Zeugung auf Probe? – Selektion vor der Schwangerschaft? Ethische Beurteilung der Präimplantationsdiagnostik aus christlicher Sicht1 Prof. Dr. Ulrich Eibach Zusammenfassung Die verschiedenen ethischen Überlegungen zur Präimplantationsdiagnostik (preimplantation genetic diagnosis – PGD) und zwar die normativ-ethischer Art wie auch die von den absehbaren und möglichen Folgen her – konvergieren sehr eindeutig zu einer überzeugenden Argumentation gegen jede Form der rechtlichen Erlaubnis von PGD. Insbesondere gegen die PGD sprechen die mit ihr notwendig verbundene Bejahung eindeutig negativer Qualitätsurteile (Lebenswert) mit nachfolgender Selektion, die Infragestellung dessen, dass frühe Embryonen teilhaben an der Menschenwürde und entsprechenden Menschenrechten sowie die mit beiden Argumenten begründete Relativierung des Tötungsverbots. Dies eröffnet eine schiefe Bahn, durch die der Schutz des Lebens der schwächsten Glieder der Gesellschaft immer mehr untergraben werden kann. Deshalb kann es kein Recht auf ein "gesundes Kind" mittels PGD geben. Der Regierung und dem Parlament ist daher aus christlich-ethischer Sicht nachdrücklich zu raten, Regelungen für die PGD nicht der Standesorganisation der Ärzte zu überlassen, sondern in dem geplanten "Fortpflanzungsmedizingesetz" so zu regeln, dass jede Form der PGD verboten wird.2 Schlüsselwörter: Präimplantationsdiagnostik (preimplantation genetic diagnosis – PGD) – Pränataldiagnostik – In-vitro-Fertilisation – Selektion erbkranker Embryonen – Embryonenforschung – Eugenik – Recht auf ein "gesundes" Kind – moralischer Status "früher" Embryonen – Menschenwürde – "lebensunwertes" Leben 1 Diese Stellungnahme ist die stark erweiterte Fassung eines Vortrags, den der Verfasser am 25.05. 2000 auf dem vom "Bundesministerium für Gesundheit" in Berlin veranstalteten Symposion "Fortpflanzungsmedizin in Deutschland" gehalten hat. Auf ausführliche Bezugnahmen auf die bereits sehr umfangreiche Literatur zur PGD wird hier verzichtet. In dieser Zeitschrift (ZME 45/1999, S.233-244; Lit.) erschien der Beitrag von C. Woopen: Präimplantationsdiagnostik und selektiver Schwangerschaftsabbruch. Verwiesen sei auf das "Ergänzungsheft" der Zeitschrift "Ethik in der Medizin" 11(1999) zur Thematik sowie die umfassende Darstellung auch der internationalen Diskussion durch R. Kollek (2000): Präimplantationsdiagnostik: Embryonenselektion, weibliche Autonomie und Recht, Tübingen 2 Die katholische und die evangelischen Kirchen Deutschlands haben sich 1997 gemeinsam ebenso geäußert, wenn auch nicht mit gleicher Eindeutigkeit. Vgl. Kirchenamt der Ev. Kirche in Deutschland / Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (1997): Wieviel Wissen tut uns gut? Chancen und Risiken der voraussagenden Medizin. Gemeinsame Texte 11, Hannover / Bonn, S.23 ff. Die Bundesärztekammer (BÄK) hat einen Entwurf zur Präimplantationsdiagnostik3 (preimplantation genetic diagnosis – PGD) zur Diskussion vorgelegt, sicher auch um dadurch auf die bevorstehende Gesetzgebung zur "Fortpflanzungsmedizin" Einfluss zu nehmen. Danach soll PGD an Embryonen erlaubt werden, wenn das Risiko der Geburt schwer behinderter Kinder besteht, deren unheilbare Erbkrankheit durch ein Gen verursacht wird. Inhaltlich schließt sich der Entwurf weitgehend an Empfehlungen der "Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz"4 an. In die gleiche Richtung gehend wurde bereits in dem "Positionspapier der Gesellschaft für Humangenetik e.V." 5 votiert. Nicht näher bestimmt wird in dem Entwurf der BÄK, welche Erbkrankheiten als "schwere" einzustufen sind. Als wesentlichstes Argument für PGD wird angeführt, dass durch sie Frauen bzw. Paaren die belastende Situation eines Spätaborts nach vorgeburtlicher Diagnostik (PND) erspart werden kann. Voraussetzung für PGD ist eine künstliche Erzeugung von Embryonen im Reagenzglas (IVF). Sofern die PGD an totipotenten Zellen (bis zum Achtzellstadium) durchgeführt wird, ist sie in Deutschland wahrscheinlich nach dem "Embryonenschutzgesetz" verboten und wird deshalb wegen der unklaren Rechtslage in Deutschland noch nicht, wohl aber in einigen europäischen Ländern bereits durchgeführt. Nach dem "Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde in Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin" des Europarats ist die PGD – einschließlich der zu ihrer Entwicklung nötigen verbrauchenden Experimente mit frühen Embryonen – erlaubt. Die Bundesregierung bereitet derzeit ein neues Gesetz zur "Fortpflanzungsmedizin" vor, in dem unter anderem entschieden werden muss, ob und – wenn ja – unter welchen Bedingungen PGD erlaubt sein soll. I. Einige gesellschaftlich-kulturelle Hintergründe 1. Planbarkeit des Lebens und unerwünschte Lebensschicksale Vorherrschende Werthaltungen in unserer Gesellschaft sind das Streben nach individueller Selbstverwirklichung und einem glücklichen Leben, für das Gesundheit und Leidfreiheit als wesentlichste Voraussetzungen gelten. Dementsprechend soll das Leben durchgehend planbar werden. Die Medizin hat durch ihre Erfolge viel zur Verstärkung der Fiktion von der Planbarkeit des Lebens beigetragen. Die Ersetzung von "Schicksal" durch Planen und Machen, erweitert nicht nur die Freiheitsspielräume des Menschen gegenüber der Natur, sondern erzeugt ebenso neues Schicksal, nunmehr von Menschen gesetzten Zwang, z. B. den, bisher nicht zu befriedigende Bedürfnisse durch neue, oft belastende medizinische Methoden zu erfüllen. Zugleich ruft die Medizin mit ihren neuen Methoden Bedürfnisse hervor, die Menschen bis dahin so nicht bewusst kannten. So führt die immer häufiger bewusst 3 Deutsches Ärzteblatt 97 (2000), A 525-28; als Kommentar dazu vgl. den Aufsatz des für die Erstellung des Entwurfs federführenden Vorsitzenden der Arbeitsgruppe H. Hepp: Präimplantationsdiagnostik – medizinische, ethische und rechtliche Aspekte, Deutsches Ärzteblatt 97 (2000), A-1213-1221; von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe, die den Entwurf erstellte, hat sich der katholische Moraltheologie J. Reiter (Bioethik: Selektion noch vor der Schwangerschaft? in: Herder Korrespondenz 54/2000, S.174 ff.) von dem Entwurf distanziert. 4 P. Caesar (Hrsg.,1999): Präimplantationsdiagnostik. Thesen zu den medizinischen, rechtlichen und ethischen Problemstellungen. Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz, Mainz 5 Abgedruckt ZME 42 (1996), S. 326 ff. geplante Verlagerung des Kinderwunschs ins 4. Lebensjahrzehnt dazu, dass z. B. zunehmend mehr Frauen auf Grund ganz natürlicher und normaler Gegebenheiten – wie z. B. unvermeidbarer Eileiterentzündungen – unfruchtbar sind. Derartige Unfruchtbarkeit kann man nun durch das aufwändige Verfahren der IVF behandeln. Zugleich bringt die Verlagerung des Kinderwunschs in ein höheres Lebensalter ein erhöhtes Risiko für Chromosomenanomalien u. a. (z. B. Down Syndrom) und die dementsprechende Geburt kranker Menschen mit sich, die man nun wiederum durch PND und eine Spätabtreibung zu verhindern sucht. Eine Folge dieser neuen Techniken ist, dass die Bereitschaft und Fähigkeit stetig schwindet, ein unerwünschtes schweres Geschick – wie z. B. Kinderlosigkeit und die Geburt eines behinderten Kindes – als "Fügung" und Herausforderung an das Leben anzunehmen und zu tragen. So macht es die PGD möglich, am Wunsch nach einem "gesunden" Kind festzuhalten, ohne das Risiko der Geburt eines behinderten Kindes oder die Belastungen eines Spätaborts durchleben und den Anspruch auf gesundes Kind hinterfragen und aufgeben zu müssen. Die Möglichkeit, ein solches Geschick medizintechnisch zu verhindern, setzt den psychischen und oft auch den sozialen und dann allmählich auch den ökonomischen Druck aus sich heraus, sie auch in Anspruch zu nehmen. Weil aber schicksalhaftes Leiden, Krankheit und Tod immer unvermeidlich zum Leben gehören werden, ist es für das Gelingen des Lebens entscheidend, dass Menschen bereit und fähig bleiben, eigenes leidvolles Geschick auch anzunehmen und zu tragen und das Leid anderer mit zu tragen. Die Leidensfähigkeit ist, wenn Leben "glücken" soll, ein notwendiger Gegenpol zur Glücksfähigkeit. 2. Autonomie, Lebensschutz und die Aufgabe des Rechts Autonomie und das Streben nach persönlichem Lebensglück werden immer mehr zu den einzigen noch konsensfähigen moralischen Zielen in der Gesellschaft. Entsprechend wird der Begriff Menschenwürde zunehmend nur noch mit (empirischer) Autonomie inhaltlich gefüllt oder ganz ersetzt durch die angeblich nur zu schützenden Interessen derjenigen, die in der Lage sind, ihre Interessen selbst geltend zu machen. Dem entspricht ein liberales Verständnis von der Funktion des Rechts. Danach ist es wesentlichste Aufgabe des Rechts, die Durchsetzung individueller Interessen nicht zu behindern bzw. sie abzusichern, wenigstens sofern sie nicht eindeutig sozialschädlich sind. Dementsprechend kann die Medizin die Erforschung und das Angebot neuer Methoden der Diagnose und Therapie immer damit rechtfertigen, dass es Interessenten an diesen Verfahren gibt, man diese nicht durch rechtliche Verbote daran hindern dürfe, sie in Anspruch zu nehmen, weil dies einer rechtlich problematischen Einschränkung ihrer Autonomie gleichkomme. Medizin wird dann allerdings zunehmend zum Angebot von "Serviceleistungen", die dadurch hinlänglich moralisch gerechtfertigt erscheinen, dass sie machbar und wirtschaftlich sind und es Interessenten für solche Angebote und "Abnehmer" gibt. Gegenüber einer solchen, an den Interessen der "Starken" sich ausrichtenden Ethik ist aus christlicher Sicht entschieden daran festzuhalten, dass es erste Aufgabe des Rechts ist, für die Achtung der Würde allen Menschenlebens einzutreten und insbesondere diejenigen Glieder der Gesellschaft zu schützen, die ihre Rechte nicht selbst geltend machen, die ihr Leben nicht selbst schützen können und deren Leben gegebenenfalls durch die Interessen anderer bedroht ist. Auf der Basis einer derartigen "Ethik der Würde"6 können die privaten (z. B. Familienplanung) und die 6 Vgl. W. Huber (1996): Gerechtigkeit und Recht. Grundlinien christlicher Rechtsethik, Gütersloh, Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen (z. B. Wissenschaftler) und also die Individualrechte und die Freiheit der Wissenschaft den Rechten der Gemeinschaft also nur dann gleichgestellt werden, wenn in ihnen zugleich die Würde allen Menschenlebens und die grundlegenden Rechte aller Glieder der Gemeinschaft, insbesondere der schwächsten, geachtet sind. II. Was ist in ethischer Hinsicht "neu" an der PGD? – Wie ist sie ethisch zu bewerten ? 1. Einige prinzipielle normativ-ethische Gesichtspunkte 1.1. Was ist primäres Ziel der PGD? Voraussetzung der PGD ist die "Erzeugung von Embryonen im Reagenzglas" (IVF). Sie werden ausdrücklich zum Zweck der Diagnose eines möglichen chromosomalen oder genetischen Defekts erzeugt. Primäres Ziel der PGD ist also die Selektion eines kranken Embryos. Deshalb macht es ethisch gesehen keinen grundsätzlichen Unterschied aus, ob die Testung an totipotenten oder nicht mehr totipotenten Zellen vorgenommen wird, da – wenigstens im Falle eines positiven Befunds – die Verwerfung (=Tötung durch Unterlassen) kranker Embryonen das Ziel des Tests ist. Im Entwurf der BÄK zur PGD wird davon ausgegangen, dass das primäre Ziel der PGD – wie bei der Behandlung einer Sterilität durch IVF – die Ermöglichung einer Schwangerschaft sei und dass die PGD sowie die Verwerfung eines kranken Embryos – gemäß der Lehre von der Doppelwirkung einer Handlung – nur die dem angestrebten Hauptziel (= "Schwangerschaft") untergeordneten und letztlich und um seinetwillen in Kauf zu nehmenden ungewollten Nebenfolgen seien.7 Da die erwünschte Schwangerschaft ein sittlich hoch stehendes Gut sei, das zudem noch Ausdruck einer "autonomen" und daher auch von anderen zu achtenden Lebensplanung sei, rechtfertige dieses gute Ziel die Inkaufnahme des in sich moralisch problematischen Mittels der PGD. Selbst wenn man diesen, die Sittlichkeit einer Handlung primär von den Folgen her beurteilenden ethischen Ansatz teilt, muss man klar feststellen, dass das Ziel der Handlung nicht die Schwangerschaft (dazu braucht man keine IVF), sondern ein "gesundes" Kind ist. Um dieses Ziel zu erreichen, wird zunächst eine gesonderte und eigenständige Handlung, die PGD, angestrebt und durchgeführt, deren primäres Ziel die Selektion kranker Embryonen ist. Für den Fall, dass alle Embryonen krank sind, wird dann auch kein Embryo transferiert und keine Schwangerschaft hergestellt. Die PGD ist also keinesfalls nur ein ethisch problematisches Mittel zur Herstellung eines guten Zwecks, sondern eine eigenständige und deshalb ethisch gesondert zu beurteilende medizinische Behandlung. Es ist berechtigt zu behaupten, dass die IVF als notwendige Voraussetzung der PGD ein unersetzbares Mittel zum Zweck der PGD ist, aber nicht umgekehrt, dass die PGD ein notwendiges Mittel zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ist. Es ist also ganz und gar unberechtigt, die PGD als unvermeidbare Nebenwirkung einer sittlich guten Endhandlung oder eines angestrebten guten sittlichen Guts so zu behandeln, wie eine Schmerzlinderung bei todkranken Menschen, die möglicherweise unbeabsichtigt auch die Lebenszeit verkürzen kann. S.252ff. 7 So im Namen des "Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer" der Jurist H.-L. Schreiber: Von richtigen rechtlichen Voraussetzungen ausgehen. Zur rechtlichen Bewertung der Präimplantationsdiagnostik, in: Deutsches Ärzteblatt 97(2000), A- 1135 f. 1.2. PGD und vorgeburtliche Diagnostik (PND) – Urteile über den Lebenswert Die PGD verschärft die durch die PND aufgeworfenen ethischen Probleme. Ethisch gesehen neu ist an der PND im Vergleich zu anderen medizinischen Methoden, (1) dass weitgehend Diagnose ohne Therapiemöglichkeit für den diagnostizierten Menschen selbst betrieben wird, (2) dass die Diagnose dazu herausfordert, ein Urteil über den Embryo bzw. Fetus zu fällen, von dem dessen Leben oder Tod abhängt. Die Tötung des Fetus kann moralisch und rechtlich nur dann nicht ausnahmslos verboten sein, wenn die Fortsetzung der Schwangerschaft oder das Leben mit dem geborenen Kind eine ernsthafte Bedrohung des Lebens der Mutter darstellt. Damit wird die Mutter bzw. die Familie und nicht der diagnostizierte Fetus zum therapeutischen Objekt, was wiederum ein ethisches Novum in der Medizin darstellt. Da das Kind in der Regel grundsätzlich gewollt ist, sein Leben aber auf Grund seiner Behinderung für die Mutter bzw. die Familie (und die Gesellschaft) nicht zumutbar erscheint, bleibt auch bei der PND das Faktum der diagnostizierten Behinderung ausschlaggebender Grund dafür, den bestehenden Konflikt zwischen dem Leben des Fetus und den Lebensinteressen der Frau bzw. der Familie durch einen Abbruch der Schwangerschaft zu beenden. Aber erst bei der PGD wird daraus ein eindeutiges Urteil über den "Wert" des Lebens eines Kindes. Ist dieses Urteil bei der PND noch eingebettet in einen bereits auf Grund eines "natürlichen" Zeugungsgeschehens entstandenen Konflikt zwischen Leben des Fetus und Lebensinteressen der Frau, so ist dieser Konflikt im Falle von PGD nicht natürlicherweise und schicksalhaft schon gegeben, sondern er und damit die Notwendigkeit, ein Lebenswerturteil zu fällen, werden erst durch das bewusste Handeln von Medizinern in einer extra dafür ausgeführten Handlung herbeigeführt. Sie sind dafür verantwortlich, auch dann, wenn sie sich nur als "Vollzugsgehilfen" der Wünsche von Patienten verstehen. Wenn man PGD als eine ethisch und rechtlich legitime Methode bejaht, muss man zugleich anerkennen, dass damit Urteile über den Unwert des Lebens und eine Bestreitung des Lebensrechts behinderten Lebens ethisch und rechtlich gebilligt werden. Aus christlicher Sicht und auch nach dem Grundgesetz steht keinem Menschen ein derart tödliches Urteil über das Leben anderer Menschen zu. 1.3. IVF im Dienste der PGD Die IVF sollte zunächst nur als Methode dienen, bei bestimmten Formen der Sterilität der Frau und dann auch des Mannes, also Abweichungen von der biologischen "Norm" ("Krankheit"?), zu einem Kind zu verhelfen. Die Methode hat eine stetige Ausweitung der Indikationen erfahren. Implizit fördert schon die IVF zum einen die Anschauung, das von Menschen "in vitro" gezeugte Leben sei ein "Produkt" und ein Besitz von Menschen, sei es der Eltern oder der Forscher und Ärzte, und zum anderen die Vorstellung, ein derartiges "Produkt" müsse hinsichtlich seiner Qualität menschlichen Wünschen entsprechen. Die IVF an sich fordert schon zu derartigen Qualitätskontrollen durch PGD als begleitenden Maßnahmen heraus. Sie bei einer IVF zugleich durchzuführen, erscheint den meisten beteiligten Menschen als logischer Schritt. Dennoch stellt die Indienstnahme der IVF zum Zwecke der PGD ein ethisch bedeutsames Novum in der Anwendung der IVF dar. Sie dient nicht mehr der Behandlung einer Sterilität, sondern der Testung des Embryos auf seinen genetischen Zustand und seiner Selektion im Falle eines Defekts. Die IVF kann aus christlicher Sicht schon als Methode der Behandlung einer Sterilität wegen der Trennung von Liebesgeschehen und Zeugung, der Problematik überzähliger Embryonen, des hohen Risikos für Mehrlingsschwangerschaften und Frühgeburten u. a. nur mit starken Bedenken gebilligt werden. Im Falle der Indienstnahme für Zwecke der PGD ist sie zusätzlich mit den schwer wiegenden ethischen Bedenken gegen die PGD belastet. 1.4. Recht auf ein gesundes Kind? Die ethische Rechtfertigung für eine IVF besteht in der Bejahung des Rechts auf ein Kind. Im Falle der PGD wird dieses Recht ausgeweitet zu einem Recht auf ein gesundes Kind unter Einschluss eines Rechts auf die Selektion (Tötung) eines kranken Embryos. Zwar wollen die betroffenen Frauen bzw. Paare nur ein gesundes Kind haben – wie andere Menschen auch – und nicht die Tötung kranker und gegebenenfalls auch gesunder überzähliger Embryonen und die anderen ethisch problematischen Nebenfolgen dieser Methode. Diese sind jedoch notwendig mit der Methode verbunden. Deshalb kann die Methode nicht nur von den individuellen Interessen der Frau bzw. des Paares her ethisch beurteilt werden, sondern nur im Zusammenhang des gesamten sozialen Kontextes, auf den sie einwirken. Zwar ist einzuräumen, dass Träger von Erbkrankheiten von Natur aus benachteiligt sind, doch ist zu bezweifeln, dass diese Benachteiligung die Selektion von kranken Embryonen und andere problematische Nebenfolgen der PGD rechtfertigt. Damit würde dem Selbstbestimmungsrecht und den Interessen der Frau bzw. des Paares eindeutiger Vorrang vor dem Lebensschutz für den Embryo, ja Menschen ein absolutes Verfügungsrecht zum Tode eingeräumt. Dies widerspricht einer christlich-ethischen wie auch – noch – der rechtlichen Sicht. 1.5. Schwangerschaft auf Probe? – Zeugung auf Probe? Die PGD beinhaltet eine Zeugung auf Probe. Der Entwurf der BÄK zur PGD geht davon aus, dass sie das geringere Übel gegenüber einer Schwangerschaft auf Probe sei und dass letztere ethisch zu billigen, wenigstens aber standesethisch nicht eindeutig abzulehnen sei. Menschen sollen am Anspruch auf ein "gesundes Kind" festhalten dürfen, ohne den Schmerz der Ungewissheit und einer späten Abtreibung durchleben und durch dieses Erleben den Anspruch auf ein gesundes Kind hinterfragen und aufgeben zu müssen. Aus ethischer Sicht ist es aber in keiner Weise zu rechtfertigen, bei einem hohen Risiko für ein behindertes Kind, das man nach Feststellung der Behinderung mittels einer PND definitiv abtreiben will, wissentlich eine Schwangerschaft auf Probe einzugehen. Dies käme einer geplanten Tötung eines als "lebensunwert" eingestuften Menschenlebens gleich, wenigstens aber sehr nahe. Die einzige ethisch angemessene Antwort auf das Wissen um ein hohes Risiko für die Zeugung eines behinderten Kindes ohne Bereitschaft, dieses Kind auszutragen, ist der Verzicht auf ein Kind. Dabei ist freilich zu klären, ab welchem Risikograd man begründet von einer Schwangerschaft auf Probe reden kann. Ab einem Risiko von 25 % sollte dies auf jeden Fall berechtigt sein. Rechtlich haben wir allerdings keine taugliche Handhabe, eine durch eine natürliche Zeugung herbeigeführte Schwangerschaft auf Probe zu verhindern. Dennoch könnte erwogen werden, eine Schwangerschaft auf Probe – deutlicher als im _218 StGB – rechtlich zu verbieten und durch eine entsprechend wertorientierte Pflichtberatung möglichst zu vermeiden, ohne sie strafrechtlich ahnden zu müssen. Wird bei einem geringen Risiko für ein behindertes Kind eine Schwangerschaft eingegangen und dann durch PND eine nicht behandelbare schwere Behinderung festgestellt und daraufhin eine Abtreibung erwogen, weil das Leben mit einem behinderten Kind für die Mutter nicht zumutbar ist, so liegt auf Grund eines "natürlichen Zeugungsgeschehens" ein mehr oder weniger schicksalhafter und ungewollter Konflikt zwischen dem Leben des Fetus einerseits und den Lebensinteressen der Mutter bzw. des Paares und der Familie andererseits bereits vor. Bei der PGD in Verbindung mit IVF liegt jedoch diese konflikthafte Konkurrenz nicht "natur- bzw. schicksalhaft" schon vor, vielmehr wird sie erst durch das Handeln Dritter, der Ärzte, erzeugt mit dem Ziel, die Embryonen mit "mangelnder Qualität" zu verwerfen. Das Handeln der Ärzte, die Zeugung auf Probe, ist keine rein private Angelegenheit des Paares mehr, sie ist nicht allein durch den Wunsch eines Paares ethisch gerechtfertigt. Ihr Handeln bedarf der moralischen Rechtfertigung unter Beachtung des gesamten wissenschaftlichen, sozialen und moralischen Kontextes, der durch ihr Handeln berührt wird. Die PGD bedarf der ausdrücklichen rechtlichen Billigung, kann und darf also durch das Recht verhindert werden. Um die moralisch nicht zu rechtfertigende, wenn auch rechtlich kaum verhinderbare "Schwangerschaft auf Probe" zu vermeiden, darf nicht der Weg der rechtlichen Billigung der "Zeugung auf Probe" beschritten werden, denn es besteht kein auf Grund eines natürlichen Zeugungsgeschehens schon eingetretener schicksalhafter Konflikt zwischen dem Leben des Fetus und den Lebensinteressen der Mutter bzw. des Paares, der zu einer Übelabwägung zwischen einer "Schwangerschaft auf Probe" und einer "Zeugung auf Probe" nötigt. Das Recht auf persönliche Lebensgestaltung und Familienplanung schließt mithin aus ethischer Sicht weder das moralische Recht einer Schwangerschaft auf Probe noch einer Zeugung auf Probe ein, um ein gesundes Kind zu erhalten. Selbst wenn man zugesteht, dass die Schwangerschaft auf Probe das "größere Übel" ist, ist zum Zweck ihrer Vermeidung keinesfalls das "geringere Übel" der Zeugung auf Probe notwendig und von daher gerechtfertigt. Wenn die Schwangerschaft auf Probe ethisch verwerflich ist, kann für Ärzte keine sittliche Verpflichtung und auch kein Recht bestehen, durch PGD den an sich berechtigten Wunsch nach einem gesunden Kind zu erfüllen. Ein Recht oder gar eine Garantie auf ein gesundes Kind mittels der Tötung behinderten Menschenlebens – insbesondere durch eine gesellschaftlich zu legitimierende Instanz, wie die Heilberufe es darstellen – darf weder moralisch noch rechtlich zugestanden werden. 1.6. Abgestufter moralischer Status des Lebens? Es gibt grundsätzlich zwei Wege, die Tötung menschlichen Lebens ethisch zu rechtfertigen, einmal dadurch, dass man das Tötungsverbot für bestimmte Fälle relativiert bzw. außer Kraft setzt (z. B. Notwehr), zum anderen dadurch, dass man ein abgestuftes Schutzrecht für menschliches Leben postuliert, mithin Leben aufteilt, einmal in ein Leben, das zwar biologisch gesehen menschliches Leben ist, dem aber noch nicht der moralische Status zukommt, Mensch im Sinne von Person zu sein und über entsprechende Würde und Rechte zu verfügen, und zum anderen in Leben, dem diese Prädikate zukommen. Beim Schwangerschaftsabbruch werden in der Regel beide Wege miteinander verbunden, wobei allerdings die Relativierung des moralischen Status des Embryos bzw. Feten meist im Bewusstsein der handelnden Menschen vorherrscht. Deshalb hält man es für gerechtfertigt, dem Selbstbestimmungsrecht der Frau so weit den Vorrang vor dem Lebensschutz des Embryos zu geben, dass dieser auch völlig Preis gegeben werden darf. Die Theorie vom abgestuften moralischen Status führt folgerichtig zur Behauptung, dass die Schutzwürdigkeit mit fortschreitender Lebensentwicklung zunimmt. Das impliziert, dass es Stadien menschlichen Lebens – wie frühe embryonale Entwicklungsstadien – geben soll, die der Teilhabe an der Menschenwürde und damit der Schutzwürdigkeit überhaupt entbehren. Indem die Teilhabe an der Menschenwürde mit wachsender Annäherung an das, was man als "vollwertiges" Personsein und volle Menschenwürde mit entsprechenden Rechten bezeichnet, abgestuft gedacht wird, wird die theoretische Grundlage gelegt für eine Güterabwägung von Leben gegen Leben. Je niedriger entwickelt das Leben ist, umso mehr darf selbst das Recht auf Leben (GG Art. 2 ) in Frage gestellt werden. Dies führt notwendig zu einem "präferenz-utilitaristischen" Denken, in dem die Menschenwürde – sofern der Begriff nicht überhaupt als "Leerformel" abgetan wird – als eine empirische und quantifizierbare Größe verstanden wird, die grundsätzlich gegen andere Güter und – vor allem – Interessen verrechenbar wird. Damit wird der Anschauung Vorschub geleistet, dass Leben sein Daseinsrecht gegen die Interessen anderer durch den Aufweis bestimmter Qualitäten rechtfertigen und nachweisen muss. Sofern Leben dazu nicht in der Lage ist, ist es minderwertig und darf mit abnehmender Wertigkeit zunehmend als reines Objekt, als Mittel zu höheren Zwecken ge- und verbraucht werden, und zwar umso mehr, je höher die Zwecke und Güter eingestuft werden, für die es als reines Mittel "geopfert", ge- und verbraucht werden soll. Die Theorie setzt voraus, dass die Würde und Wert des Lebens grundsätzlich vom Vorhandensein bewusster Interessen und – wenn diese nicht eindeutig vorhanden sind – von seiner sozialen Nützlichkeit abhängig und auf sie bezogen sind und dass es eine einigermaßen objektive Hierarchie der Zwecke gibt, seien es Interessen, Güter oder Werte, nach denen das Leben bis hin zum Lebensrecht verrechnet werden darf. Damit droht die Festlegung, ab wann und bis wann menschlichem Leben die Würde zukommt, Mensch im Sinne von Person zu sein und entsprechende Rechte zu haben, von den jeweiligen wissenschaftlichen, therapeutischen und sonstigen Interessen abhängig zu werden, Wenn man die Würde des Menschen, sein Leben und sein Lebensrecht nicht grundsätzlich solchen utilitaristischen Güterabwägungen unterwerfen will, dann muss man zugleich angeben, ab wann und warum ab diesem Zeitpunkt dem Leben des Menschen die volle Menschenwürde zukommt, Leben also hinsichtlich seines Daseins selbst und der mit ihm gegebenen fundamentalen Bedürfnisse nicht mehr gegen andere Güter verrechnet werden darf. Bei allen dahingehenden Versuchen hat sich aber bisher immer gezeigt, dass jede angenommene und behauptete Zäsur – gleich ob sie in die Zeit nach den ersten Stadien der Embryonalentwicklung oder auch erst nach der Geburt gelegt wird – innerhalb der Lebensentwicklung, die mit der Fusion des mütterlichen und väterlichen Genoms zu einer neuen genetischen Individualität beginnt, mehr oder weniger willkürlich gesetzt und das Gegebensein von Menschenwürde immer mit bestimmten empirischen Lebensqualitäten gleichgesetzt wird, die oft auch bei geborenem Leben nicht entwickelt sein oder in Verlust geraten sein können. Nicht minder schwierig ist es, eine einigermaßen allgemein anerkannte und objektivierbare Hierarchie der individuellen therapeutischen oder der wissenschaftlichen Zwecke aufzustellen, gegen die das Lebensrecht nicht "vollwertigen" Menschenlebens abgewogen und für die es aufgehoben werden darf. Die angedeutete Theorie der abgestuften Wertigkeit des Lebens wird zu Gunsten der PGD einmal angeführt, um die Selektion früher kranker Embryonen und einen zur Verbesserung der Methode nötigen verbrauchenden Umgang mit frühen Embryonen zu rechtfertigen, zum anderen aber auch – und im Entwurf der BÄK in erster Linie – aus mehr praktisch-therapeutischen Überlegungen. Eine PND mit anschließender Abtreibung ist für die Frau körperlich und – vor allem – seelisch belastender als eine IVF mit PGD. Der Fetus selbst kann dann schon fast oder tatsächlich zur Lebensfähigkeit außerhalb des Mutterleibes ausgereift sein, genießt nach dieser Theorie eine entsprechend größere Schutzwürdigkeit, vor allem auch vor einer mit einer Tötung möglicherweise verbundenen Zufügung von Schmerzen. Hinzu kommt, dass derartige Spätaborte auch für das ausführende medizinische Personal seelisch und moralisch sehr belastend sind. Die Ablehnung der PGD führe dazu, dass der Embryo im Reagenzglas (in vitro) mehr geschützt sei als der Fetus im Mutterleib. Diese Überlegungen gehen allerdings alle von einer problematischen ethischen Billigung einer Schwangerschaft auf Probe aus. Auch ist der Grad der seelischen Belastung schwer objektiv abzuschätzen und zu vergleichen, zumal die mit einer IVF und die mit einem Spätabort verbundenen seelischen Belastungen sehr unterschiedlicher Art sind. Und für die medizinischen Berufe werden sich die Belastungen durch Spätaborte zahlenmäßig kaum vermindern, wenn man mit der BÄK davon ausgeht, dass die PGD auf eine sehr kleine Zahl von Risikoträgern für schwere monogene Erbkrankheiten begrenzt bleiben soll. Vor allem aber ist zu bedenken, dass – wenn man die Theorie von der je nach Entwicklungsgrad des Lebens abgestuften "Würdig- und Wertigkeit" des Menschenlebens und der Menschenwürde als empirische Größe teilt – letztlich auch der Fetus der Teilhabe an der Menschenwürde entbehrt. 1.7. PGD, Menschenleben, Personsein und Menschenwürde Notwendig mit der Theorie der abgestuften Wertigkeit des Lebens verknüpft ist die Auffassung, dass Personsein und die Personwürde (Menschenwürde) empirisch feststellbare Sachverhalte sind, dass sie an das Vorhandensein bestimmter physischer und psychischer Qualitäten (Vernunft, empirische Freiheit) gebunden sind, die sich entwickeln, aber auch durch Krankheit und Behinderung nicht entwickelt sein oder in Verlust geraten können. Diese, in der angelsächsischen empiristischen Philosophie seit John Locke vertretene Theorie widerspricht nicht nur grundsätzlich einem christlichen Verständnis von der Würde (Gottebenbildlichkeit) des Menschen, sondern auch dem Grundgesetz, nach dem die Würde des Menschen unantastbar und unverlierbar ist. Die im Rahmen des europäischen "Übereinkommens zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde in Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin" offenen und umstrittenen Probleme um den Beginn und das Ende menschlich-personalen Lebens u.a. haben ihren Grund vor allem in diesem unterschiedlichen Verständnis von Menschenwürde in der heute zunehmend die bioethische Diskussion weltweit beherrschenden angelsächsischen empiristisch-utilitaristischen Philosophie einerseits und der von christlichem und transzendentalphilosophischem Denken geprägten deutschen Tradition andererseits. Bei der Diskussion um die Zulassung von PGD geht es daher auch um diese grundsätzlichen Fragen des Menschenbilds, vor allem die Deutung des Begriffs Menschenwürde im Grundgesetz Deutschlands. Nach christlicher Sicht sind die Person und ihre Würde keine empirischen Qualitäten, sondern "transzendente Größen", die von Gott her dem ganzen menschlichen organismischen Leben, dem Lebensträger (= Organismus), also jedem Augenblick der Lebens von der Zeugung (Verschmelzung von väterlichem und mütterlichem Genom zu einer neuen genetischen Individualität) bis zum Tod unverlierbar zugesprochen und zugeordnet sind, die also mit dem physischen Dasein zugleich gegeben sind und die alle Menschen in allen Stadien des Lebens anzuerkennen und in der Weise zu achten haben, dass sie menschliches Leben nie bloß als Mittel zum Zweck ge- und verbrauchen (I. Kant). Personsein und die Würde gründen – wie das Leben überhaupt – im Handeln Gottes für den Menschen. Sie kommen daher allen Gliedern der menschlichen Gemeinschaft unabhängig von ihren empirischen psychophysischen, geistigen und moralischen Qualitäten vom Anfang bis zum Ende ihres Daseins unverlierbar zu. Hinsichtlich der Konstitution des Personseins und seiner Würde ist der Mensch ein passiv empfangendes Wesen. Sein Leben ist verdanktes Leben, das hinsichtlich seiner Konstitution wie der damit zugleich gegebenen Würde sich nicht selbst, sondern anderen, der Liebe und Fürsorge anderer verdankt, und hier wiederum letztlich nicht der Liebe der Eltern, sondern Gottes. In diesem Gegründetsein des Menschenlebens in der ihm im besonderen Maße geltenden schöpferischen Liebe Gottes ist der Grund zu suchen, dass alles menschliche Dasein einer totalen ge- und verbrauchenden Verfügung von Menschen entzogen sein und bleiben soll. Im Unterschied zur Person und ihrer Würde können wir das, wozu der Mensch durch Erziehung und sein eigenes freiheitliches Tun (Autonomie) wird, als Persönlichkeit bezeichnen. Sie ist eine empirische Größe, die sich auf der Grundlage des biologischen und psychischen Lebens entwickelt und die durch Krankheit und Behinderung nicht entwickelt sein oder in Verlust geraten kann. Aber auch bei der noch nicht oder nie entfalteten und der zerstörten Persönlichkeit haben wir das Menschenleben als Person mit einer unverlierbaren Würde zu achten und zu behandeln. Nur wenn man die Person mit der Persönlichkeit identifiziert, kann das Personsein durch Krankheit zerstört gedacht und behauptet werden, dass es von Menschen abstammendes Leben gibt, das nicht am moralischen Status des Personseins und der Menschenwürde teilhat. Nur für den Fall, dass Leben zu anderem Leben in eine schicksalhafte, nicht durch Menschen bewusst verursachte Konkurrenz tritt, darf dem Leben der entwickelten und ausgereiften Persönlichkeit der Vorrang vor der nicht oder wenig entwickelten Persönlichkeit gegeben werden, ohne dass damit der letzteren das Personsein abgesprochen wird. Ein derartiger schicksalhafter Konflikt liegt aber im Falle der PGD nicht vor. Die PGD verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen diese Sicht der Menschenwürde, einmal dadurch, dass sie die konflikthafte Konkurrenz zwischen Leben und Leben bewusst erst durch eine menschliche Handlung hervorruft, zum anderen dadurch, dass sie das Leben gezielt auf seine Qualität testet und ihm bei mangelnder Qualität den Lebenswert abspricht und daraufhin das Lebensrecht verweigert, also das Recht abspricht, an der Würde des Menschseins teilzuhaben und entsprechende Rechte zu besitzen, und zum Dritten dadurch, dass sie die Teilhabe frühen embryonalen Lebens an der Menschenwürde überhaupt in Frage stellt, indem – wenigstens zur Entwicklung und zum weiteren Ausbau der Methoden – ein verbrauchender Umgang mit Embryonen gebilligt wird. Damit trägt sie zur Aushöhlung nicht nur der Verbindlichkeit des Tötungsverbots, sondern auch des für den Schutz des behinderten und schwachen Lebens grundlegenden Verständnisses von der unantastbaren und unverlierbaren Menschenwürde bei. 2. Ethische Beurteilung der PGD von einigen möglichen Folgen her 2.1. PGD, Eugenik, verbrauchende Embryonenforschung Die PGD eröffnet den Einstieg zu einer Qualitätskontrolle menschlichen Erbguts mit deutlichen eugenisch-selektiven Tendenzen, selbst solchen der Auswahl nach gewünschten positiven Merkmalen. Um die PGD auszuarbeiten und zu verbessern (z. B. um eine Schädigung des Embryos durch die Entnahme pluripotenter Zellen zu Testzwecken möglichst auszuschließen) und auf weitere Erbkrankheiten auszuweiten, waren und sind verbrauchende Experimente mit frühen Embryonen unvermeidlich. Dies steht im Widerspruch zum deutschen Embryonenschutzgesetz. Der Weg hin zu genetisch-eugenischen Screening-Programmen und zu Veränderungen am Erbgut (z. B. Keimbahntherapie) und den dazu nötigen zahlreichen verbrauchenden Experimenten mit Embryonen wird beschritten. Diese und weitere Diagnostiken, Experimente und Therapieversuche wird man mit dem therapeutischen Nutzen und den Interessen von Menschen an solchen Verfahren rechtfertigen. Hinzu wird – wie bei der PND ersichtlich wird – ein psychosozialer und ökonomischer und zuletzt auch rechtlicher Druck für Risikogruppen kommen, diese neuen, krankes Leben verhindernden Methoden in Anspruch zu nehmen, und – für die Erbringer medizinischer Leistungen – sie auch den Wünschen der Interessenten gemäß anzubieten, da sonst gegebenenfalls bei Spätabort oder der Geburt eines behinderten Kindes auf Schädigung geklagt werden kann (behindertes Kind als "Schadensfall" !). 2.2. Begrenzung auf "schwere" monogene Erbkrankheiten? Nach dem Entwurf der BÄK soll PGD auf schwere monogene und nicht dauerhaft wirksam behandelbare Erbkrankheiten beschränkt werden. Damit will man PGD auf individualtherapeutische Ziele eingrenzen und sozial-eugenische Tendenzen und Manipulationen an Keimzellen und Embryonen abwehren. Angesichts dessen, dass die PGD bereits heute im Ausland keineswegs nur auf schwere monogene Erbkrankheiten beschränkt wird, erscheint dieser Entwurf allerdings als ein sehr unsicherer Versuch einer Grenzziehung. Diejenigen, die auf Grund von Sterilität eine IVF durchführen lassen und die oft zu Risikogruppen für genetische Erkrankungen gehören, werden dann mit guten Gründen für sich eine PGD fordern. Eine Ausdehnung auf weitere Risikogruppen für weniger schwere mono- und polygene Erbkrankheiten, auch solche, bei denen Gene ihre krank machenden Wirkungen erst im fortgeschrittenen Lebensalter entfalten (z. B. bestimmte Formen von Brustkrebs, Darmkrebs, Veitstanz) wird schon allein deshalb unvermeidlich sein, weil die Auffassungen über das, was schwere Erbkrankheiten sind, weit auseinander gehen. Die Entschlüsselung des Genoms und die Aufklärung der Funktionsweisen der Gene werden die Grundlagen für eine stetige Ausdehnung der Indikationen liefern. Auf diesem Hintergrund geht man nicht fehl in der Annahme, dass PGD auch in Deutschland zum Einstiegstor zu weit gehenden selektiven und verändernden Eingriffen ins Erbgut und zur umfassenden verbrauchenden Forschung an und mit Embryonen wird. So gesehen trägt der Entwurf der BÄK – trotz der auf konkrete individuelle Interessen ausgerichteten Ziele – ganz offensichtlich zugleich oder auch primär den Charakter, sich den Anschluss an europäische und internationale Entwicklungen, nicht zuletzt in Bezug auf die Forschungen mit Embryonen, nicht zu verbauen. Standesethische und standesrechtliche Regelungen vermögen solche Absichten und Entwicklungen längerfristig nicht wirksam zu verhindern. Dazu bedarf es klarer staatlich-rechtlicher Regelungen. 2.3. Selbstbeschränkung der Interessenten an PGD? Als wenig realistisch erweist sich aus vielerlei Gründen auch die Hoffnung, dass sich die PGD wegen der Belastungen und der nach wie vor geringen Erfolgsaussichten der IVF von selbst auf die Menschen mit einem Risiko für schwerste monogene Erbkrankheiten und zudem wiederum auf eine geringe Zahl aus dieser Gruppe von Menschen beschränken wird. Wenn letzteres zuträfe, stellt sich die Frage, warum nicht auch diese geringe Zahl von Menschen zu dem Verzicht auf ein Kind oder ein gesundes Kind durch PGD bereit sind, den der weitaus größte Prozentsatz dieser und anderer Risikogruppen erbringt oder erbringen muss. Es ist kaum einzusehen, dass es ethisch gesehen ungerecht wäre, dieser kleinen Gruppe auch einen solchen Verzicht zuzumuten. Ein derartiger Verzicht auf das Angebot einer möglichen "therapeutischen" Methode stellt keine ethisch und rechtlich unbegründete Einschränkung des Rechts auf individuelle Lebens- und Familienplanung dar, solange sie von allen betroffenen Risikogruppen erwartet wird. 2.4. PGD auch problematisch für die betroffenen Familien Nicht nur die die einzelnen betroffenen Familien übergreifenden Folgen von PGD können ethisch bedenklich sein, sondern auch die Folgen für die Familie selbst. Sollte PGD z. B. bei Paaren angewendet werden, die bereits ein lebensfähiges behindertes Kind haben, dann durch PGD ein gesundes Kind bekommen, dann impliziert die Anwendung von PGD, dass das eigene behinderte Kind besser oder eigentlich nicht leben sollte. Eine solche Situation kann eine große seelische und moralische Belastung für die ganze Familie darstellen. 2.5. Urteile über den "Lebensunwert" gesetzlich erlauben? Die Begrenzung auf schwere monogene Erbkrankheiten, die schon bei der Geburt oder bald danach auftreten, wirft aber nicht nur Bedenken wegen einer absehbaren Ausweitung (Schiefe-Bahn-Argument) auf. Diese ist schon damit vorherbestimmt, dass die BÄK sich nicht festlegen möchte und kann, welche Krankheiten unter die Klassifizierung "schwere Erbkrankheiten" fallen. Darüber herrscht selbst unter Ärzten große Uneinigkeit. Dann stellt sich aber die Frage, wie und nach welchen Kriterien die von der BÄK mit der Prüfung von Anträgen für PGD zu beauftragende Kommission Entscheidungen fällen kann und soll. Die Nichtfestlegung auf nähere Kriterien für schwere Erbkrankheiten hat freilich gute ethische Gründe, weil damit implizit gesagt würde, dass die Träger derartiger Gene ein "lebensunwertes Leben" haben und deshalb rechtzeitig selektiert werden dürfen. Eine derartige Begründung widerspräche dem Art. 2.3 des Grundgesetzes, wonach niemand auf Grund seiner Behinderung benachteiligt werden darf, und der Gesetzgebung und Rechtsprechung zum Schwangerschaftsabbruch, wonach zur Rechtfertigung einer Abtreibung nicht auf die Behinderung des Kindes an sich, sondern nur auf die Zumutbarkeit einer Behinderung für das Leben der Mutter abgestellt werden darf. Die Zumutbarkeit ist aber eine wesentlich subjektiv bedingte Größe und auch unabhängig davon, ob die Ursachen der Behinderung monogener Art sind oder nicht. Ein mit der guten Absicht, einer beliebigen Ausweitung der PGD zu wehren, aufgestellter Katalog "schwerer" Krankheiten geriete demnach nicht nur zu einem ethisch problematischen Katalog über "lebensunwertes Leben" und zur Diskriminierung von Menschen (und deren Angehörigen), die an solchen Krankheiten leiden, sondern auch in Widerspruch zum ethischen und rechtlichen Ansatz bei der Subjektivität der Betroffenen, der Zumutbarkeit für sie und ihrer Entscheidungsbefugnis. Eine derartige Mischung beider ethischer Ansätze und die Aufstellung eines "Katalogs" schwerer Krankheiten ist bereits bei der Einführung der PND diskutiert und verworfen worden. Lebensunwerturteile "Außenstehender" (Ärzte, Berater u.a.) wären allenfalls in etwa zu vermeiden, indem man die Entscheidungsbefugnis über die Einführung und Anwendung von PGD in jeder Hinsicht ausschließlich den von Erbkrankheiten betroffenen Interessenten überlässt und wenn sich die Ärzte so als reine Vollzugsgehilfen von deren – sicher durch die Angebote der Medizin in dieser Weise erst hervorgerufenen – Wünschen bzw. Ansprüchen verstünden. Die dahingehenden Erfahrungen mit der PND machen es sehr wahrscheinlich, dass diese Folgen auch bei der PGD zu erwarten sind. Eine Begrenzung des Angebots von PGD auf bestimmte Risikogruppen könnte zudem eine ungerechte Benachteiligung anderer Gruppen darstellen und dann in der Tat im Widerspruch stehen zum grundgesetzlich garantierten Recht auf freie Lebens- und Familienplanung und gleichen Zugang zu Leistungen des Gesundheitswesens. III. Schutz der schwächsten Menschen wichtiger als therapeutische Fortschritte – Krise der Ziele medizinischen Fortschritts? Die technische Zivilisation, nicht zuletzt die medizinische Forschung und Praxis, steht vor einer Krise ihrer Ziele. Die Medizin neigt dazu, alles Handeln als moralisch gut auszugeben, durch das Krankheiten bekämpft werden. In dem Maße, in dem die bisher nur als Utopie fungierende Vorstellung von einer von Behinderungen und vielen Krankheiten freien Welt – durch prädiktive Medizin, Selektion, Therapie usw. realisierbar zu werden scheint, wird diese Zielvorstellung sozial, ökonomisch und moralisch problematisch. Es entwickelt sich z. B. ein Zwang zur Gesundheit, der auf individueller wie kollektiver Ebene zunehmend zur Bedrohung des Lebensrechts unheilbarer Menschen führen kann und insofern in sich unmoralisch, inhuman ist. Die PGD stellt ein medizinisch-diagnostisches Verfahren dar, das die Grundlage zu eindeutig negativen Lebenswerturteilen und zur Tötung auf Grund von Lebensunwert liefert. Durch die Billigung von Lebensunwerturteilen werden das für den Schutz der schwächsten Glieder der Gesellschaft entscheidende Tötungsverbot und das bisherige Verständnis von Menschenwürde und Menschenrechten ausgehöhlt. Damit entsteht zugleich die Frage, ob solche Urteile und mit welchen Begründungen sie nur auf bestimmte Stadien am Anfang des Lebens begrenzt, ob sie nicht auf alle Stadien des vorgeburtlichen und des geborenen Lebens, nicht zuletzt auch des endenden Lebens ausgedehnt werden dürfen. Auf längere Frist und bei wachsendem ökonomischen Druck durch die zunehmende Zahl schwerstpflegebedürftiger – insbesondere alter Menschen – wird dies nicht ohne Folgen bleiben für schwache Menschen in anderen Grenzbereichen des Lebens, zumal Argumentationen, die in einem Bereich des Lebens und der Medizin als zutreffend anerkannt werden, in anderen, aber ähnlich gelagerten Lebenssituationen (z. B. nach der Geburt und am Lebensende) nicht grundsätzlich falsch sein können. Die Achtung der Menschenwürde und der Lebensschutz – insbesondere der schwächsten, schwerstpflegebedürftigen und behinderten Menschen – ist ein höherrangiges Gut als die Erfüllung verständlicher Interessen einzelner Menschen nach Gesundheit und Lebensglück (z. B. Wunsch nach einem "gesunden" Kind), aber auch als Forschungsfreiheit und Forschungsinteressen und therapeutische Fortschritte. Wo sich das Streben nach wissenschaftlichem Fortschritt, medizinischer Bemächtigung des Lebens, Gesundheit und leidfreiem Lebensglück zur Infragestellung der Menschenwürde und zur Bedrohung der Fürsorge für die schwächsten Glieder der Gesellschaft auszuweiten droht, muss die Gesellschaft bereit und fähig sein, um der Wahrung der Würde und Rechte der schwächsten Mitmenschen willen auf mögliche wissenschaftliche und therapeutische Fortschritte zu verzichten, und dies durch rechtliche Verbote einfordern. Solange Methoden nicht in die medizinische Praxis eingeführt werden und daher alle Menschen auf sie verzichten müssen, wird durch diesen Verzicht um moralischer, das Leben aller Glieder der Gemeinschaft schützender Rechte willen auch niemand ungerecht behandelt und unbegründet in seinen Grundrechten auf freie Lebens- und Familienplanung behindert. Die eigenen Interessen gegen die begründeten Bedürfnisse und Rechte anderer durchzusetzen, wäre Ausdruck von unmoralischer Willkürfreiheit. Dies zu billigen, käme der rechtlichen Legitimation der Herrschaft der "autonomen" und "starken" über die schwachen Menschen gleich. Die Humanität einer Gesellschaft erweist sich aber weniger daran, ob sie die Interessen der starken und zu autonomem Handeln fähigen Menschen in der Gesellschaft absichert, und auch nicht an den technischen Möglichkeiten zur Verhinderung von Leiden, als vielmehr daran, in welchem Maße sie zur Solidarität mit allen unheilbaren und behinderten Menschen bereit ist und bleibt. Nur eine Autonomie, die sich – nach I. Kant – dem allgemein verpflichtenden "Sittengesetz" unterstellt, die – nach christlicher Sicht – eingeordnet ist in und untergeordnet unter eine von der Liebe bestimmte Verpflichtung zur Solidarität mit den "Schwachen", verdient es in moralischer Hinsicht, Freiheit genannt zu werden. Aus „Zeitschrift für medizinische Ethik“, 2000