinn berechnet und der Angebotspreis gesetzt, der den Gewinn maximiert (in diesem Fall eine Million Euro, rot markiert). mögliches Gebot (€) Kosten (€) geschätzte Auftragswahrscheinlichkeit (%) Gewinn bei Auftrag (€) erwarteter Gewinn (€) 800 000 900 000 100 -100 000 -100 000 900 000 900 000 90 0 0 1 000 000 900 000 60 100 000 60 000 1 100 000 900 000 20 200 000 40 000 1 200 000 900 000 5 300 000 15 000 1 250 000 900 000 0 350 000 0 Quelle: Christian Homburg, Dirk Totzek: Preismanagement in Businessto-Business-Märkten. Springer Gabler 2011, Seite 28 re Preise am Markt besser durch als Firmen, deren Geschäftsleitung das nicht tut (zu 35 Prozent besser). Sie setzen auch geplante Preiserhöhungen erfolgreicher durch (18 Prozent häufiger). • Zentrale Pricing-Organisationen haben einen ebenso deutlichen Einfluss auf die Preisdurchsetzung und den Gewinn. Wer mit einer solchen Organisation arbeitet, kann seine Preise häufiger erhöhen (um 13 Prozent häufiger) und auch die Gewinnerwartungen steigen merklich an (um 14 Prozent). Wer beim Preis falsch liegt, verliert hingegen 25 Prozent seiner Marge. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer die richtigen Preise durchsetzt, macht im Mittel ein Viertel mehr Gewinn als ein Unternehmen, dem das nicht gelingt. Immer auch eine Kopfsache Natürlich beeinflussen Anreizsysteme und Motivation der Vertriebsmitarbeiter deren Preisentscheidungen. Unternehmen müssen sich entscheiden, ob sie den Fokus eher auf Profit oder auf Menge und Marktanteile legen. Tacke: „Wenn der Chef sagt, balanciert Preis und Volumen so, dass ihr den höchsten Gewinn erzielt, agiert der Vertrieb anders, als wenn er sagt, holt jeden Deal, den ihr bekommen könnt.“ Richtige Preise sind eben immer auch eine Kopfsache. Fangen den Preiskampf immer die anderen an? Der wahrgenommene Fokus des Wettbewerbs spielt bei der Preisgestaltung ebenfalls eine Rolle. Während die Unternehmen selbst angeben, Hauptziel ihrer Preisstrategie sei die Steigerung ihrer Marge, sieht rund die Hälfte von ihnen den Fokus der Branche klar auf Menge und Marktanteilen. Ist also immer der Wettbewerb schuld am Preiskampf?! Fangen salesbusiness | 01/02.13 immer die anderen an?! Dr. Georg Tacke erklärt die Wahrnehmung so: „Wenn Sie Unternehmen nach den Gründen für den Preiskampf befragen, bekommen Sie als Antworten immer externe Gründe genannt. Dabei lautet unsere Erfahrung, dass die Fähigkeit, den richtigen Preis durchzusetzen, eine interne Fähigkeit ist, die sich die Unternehmen hart erarbeiten müssen.“ Hinzu kommt: Nicht jede Preissenkung der Konkurrenz ist immer gleich ein Angriff auf den Wettbewerb, wird aber meist so verstanden. Zwei Drittel der befragten Unternehmen gaben in der Simon & Kucher-Studie an, generell nicht in der Lage zu sein, den richtigen Preis für ihre Produkte durchsetzen zu können. Was bedeutet: Zwei Drittel von 2 700 europäischen Vertriebs- und Marketingentscheidern schätzen ihre Preismacht als ausgesprochen gering ein. Nur ein Drittel gibt an, über eine hohe Preismacht zu verfügen. Diese Manager begründen die Preisstärke ihres Unternehmens mit einer starken Marktposition, hochwertigen Produkten und einem guten Vertriebsteam. Wem es dann noch gelingt, nicht nur sein Preisniveau zu halten, sondern dieses zu steigern, bei dem vergrößert sich in der Regel auch der Gewinn (bei knapp 70 Prozent der preisstarken Unternehmen ist das so). Allerdings konnten die befragten Unternehmen in Summe nur die Hälfte ihrer geplanten Preiserhöhungen überhaupt durchsetzen. Preisanker: Wenn Kunden plötzlich teuer kaufen Dabei kommt es bei der optimalen Preisgestaltung auch darauf an, Produktpreise geschickt zu differenzieren und zu bündeln. Auch Preisanker spielen eine Rolle. Für den Consumerbereich gibt es zahlreiche Untersuchungen, wie massiv sich Ankerpreise auf die Kaufentscheidung auswirken und wie Kunden durch eine effiziente Preislistengestaltung auf höherwertige Produkte geleitet werden und damit auf den höheren Preis. Eine Studie von OC&C Strategie Consultants nennt ein anschauliches Beispiel: Bietet ein Restaurant Weine von 18 bis 30 Euro an, so wählen einige Kundensegmente den günstigen Wein bewusst nicht, um nicht als „sparsam“ zu gelten. Zugleich wird aber der 30-Euro-Wein als teuer empfunden und ebenso selten geordert. Ergänzt der Wirt sein Angebot um einen 45-EuroWein, erscheint die Flasche zu 30 Euro plötzlich als normal und wird deutlich häufiger bestellt. Der Absatz des höherwertigeren Produkts steigt an, allein durch den höheren Preisanker. Auch die Zimmerangebote von Hotelketten sind ein Beispiel für die Auswirkung von Preisankern: Beim Angebot von Standard-, Deluxe-, Executive-Zimmern und -Suiten, wird eher das Deluxe- und nicht das Standard-Zimmer gebucht und das Executive-Zimmer von Kunden deutlich häufiger verlangt, als wenn keine Suite im Angebot wäre. 7 Top-Story Preismanagement Kundenorientierte Preise bringen den höchsten Profit TESTFRAGE Auch im Industriebereich, wo die Preisgestaltung bedeutend komplexer ist als im Consumer-Umfeld, ist die optimale Ausgestaltung des Preissystems von zentraler Bedeutung. Homburg und Truzek (siehe Buchtipp) weisen darauf hin, dass die Preisdifferenzierung im Industrievertrieb umso erfolgreicher ist, wenn sie kundenbezogen erfolgt. Kundenbezogene Preise können Unternehmen in der Regel sehr gut durchsetzen und so ihre Umsatzrentabilität steigern. Bei erfolgreichen Industrieunternehmen liegt der Anteil kundenorientierter Preisbestimmung so auch rund ein Drittel höher als bei vergleichbaren Unternehmen. Im B-to-B-Bereich dominiert allerdings immer noch die kostenorientierte Preisfi ndung, mit der sich die unterschiedlich hohe Zahlungsbereitschaft von Kunden und Segmenten nur schlecht abschöpfen lässt. So entstehen Preise allein aufgrund der eigenen Kostenstruktur und der Vertrieb gibt seinen Aufschlag nach subjektiver Wahrnehmung von Wettbewerbs- und Marktpreisen obendrauf. Die Preisspielräume und die Preisverantwortung im Außendienst sind hoch und werden selten systematisch kontrolliert. Das Preisverhalten im B-toB-Vertrieb sieht oft so aus: • Es gibt große Unterschiede zwischen Listenpreisen und tatsächlich erzielten Netto-Preisen und das aus unterschiedlichen Ursachen, die niemand in Gänze kennt. • Welche Rabatte welcher Kunde auf den Grundpreis erhält, welche Boni wie häufig und für wen nach Rechnungsstellung gewährt werden und ob die Rabatt- und Bonivergabe an diese Kunden überhaupt sinnvoll ist, ist unklar. Viele Rabatte und Boni werden zudem aus reiner Gewohnheit vergeben. Das heißt, Kunden die einmal groß waren, erhalten nach wie vor ihren gewohnten Rabatt, obwohl Wissen Sie die richtige Antwort? Wissen Sie, wie viel Mengenverlust Sie sich erlauben können, ohne dabei Gewinn einzubüßen, wenn Sie einen Deckungsbeitrag von 35 Prozent haben und Ihren Preis um fünf Prozent erhöhen wollen? Antwort: 10 bis 15 Prozent Wenn Sie das nicht wussten oder mit Ihrer Antwort falsch lagen, sind Sie (leider) in guter Gesellschaft. Von den 71 Prozent der Entscheider, die angaben, den Wert zu kennen (29 Prozent sagten frei heraus, sie hätten keine Ahnung), errechneten nur 30 Prozent den richtigen Wert (Quelle: SimonKucher & Partners). »» sie ihre herausragende Bedeutung für das Unternehmen längst verloren haben. • Rabatte werden nicht an Gegenleistungen oder Zusatzkäufe des Kunden geknüpft , sondern „frei Haus“ vergeben. Wer diesen Wildwuchs verhindern will, braucht eine zentrale Preisstrategie, ein leistungsorientiertes Konditionen- und Rabattsystem und eine einheitliche Preissystematik, die über ein PricingCockpit regelmäßig kontrolliert wird. Dr. Georg Tacke sieht ein solches Preis-Cockpit gar als Tagesordnungspunkt auf jeder Geschäft sführungssitzung. Hier hinein gehören Kennzahlen wie die Preisdurchsetzungsquote, die Durchsetzungsquote von Preiserhöhungen usw. Zudem muss die Rabatt- und Konditionenvergabe transparent und nachvollziehbar sein. Letztlich ist auch das Rabattsystem (inklusive Naturalrabatte und Zahlungsbedingungen) ein Teil der kundenorientierten Preispolitik. « Annette Mühlberger, Journalistin für Verkauf, Marketing und Management, www.redaktion-muehlberger.de HINTERGRUND Warum die Preise so unter Druck stehen professioneller Kundeneinkauf hohe Preis-Transparenz schwache Nachfrage intensiver Wettbewerb Global Sourcing Internet, elektronische Marktplätze wirtschaftlicher Abschwung/Krisen aggressives Pricing der (neuen) Wettbewerber zentraler Einkauf Euro Überkapazitäten Rabattschlachten (Dauertiefpreise, Geiz ist geil…), Preiserosion steigende Leistungserwartungen komplexe, internationale Warenströme schlechte finanzielle Position direkter Kunden/Insolvenzen graue Märkte für Ersatzteile/ gebrauchte Teile hohes Kostenbewusstsein Zusammenschlüsse von Kunden (Fusionen, Einkaufskooperationen) Endkunden zunehmend preisorientiert Ð Ð Ð Ð hoher wahrgenommener Preisdruck Quelle: Kunold/Antolin: Systematisches Preismanagement im Maschinenbau. In: Homburg/ Totzek: Preismanagement im Business-to-Business-Märkten, Springer Gabler 2011 8 01/02.13 | salesbusiness