Lebensmittelindustrie - Cleaner Production Germany

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Lebensmittelindustrie ANWENDUNGSBEISPIELE
Lebensmittelindustrie
In der Lebensmittelindustrie werden mehr als 40 Enzyme in
unzähligen Produktionsprozessen eingesetzt. Enzyme sind
biochemische Werkzeuge, die den Aktionsradius der modernen
Lebensmitteltechnologie deutlich erweitert haben. Es findet
heute kaum noch eine Lebensmitteltechnologie-Tagung statt,
auf der nicht neue Einsatzmöglichkeiten für Enzyme vorgestellt werden: Enzyme modifizieren Stärke, optimieren Fette
und Eiweiße, sie stabilisieren aufgeschlagene Schäume und
Cremes, „verkleben“ unterschiedliche Fleischteile zu Kochschinken oder Brühwurst, Enzyme sorgen für die Bissfestigkeit
von Cornflakes, die Gefrier-Tau-Stabilität eines Fertigteiges,
die gleichmäßige Qualität von Eiswaffeln oder verhindern
das Kleben von Nudeln nach dem Kochen. Enzyme konservieren Mayonnaise und Eiprodukte, steuern die Reifung von
fermentierten Lebensmitteln und Getränken, sie ermöglichen
intensivere Aromen, spalten aus Butter-, Käse- oder Rahmaromen Fettsäuren ab oder bilden aus Eiweißen Würze oder
Bratengeschmack.
Immer mehr Enzyme werden mit modernen biotechnologischen Methoden mit Hilfe von Mikroorganismen produziert.
Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Labferment, das bei der
Käseherstellung verwendet wird. Labferment wurde ursprünglich aus Kälbermägen isoliert. Heute wird der Hauptwirkstoff
des Labferments, das Chymosin (auch: Rennin), biotechnologisch von Mikroorganismen produziert. Chymosin ist für die
Herstellung von Käse unverzichtbar. Es spaltet das KaseinEiweiß der Milch und bewirkt dadurch deren Gerinnung
(„Dicklegung“): Das Kasein verklumpt und trennt sich von der
wässrigen Molke. Danach beginnt der Reifeprozess des Käses.
Weitere wichtige kommerziell genutzte Enzyme in der Lebensmittelindustrie sind die Pektinasen. Pektinasen erleichtern
und verbessern das Auspressen von Obst und Gemüse, indem
sie die Pektinmittellamelle der pflanzlichen Zellwand abbauen
und dadurch die Saftausbeute erhöhen. Pektinasen und andere
Enzyme bauen auch die nach dem Auspressen noch vorhandenen Trübstoffe ab und ermöglichen es, klaren Apfelsaft zu
produzieren.
Auch in vielen Backmischungen sind Enzyme enthalten, die
optimale Teigeigenschaften, Krustenstabilität, Volumen und
Färbung bewirken. Das inzwischen weit verbreitete Aufbacken
von vorproduzierten, gefrorenen Teig-Rohlingen wäre ohne
Enzyme nicht möglich.
Stärkeverzuckerung
Eine der kommerziell wichtigsten Enzym-Anwendung im
Lebensmittelbereich ist die Stärkeverzuckerung. Rüben- oder
Rohrzucker sind längst nicht mehr die einzigen Lieferanten für
Zucker, jede stärkehaltige Pflanze kann als Ausgangssubstrat
für die Zuckerherstellung dienen: Enzyme spalten die Stärke in
ihre Grundbestandteile – verschiedene Zucker – und fügen sie
zu weiteren Zutaten und Zusatzstoffen zusammen.
Musste früher in einem technischen Prozess die Stärke mit
Wasser und starken Säuren zu einem Gemisch aus Zuckermolekülen verarbeitet werden, benutzt man heute für die Stärkeverzuckerung fast nur noch Enzyme. Sie bieten eine Reihe von
Vorteilen: Da Enzyme die verzweigten Stärkemoleküle an ganz
bestimmten Stellen spalten, lässt sich der Verzuckerungsprozess gezielt steuern. So erhält man verschiedene Stärkesirupe,
die sich in ihrer Süßkraft, aber auch in ihren technologischen
Eigenschaften unterscheiden. Diese Sirupe werden nicht nur als
maßgeschneiderte Süßungsmittel in unzähligen Lebensmitteln
und Getränken verwendet, sondern können weiterverarbeitet
werden zu Traubenzucker, Zuckeraustauschstoffen oder Fettersatzstoffen.
Die Stärkeverzuckerung wurde erst wirtschaftlich interessant, als die zur Stärkespaltung benötigten Enzyme mit Hilfe
der modernen Biotechnologie kostengünstig, in unbegrenzten
Mengen und in ausreichender Qualität hergestellt werden
konnten. Fast alle in der Stärkeverzuckerung eingesetzten
Enzyme werden heutzutage aus gentechnisch veränderten
Mikroorganismen gewonnen.
Die Stärkeverzuckerung erfolgt in drei Stufen:
In einem ersten Schritt erfolgt die Stärkeverflüssigung: In der
ersten Stufe wird die Stärke in verschiedene Zuckereinheiten
gespalten. Es entsteht ein Gemisch aus Maltosen (Malzzucker)
und Dextrinen (Zwischenform zwischen Stärke und Dextrose).
Die eingesetzten Stärke-spaltenden Enzyme (verschiedene
Amylasen) sind überwiegend unter Einsatz moderner Methoden der Biotechnologie hergestellt.
Der zweite Schritt ist die Stärkeverzuckerung: Die entstandenen Abbauprodukte werden nun weiter zu Einfachzuckern
(Monosaccharide) abgebaut. Hierfür wird die Stärke-abbauende
Wirkung bestimmter Enzyme (Glucoamylase und Pullulanase)
genutzt. Der gebildete Glukosesirup ist ein Gemisch aus Glukose (Traubenzucker) und Fruktose (Fruchtzucker), er wird von
der Süß- und Backwarenindustrie genutzt, da der Sirup nicht so
leicht kristallisiert.
Der dritte Schritt, die Isomerierung, wird von einem gentechnisch hergestellten Enzym, der Glucose-Isomerase, durchgeführt: Ein Teil der Glukose wird in Fruktose umgewandelt.
Nach mehrmaligem Prozessdurchlauf steigen Fruktosegehalt
und Süßkraft immer weiter an, bis der gewonnene Fruktosesirup fast die Süßkraft des traditionellen Haushaltszuckers
erreicht.
In den USA hat dieser High Fructose Corn Sirup, das wichtigste Produkt der Maisstärkeindustrie, den Zucker bereits weitgehend verdrängt. Cola und Limonaden werden fast ausschließlich mit diesem Sirup gesüßt.
ANWENDUNGSBEISPIELE Nutraceuticals, Prä- und Probiotika
Aminosäuren als Nahrungsergänzung
Eine weitere Gruppe wichtiger biotechnologisch hergestellter
Produkte in der Nahrungsmittelindustrie sind Aminosäuren, die Klasse organischer Moleküle, aus denen die Eiweiße
aufgebaut sind. Es gibt rund 20 verschiedene Aminosäuren, die
für den Aufbau der Eiweiße verwendet werden. Sie enthalten
jeweils eine Aminogruppe (–NH2) und eine Carboxylgruppe
(COOH). Ihre Molekülstruktur ist dergestalt, dass sie in verschiedenen zueinander spiegelbildlichen Formen vorliegen können,
den sogenannten Enantiomeren. Diese Moleküle unterscheiden
sich nicht in der chemischen Zusammensetzung oder in der
Formel, sie verhalten sich aber wie Spiegelbilder zueinander.
Zur Veranschaulichung wird oft das Bild der rechten und
linken Hand gebraucht, die nicht gleich, sondern wie Spiegelbilder zueinander aussehen. Die Moleküle unterscheiden
sich in ihren physikalischen Eigenschaften, der optischen
Aktivität,voneinander. Das bedeutet, dass sie die Polarisationsebene von linear polarisiertem Licht nach links oder rechts
drehen. Man bezeichnet sie dann als linksdrehend oder rechtsdrehend. Oft unterscheiden sich die enantiomeren Moleküle
vor allem in ihrer Wirkung deutlich voneinande
Viele Enzymreaktionen sind auf ein Enantiomer, entweder das linksdrehende oder das rechtsdrehende, spezialisiert.
Sowohl in der Lebensmittelindustrie als auch in der Futtermittelindustrie werden Aminosäuren, die wichtigsten Proteinbausteine, als Nahrungsergänzung zugesetzt. Alle natürlich
vorkommenden Aminosäuren können inzwischen mit Fermentationstechniken mit Hilfe von Enzymen hergestellt werden.
Fast alle Aminosäuren in Lebewesen sind linksdrehend (L-Form).
Ein Beispiel für die Nahrungsergänzung ist die biotechnologische Produktion von L-Glutaminsäure, die als Geschmacksverstärker in Form von Mono-Sodium-Glutamat verwendet wird.
Die weltweite biotechnologische Produktion von L-Glutaminsäure liegt bei mehr als einer Million Tonnen pro Jahr.
Ein weiteres Beispiel ist L-Lysin, das vor allem als Futtermitteladditiv in großem Maßstab biotechnologisch produziert wird
(350.000 t/a).
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der beiden spiegelbildlich zueinander symmetrischen Moleküle
herzustellen (siehe auch Kapitel Biokatalyse und Fermentation:
Enzyme). Nur die L-Form wird benötigt, da nur diese für die
Aspartam-Synthese geeignet ist. Die beiden Hauptbestandteile
des Aspartams, die Aminosäuren L-Asparaginsäure und L-Phenylalanin, können fermentativ produziert werden. Durch das
Enzym Thermolysin können die beiden Aminosäuren zu einem
Dipeptid verbunden werden, das über weitere chemische Reaktionsschritte zu dem Methylester des Dipeptids, dem Aspartam,
modifiziert wird.
Low-fat Eis
Der Nutzen für den Verbraucher wird auch bei der Herstellung
von Speiseeis mit Typ-III-Eis-strukturierendem Protein deutlich. Das Eis-strukturierende Protein kommt in der Natur im
Blut des Polardorsches (Macrozoarces americanus) und anderen
Tieren und Pflanzen vor, die in extremer Kälte leben. Die Eisstrukturierenden Proteine schützen vor Gewebeschäden durch
Eiskristalle, indem sie die Temperaturgrenze herabsetzen, bei
der sich die Eiskristalle bilden. Die Verwendung dieser Proteine
bei der Herstellung von Speiseeis ermöglicht die Reduzierung
von Sahne und Fetten. Die Proteine werden biotechnologisch in
Hefe produziert und seit drei Jahren in den USA beispielsweise
zur Produktion von low-fat Eis verwendet.
Aspartam
Bei der Aspartam-Produktion werden ebenfalls fermentativ hergestellte Aminosäuren verwendet. Aspartam ist ein künstlicher
Süßstoff, der 200mal süßer schmeckt als Zucker, er hat einen
Energiegehalt von 410 kcal auf 100 g, etwa soviel wie Zucker.
Aufgrund seiner höheren Süßkraft, wird der Stoff jedoch in viel
geringeren Mengen eingesetzt, so dass mit Aspartam gesüßte
Lebensmittel in der Regel einen erheblich niedrigeren Energiegehalt haben als zuckerhaltige. Aspartam wird vor allem
für diätische Lebensmittel verwendet (z. B. Light-Getränke) und
derzeit weltweit in einer Menge von etwa 15.000 t/a hergestellt.
Der Jahresumsatz beträgt schätzungsweise 850 Mio. Euro.
Die chemische Synthese von Aspartam wird zunehmend auf
biotechnologische Verfahrensschritte umgestellt. Im Gegensatz zur chemischen Synthese der Aminosäurebausteine ist es
mit biotechnologischen Verfahren möglich, durch die Enantiomerenselektivität der eingesetzten Biokatalysatoren nur eines
Polardorsch (Macrozoarces americanus)
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