Rationales Design von Enzymen - Max-Planck

Werbung
Kombrink, Erich | Rationales Design von Enzymen mit neuartigen Eigenschaften
Tätigkeitsbericht 2007
Pflanzenforschung
Rationales Design von Enzymen mit neuartigen Eigenschaften
Kombrink, Erich;
Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Köln
Abteilung – Molekulare Phytopathologie
Korrespondierender Autor
Kombrink, Erich
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Pflanzen synthetisieren viele sekundäre Inhaltsstoffe, die sich von Phenylalanin ableiten und
Schutzfunktionen gegen widrige Umweltbedingungen erfüllen. Mit dem Ziel, die Ursachen für diese
Produktvielfalt zu verstehen, wurde für ein Schlüsselenzym des Phenylpropanoidstoffwechsels
der Mechanismus der Substratselektion aufgeklärt. Dadurch ergeben sich Möglichkeiten, durch biotechnologische Anwendung Eigenschaften von Pflanzen gezielt zu verändern.
Abstract
Plants synthesize a vast array of secondary compounds derived from phenylalanine, which fulfill
defense functions against unfavorable environmental conditions. To understand the basis for this
chemical diversity, the mechanism of substrate selection was unraveled for a key enzyme of phenylpropanoid metabolism. This knowledge may provide strategies of engineering natural product
pathways aiming at targeted modifications of plant properties.
Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe dienen der Anpassung an eine variable Umwelt
Pflanzen sind in ihrer Umwelt fest verwurzelt und daher nicht in der Lage, Stress oder harschen
Umweltbedingungen auszuweichen. Um sich den wechselnden Lebensbedingungen an einem Standort
anzupassen, haben Pflanzen im Verlauf der Evolution durch plastische Anpassung ihres Metabolismus auf diese Einflüsse chemische und biochemische Schutzmechanismen entwickelt, die mechanische Widerstandsfähigkeit verleihen (Lignin, Verholzung), Wasserverlust verhindern (Wachs- und
Korkschichten), schädliche UV-Strahlen abhalten (Farbstoffe, Schutzpigmente) und vor Befall durch
Mikroorganismen und Insekten schützen (Antibiotika, Inhibitoren) [1]. Als Folge dieses Prozesses
sind Pflanzen in der Lage, eine außerordentliche Vielfalt an chemischen Verbindungen zu synthetisieren (über 100000 Substanzen sind bisher identifiziert worden), die als Sekundärmetabolite bezeichnet
werden und in der Vergangenheit häufig nur als Abfallprodukte des Primärstoffwechsels angesehen
wurden. Inzwischen ist für viele Substanzklassen aber nachgewiesen worden, dass sie wichtige
biologische Funktionen erfüllen [2]. Die meisten Substanzen werden über wenige Stoffwechselwege
produziert und können somit großen Substanzklassen zugeordnet werden, beispielsweise Alkaloiden,
Isoprenoiden, Phenylpropanoiden oder Glucosinolaten.
Die außerordentliche Strukturvielfalt entsteht durch Variation der Ausgangsverbindung und der
enzymatischen Modifikation der Endprodukte durch Hydroxylierung, Methylierung, Oxidation oder
Verknüpfung mit Zuckerresten (Glykosylierung) [3]. Verwandte Pflanzenfamilien synthetisieren
© 2007 Max-Planck-Gesellschaft
www.mpg.de
Tätigkeitsbericht 2007
Kombrink, Erich | Rationales Design von Enzymen mit neuartigen Eigenschaften
häufig gleichartige Substanzen – Leguminosen stellen Isoflavonoide her, Solanaceaen synthetisieren
Sesquiterpene –, was auch als taxonomisches Merkmal dienen kann, während andere Substanzklassen,
wie Phenylpropanoide, in allen Pflanzenfamilien vertreten sind [4].
Vom Phenylpropanoidstoffwechsel leiten sich viele wichtige Substanzen ab
Verbindungen, die als Abwehrstoffe gegen biotischen und abiotischen Stress wirken und damit eine
große Bedeutung bei der natürlichen Resistenz von Pflanzen gegenüber Mikroorganismen (Bakterien,
Pilze) oder Verwundung (Insektenfraß) haben, finden sich in allen Substanzklassen [2]. Der in Pflanzen ubiquitäre Phenylpropanoidstoffwechsel nimmt dabei eine besondere Stellung ein, weil einerseits
Massenprodukte wie Lignin oder Kork über diesen Weg gebildet werden, die als Holzkomponenten
für die Entwicklung und Stabilität von Pflanzen wichtig sind und neben Cellulose die häufigsten
Biopolymere der Erde darstellen, andererseits leitet sich eine enorme Vielfalt von Verbindungen aus
dem Phenylpropanoidstoffwechsel ab, die zusätzliche biologische Funktionen als Antibiotika, Antioxidantien, Blüten- und Fruchtfarbstoffe oder Signalstoffe erfüllen. Alle Phenylpropanoide werden aus
Phenylalanin synthetisiert, das durch die Wirkung von drei Enzymen in einen aktivierten ZimtsäureCoA-Ester umgewandelt wird, der als Ausgangsverbindung für die nachfolgenden, komplexen
Stoffwechselwege dient (Abb. 1).
Abb. 1: Übersicht über den Phenylpropanoidstoffwechsel und Produkte, die sich daraus ableiten.
A Phenylalanin wird von den Enzymen Phenylalanin-Ammoniak-Lyase (PAL) und Zimtsäure-4Hydroxylase (C4H) zunächst in 4-Cumarsäure (4-Hydroxyzimtsäure) und dann durch 4-Cumarat:
CoA-Ligase (4CL) in den entsprechenden aktivierten CoA-Ester umgewandelt. Dieser und andere
aktivierte Zimtsäurederivate werden in komplexen Stoffwechselwegen weiter umgesetzt.
B Beispiele für Produkte des Phenylpropanstoffwechsels sind Lignin (Holz) und Suberin (Kork) sowie
Flavonoide und Anthocyane, die als Frucht- und Blütenfarbstoffe in vielen Pflanzen auftreten, z.B. in
Rosengewächsen (Gartenrose, Hagebutte, Brombeere), Prachtwinde (Ipomoea), Paprika (Capsicum),
Goldmohn (Eschscholzia) und für die unterschiedlichen Färbungen verantwortlich sind, die von gelb,
rot, blau bis zu violett und schwarz reichen können.
Urheber: Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung/Kombrink
www.mpg.de
© 2007 Max-Planck-Gesellschaft
Kombrink, Erich | Rationales Design von Enzymen mit neuartigen Eigenschaften
Tätigkeitsbericht 2007
Das letzte Enzym dieser Reaktionskette, 4-Cumarat:CoA-Ligase (4CL), nimmt eine besondere Stellung ein, weil es am Verzweigungspunkt zu den nachgeordneten Stoffwechselwegen liegt und vermutlich an der Steuerung des Stoffflusses in die unterschiedlichen Wege beteiligt ist. Darüber hinaus
zeichnen sich alle bisher untersuchten 4CL-Enzyme dadurch aus, dass sie ein breites Substratspektrum
verwerten und neben 4-Cumarsäure (4-Hydroxyzimtsäure) auch andere, natürlich vorkommende
Zimtsäurederivate umsetzen, was zu der bereits erwähnten Produktvielfalt beiträgt. Die Frage, durch
welchen Mechanismus Substrate ausgewählt, in bestimmte Stoffwechselwege kanalisiert und damit
in ein entsprechendes Produktspektrum umgewandelt werden, ist weitgehend ungeklärt.
Isoenzyme erfüllen spezifische Aufgaben im Pflanzenmetablismus
In der Modellpflanze Arabidopsis thaliana sind 4-Cumarat: CoA-Ligasen (4CLs) durch vier Gene
kodiert, die sich in ihren Expressionsmustern unterscheiden. In Kombination mit den unterschiedlichen enzymatischen und regulatorischen Eigenschaften der kodierten Enzyme werden dadurch
unterschiedliche Aufgaben erfüllt, beispielsweise die Biosynthese von Lignin oder Flavonoiden in
speziellen Zelltypen oder Organen [5]. Das herausragende Merkmal des Isoenzyms At4CL2 ist, dass
Ferulasäure (3-Methoxy-4-hydroxyzimtsäure) im Gegensatz zu anderen Zimtsäurederivaten nicht
umgesetzt wird [6]. Diese natürliche Verlustmutante diente einer Forschergruppe des Max-PlanckInstituts für Züchtungsforschung als Ausgangsmaterial, den molekularen Mechanismus der Substratselektion in dieser Enzymklasse aufzuklären. Als Hilfsmittel wurde in Zusammenarbeit mit einer
Arbeitsgruppe der Universität Köln zunächst ein dreidimensionales Strukturmodell des Enzyms
erstellt (Abb. 2).
Abb. 2: Dreidimensionales Strukturmodell des Enzyms At4CL2 aus Arabidopsis.
A Das Homologiemodell der Enzymfaltung von At4CL2 wurde mithilfe der Kristallstruktur von verwandten Proteinen (PheA und Luciferase) errechnet. Das Protein besteht aus zwei unterschiedlichen
Domänen, der größere Teil (blau und grün) bindet das Substrat (4-Cumarsäure), der kleinere Teil (rot)
enthält die katalytische Aminosäure (Lysin-540), die an der Reaktion beteiligt ist.
B Detailansicht der Substratbindungstasche mit Kaffeesäure als gebundenem Substrat. Aus diesem
Modell lassen sich die Aminosäurereste bestimmen, die in engem Kontakt mit dem Substrat stehen.
Urheber: Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung/Kombrink
© 2007 Max-Planck-Gesellschaft
www.mpg.de
Tätigkeitsbericht 2007
Kombrink, Erich | Rationales Design von Enzymen mit neuartigen Eigenschaften
In dieses Modell ließen sich die gut umgesetzten Substrate 4-Cumarsäure und Kaffeesäure
(3,4-Dihydroxyzimtsäure) leicht einpassen, während sich für die größere Ferulasäure ein sterischer
Konflikt mit zwei Aminosäureresten (Leucin-320 und Methionin-293) ergab, die im 3-D-Modell
benachbart sind [7]. Der zielgerichtete Austausch dieser großen Aminosäuren gegen kleinere, wie sie
in anderen 4CLs vorliegen, führte zu einer Enzymvariante, die aufgrund der vergrößerten Substratbindungstasche erwartungsgemäß Ferulasäure umsetzte (Abb. 3). Dieses „Erfolgserlebnis“ hat nicht
nur das Strukturmodell bestätigt, sondern auch die Kreativität der Forscher angespornt, nach weiteren
Möglichkeiten zu suchen, um das Substratspektrum des Enzyms gezielt zu erweitern. Sinapinsäure
(3,5-Dimethoxy-4-hydroxyzimtsäure) wurde als nächste Herausforderung gewählt, da diese natürlich
vorkommende Substanz von At4CL2 gleichfalls nicht umgesetzt wird. Dem Strukturmodell entsprechend, konnte die Substratbindungstasche im vorhergesagten Bereich vergrößert werden, was in diesem Fall durch die gezielte Deletion einer Aminosäure erreicht wurde und was zu einer Enzymvariante
führte, die Sinapinsäure umsetzte.
Abb. 3: Veränderungen der Substratbindungstasche und der Substratverwertung von At4CL2 durch
Aminosäureaustausch.
A Teilansicht der Substratbindungstasche des Wildtyp-Enzyms (At4CL2-WT) mit gebundener
Kaffeesäure. Von diesem Enzym werden nur 4-Cumarsäure und Kaffeesäure umgesetzt.
B In der Enzymvariante At4CL2-PL ist die Substratbindungstasche durch Austausch von zwei Aminosäuren (Met293Pro und Lys320Leu) vergrößert, wodurch neben 4-Cumarsäure und Kaffeesäure
auch Ferulasäure umgesetzt werden kann.
C Teilansicht der Substratbindungstasche der Variante At4CL2-PL+∆L356 mit gebundener Sinapinsäure. Durch Deletion einer Aminosäure (Leu356) ist die Substratbindungstelle weiter vergrößert
worden, wodurch nun zusätzlich auch noch der Umsatz von Sinapinsäure möglich ist. Alle Enzymaktivitäten sind im Verhältnis zum Umsatz von 4-Cumarsäure angegeben.
Urheber: Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung/Kombrink
www.mpg.de
© 2007 Max-Planck-Gesellschaft
Kombrink, Erich | Rationales Design von Enzymen mit neuartigen Eigenschaften
Tätigkeitsbericht 2007
In weiteren Variationen wurde auch die Umsatzrate für die unpolare Zimtsäure gezielt verbessert,
indem ein Enzym mit einer aus hydrophoben Aminosäuren aufgebauten Substratbindungstasche
hergestellt wurde [7].
Die nächsten Herausforderungen:
Neue Möglichkeiten für die Grundlagenforschung und gentechnologische Anwendungen
Welche Schlussfolgerungen und praktischen Anwendungen ergeben sich aus den erzielten Ergebnissen? Zum einen ist da selbstverständlich der rein erkenntnisgewinnende Wert zu nennen, nämlich
die detailgetreue Struktur eines Enzyms – der kleinsten biologisch aktiven Einheit – zu erforschen.
Weiterführend stellt sich die Frage, ob es möglich ist, die Eigenschaften und Substrate von anderen,
bisher nicht untersuchten Enzymen durch solche Ergebnisse vorherzusagen. Dass dies nicht nur eine
Annahme, sondern praktische Notwendigkeit ist, ergibt sich aus den vollständig sequenzierten Genomen, die inzwischen für viele Organismen vorliegen und die zahlreiche neue Proteine zu Tage fördern,
denen noch eine Funktion zugeordnet werden muss [7, 8]. Diesbezüglich ist mit der Untersuchung von
4CL-ähnlichen Proteinen aus Arabidopsis thaliana zumindest ein Teilerfolg erzielt worden: Für zwei
Proteine, deren Substratbindungstasche aus hydrophoben Aminosäuren aufgebaut ist, konnte bestätigt
werden, dass sie hydrophobe Substrate, Fettsäuren und Fettsäurederivate (Jasmonsäuren) umsetzen
[9, 10].
Zum anderen ist mit den neu geschaffenen Enzymen aber auch die Werkzeugkiste der Forscher um
ein weiteres Element bereichert worden, das erlauben sollte, mittels Gentechnik Veränderungen an
Pflanzen vorzunehmen. Holzqualität (Hartholz oder Weichholz) ist unter anderem davon abhängig,
welche Moleküle von der Pflanze für die Synthese von Lignin verwendet werden, und ebenso werden
Blütenfarbe oder andere Pflanzeninhaltsstoffe verändert, wenn modifizierte Ausgangsverbindungen
in Stoffwechselwege einfließen.
Dementprechend konzentrieren sich die gegenwärtigen Forschungsaktivitäten auf die Frage, welche
Eigenschaften sich in Pflanzen verändern, wenn Enzyme mit neuartigen Eigenschaften durch gezielt
steuerbare Promotoren (Genregulatoren) in unterschiedlichen Geweben, Zelltypen oder Entwicklungsstufen synthetisiert werden. Die Auswirkungen solcher gentechnologischen Veränderungen auf die
physiologischen und biochemischen Eigenschaften der Pflanzen vorauszusagen ist gegenwärtig nicht
möglich. Da die erwähnten Stoffwechselwege und Produkte aber von großer Bedeutung für die Eigenschaften von Pflanzen sind, ist eine spätere Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse zur Verbesserung von Nutzpflanzen nicht unrealistisch.
© 2007 Max-Planck-Gesellschaft
www.mpg.de
Tätigkeitsbericht 2007
Kombrink, Erich | Rationales Design von Enzymen mit neuartigen Eigenschaften
Literaturhinweise
[1] J. B. Harborne, H. Baxter, (eds.):
Phytochemical Dictionary. A Handbook of Bioactive Compounds from Plants.
Taylor & Francis, Bristol (1995).
[2] R. A. Dixon:
Natural products and plant disease resistance.
Nature 411, 843–847 (2001).
[3] J. C. D’Auria, J. Gershenzon:
The secondary metabolism of Arabidopsis thaliana: Growing like a weed.
Current Opinion in Plant Biology 8, 308–316 (2005).
[4] M. Wink:
Evolution of secondary metabolites from an ecological and molecular phylogenetic perspective.
Phytochemistry 64, 3–19 (2003).
[5] J. Ehlting, D. Büttner, Q. Wang, C. J. Douglas, I. E. Somssich, E. Kombrink:
Three 4-coumarate:coenzyme A ligases in Arabidopsis thaliana represent
two evolutionarily divergent classes in angiosperms.
The Plant Journal 19, 9–20 (1999).
[6] H. P. Stuible, E. Kombrink:
Identification of the substrate specificity-conferring amino acid residues
of 4-coumarate:coenzyme A ligase allows the rational design of mutant enzymes with
new catalytic properties.
The Journal of Biological Chemistry 276, 26893–26897 (2001).
[7] K. Schneider, K. Hövel, K. Witzel, B. Hamberger, D. Schomburg, E. Kombrink, H. P..Stuible:
The substrate specificity-determining amino acid code of 4-coumarate:CoA ligase.
Proceedings of the National Academy of Sciences USA 100, 8601–8606 (2003).
[8] The Arabidopsis Genome Initiative:
Analysis of the genome sequence of the flowering plant Arabidopsis thaliana.
Nature 408, 796–815 (2000).
[9] K. Schneider, L. Kienow, E. Schmelzer, T. Colby, M. Bartsch, O. Miersch, C. Wasternack,
E. Kombrink, H. P. Stuible:
A new type of peroxisomal acyl-coenzyme A synthetase from Arabidopsis thaliana has the
catalytic capacity to activate biosynthetic precursors of jasmonic acid.
Journal of Biological Chemistry 280, 13962–13972 (2005).
[10] L. Kienow, K. Schneider, M. Bartsch, H. P. Stuible, H. Weng, O. Miersch, C. Wasternack,
E. Kombrink:
Jasmonates meet fatty acids: Functional analysis of a new acyl-coenzyme.
A synthetase protein family from Arabidopsis thaliana.
Journal of Experimental Botany, in press.
Drittmittelfinanzierung
Dieses Projekt wurde unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
www.mpg.de
© 2007 Max-Planck-Gesellschaft
Herunterladen