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Jörg Neunhäuserer
Mathematische
Begriffe in Beispielen
und Bildern
Mathematische Begriffe in Beispielen
und Bildern
Jörg Neunhäuserer
Mathematische Begriffe
in Beispielen und Bildern
Jörg Neunhäuserer
Goslar, Deutschland
ISBN 978-3-662-53709-1
DOI 10.1007/978-3-662-53710-7
ISBN 978-3-662-53710-7 (eBook)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Springer Spektrum
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht
ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und
die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der
Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann
benutzt werden dürften.
Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in
diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch
die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des
Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen.
Planung: Dr. Andreas Rüdinger
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.
Springer Spektrum ist Teil von Springer Nature
Die eingetragene Gesellschaft ist Springer-Verlag GmbH Deutschland
Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Vorwort
In diesem Buch stellen wir mehr als tausend Definitionen mathematischer Begriffe
vor und erläutern sie anhand von Beispielen und Gegenbeispielen. Wo es angebracht
ist, finden sich zusätzlich Abbildungen zur Veranschaulichung der Begriffe.
Die Auswahl der Begriffe orientiert sich in jedem Kapitel an den Vorlesungen zum jeweiligen Thema, die an deutschen Hochschulen gehalten werden. Alle
wesentlichen Begriffe die in Mathematikvorlesungen für Bachelor-Studiengänge
vorkommen, und auch alle grundlegenden Begriffe der Mathematikvorlesungen in
Master-Studiengängen sind in diesem Buch enthalten. Nur Begriffe, die in Spezialvorlesungen und Seminaren zur Vorbereitung auf eine Master-Arbeit in Mathematik
vorkommen, werden hier nicht eingeführt.
Dieses Buch ist ein studienbegleitendes Hilfsmittel. Nach der Straffung der
Studiengänge im Rahmen des Bologna-Prozesses bleibt in manchen Mathematikvorlesungen bedauerlicherweise nicht genügend Zeit, alle Begriffe anhand von
Beispielen und Bildern zu erläutern. Lehrende mögen sich über diesen Missstand
beschweren und tun dies zum Teil auch. Wenn Sie als Student einen Begriff in
einer Vorlesung nicht richtig verstehen oder sich an die Definition eines verwendeten Begriffs nicht erinnern, bietet dieses Buch Ihnen die Möglichkeit, ihn schnell
nachzuschlagen, um ihn besser zu verstehen bzw. sich an eine Definition zu erinnern. Die Lektüre jedes Kapitel dieses Buches bietet Ihnen auch die Möglichkeit,
schnell ein fundiertes Verständnis der Begriffe eines Teilgebiets der Mathematik zu
erreichen. Dies ist sowohl in der Vorbereitung als auch im Laufe einer Lehrveranstaltung sinnvoll. Insbesondere in mündlichen Prüfungen ist begriffliche Sicherheit
ein entscheidendes Bewertungskriterium. Das Buch hilft Ihnen, als Student diese
Sicherheit auf- und auszubauen. Wenn Sie ein Kapitel dieses Buches in Vorbereitung einer Prüfung durchgearbeitet haben, können Sie sich in begrifflicher Hinsicht
sicher fühlen.
Dieses Buch soll kein Lehrbuch zu einem der behandelten Gebiete ersetzen.
Selbstverständlich spielen neben den Definitionen die Sätze und die Beweise in
der Mathematik die entscheidende Rolle. Wir weisen zu Beginn jedes Kapitels auf
Lehrbücher hin, in denen sich wichtige Sätze und Beweise eines Gebietes finden.
In Fällen, bei denen zwei äquivalente Definitionen verwendet werden bzw. sich der
V
VI
Vorwort
Sinn einer Definition erst im Lichte eines Satzes erschließt, erwähnen wir das Resultat und verweisen auf einschlägige Lehrbücher. Genauso gehen wir vor, wenn
sich interessante Beispiele für einen Begriff aus einem mathematischen Satz ergeben.
Lehrende an Hochschulen sind heute unvermeidlich hoch-spezialisiert. Trotzdem wäre es fraglos wünschenswert, dass Lehrende einen begrifflichen Überblick
über weite Teile ihrer Profession haben. Vielleicht kann dieses Buch auch einen
kleinen Beitrag dazu leisten, dass Professoren und Dozenten der Mathematik ihr
mathematisches Allgemeinwissen auffrischen.
Die Idee für ein Buch der Definition in der Mathematik stammt von Andreas
Rüdinger vom Verlag Springer Spektrum. Ich möchte ihm dafür danken, dass er
mir vorgeschlagen hat, ein solches Buch zu schreiben, und dafür, dass er mir bei
der Erstellung des Buches zur Seite stand. Mein besonderer Dank gilt weiterhin
meinen Eltern und meiner Frau Katja Hedrich für Ihre Unterstützung, Geduld und
Liebe.
Goslar, 2016
Jörg Neunhäuserer
Inhaltsverzeichnis
1
Grundlagen . . . . .
1.1 Logik . . . . . .
1.2 Mengen . . . .
1.3 Relationen . . .
1.4 Funktionen . .
1.5 Zahlen . . . . .
1.6 Kardinalitäten
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5
11
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Diskrete Mathematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1 Permutationen, Kombinationen und Variationen
2.2 Kombinatorische Zahlenfolgen . . . . . . . . . . .
2.3 Grundbegriffe der Graphentheorie . . . . . . . . .
2.4 Spezielle Graphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Gefärbte und gewichtete Graphen . . . . . . . . .
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3
Algebraische Strukturen
3.1 Gruppen . . . . . . . .
3.2 Ringe . . . . . . . . . .
3.3 Körper . . . . . . . . .
3.4 Homomorphismen . .
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Lineare Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1 Vektorräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Lineare Unabhängigkeit, Basis und Dimension . . .
4.3 Lineare Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4 Multilinearformen, Tensoren und die Determinante
4.5 Eigenwerte, Eigenräume und Haupträume . . . . . .
4.6 Skalarprodukt, Norm und Winkel . . . . . . . . . . .
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VII
VIII
Inhaltsverzeichnis
5
Geometrie . . . . . . . . . . . . . . .
5.1 Analytische Geometrie . . . .
5.2 Synthetische Geometrie . . .
5.3 Nicht-euklidische Geometrie
5.4 Fraktale Geometrie . . . . . .
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Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.1 Metrische und topologische Räume: Grundbegriffe .
6.2 Stetigkeit und Konvergenz in topologischen Räumen
6.3 Topologische Konstruktionen . . . . . . . . . . . . . . .
6.4 Trennungseigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.5 Kompaktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.6 Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.7 Homotopie und die Fundamentalgruppe . . . . . . . .
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7
Analysis: Konvergenz und Differenziation .
7.1 Folgen und Reihen . . . . . . . . . . . . . .
7.2 Potenzreihen und elementare Funktionen
7.3 Grenzwerte von Funktionen . . . . . . . .
7.4 Differenzierbare Funktionen . . . . . . . .
7.5 Gewöhnliche Differenzialgleichungen . .
7.6 Differenzialgeometrie . . . . . . . . . . . .
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8
Analysis: Maß und Integration .
8.1 Das Riemann-Integral . . . . .
8.2 -Algebren und Maße . . . .
8.3 Messbare Abbildungen . . . .
8.4 Das Lebesgue-Integral . . . .
8.5 Fourier-Analysis . . . . . . . .
8.6 Kurven- und Flächenintegrale
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9
Funktionentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.1 Holomorphe Funktionen . . . . . . . . . . . . .
9.2 Konforme und biholomorphe Abbildungen . .
9.3 Wegintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.4 Die Umkehrung elementarer Funktionen in C
9.5 Singularitäten und meromorphe Funktionen .
9.6 Spezielle Funktionen . . . . . . . . . . . . . . .
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Funktionalanalysis . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.1 Banach-Räume . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.2 Schwache Ableitung und Sobolev-Räume
10.3 Hilbert-Räume . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.4 Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.5 Spektraltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
IX
11
Zahlentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.1 Teiler und Primzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.2 Modulare Arithmetik . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.3 Arithmetische Funktionen . . . . . . . . . . . . . .
11.4 Diophantische Gleichungen . . . . . . . . . . . . .
11.5 Kettenbrüche und diophantische Approximation
11.6 Spezielle Klassen irrationaler Zahlen . . . . . . .
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12
Wahrscheinlichkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.1 Wahrscheinlichkeitsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.2 Zufallsvariablen, Unabhängigkeit und bedingte Wahrscheinlichkeit
12.3 Erwartungswert, Varianz, Standardabweichung und Kovarianz . .
12.4 Konvergenz von Zufallsvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.5 Stochastische Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
259
260
266
269
272
275
13
Dynamische Systeme . . . . . . . . . . . . . . .
13.1 Topologische Dynamik . . . . . . . . . . .
13.2 Ergodentheorie . . . . . . . . . . . . . . . .
13.3 Differenzierbare Dynamik . . . . . . . . .
13.4 Holomorphe und Meromorphe Dynamik
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291
293
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14
Numerik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14.1 Kondition und Stabilität . . . . . . . . . . .
14.2 Lösung von Gleichungen . . . . . . . . . . .
14.3 Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14.4 Numerische Integration . . . . . . . . . . . .
14.5 Lösung von linearen Gleichungssystemen
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301
302
303
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310
313
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
1
Grundlagen
Inhaltsverzeichnis
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
Logik . . . . . .
Mengen . . . .
Relationen . . .
Funktionen . .
Zahlen . . . . .
Kardinalitäten
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In diesem Kapitel werden grundlegende mathematische Begriffe definiert. Wir geben in den ersten zwei Abschnitten eine Einführung in die Begriffe der Aussagenlogik, der Prädikatenlogik und der naiven Mengenlehre anhand von Definitionen
und Beispielen. Die folgenden zwei Abschnitte sind Relationen und Funktionen
gewidmet. Wir definieren Relationen und Funktionen und deren wesentliche Eigenschaften. Diese Definitionen werden anhand von paradigmatischen Beispielen
erläutert. In den nächsten Abschnitten beschreiben wir die Konstruktionen der natürlichen Zahlen N, der ganzen Zahlen Z, der rationalen Zahlen Q, der reellen
Zahlen R sowie der komplexen Zahlen C und der Hamilton’schen Quaternionen
H. Im letzten Abschnitt definieren wir unendliche Mengen und thematisieren deren
Kardinalität.
Zum weiterführenden Studium der Grundlagen der Mathematik mit Sätzen und
Beweisen empfehlen wir Rautenberg (2008) und Deiser (2010).
1.1 Logik
Definition 1.1
Eine Aussage ist durch einen Satz mit einem eindeutigen Wahrheitswert w (wahr)
oder f (falsch) gegeben. Sind p und q Variablen, die für Aussagen stehen, so bezeichnen:
:p die Negation (nicht p),
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
J. Neunhäuserer, Mathematische Begriffe in Beispielen und Bildern,
DOI 10.1007/978-3-662-53710-7_1
1
2
1
Grundlagen
p ^ q die Konjunktion (p und q),
p _ q die Disjunktion (p oder q),
p ) q die Implikation (aus p folgt q),
p , q die Äquivalenz (p genau dann, wenn q),
p ˚ q die Antivalenz (entweder p oder q).
Die Operationen :; ^; _; ); ,; ˚ werden Junktoren genannt, und die Wahrheitswerte dieser Verknüpfungen sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:
p
w
w
f
f
q
w
f
w
f
:p
f
f
w
w
:q
f
w
f
w
p^q
w
f
f
f
p_q
w
w
w
f
p)q
w
f
w
w
p,q
w
f
f
w
p˚q
f
w
w
f
Beispiel 1.1
Betrachten wir die Aussagen
p D Sokrates ist ein Hund ;
q D Sokrates lebt ;
so erhalten wir:
:p = Sokrates ist kein Hund;
:q = Sokrates lebt nicht;
p ^ q = Sokrates ist ein Hund und lebt;
p _ q = Sokrates ist ein Hund, oder er lebt;
p ) q = Wenn Sokrates ein Hund ist, so lebt er;
p , q = Sokrates ist genau dann ein Hund; wenn er lebt.
p ˚ q = Sokrates ist entweder ein Hund, oder er lebt.
Ist mit Sokrates der Philosoph gemeint, so haben p und q den Wahrheitswert falsch.
Damit haben :q, :p, p ) q und p , q den Wahrheitswert wahr. Die anderen
Verknüpfungen haben den Wahrheitswert falsch. Ist mit Sokrates ein lebender Hund
gemeint, so sind nur :p, :q und p ˚q falsch, und die anderen Verknüpfungen sind
wahr.
Gegenbeispiel 1.2
Folgende Sätze sind keine Aussagen:
Gibt es unendlich viele Primzahlzwillinge?
Es gebe unendlich viele Primzahlzwillinge!
Gäbe es doch unendlich viele Primzahlzwillinge.
1.1 Logik
3
Definition 1.2
Ausdrücke, die durch Anwenden der Junktoren :; ^; _; ); ,; ˚ nach bestimmten
syntaktischen Regeln1 auf Variablen für Aussagen p; q; r; s; : : : gewonnen werden,
nennt man Formeln der Boole’schen Aussagenlogik. Eine Formel ˛ wird erfüllbar
genannt, wenn es eine Belegung der Variablen in ˛ mit den Wahrheitswerten w
oder f gibt, die für ˛ den Wert w induziert. Die Formel ˛ wird logisch gültig
oder Tautologie genannt, wenn sie für jede Belegung der Variablen den Wert w
hat. Eine Formel, die für keine Belegung den Wert w hat wird unerfüllbar oder
Kontradiktion genannt.
Beispiel 1.3
Wichtige Tautologien der Aussagenlogik sind:
:.a ^ :a/ (Satz des ausgeschlossenen Widerspruchs)
:a _ a (Satz des ausgeschlossenen Dritten)
.a ^ .a ) b// ) b (Modus ponendo ponens)
.:b ^ .a ) b// ) :a (Modus tollendo tolens)
.:a ^ .a _ b// ) b (Modus tollendo ponens)
.a ) b/ , .:b ) :a/ (Kontraposition)
:.a _ b/ , :a ^ :b (De Morgan I)
:.a ^ b/ , :a _ :b (De Morgan II)
..a ) b/ ^ .b ) c// ) .a ) c/ (Transitivität)
Ist ˛ eine Tautologie, so ist :˛ eine Kontradiktion.
Beispiel 1.4
Die Formel ˛ WD :.a _ b/ bedeutet weder a noch b und ist erfüllbar, aber keine
Tautologie.
Definition 1.3
Ein einstelliges Prädikat ist eine Aussageform A.x/, die eine Variable x enthält,
sodass bei Ersetzung der Variablen durch Elemente aus einem gegebenen Individuenbereich U , auch Universum genannt, eine Aussage mit einem eindeutig
bestimmten Wahrheitswert entsteht. Ein n-stelliges Prädikat ist eine Aussageform
A.x1 ; : : : ; xn / mit den Variablen x1 ; : : : xn , sodass bei Ersetzung aller Variablen
durch Elemente eines Individuenbereichs eine Aussage entsteht. Der Existenzquantor 9 überführt ein einstelliges Prädikat A.x/ in eine Existenzaussage. Das
heißt: 9x : A.x/ ist wahr, genau dann, wenn A.x/ für mindestens ein Individuum
aus U wahr ist, ansonsten ist die Aussage falsch. Der Allquantor 8 überführt ein
einstelliges Prädikat in eine Allaussage. Das heißt: 8x : A.x/ ist genau dann wahr,
wenn A.x/ für alle Individuen aus U wahr ist, und ist ansonsten falsch. Ein Quantor
bindet in einem n-stelligen Prädikat A.x1 ; : : : ; xn / eine Variable und erzeugt ein
1
Wir verzichten hier darauf, die Grammatik einer logischen Sprache einzuführen, und verweisen
auf Rautenberg (2008).
4
1
Grundlagen
(n 1)-stelliges Prädikat. Wird durch n Quantoren jede Variable gebunden, dann
ergibt sich eine Aussage.
Beispiel 1.5
Wir betrachten das zweistellige Prädikat L.x; y/ D x liebt y. Das Universum besteht aus allen Personen und enthält insbesondere Alice und Peter. Folgende Ausdrücke sind einstellige Prädikate, aber keine Aussagen:
F (Peter, y) = Peter liebt y.
F (x, Alice) = x liebt Alice.
8x : F .x; y/ = Jeder liebt y.
9x : F .x; y/ = Es gibt mindestens eine Person, die y liebt.
8y : F .x; y/ = x liebt jeden.
9y : F .x; y/ = x liebt mindestens eine Person.
Folgende Ausdrücke sind Aussagen
F (Peter, Alice) = Peter liebt Alice.
8x : F (x, Alice) = Jeder liebt Alice.
9x : F (x, Alice) = Mindestens eine Person liebt Alice.
8y : F (Peter, y) = Peter liebt jeden.
9y : F (Peter, y) = Peter liebt mindestens eine Person.
8x8y : F .x; y/ = Jeder liebt jeden.
9x9y : F .x; y/ = Es gibt mindestens eine Person, die mindestens eine Person
liebt.
8x9y : F .x; y/ = Jeder liebt mindestens eine Person.
8y9x :F .x; y/ = Jeder wird von mindestens einer Person geliebt.
Definition 1.4
Ausdrücke, die durch Anwenden von Junktoren und Quantoren nach bestimmten
syntaktischen Regeln2 auf Aussageformen gewonnen werden, nennt man Formeln
der Prädikatenlogik. Eine solche Formel ist eine Tautologie, wenn sie für jedes
Modell, d. h. alle Universen und Aussageformen, wahr ist. Sie ist erfüllbar, wenn
sie für mindestens ein Modell wahr ist, und sie ist eine Kontradiktion, wenn dies
nicht der Fall ist.
Beispiel 1.6
Wichtige Tautologien der Prädikatenlogik sind:
:8x W A.x/ , 9x W :A.x/
:9x W A.x/ , 8x W :A.x/
.9x W A.x// _ .9x W B.x/ , 9x W A.x/ _ B.x//
2
Wir verzichten darauf, die Grammatik der Prädikatenlogik einzuführen, und verweisen wieder
auf Rautenberg (2008). Es sei nur angemerkt, dass Quantoren grundsätzlich stärker binden als
Junktoren, also nicht geklammert werden müssen.
1.2 Mengen
5
.8x W A.x// ^ .8x W B.x/ , 8x W A.x/ ^ B.x//
.A.x/ , B.x// ) .8x W A.x/ , 8x W B.x//
Ist z im Universum, so sind folgende Aussage Tautologien:
8x W A.x/ ) A.z/
.9x W A.x/ _ B.z// , 9x W .A.x/ _ B.z//
.9x W A.x/ ^ B.z// , 9x W .A.x/ ^ B.z//
.8x W A.x/ _ B.z// , 8x W .A.x/ _ B.z//
.8x W A.x/ ^ B.z// , 8x W .A.x/ ^ B.z//
Wie im Fall der Aussagenlogik ist die Negation einer Tautologie eine Kontradiktion.
Beispiel 1.7
8x W A.x/ ) 9x W A.x/
ist erfüllbar, aber keine Tautologie, und das Universum könnte kein Individuum
enthalten, welches die Aussageform A zu einer wahren Aussage macht.
8x9y W L.x; y/ , 8y9x W L.x; y/
ist erfüllbar, aber keine Tautologie.
1.2 Mengen
Definition 1.5
Eine Menge im Sinne der naiven Mengenlehre3 ist eine wohlbestimmte Zusammenfassung von wohlunterschiedenen Objekten unseres Denkens oder unserer Anschauung zu einem Ganzen. Mengen sind durch ihre Elemente eindeutig bestimmt.
Ist A eine Menge, so bedeutet x 2 A, dass x ein Element der Menge A ist, und
x 62 A heißt, dass x nicht in A ist. Zwei Mengen A und B sind gleich genau dann,
wenn sie die gleichen Elemente haben, d. h. x ist in A genau dann, wenn x 2 B ist:
A D B W , .x 2 A , x 2 B/:
Die leere Menge wird mit ; bezeichnet; sie enthält keine Elemente, also ist x 2
6 ;
für alle x.
Beispiel 1.8
Eine Menge kann durch die Aufzählung der Elemente gegeben werden, z. B.: A D
fa; b; c; d g oder B D f1; 2; 3g.
3
Der Mengenbegriff lässt sich durch das System von Zermelo und Fränkel axiomatisch einführen.
Wir verzichten hier darauf und verweisen auf Deiser (2010).
6
1
Grundlagen
Beispiel 1.9
Ist A.x/ ein Prädikat, dessen Universum U ein Menge darstellt, so ist
A D fx 2 U j A.x/g
eine Menge. Die Definition eines Prädikats findet der Leser in Abschn. 1.1.
Beispiel 1.10
Die Menge der rationalen Zahlen, die multipliziert mit einer natürlichen Zahl 1
ergeben, also A D fr 2 Qjrn D 1 für ein n 2 Ng, ist gleich der Menge der
Kehrwerte natürlicher Zahlen, B D f1=njn 2 Ng.
Beispiel 1.11
Die Menge aller natürlichen Zahlen a; b; c mit an C b n D c n für eine natürliche
Zahl n größer als 2 ist gleich der leeren Menge. Dies ist der letzte Satz von Fermat,
bewiesen durch Wiles (1995).
Gegenbeispiel 1.12
Die Klasse aller Mengen K D fxjx ist eine Mengeg ist keine wohldefinierte Menge, denn sie würde sich selbst als Element enthalten. Dies ist die Cantor’sche
Antinomie. Die Klasse aller Klassen, die sich nicht selbst als Element enthalten,
K D fxjx 62 xg, ist keine wohldefinierte Menge, denn sie enthält sich selbst als Element genau dann, wenn sie dies nicht tut. Dies ist die Russel’sche Antinomie. Man
führt heute den Begriff der Menge axiomatisch ein, um Antinomien zu vermeiden.
Es würde hier zu weit führen, ein Axiomensystem der Mengenlehre vorzustellen.
Wie verweisen auf Deiser (2010).
Definition 1.6
Eine Menge A ist eine Teilmenge einer Menge B (in Zeichen A B), wenn alle x
aus A auch in B sind, also x 2 A ) x 2 B ist. B heißt in diesem Fall Obermenge
von A; siehe Abb. 1.1. Die Menge A ist eine echte Teilmenge von B (in Zeichen:
A B), wenn A B gilt und es mindestens ein x 2 A gibt, sodass gilt: x 62 B,
d. h. A 6D B. Die Menge aller Teilmengen von B ist die Potenzmenge
P .B/ D fA j A Bg:
Beispiel 1.13
Wenn A D B ist, dann gilt trivialerweise A B und B A. Auch die Umkehrung
ist offenbar wahr.
Beispiel 1.14
Die Menge der geraden natürlichen Zahlen, G D f2njn 2 Ng, und die der ungerade natürlichen Zahlen, U D f2n 1jn 2 Ng, sind enthalten in der Menge der
natürlichen Zahlen, N. Es handelt sich um echte Teilmengen: G; U N.
1.2 Mengen
7
Abb. 1.1 Inklusionen
Beispiel 1.15
Die Potenzmenge der Menge A D f1; 2; 3g ist
P .A/ D f;; f1g; f2g; f3g; f1; 2g; f1; 3g; f2; 3g; f1; 2; 3gg:
Gegenbeispiel 1.16
Die Menge der rationalen Zahlen, Q, ist enthalten in der Menge der reellen Zahlen,
R. Die Umkehrung gilt allerdings nicht, denn die Menge der reellen Zahlen ist nicht
enthalten
in der Menge der rationalen Zahlen, R 6 Q, da irrationale Zahlen wie
p
2, e, existieren; siehe Abschn. 7.6 in Neunhäuserer (2015).
Definition 1.7
Die Vereinigung von zwei Mengen A und B ist gegeben durch
A [ B D fxjx 2 A oder x 2 BgI
siehe Abb. 1.2. Ist I eine Indexmenge und sind Ai für i 2 I Mengen, so ist die
Vereinigung der Mengen Ai geben durch
[
Ai D fxjx 2 Ai für ein i 2 I g:
i 2I
Beispiel 1.17
Ist A enthalten in B, so ist A [ B D B.
Beispiel 1.18
Die Menge der geraden natürlichen Zahlen, vereinigt mit der Menge der ungeraden natürlichen Zahlen, ist die Menge der natürlichen Zahlen, G [ U D N. Die
8
1
Grundlagen
Vereinigung der Mengen der Brüche mit dem Nenner q,
Aq D fp=qjp 2 Z; p teilerfremd zu qg;
über die Indexmenge der natürlichen Zahlen, ist die Menge der rationalen Zahlen
Q:
[
Aq D Q:
q2N
Definition 1.8
Der Schnitt von zwei Mengen A und B ist gegeben durch
A \ B D fxjx 2 A und x 2 BgI
siehe Abb. 1.2. Ist I eine Indexmenge und sind Ai für i 2 I Mengen, so ist der
Schnitt der Mengen Ai gegeben durch
\
Ai D fxjx 2 Ai für alle i 2 I g:
i 2I
Gilt A \ B D ;, so heißen die Mengen A und B disjunkt.
Beispiel 1.19
Ist A enthalten in B, so ist A \ B D A.
Beispiel 1.20
Ist A D fn 2 Zjn 1g und B D fn 2 Zjn 1g so ist A \ B D f1; 0; 1g.
Beispiel 1.21
Sind die Mengen Aq wie in Beispiel 1.18 gegeben, so ist
\
Aq D f0g:
q2N
Definition 1.9
Die Differenz A ohne B für Menge A; B ist
AnB D fx 2 Ajx 62 BgI
siehe Abb. 1.2. Ist A B, so ist das Komplement von A in B:
C A D BnA:
Beispiel 1.22
Ist A \ B D ;, so ist AnB D A und BnA D B.
1.2 Mengen
9
Abb. 1.2 Mengenoperationen
Beispiel 1.23
Sind A und B wie in Beispiel 1.20 definiert, so ist AnB D fn 2 Zjn 2g und
BnA D fn 2 Zjn 2g.
Beispiel 1.24
Das Komplement der rationalen Zahlen Q in den reellen Zahlen R sind die irrationalen Zahlen RnQ.
Definition 1.10
Die symmetrische Differenz von zwei Mengen A und B ist
A M B D .A [ B/n.A \ B/I
siehe Abb. 1.2.
Beispiel 1.25
Sind A und B wie in Beispiel 1.20 definiert, so ist
A M B D fn 2 Z j n 2 oder n 2g:
Definition 1.11
Sind A und B Mengen und ist a 2 A sowie b 2 B, so ist das geordnete Paar .a; b/
von a und b definiert als
.a; b/ D ffag; fa; bgg:
10
1
Grundlagen
Abb. 1.3 Das kartesische
Produkt
Man definiert Paare in dieser Weise, um zu gewährleisten, dass gilt:
.a; b/ D .c; d / , a D c und b D d:
Die Menge aller geordneten Paare ist das kartesische Produkt
A B D f.a; b/ j a 2 A; b 2 BgI
siehe Abb. 1.3. Zwei geordnete Paare .a1 ; b1 /; .a2 ; b2 / 2 A B sind gleich genau
dann, wenn a1 D a2 und b1 D b2 ist. Das kartesische Produkt von A und A ist
A2 D A A D f.a1 ; a2 / j a1 ; a2 2 Ag:
Beispiel 1.26
Das kartesische Produkt von A D f1; 2g und B D f1; 2; 3g ist
A B D f.1; 1/; .1; 2/; .1; 3/; .2; 1/; .2; 2/; .2; 3/g:
Beispiel 1.27
Die Menge der geordneten Paare natürlicher Zahlen ist
N 2 D N N D f.n1 ; n2 / j n1 ; n2 2 Ng
D f.1; 1/; .1; 2/; .2; 1/; .1; 3/; .2; 2/; .3; 1/ : : : g:
1.3 Relationen
11
1.3 Relationen
Definition 1.12
Eine Relation R zwischen zwei Mengen A und B ist eine Teilmenge des kartesischen Produkts von A und B, also R A B. Dabei steht a 2 A in Relation zu
b 2 B, symbolisch geschrieben aRb, wenn .a; b/ 2 R ist. Eine Relation auf einer
Menge A ist dementsprechend eine Teilmenge von A2 ; siehe Abb. 1.4.
Beispiel 1.28
R D f.0; 1/; .1; 2/; .1; 3/g ist eine Relation zwischen den Mengen f0; 1g und
f0; 1; 2; 3g mit 0R1, 1R2 und 1R3.
Beispiel 1.29
Die Identität D auf einer Menge A bildet eine Relation auf A mit R D f.a; a/ja 2
Ag A2 .
Gegenbeispiel 1.30
Die Mengen f0; .1; 2/; .1; 3/g und f.0; 1/; .1; 2/; .0; 1; 3/g beschreiben keine Relationen zwischen den Mengen f0; 1g und f0; 1; 2; 3g
Definition 1.13
Eine Relation ' auf A ist eine Äquivalenzrelation, wenn für alle a; b; c 2 A gilt:
1. Reflexivität: a ' a,
2. Symmetrie: a ' b , b ' a,
3. Transitivität: a ' b und b ' c ) a ' c.
Abb. 1.4 Zwei Relationen in A B
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