Marktorientierte Preise für komplexe Industriegüter setzen und die Profitabilität steigern Dr. Rainer Meckes Philipp Jaenicke Pantaley Dimitrov www.simon-kucher.com Inhaltsverzeichnis 1.Einführung4 2. Preissetzung ist häufig unzureichend 4 3. Trennung von Produkt- und Kundenpreis5 4. Marktorientierte Herleitung der Bruttopreise (Produktseite) 7 5. Systematische Herleitung des auftragsspezifischen Kundenpreises 7 6. Zusammenfassung & Empfehlung 11 Simon-Kucher & Partners Autoren 12 14 1.Einführung Das Erzielen von attraktiven Preisen und Margen wird für Hersteller von komplexen Industriegütern wie Motoren, Pumpen und Aggregaten immer schwieriger. Steigender Wettbewerbsdruck und hohe Marktregularien setzen die Margen zusätzlich unter Druck. Eine marktgerechte Preisgestaltung, die stärker am Markt und Kunden ausgerichtet ist, kann dieses Dilemma lösen und die Profitabilität steigern! 2. Preissetzung ist häufig unzureichend Fragt man die Hersteller von komplexen Industriegütern nach der heutigen Preissetzungslogik, trifft man häufig auf die Antworten „Kosten-plus“ oder „historisch gewachsen“. Tatsächlich findet man eine Bruttopreisliste basierend auf Kosten oder den Preisen des Vorgängers vor. Marktinformationen sind zwar oft im Unternehmen vorhanden, gehen aber nur unzureichend in die Preisbildung ein. Der kundenindividuelle Nettopreis folgt nicht selten derselben Struktur. Entweder werden je nach Kunde oder Vertriebskanal pauschale Rabatte gewährt, oder der Kundenpreis ist auch hier nur „historisch begründbar“. Solche Preise sind nur selten markgerecht und schöpfen nicht die Zahlungsbereitschaft der Kunden aus. Die steigende Zahl von Produkten, Industriesegmenten und Kunden verstärken diesen Effekt. Die dadurch resultierende Komplexität überfordert bereits heute die Preissetzungsprozesse vieler Unternehmen. Transparenz wie auch Nachvollziehbarkeit der Preissetzung gehen zu oft im Datenwirrwarr verloren. Eine Möglichkeit zur Bewertung bietet die Kennzahl „Euro pro Liter Hubraum“ bei Motoren. In unserem Projektbeispiel war ein volumenstärkerer Motor bei sonst vergleichbaren Motoreneigenschaften günstiger als ein kleinerer (vgl. Abb. 1). Die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit einer solchen Bruttopreisliste bei Kunden, Händlern und dem eigenen Vertrieb leidet dadurch erheblich. Die Fehlpositionierung auf Bruttopreisebene steuert der Vertrieb oftmals unsystematisch und unkoordiniert bei der Festlegung kundenindividueller Nettopreise nach. Oder er hält sich gleich an die Devise „Der lauteste Kunde zahlt den niedrigsten Preis“. In beiden Fällen kommt es zu weit streuenden, von der Marktsicht her wenig sinnvollen Kundenpreisen. 4 Inkonsistenzen in der Brutto- und Kundenpreissetzung Bruttopreisbildung Nettopreisbildung Hubraum Kundenabsatz pro Jahr Abbildung 1 Quelle: Simon-Kucher & Partners Die meisten Hersteller erkennen zwar diese Problematik, wirken ihr aber nicht konsequent und mit den richtigen Maßnahmen entgegen! Vielmehr verstärken Sie diese Situation, indem dem Vertrieb Grenzrabatte bzw. Preisuntergrenzen vorgeben werden. Diese Grenzen können zwar nach Produkt, Region, Industriesegment oder Volumen differenzieren, geben aber keine klare Zielgröße vor oder spiegeln nur bedingt das Marktumfeld wider. Immer wieder sehen wir, dass trotz dieser Korrekturen Kunden mit viel zu geringem Absatzvolumen deutlich zu hohe Rabatte gewährt bekommen (vgl. Abb.1). Aber wie ist es möglich neue Produkte marktgerecht einzupreisen und die unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften der Kundensegmente optimal zu berücksichtigen? 3. Trennung von Produkt- und Kundenpreis Um Marktbesonderheiten, neue Produkteigenschaften und auftragsindividuellen Charakteristika optimal zu berücksichtigen sollte die Preissetzung in eine Produktkomponente und eine Kundenkomponente aufgetrennt werden. 5 Im Zuge dessen werden auf der Produktebene alle technischen Eigenschaften eingepreist. Markt-, kunden- und auftragsspezifischen Eigenschaften werden auf der Kundenebene berücksichtigt. Das Ergebnis dieser Preissystematik ist ein intern nachvollziehbarer, marktgerechter und auftragsindividueller Zielpreis für den Vertrieb (vgl. Abb. 2). Systematische Herleitung eines auftragsindividuellen Kundenpreises Produktebene Kundenebene Bruttopreisbildung Nettopreisbildung Abbildung 2 Quelle: Simon-Kucher & Partners Die Trennung der Produkt- und Kundenebene schafft darüber hinaus Transparenz und fördert die Akzeptanz der Preise innerhalb des eigenen Unternehmens. Inkonsistenzen werden so vom Grund auf vermieden. Gleichzeitig werden bisher „verdeckte“ Potentiale gehoben und Margen verbessert. 6 4. Marktorientierte Herleitung der Bruttopreise (Produktseite) Die Bruttopreisbildung steht am Anfang des Preiswasserfalls und hat somit entscheidenden Einfluss auf die Höhe des erzielten Kundenpreises. Grundgedanke der Optimierung ist die bestmöglichste Abschöpfung der Zahlungsbereitschaft am Markt durch die systematische Berücksichtigung aller relevanten Preistreiber. Positiver Nebeneffekt: durch die Systematisierung und Automatisierung der Prozesse werden die Aufwände für die Preiskalkulation deutlich reduziert. Typische preistreibende Eigenschaften am Beispiel einer Pumpe sind die Leistung, der Bauraum, die Anschlussmöglichkeiten, der Energieverbrauch oder der Geräuschpegel. Ein in der Praxis oft beobachteter Fehler ist, dass die unternehmensinterne technische Sicht über die eigentliche Kundenwahrnehmung gestellt wird. Nur die aus Kundensicht (und nicht kosten-)relevanten Faktoren sollten in das Modell einfließen. Der sog. Preisanker bildet die erste Stufe des Preissystems. Da so die Kosten komplett aus der Preisbildung entfallen, ist dies der entscheidende Schritt weg von „Kosten-plus“ hin zur marktgerechten und wertbasierten Preissetzung. Nachfolgend wird jedem Preistreiber ein Preisbaustein bzw. Aufschlag zugewiesen. Grundsätzlich gilt: Je wichtiger eine Eigenschaft für den Kunden desto höher ihr Aufschlag (vgl. Abb. 3). Die Kombination aller Ausprägungen ergibt den Bruttopreis. Zum Schluss findet ein Abgleich mit der vom Controlling festgesetzten Minimummarge statt. Dadurch werden konsistente, wettbewerbs- und deckungsbeitragskonforme Bruttopreise festgelegt. Eine solche Preissetzungsstruktur ist grundsätzlich auch in Softwarelösungen abbildbar. Es ist jedoch ein Irrtum zu glauben, dass sich eine effiziente Preissetzung alleine durch den Kauf einer Softwarelösung erzielen lässt. 5. Systematische Herleitung des auftragsspezifischen Kundenpreises Die Herleitung eines auftragsspezifischen Kundenpreises ist vergleichbar zur Produktpreisbildung. Ausgangspunkt ist der zuvor festgesetzte Bruttopreis. Im Kern der Systematik steht das Ermitteln aller preismindernden Einflussgrößen auf Kunden- bzw. Marktseite. Dazu gehören z.B. die Kundengröße 7 Projektbeispiel einer marktgerechten Bruttopreissetzung Bruttopreisbildung Abbildung 3 Quelle: Simon-Kucher & Partners und die Industrie. Aus unserer Projekterfahrung wissen wir, dass insbesondere die folgenden Faktoren häufig nicht optimal berücksichtigt werden: Kundenpotential (da aufwendig zu ermitteln), Kundenmanagement und „Share of Wallet“. Zur Verdeutlichung: Bei einem Kunden mit bereits hohem Anteil an installierten oder abgenommen Einheiten ist die Zahlungsbereitschaft höher (da ein Lieferantenwechsel schwierig ist) als bei einem Neukunden. Die kundenrelevanten Preistreiber werden um auftragsspezifische Treiber (Volumen, Industrie, Region, etc.) ergänzt. Wie bei der Bruttopreisbildung wird auch auf Kundenebene jedem Preistreiber ein Preisbaustein, hier die jeweilige Rabatthöhe, zugeordnet. Die Kombination aller für den vorliegenden Auftrag zutreffenden Bausteine ergibt den Zielrabatt bzw. den Zielpreis (vgl. Abb. 4). Dabei gilt die Regel: Je mehr Preistreiber, desto mehr Zahlungsbereitschaft kann abgeschöpft werden. Dagegen steht, dass die Anzahl der Preistreiber Komplexität und Aufwand erzeugt. Die Balance ist entscheidend. 8 Projektbespiel einer auftragsindividuellen Kundenpreisherleitung Nettopreisbildung Abbildung 4 Quelle: Simon-Kucher & Partners Durch das aufeinander abgestimmte Zusammenspiel aus Brutto- und Nettopreislogik erhält der Vertrieb je nach Anfrage einen systematischen, auftragsindividuellen und zugleich margenoptimalen Zielpreis. Um den Vertrieb den notwendigen Verhandlungsspielraum zu geben, wird um den Zielpreis ein Preiskorridor gespannt. Innerhalb dieses Korridors kann der Vertrieb eigenständig verhandeln, außerhalb greifen definierte Eskalationsregeln. Die Vorgabe eines über dem Zielpreis liegenden Toppreises wirkt wie ein Magnet für die Vertriebsmannschaft. Unterstützt durch ein neues Incentivierungssystems ist hierdurch eine deutliche Steigerung der Preisqualität möglich! Auf Basis der neuen auftragsindividuellen Preissetzung kann nun auch im Detail nach Kunden gesucht werden, deren Preise die neuen Grenzwerte überschreiten. Bei solchen Potentialkunden ist zu prüfen, ob Preisanpassungen sinnvoll sind (s. Abb. 5). 9 In einer „Huntingsliste“ zusammengefasst werden die Potentialkunden dem Vertrieb übergeben. Diese Informationen sollten genutzt werden, um in der nächsten Verhandlungsrunde gezielt die Preisqualität und die Profitabilität zu steigern. Sollte bei einem Kunden der tatsächliche vom empfohlenen Preis besonders stark abweichen, ist es notwendig die Preisqualität über mehreren Schritten bzw. Preisrunden zu verbessern. Die Umsetzung der entwickelten Preissystematik (Produkt- und Kundenpreis) in einem Pricingwerkzeug verkürzt den Zeitaufwand der Angebotserstellung und erhöht die Qualität der Preisentscheidung dramatisch. Off-theshelf-Lösungen sind meist aber nicht ausreichend an die spezifische Situation der Hersteller anpassbar und verschenken Margenpotenziale. Identifikation von Potentialkunden Abstand zum Zielpreis Abbildung 5 Quelle: Simon-Kucher & Partners 10 6. Zusammenfassung & Empfehlung Die Optimierung der Preissetzung für Hersteller von komplexen Industriegütern birgt nicht nur deutliche Profitabilitätsverbesserungen, sondern stellt auch einen echten Wettbewerbsvorteil dar! Differenzierung über Preistreiber, Aufbau von logischen Preisstrukturen und Automatisierung sind typische Optimierungshebel für eine verbesserte Bruttopreisbildung. Dadurch können bestehende und zukünftig neue Produkte marktorientierter und in einer frühen Phase des Entwicklungsprozesses eingepreist werden. Die Kundenpreisbildung zeichnet sich durch mehr Leistungsorientierung sowie mehr System und Disziplin aus. Das neue Preissystem ermöglicht eine gezielte Rabattfestlegung und somit auch eine gezielte Steuerung der Vertriebsmannschaft durch die Vorgabe von Top-, ziel- und Minimumpreise. Insgesamt sollten durch eine solche Umstellung 2-5%-Punkte zusätzliche Marge generierbar sein. Damit wird nicht selten eine Verbesserung der Ergebnissituation von 10-30% erzielt. Darüber hinaus bietet die Preissystematik eine vereinfachte Preissteuerung. Die Möglichkeiten reichen von der Berücksichtigung von Lebenszykluseffekten der Produkte bis zur differenzierten Anpassung der Kundenpreise für die jährliche Preisrunde bei den Kunden. Ein erster Schritt auf dem Weg zu besseren Preisen kann eine Analyse der heutigen Preissetzung sein. Die Herausforderungen werden zunächst identifiziert und dann wirkungsvolle Verbesserungspotentiale entwickelt. 11 Simon-Kucher & Partners Weltweit führend im Pricing BusinessWeek: The Economist: “World leader in giving advice to companies on how to price their products.” “The world’s leading pricing consultancy” The Wall Street Journal: Peter Drucker: “Pricing strategy specialists” “In pricing you offer something nobody else does.” Globale Präsenz 28 Büros · 720 Mitarbeiter · Umsatz 2013: 152 Mio. € 12 Amerika Europa Kanada, Toronto USA, Boston USA, New York USA, San Francisco Brasilien, São Paulo Chile, Santiago de Chile Belgien, Brüssel Dänemark, Kopenhagen Deutschland, Bonn Deutschland, Köln Deutschland, Frankfurt Deutschland, München Frankreich, Paris Großbritannien, London Italien, Mailand Asien/Südpazifik/ Naher Osten Luxemburg, Luxemburg Niederlande, Amsterdam Österreich, Wien Polen, Warschau Schweiz, Zürich Spanien, Barcelona Spanien, Madrid Türkei, Istanbul Australien, Sydney China, Peking Japan, Tokio Singapur, Singapur VAE, Dubai Nr. 1 in Marketing & Sales in Deutschland In Marketing und Vertrieb ist Simon-Kucher nach einer umfassenden Untersuchung des manager magazin (08/2011) die beste Beratung in Deutschland. 452 Manager ranken uns als Nummer 1 in Marketing und Vertrieb – vor den großen Wettbewerbern BCG und McKinsey. > 2.000 Projekte in den letzten drei Jahren Strategy Marketing > 400 > 500 smart profit growth Wachstums- und Wettbewerbsstrategien Pricing-Strategien und -Prozesse Produkt-Portfolio-(Re-)Design Vertriebsstrategien und Vertriebskanal-Optimierung … SM Sales Pricing > 500 > 1.000 Ausgewählte Referenzen im Industriegüterbereich ABB Honeywell R. Stahl Battenfeld Karl Mayer Schindler Bauer Maschinen Lapp Kabel Schneeberger Benninger Mapal Rittal Bizerba Linde SEW EURODRIVE Boge Kompressoren Metabo Siemens Bosch Mettler Toledo STILL Bühler MTU Friedrichshafen Tetra Pak Bürkle MR ThyssenKrupp Chiron-Werke Oerlikon Trumpf Demag Cranes Pepperl+Fuchs Viscom Deutz Pfeiffer Vaccum WAFIOS EMAG Philips Windmöller & Hölscher Forbo Siegling ProMinent GEA Reifenhäuser 13 Autoren Dr. Rainer Meckes Executive Vice President Dr. Rainer Meckes ist Executive Vice President und Leiter des Competence Center Automotive. Er hat über 15 Jahre Beratungserfahrung in verschiedensten Industrien in Europa, Amerika und Asien. Seine Spezialthemen sind Marketing, Pricing und Sales. Dr. Meckes ist regelmäßiger Redner auf internationalen und nationalen Konferenzen und Autor verschiedener Publikationen und Studien. Philipp Jaenicke Director Philipp Jaenicke ist Director im Competence Center Automotive. Er führte internationale und nationale Beratungsprojekte für Automobilhersteller und -zulieferer durch. Herr Jaenicke hat sich auf die Themen Preissystematiken, Ersatzteilpricing und Sales Excellence spezialisiert. Er ist Autor verschiedener Publikationen und Studien zum Automobilmarkt. Pantaley Dimitrov Senior Consultant Pantaley Dimitrov ist Senior Consultant im Competence Center Technology. Er berät Unternehmen aus dem Industriegüterumfeld und ist Experte in Pricing- und Vertriebsthemen. Seine Projekte haben sowohl nationalen als auch internationalen Fokus. Bonn Willy-Brandt-Allee 13, 53113 Bonn, Germany Tel. +49 228 9843 330 Fax +49 228 9843 310 [email protected] www.simon-kucher.com