Chancen und Herausforderungen der personalisierten Medizin

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Hämatologie & Onkologie 5 I 2012
1. Zentral-Europäische Konferenz über personalisierte Medizin
Chancen und Herausforderungen
der personalisierten Medizin
Das Stichwort „zielgerichtete Krebstherapien“ gilt mittlerweile im Bereich der internistischen Onkologie als etablierter Begriff. Dass sich durch den gezielten Ansatz an bestimmten Strukturen im Rahmen der Tumorpathologie
effektivere Outcomes erzielen lassen, ist einerseits ermutigend, andererseits kommen durch die überschießende
Fülle an neuen Substanzen immense Herausforderungen auf die Onkologen zu, die mit einer zunehmenden Spezialisierung und der Erfordernis spezifischer Biomarker zur Detektion von bestimmten Mutationen einhergehen.
© Mag. Dr. Anita Schreiberhuber
Den krönenden Abschluss der 1. Zentral- kern gegenüber. Beispielsweise kamen im morentitäten anbelangt. Im Idealfall
Europäischen Konferenz über personali- Jahr 2011 von 200 in Phase III befind- könnte die Validierung von potenziell resierte Medizin, die von 31. August bis 1. lichen Substanzen nur acht Biomarker als levanten Biomarkern zeitgleich mit der
September 2012 im Hörsaalzentrum des Nachweiskriterium für den Einschluss von Wirksamkeitsanalyse einer neuen SubsAKH Wien stattfand, bildete eine Podi- Patienten zum Einsatz. Dies unterstreicht tanz in ausreichend gepowerten Phase-IIumsdiskussion zur Thematik. Unter dem die offensichtliche Schwierigkeit, dass die Studien stattfinden, um diese dann in proTitel „Personalized Medicine, today’s stan- Validierung von Biomarkern mit der Un- spektiven Phase-III-Studien weiter zu undards and future hopes“ wurden der Sta- tersuchung neuer Präparate im Rahmen tersuchen. Insgesamt, so Univ.-Doz. Dr.
tus quo, aber auch die mit der zuneh- von klinischen Studien numerisch nicht Martin Filipits vom Institut für Krebsformenden Spezialisierung einhergehende mithalten kann. Dementsprechend kom- schung an der Medizinischen Universität
Wien, ist im Zuge der bahnKomplexität von renommierten Experten erörtert. Dabrechenden Möglichkeiten im
bei kristallisierte sich heraus,
Bereich der Genom-Sequenziedass sich durch die rasante
rung eine Fülle von diagnosEntwicklung im Bereich der
tischen Methoden zu erwarten,
zielgerichteten Substanzen undie eine Menge an Fragen aufgeahnte Chancen für die Pawerfen und deren Konsetienten auftun, gleichzeitig
quenzen für die Zukunft noch
aber viele unbeantwortete Fra- V.l.n.r.: Univ.-Doz. Dr. Martin Filipits, Univ.-Prof. Michael Micksche, Dr. gar nicht absehbar sind.
gen vorliegen, die nur durch Martin Weber, Dr. Francesco Pignatti, Dr. Alexandra Gruber, Univ.-Prof. Dr.
intensiv vernetzte interdiszipli- Christoph Zielinski, Dr. Wolfgang Wein
Generierung von Daten
näre Kooperation annähernd
gelöst werden können.
men auch neue Herausforderungen in Be- Angesichts der Vielfalt an Daten, die im
zug auf das Design klinischer Studien auf Zuge der Erstellung von Krebsregistern
Relevanz von Biomarkern
uns zu, wobei die Rolle der Diagnostik zur Charakterisierung krebsauslösender
zunehmend an Relevanz gewinnt. Daher Mutationen generiert werden, ist es naMit der Einführung der ersten Biomarker fordert Univ.-Prof. Dr. Michael Micksche heliegend, dass die Verfügbarkeit von auskonnte gezeigt werden, dass bei Nachweis (Tumorbiologe, Präsident der Österreichi- reichendem Tumormaterial vom Zeitvon bestimmten bekannten Mutationen schen Krebshilfe) eine enge Zusammen- punkt der Diagnosestellung gewährleistet
ein signifikanter Überlebensbenefit erzielt arbeit zwischen Klinikern, Forschungsin- sein muss. Somit ist es möglich, dass auch
werden kann. Der überschießenden Fülle stitutionen, aber auch Biotechfirmen, was im Fall, dass die Validierung eines Bioan in Entwicklung befindlichen zielgerich- die möglichst frühzeitige Entwicklung von markers während des Verlaufs einer Stuteten Substanzen steht jedoch ein mas- diagnostischen Assays zum Nachweis ge- die oder nach Zulassung eines Präparats
siver Mangel an entsprechenden Biomar- netischer Aberrationen bei einzelnen Tu- erfolgt, die Durchführung von SubgrupI 58
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Anteil Patienten (%)
penanalysen bzw. von retrospektiven Ana- nehmenden Komplexität Rechnung getra- Zugang zu neuen Substanzen im Rahmen
lysen machbar ist. Ziel jeder personalisier- gen. Auf diese Weise wird auch der eng- von klinischen Studien offeriert werden“,
ten Therapie ist es naturgemäß, die jewei- maschigen Zusammenarbeit zwischen Kli- ergänzt Zielinski.
ligen Präparate ausschließlich bei jenen nik und Forschung zwecks paralleler
Patienten anzuwenden, deren Tumorge- Entwicklung von neuen Substanzen und Gezielte Vermittlung
webe die entsprechenden Mutationen auf- damit einhergehender Testung von poten- von Informationen
weist, gegen die die Substanz gerichtet ist. ziell relevanten Biomarkern der Weg geebDies würde dem Ideal einer möglichst ef- net. Professor Zielinski bringt es folgen- Auch von Patientenseite sind die Onkofektiven und somit auch kostensparenden dermaßen auf den Punkt: „Nicht nur die logen mit dem Problem der Überflutung
personalisierten Medizin entsprechen. Wie Zeit des Allgemeininternisten ist längst vo- an Informationen konfrontiert: Dank Indie Ergebnisse einer weltweiten Umfrage rüber, auch die Epoche des allgemeinen ternet ist es inzwischen die Norm, dass der
am Beispiel von KRASS zeigen, war zwi- Onkologen ist nicht mehr zeitgemäß, die Patient via Google sämtliche Informatioschen 2008 und 2010 eine Zunahme der Onkologie splittet sich zunehmend in di- nen zu seiner Krebserkrankung recherBiomarker-Testung vor Initiierung einer verse Subdisziplinen und es wäre vermes- chiert, mit der Fülle an Informationen
personalisierten Therapie insselbst überfordert ist und an
gesamt und insbesondere in
seinen Arzt mit der dezidierten
Einfluss der Biomarker-Testung auf das Outcome
Europa zu verzeichnen. Jedoch
Forderung herantritt: „Ich
Prozentsatz an mCRC-Patienten, bei denen eine KRAS-Testung durchgeführt wurde
ist die Awareness bei den inmöchte personalisierte Thera100
ternistischen Onkologen noch
pie.“ Im Bereich der Arzt-Pa20088
2009
nicht flächendeckend ausgetienten-Kommunikation be80
2010
prägt, da nur 76% der besteht daher die Notwendigkeit,
76
fragten Ärzte ihren Patienten
dass Ärzte bereits im Zuge ih60
62
die für sie „richtige“ Therapie
rer Ausbildung auf die mög57
ermöglichten (Abb.).1 Im Falle
lichen Fragen von Patienten
44 46
40
des Nichtvorliegens der getessensibilisiert und dahingehend
40
teten Mutation ist hier nicht
geschult werden, wie sie diese
34
nur eine unökonomische Vormöglichst „patientengerecht“
20
17
gehensweise zu konstatieren,
beantworten können.
4
3
3
2
sondern der Patient wird zu0
Insgesamt
Asien
Europa
Lateinamerika
sätzlich mit den NebenwirFazit
Während
in
den
Jahren
2008
und
2009
insgesamt
nur
von
3%
bzw.
44%
der
befragten
kungen einer für ihn überflüsOnkologen eine Testung auf KRASS initiiert worden war, lag dieser Wert im Jahr 2010 bei
sigen Therapie konfrontiert.
Mit der Einführung der ersten
66%, in Europa bei 76%.
mCRC = metastasiertes Kolorektalkarzinom
Substanzen im Rahmen der
Abb.: Einfluss der Biomarker-Testung anhand des KRAS-Status bei mCRC
personalisierten Therapie ist
Wie kann der beste
nach dem Nachweis der prädiktiven Aussagekraft der KRAS-Positivität auf
das Outcome
eine neue Ära im Bereich der
Output erzielt werden?
Medizin angebrochen, wobei
In einer Epoche von rapide anwachsenden sen, zu behaupten, dass ein Mammakarzi- die Onkologie angesichts der unzähligen
Möglichkeiten im diagnostischen und the- nom-Spezialist eine mindestens ebenso in Entwicklung befindlichen und bereits
rapeutischen Bereich, die durch die kon- große Erfahrung im Bereich der Bronchi- zugelassenen Substanzen sicher eine Vortinuierliche Entdeckung neuer molekularer alkarzinome aufweisen könnte.“ Damit un- reiterrolle einnimmt. Wenn auch zum geMuster bei ein und denselben Tumorenti- terstreicht Zielinski die Notwendigkeit der genwärtigen Zeitpunkt noch viele Fragen
täten gekennzeichnet ist, scheint es schwie- Spezialisierung von Onkologen auf be- unbeantwortet sind, kann durch die forrig, den Überblick zu bewahren und die stimmte Tumorentitäten, um der Entwick- cierte Detektion von Biomarkern und
für den jeweiligen Patienten relevanten In- lung in Richtung personalisierte Therapie eine enge interdisziplinäre Kooperation
formationen herauszufiltern. Den einzig einigermaßen gerecht zu werden.
im Rahmen von spezialisierten Krebszensinnvollen Lösungsansatz, um die bestmög- „Allein am Beispiel des Nierenzellkarzi- tren der Weg zu einer revolutionären und
liche Qualität zu gewährleisten, sieht noms ist erkennbar, dass mit Sorafenib, Pa- erfolgsträchtigen Zukunft im Bereich der
Univ.-Prof. Christoph Zielinski (Leiter der zopanib, Sunitinib, Bevacizumab etc. in- diagnostischen und therapeutischen MaßKlinischen Abteilung für Onkologie, Me- nerhalb der vergangenen Jahre eine Viel- nahmen geebnet werden.
dizinische Universität Wien) in der For- zahl an neuen zielgerichteten Substanzen
Literatur:
mation von spezialisierten Krebszentren, den Markt überschwemmt hat. Daran ist 1 Ciardiello F et al, WCGIC 2010; Abstract PD-0003
wie dies im AKH Wien in Kooperation ersichtlich, dass die Zukunft der Onkolo■
mit dem Comprehensive Cancer Center gie definitiv auf spezialisierte Krebszentren
konzentriert und durch eine SpezialistenBericht: Mag. Dr. Anita Schreiberhuber
(CCC) bereits realisiert wurde.
Durch regelmäßige interdisziplinäre Mee- Interaktion gekennzeichnet sein wird. Nur
Quelle: 1. Zentral-Europäische Konferenz
über personalisierte Medizin,
tings in Form von sogenannten Tumor auf diese Weise kann den Patienten auch
31. 8. bis 1. 9. 2012, Wien
Boards wird der fachübergreifende Aus- die Möglichkeit einer individuellen Thetausch ermöglicht und damit wird der zu- rapieempfehlung geboten und ihnen der
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