Kirchenzeitung 8 - Nordkirche weltweit

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Kirchenzeitung 23.02.14
Der Islam ist vielfältig
Ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen (Epheser 4,6)
DEN Islam gibt es genauso wenig wie DAS Christentum. Im Laufe ihrer
Geschichte haben sich alle großen Religionen, nicht selten in blutigen
Auseinandersetzungen, in unterschiedliche Richtungen ausgeprägt. Solche
Vielfalt mag man bedauern oder als Ausweis reichen religiösen Lebens
begrüßen, sie ist eine Tatsache. Gerade die vielfältigen Überzeugungen
und Verhaltensweisen der weltweit rund 1,6 Milliarden Muslime gilt es –
auch in unserem Umfeld – neu zu entdecken, um so stereotype Zuschreibungen, wonach der Islam eben aggressiv, rückständig und brutal sei, zu
entlarven. Natürlich gibt es im Islam wie in jeder Religion fundamentalistische Strömungen wie z.B. Teile der salafistischen Bewegungen, deren
vereinfachte Weltsicht ihren jeweiligen Anhängern vordergründig Halt und
Orientierung bietet und dafür klare Feindbilder innerhalb und außerhalb der
eigenen Religion braucht. Das gilt es deutlich zu kritisieren, ohne damit jedoch alle Anhängerinnen und Anhänger des Islam zu stigmatisieren.
Heute wird von über siebzig verschiedenen islamischen Gruppierungen,
Sekten und Richtungen ausgegangen. Die größte Gruppe, denen rund 85
% aller Muslime zugerechnet werden, sind die Ahl us-sunna, die Leute der
Sunna. Das Wort Sunna bedeutet „Herkommen“, „Brauch“. Die Sunniten
orientieren sich an den Aussagen und Handlungen, die vom Propheten
Mohammed im Koran und in Spruchsammlungen, den sogenannten
Hadithen überliefert sind. Später bildeten sich dann vier Rechtsschulen
heraus, die sich in der Interpretation der islamischen Lehre teilweise erheblich unterscheiden. Diese Rechtsschulen verfügen heute über die höchste
Autorität im sunnitischen Islam. Die Al Azhar („Die Blühende“) Universität in
Kairo, schon 972 gegründet mit ihrem Doppelminarett, das für Wissen und
Glauben steht, ist eins, wenn nicht das Zentrum sunnitischer Gelehrsamkeit.
Den zweiten großen Zweig des Islam mit ca. 15% aller Muslime bilden die
Shiiten. Schia bedeutet „Gruppe von Anhängern“. Gemeint sind diejenigen,
die meinen, dass die Nachfolge des Propheten Mohammed nur Ali bzw.
den Nachfahren von Ali und Fatima zustehe. Ali war der Vetter und
Schwiegersohn Mohammeds. Diese Richtung ist davon überzeugt, dass
Imame die Amtsnachfolger des Propheten als religiöse und politische Führer sind. Deshalb wird im Glaubensbekenntnis der Schiiten neben dem Bekenntnis zu Gott und seinem Propheten Mohammed anders als bei den
Sunniten auch noch „Ali als Freund Gottes“ bekannt. Eine Besonderheit
sind auch die vielen kleinen Steine, die in shiitischen Moscheen zu finden
sind. Gläubige tragen sie bei sich, um sie während des Gebets vor sich auf
den Teppich zu legen, damit die Stirn auch wirklich sauberen Boden berührt.
Kurz erwähnt seien auch die zahlreichen mystischen Traditionen des Islam.
Das Wort Sufismus leitet sich vom arabischen suf = Wolle her, weil die ersten islamischen Mystiker Asketen waren und Wollgewänder trugen. Wie in
allen Religionen geht es ihren Anhängern um eine Verinnerlichung der Gottesuche und der Gottesbeziehung.
Für das Miteinander in der christlichen Vielfalt hat Wolfgang Huber vor einigen Jahren einmal von der „Ökumene der Profile“ gesprochen, die Unterschiede aushält und auch aus ihnen lernt und dann betont, wie wichtig es
ist “nicht der Versuchung (zu) erliegen, durch Abgrenzung und Negation
des anderen, das eigene Profil zu stärken“. Wie wahr – und wie wertvoll
auch für ein interreligiöses Gespräch, das vielfältige Wege der Gottessuche
in der eigenen und den fremden Religion neugierig und offen erkundet.
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