Daniel Summerer: Neue Wege zur Biosynthese funktional

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Daniel Summerer: Neue Wege zur Biosynthese
funktional erweiterter Proteine
Die Kommunikation zwischen Proteomen und dem Nukleinsäure-Code bildet die Basis für
jeden biologischen Prozess. Sie ist der Schlüssel zur Expression, Modifikation und Verteilung der
im Genom gespeicherten Informationen. So spielt sie auch eine zentrale Rolle bei der
Entstehung von Krankheiten. Daher ist die Fähigkeit, Wechselwirkungen zwischen Proteinen
und Nukleinsäuren in ihrer natürlichen Umgebung zu studieren und zu modellieren, von
besonderer Bedeutung - etwa für die Identifikation und molekulare Erkennung neuer
Wirkstoffziele in der Behandlung von Krebs und Infektionskrankheiten. Dr. Daniel Summerer
befasst sich an der Universität Konstanz mit dem Design funktional erweiterter Proteine und
Peptide durch ribosomalen Einbau unnatürlicher Aminosäuren. Dies ermöglicht die Einführung
neuer chemischer Funktionen in Proteine in lebenden Zellen.
Dr. Daniel Summerer, Chemiker an der Universität Konstanz © Michael Latz
Biologische Prozesse finden ihren Ursprung in der Kommunikation zwischen Proteinen und
Nukleinsäuren. Das Design neuer molekularer Funktionen an dieser Schnittstelle eröffnet neue
Wege in der synthetischen Biologie wie etwa für das Wirkstoff-Design. „Die große Zahl an
Wirkstoffen, die zelluläre Nukleinsäuren als Ziel haben, wie etwa Antitumor-Wirkstoffe und
mehrere Klassen weit verbreiteter Antibiotika , illustrieren die zentrale Rolle solcher
Wechselwirkungen“, erklärt Dr. Daniel Summerer, Chemiker an der Universität Konstanz. Mit
seinem Team arbeitet er an neuen Methoden, die die Aufklärung der genauen Funktionen
bestimmter Protein-Nukleinsäure-Komplexe ermöglichen oder das Design neuer,
peptidbasierter Wirkstoffe erlauben, die die Funktion pathogener Nukleinsäuren inaktivieren.
Vorteile unnatürlicher Aminosäuren nutzen
Hierfür macht Summerer sich Strategien zunutze, die die Biosynthese von Proteinen mit
unnatürlichen Aminosäuren in lebenden Zellen mit erweitertem genetischen Code
ermöglichen: Natürliche Organismen verfügen für den Aufbau ihres Proteoms über ein nur
begrenztes Repertoire von Aminosäurefunktionen. Diese weisen zudem noch eine beträchtliche
Redundanz in Bezug auf ihre chemischen, funktionellen Gruppen auf. „Das ist erstaunlich,
denn auf Codon-Ebene existiert generell ein deutlich höheres Speicherpotenzial, das jedoch
nicht genutzt wird. Es könnten somit prinzipiell zusätzliche Aminosäuren in der ribosomalen
Biosynthese verwendet werden, die Proteine oder endogene Peptide mit vollkommen neuen,
von Chemikern gezielt entworfenen Funktionen ausstatten“, berichtet Dr. Summerer. Dieser
Ansatz erlaubt bereits die Einführung unterschiedlicher unnatürlicher Aminosäuren in Proteine
. Erste Studien, die Dr. Summerer in der Arbeitsgruppe von Prof. Peter G. Schultz am Scripps
Research Institute, Kalifornien, durchführte, zeigten, dass solche unnatürlichen Aminosäuren
für die Erzeugung neuartiger Funktionen im Zusammenspiel zwischen Proteinen und
Nukleinsäuren genutzt werden können. „Es ist uns beispielsweise gelungen, die Aktivität eines
DNA-bindenden Transkriptionsfaktors über einen artifiziellen, lichtgesteuerten
Transportprozess zwischen Zellkern und Cytoplasma zu regulieren, der auf einzelnen,
photoaktivierbaren Aminosäuren beruht“, so Summerer.
Fluoreszenzmikroskopiebild von Hefezellen: An einer bestimmten Aminosäureposition ist eine photoaktivierbare
Aminosäure markiert. Im linken Bild befindet sich diese im Zellkern, im rechten im Cytoplasma © Edward A Lemke,
Daniel Summerer, Bernhard H Geierstanger, Scott M Brittain & Peter G Schultz
Generalisierung und Flexibilisierung der Biosynthese von Wirkstoffen
Diese generelle Strategie soll nun erweitert werden, um neue Möglichkeiten im Design von
Wirkstoffen zu eröffnen: Ein großer Teil aktuell verwendeter Medikamente mit zum Beispiel
antibakterieller, antiviraler oder tumorhemmender Wirkung sind Naturstoffe, die von
Mikroorganismen über komplexe Stoffwechselwege synthetisiert werden, wie etwa die weit
verbreiteten nichtribosomalen Peptide (NRP). Obwohl diese prinzipiell wie ribosomal
synthetisierte Peptide aufgebaut sind, unterscheiden sie sich im Hinblick auf ihr Potenzial als
Wirkstoffe erheblich: „Zum einen ist das Repertoire von chemischen Modifikationen und
verwendeten Aminosäuren von NRP um ein Vielfaches höher als das von ribosomalen Peptiden,
was z.B. in deutlich vielseitigeren Bindungsmöglichkeiten sowie größerer Stabilität resultiert
und ihre Affinität und Selektivität durch Präorganisation erhöhen kann“, fasst Summerer
zusammen. Auf der anderen Seite sind dem Konstanzer Forscher zufolge die Biosynthesewege
solcher Naturstoffe sehr komplex und nicht universell, das heißt sie finden nur in ganz
bestimmten Organismen statt. Diese sind oft nicht oder nur schwer kultivierbar und lassen
keine oder nur geringe Veränderungen der Biosynthesewege zu. „Das erschwert die
Herstellung solcher Wirkstoffe, insbesondere aber verhindert es ein effizientes Design neuer
Wirkstoffe, die vor dem Hintergrund sich entwickelnder Wirkstoffresistenzen dringend
notwendig sind“, erläutert Dr. Summerer.
Alternativansatz verknüpft zwei Biomolekül-Klassen
Sein Alternativansatz besteht darin, ribosomale Peptide mit NRP-Schlüsselstrukturen über den
Einbau unnatürlicher Aminosäuren funktional zu erweitern und so die Vorteile beider
Biomolekül-Klassen zu verknüpfen: Die funktionalen Limitationen ribosomaler Peptide werden
überwunden, gleichzeitig werden hocheffiziente Strategien für das Design neuer Wirkstoffe mit
erweiterter Funktionalität möglich. Die Forscher möchten dabei zum Beispiel Aminosäuren mit
größeren aromatischen Gruppen genetisch kodieren, welche starke Wechselwirkungen mit
ebenfalls aromatischen Nukleobasen von DNA und RNA durch sogenannte Stapelungs- oder
Interkalationsinteraktionen ermöglichen. „Dieses Bindungsprinzip ist der Schlüssel der
Bioaktivität vieler Naturstoffe, kommt aber in ribosomalen Peptiden nicht vor und würde neue
Möglichkeiten in der Erkennung von Nukleinsäure-Targets eröffnen“, fasst Dr. Summerer
zusammen. Durch die direkte genetische Kodierung der Strukturen können dann Methoden
der gerichteten molekularen Evolution verwendet werden, die für Peptide und Proteine zur
Verfügung stehen. Mit diesen können im Gegensatz zur üblichen individuellen Testung
einzelner Wirkstoffkandidaten große Diversitäten im Bereich von hunderten Millionen von
potenziellen Wirkstoffen sehr einfach biosynthetisch erzeugt werden und Zielmoleküle effizient
aus diesen Mischungen angereichert werden. Zudem werden Herstellungsprozesse in
etablierten Labororganismen möglich.
Die nächsten Stufen der synthetischen Biologie
Im weiteren Interesse des Konstanzer Chemikers steht auch das Design artifizieller, endogener
Genschalter, die zelluläre Nukleinsäuren auf andere Weise erkennen als natürliche Proteine
das tun. Auf diese Weise will er zum Beispiel die Wirkung natürlicher Proteine verstärken oder
bestimmte Punkte im Genom oder Transkriptom mit unnatürlichen Proteinen effizient
inaktivieren. So würde es gelingen, regulatorische Mechanismen für die synthetische Biologie
zu entwickeln und die Funktion bestimmter genomischer Orte aufzuklären. Zusammen mit
seinem Team ist Dr. Daniel Summerer auf der Suche nach industriellen Partnern, die im
Bereich der Wirkstofftestung eine Kooperation eingehen würden.
Zur Person:
Sein Studium der Chemie begann Dr. Daniel Summerer 1994 in Bonn. Während seiner
Dissertation 2004 forschte er im Bereich der chemischen Biologie von ProteinNukleinsäure-Komplexen, die für die Replikation des Genoms verantwortlich sind.
Nachdem er seinen Doktorgrad erreicht hatte, führte ihn sein Weg zum Scripps Research
Institute, La Jolla, USA, wo er sich mit der Erweiterung des genetischen Codes durch NeuDesign der RNA-Translationsmaschinerie beschäftigte. Ab 2007 war er als Head of
Application Development „Enzyme-on-Chip-Technologies“ in einem Heidelberger
Biotechnologieunternehmen in der Genomforschung tätig. Seit 2011 ist er Mitglied des
Zukunftskollegs an der Universität Konstanz.
Fachbeitrag
19.12.2011
Philipp Sowa
BioLAGO
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Dr. Daniel Summerer
Universität Konstanz
Tel.: +49 (0)7531/ 88- 5669
E-Mail: daniel.summerer(at)uni-konstanz.de
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