HOPPE SEYLER'S Z. PHYSIOL. CHEM. Bd. 348, S. 84—88, Januar 1967 Zur Bestimmung der biologischen Wertigkeit von Nahrungsproteinen, XII1 Die Mischung von Ei mit Reis, Mais, Soja, Algen Von ERNST KOFRÄNYI und FRIEDRICHKARL JEKAT Aus dem Max-Planck-Institut für Ernährungsphysiologie, Dortmund* (Der Schriftleitung zugegangen am 16. August 1966) Zusammenfassung: 1. Im Bilanzversuch am Menschen wurde die biologische Wertigkeit von Proteinen aus Mischungsreihen von Ei mit Algen, Mais, Reis und Soja bestimmt. In Übereinstimmung mit unseren früheren Befunden zeigt sich in allen Fällen eine optimale Mischung, bei der der Umsatz (= Bedarf) ein Minimum ist; die den Minimalpunkt einschließenden Kurven sind gerade Linien. 2. Ein Normierungsverfahren wird beschrieben, nach dem die an verschiedenen Personen er- mittelten Ergebnisse des Stickstoffumsatzes vergleichbar gemacht werden können. , An Hand experimenteller Befunde wird nachgewiesen, daß bei Ernährung mit natürlichen Nahrungsmitteln die biologische Wertigkeit der Proteinmischung nicht durch einzelne „begrenzende" Aminosäuren bedingt ist und daß verminderte Zufuhr an essentiellen Aminosäuren teilweise durch unspezifische Stickstoff träger ausgeglichen werden kann. Summary: l The biological value of proteins in mixtures of egg with algae, maize, rice and soya was determined in balance experiments on humans. In agreement with our earlier findings, there was an optimal composition for each mixture, in which the turnover (— requirement; was at minimum. The minimal point is bisected by two straight lines. 2. A standardisation procedure is described, whereby results for the nitrogen turnover of different persons can be compared. 3. It was shown that with natural foods the biological value of the protein mixture does not depend upon single 'imiiiiiig ctiiiiuo -oüita·, u decreased level of essential amino acids can be partly compensated by unspecific nitrogen carriers. In früheren Publikationen2»3 wurde der Minimalbedarf des Menschen für eine Reihe von Eiweißgemischen (Ei, Milch, Weizen, Kartoffeln, Bohnen, Rindfleisch, Thunfisch) angegeben. In der vorliegenden Arbeit soll über die Ergebnisse der Untersuchungen von neuen Mischungen (Ei mit Reis, Mais, Soja und Süßwasser-Grünalgen) berichtet werden, die zur Komplettierung unserer Bilanzdaten sowie der Wertigkeitsermittlung dienen sollen. Die Definition der biologischen Wertigkeit eines Proteins wurde im Laufe der Zeit wiederholt geändert. Wir bezeichnen sie als die reziproke Zahl des Minimalbedarfs an Protein bei ausgeglichener Bilanz; die Wertigkeit von Volleiweiß setzen wir gleich 100. Diese Definition ist in den anderen, älteren implizit enthalten; da wir den Minimalbedarf bestimmen, schließt sie sich eindeutiger an die Versuchsbedingungen an. Unsere Untersuchungen zielen jedoch auf eine neue Begriffsbestimmung, * Postanschrift: Dr. E. KOFRÄNYI,46Dortmund, Rheinlanddamm 201. 1 XL Mitteil.: E. KOFRÄNYI u. F. JEKAT, diese Z. 342, 248 [1965]. 2 VIII. Mitteil.: E. KOFRÄNYI u. F. JEKAT, diese Z. 335, 174 [1964]. 3 X. Mitteil.: E. KOFRÄNYI u. F. JEKAT, diese Z. 338, 159 [1964]. Unauthenticated Download Date | 5/11/16 7:23 PM Bd. 348 (1967) Wertigkeit von Nahrungsproteinen, XII denn der Begriff der biologischen Wertigkeit ist operativer Art und steht in Zusammenhang mit der Natur der geregelten Stickstoffbilanzierung in Abhängigkeit von der Qualität und Quantität der Aminosäurezufuhr. 85 verschiedener Versuchspersonen zur Deckung bringen. In jedem Falle werden die sogenannten Volleipunkte der Ordinaten durch Multiplikation mit einem Faktor auf 0,500 normiert. Der Umsatz von 0,500 g Eiweiß pro kg Körpergewicht und Tag deckt sich mit dem arithmetischen Mittel der mit Ei-Protein an 27 Personen gefundenen Minimalbedarfswerte. Sie lagen zwischen 0,370 und 0,620, der Mittelwert war 0,509 g Eiweiß pro kg Körpergewicht und Tag. In Tab. l sind die an 7 Personen gefundenen und daraus durch Normierung errechneten Minimalbedarfswerte für eine Reihe von Proteingemischen wiedergegeben. Die gefundenen Ergebnisse der Reihe Ei/Soja sind in Abb. l a, die normierten Bilanzdaten in Abb. l b dargestellt. Aus den Schnittpunkten der Kurven in Abb. l b ergibt sich, daß bei einem Mischungsverhältnis von 60% Ei- und 40 % Sojaprotein ein Minimalumsatz von 0,405g Eiweiß pro kg Körpergewicht und Tag erzielt wird. Auf diese Weise lassen sich an vielen Versuchspersonen mit unterschiedlich hohem Eibedarf gewonnene Ergebnisse miteinander vergleichen. So werden in Abb. 2 früher gewonnene Ergebnisse2'3 von den Gemischen Milch/ Weizen, Rind/Kartoffeln und einigen Ei-Mischungen zum erstenmal normiert wiedergegeben. Methodik Die Technik der Bilanzuntersuchungen wurde früher ausführlich beschrieben4. Die Streubreite der Methode ist±l,5% 4 . Die Untersuchungsergebnisse werden auf Grund der folgenden Zusammenhänge normiert: Trägt man die Minimalbedarfswerte gegen die prozentualen Mischungsverhältnisse graphisch auf, so findet man bei verschiedenen Versuchspersonen geometrisch ähnliche Kurven, die proportional gegeneinander verschoben sind. Bezieht man nun alle Werte auf einen bei jeder Versuchsperson bestimmten Minimalbedarf an Vollei als gemeinsamen Bezugswert, so lassen sich die Kurvenzüge 4 VII. Mitteil.: E. KOFRANYI u. F. JEKAT, diese Z. 335, 166 [1964]. Tab. 1. Minimalbedarf in g Eiweiß/kg Körpergewicht und Tag bei Mischungen von Ei- mit Reis-, Mais-, Sojaund Algenprotein. gefundene Werte \ Versuchspers. Eiweißgemisch\ 100% Vollei-protein Normier.-Faktor auf Ei -·^ 0,5 100% Reis-protein 100% Mais-protein Gri. Puh. Gei. Pil. Der. normierte Werte Bor. 88% Ei- + 75% Ei- + 50% Ei- + 25% Ei- + 0,588 0,519 0,525 0,518 0,537 0,611 — — — - - - - 12% Mais-protein 25% Mais-protein 50% Mais-protein 75% Mais-protein _ - - 0,433 0,474 0,530 0,592 75% Ei- + 25% Soja-protein 50% Ei- + 50% Soja-protein 25% Ei- + 75% Soja-protein - - - 0,513 0,509 - 0,439 0,435 0,511 - - 75% Ei50% Ei39% Ei25% Ei- - - - - - - 0,460 0,44.3 0,433 0,492 + + + + 25% Algen-protein 50% Algen-protein 61 % Algen-protein 75% Algen-protein bezogen auf Eiprotein = 0,500 0,543 0,540 0,493 0,585 0,497 0,452 0,477 0,500; 0,500; 0,500 0,92081 0,92593 1,01420 0,85470 1,00604 1,10619 1,04822 0,672 0,672 0,619; 0,622 0,650 0,659 100% Algen-protein 75 % Ei- + 25 % Reis-protein 50% Ei- + 50% Reis-protein 25% Ei- + 75% Reis-protein Kap. - - Unauthenticated Download Date | 5/11/16 7:23 PM ',616' 0,478; 0,480 0,483; 0,487 - ; 0,566 0,439 0,481 0,538 0,600 0,439; 0,441 0,435; 0,438 - ; 0,514 0,482 0,464 0,454 0,516 86 E. KOFRANYI und F. JEKAT Ergebnisse Die Ergebnisse sind in Tab. l und Abb. l und 2 zusammengefaßt. Durch die Abszissen werte ist die untersuchte Eiweißmischung definiert: % Eiweiß A plus % Eiweiß B ergänzen sich in jedem Falle zu 100%. Auf den Ordinaten lassen sich die minimalen Proteinmengen (in g/kg Körpergewicht und Tag) ablesen, mit denen Bilanzausgleich für Stickstoff erzielt wird. Kleine Ordinaten werte zeigen hohe, große Ordinatenwerte niedrige biologische Wertigkeit eines Proteins oder einer Proteinmischung an. Die höchste biologische Wertigkeit fanden wir bei der Mischung 35% Ei-Protein + 65% Kartoffeleiweiß mit einem Umsatz von 0,37 g Eiweiß/kg Körpergewicht und Tag. Die niedrigste Wertigkeit zeigte Weizenprotein, von dem fast 0,9 g Eiweiß/kg Körpergewicht und Tag zum Bilanzausgleich erforderlich waren. Alle von uns in diesem Zusammenhang geprüften Proteingemische zeigten Optima der Wertigkeit mit Umsatzgrößen von 0,4—0,5 g Eiweiß/kg Körpergewicht und Tag. Das bedeutet eine mehr als doppelte Sicherheitsspanne gegenüber den in der Bd. 348 (1967) Ernährungspraxis üblichen Zufuhrempfehlungen von l — 1,2 g Eiweiß/kg Körpergewicht und Tag. Die Kombination Ei/Soja (60% + 40%) erreicht einen Ordinatenwert von 0,405 und somit eine biologische Wertigkeit, die nur ca. 10% niedriger liegt als die beste, die bisher von uns gefunden wurde. Ungünstiger sind die Ergebnisse der Mischungsreihe Ei/Bohnen*. Das bedeutet, daß Zugehörigkeit zur gleichen Pflanzenfamilie (Leguminosen) nicht die gleiche Proteinqualität zur Folge haben muß. Der Kurvenverlauf der Kombination von Ei mit Algen* * ähnelt dem von Ei/Bohnen. Reiseiweiß * * * zeigt im normierten Diagramm etwa gleiche Wertigkeit wie Algen und eine bessere als Mais****, Bohnen und Weizen. Jedoch ist die Ergänzungswertigkeit gegen Ei geringer als die der besten Mischungen von Ei mit Bohnen, Soja, Algen, Kartoffeln. * Phaseolus vulgaris. ** Wir danken der FÖRDERERGESELLSCHAFT FÜR KOHLENSTOFFBIOLOGIE in Dortmund für die Überlassung von walzengetrockneten Algen Scenedesmus obliquus. *** Oryza satwa, Patna-Reis. **** Zea mays, Yellow corn III. Oßb) 0,7- 0,6\· 0,5 Ei Soja 0,3 WO 0 80 20 60 40 60 20 80 0100 A WOO B 20 60 40 60. 20 Wl Abb. 1. Minimalbedarf bei Ei- und Sojaprotein. Auf den Abszissen ist das Mischungsverhältnis von Eipntein mit Sojaprotein (a), bzw. mit Protein aus Bohnen, Soja oder Kartoffeln (b) angegeben. Die Ordinaten zeigen die Minimalmengen Protein pro kg Körpergewicht und Tag für den Bilanzausgleich. a) Gefundene Werte der Versuchspersonen Pil., Der. und Bor. — b) Auf 0,5 g Ei pro kg „normierte" Werte, zum Vergleich'die entsprechenden Kurven von Bohnen und Kartoffeln. A = Eiprotein, B = Protein aus Bohlen, Soja oder Kartoffeln in %-Anteilen an der Mischung. Unauthenticated Download Date | 5/11/16 7:23 PM Bd. 348 (1967) Wertigkeit von Nahrungsproteinen, XII 87 Abb. 2. Normierte Diagramme für den Minimalbedarf von Proteingemischen. Auf den Abszissen ist das Mischungsverhältnis zweier Proteine angegeben. Die Ordinaten zeigen die Minimalmengen Protein pro kg Körpergewicht und Tag für den Bilanzausgleich. Alle 10 Mischungen sind auf Ei = 0,5 g pro kg normiert. A = Eiweiß aus Milch, Ei oder Rindfleisch, B = Eiweiß aus Kartoffeln, Soja, Bohnen, Reis, Weizen, Mais oder Algen in %-Anteilen an der Mischung. Diskussion Die Ergebnisse stehen im Prinzip mit unseren früheren Resultaten2»3 in Übereinstimmung: Die Kurvenzüge der Abb. l und 2 zeigen in allen Fällen bei Gemischen zweier Proteine Minima des StickstofTumsatzes, d. h. Optima der biologischen Wertigkeit; die den Minimalpunkt einschließenden Kurvenäste sind Geraden. Alle durch die Kurven verbundenen Punkte geben jeweils die zum NBilanzausgleich erforderlichen minimalen EiweißUmsatzgrößen an; niedrigere Eiweißversorgung führt zu negativen Bilanzen. Daraus läßt sich ableiten, daß die Gesamtmenge an zugeführten Stickstoffträgern den Faktor darstellt oder enthält, der den Stickstoffumsatz limitiert. Nach der derzeitigen Lehrmeinung wird der Eiweiß(Stickstoff-) Umsatz begrenzt durch die Menge an einzelnen oder mehreren essentiellen Aminosäuren (sogenannte limitierende essentielle Aminosäuren). Prüft man den Zusammenhang zwischen zugeführten Eiweißbausteinen und -minimalumsatz, so ergibt sich kein Hinweis, daß eine einzelne essentielle Aminosäure aus natürlichen Proteinen den Kurvenverlauf und damit die biologische Wertigkeit ganz oder teilweise zu bestimmen vermag. Die zunächst naheliegende Auffassung, der Kurvenverlauf könnte längs des einen Kurvenastes durch eine essentielle u,o- t r I ./ £· § Oß 1 U] * "** 04 0,3 Ei -N 100 NH3-N l 0 Kart-Ni c Js "«5 A ^^ *^._u_^ 80 20 60 40 ^ B W 60 / 20 80 0 W Abb. 3. Minimalbedarf bei Ei-N/NH3-N und Ei-N/ Kartoffel-N. Auf den Abszissen ist das Mischungsverhältnis von 2 Stickstoffträgern angegeben. Die Ordinaten zeigen die zum Bilanzausgleich genügende Minimalmenge N 6,25 pro kg Körpergewicht und Tag. Unauthenticated Download Date | 5/11/16 7:23 PM 88 Wertigkeit von Nahrungsproteinen, XII Aminosäure, längs des anderen Astes durch eine zweite Aminosäure bestimmt werden, läßt sich nicht aufrechterhalten. Die Analyse führt zu einer anderen Vorstellung, deren Beweis am Beispiel der in Abb. 3 und Tab. 2 aufgeführten Versuchsergebnisse1'2 erbracht werden soll: Bei zwei Versuchspersonen (Fre., Kap.) wurde bereits ohne Normierung der gleiche Umsatz an EiProtein gefunden (s. Abb. 3). Die Unterschiede der Mischungen Ei/Kartoffeln (Kurvenzug A—B—C) der einen Versuchsperson und Ei/Ammoniak (Kurve A—D—E) der anderen Versuchsperson ergaben, wie zu erwarten, unterschiedliche Kurvenzüge. Prüft man die Mischungen von B, D und E auf ihren Gehalt an essentiellen Aminosäuren nach den in Tab. 2 zusammengestellten Analysendaten, so zeigt sich, daß beide Versuchspersonen unterschiedliche Muster an essentiellen Aminosäuren unter den Bedingungen von Bilanzausgleich aufgenommen Tab. 2. Analysen der Eiweißmischungen auf essentielle Aminosäuren und Gesamtstickstoff, berechnet als Aminosäure-N in mg pro kg Körpergewicht und Tag. B, D und E vgl. Abb. 3. B Leucin 2,62 Valin 2,46 l/2Lysin 1,99 Isoleucin 1,74 Threonin 1,72 Phenylalanin 1 ,42 Methionin 4- Cystin 1,34 Gesamt-N 346 D 1,54 1,39 1,03 1,02 0,99 0,75 0,93 475 1,31 1,18 0,88 0,86 0,83 0,63 0,78 797 Bd. 348 (1967) haben. Für die Kurve A — B —C liegt die niedrigste Zufuhr an essentiellen Aminosäuren und an Gesamtstickstoff im Punkt B. Es ist bemerkenswert, daß der Gehalt an Met-N + Cys-N in den Punkten B und C gleich ist. Sieht man das Muster der essentiellen Aminosäuren als bilanzlimitierend an, so müßte bei Unterschreitung der Zufuhren an essentiellen Aminosäuren im Punkt B der Stickstoffumsatz limitiert und durch negative Bilanzen zu erkennen sein. In den Punkten D (34% Ei-N + 66% NH3-N) und E (17% Ei-N + 83% NH3-N) sind jedoch alle essentiellen Aminosäuren in weit geringerer Konzentration vorhanden als in Punkt B, obwohl Bilanzausgleich erreicht wurde. Der Vergleich mit den auf Tab. 2 angegebenen Gesamtstickstoffwerten zeigt andererseits, daß in Punkt D und E Bilanzausgleich durch vermehrte Zufuhr von nicht essentiellem Stickstoff erzielt worden ist. Aus den Ergebnissen der Tab. 2 und Abb. 3 lassen sich zwei Folgerungen ziehen: 1. Bei Ernährung mit natürlichen Nahrungsmitteln ist die biologische Wertigkeit der Proteinmischung nicht durch einzelne „begrenzende" Aminosäuren bedingt und 2. die Minderzufuhr an essentiellen Aminosäuren kann durch erhöhte Gaben an unspezifischen Stickstoffträgern mindestens teilweise ausgeglichen werden. Man muß sich also von der Vorstellung lösen, daß die biologische Wertigkeit durch „begrenzende" Aminosäuren — zumindest bei Ernährung mit natürlichen Nahrungsmitteln — bestimmt ist. Vielmehr liegen diesen Befunden Reselmechanismen zugrunde, deren Wirkungsweise an unserem Institut untersucht wird. Unauthenticated Download Date | 5/11/16 7:23 PM