Österreichische Mathematikolympiade 2009 Bundeswettbewerb für Fortgeschrittene, Teil 2 11. und 12. Juni 2009 1 Angaben 1.1 Tag 1 1. Ak,m (x) ist ein Potenzturm bestehend von unten nach oben aus k Zweiern, einem x und dann m Zweiern. Bk (y) ist ebenfalls ein Potenzturm, der aber nur aus k Vierern und einem y ganz oben besteht. Also .. . 2. x2 .2 .2 22 und Ak,m (x) = 2 .. 4y 44 Bk (y) = 4 . Man bestimme abhängig von der positiven ganzen Zahl k > 0 alle Paare (x, y) nicht negativer ganzer Zahlen, sodass Ak,k (x) = Bk (y). c c Bemerkung: Ein Potenzturm der Form ab wird berechnet als a(b ) . 2. (a) Für positive ganze Zahlen a < b bezeichne Pb M (a, b) = das arithmetische Mittel der Zahlen bM (a, b)c. (b) Man bestimme weiters √ √ k 2 + 3k + 3 b−a+1 k=a k 2 + 3k + 3 über a ≤ k ≤ b. Man bestimme K(a, b) = Pb √ k 2 + 3k + 3c , b−a+1 k=a b N (a, b) = √ das arithmetische Mittel der Zahlen b k2 + 3k + 3c über a ≤ k ≤ b. (Dabei ist bxc die gröÿte ganze Zahl kleiner oder gleich x.) 3. Gegeben ist das Dreieck ABC . Gesucht sind alle Punkte P im Inneren des Dreiecks, für die das Folgende gilt: Sei D der Schnittpunkt der Verlängerung von AP mit der Seite BC und A0 jener Punkt auf der Verlängerung, für den AD = DA0 gilt. Dann sind die Dreiecke ABC und A0 BC kongruent. (Dabei müssen die Punkte einander nicht unbedingt in dieser Reihenfolge entsprechen.) Deniert man die Punkte B 0 und C 0 analog, so sind auch die Dreiecke AB 0 C und ABC 0 kongruent zu ABC . 1 1.2 Tag 2 1. Wir betrachten für jede positive ganze Zahl a die Folge han i mit a0 = a und an = an−1 + 40n! für n>0. Man zeige, dass jede dieser Folgen unendich viele durch 2009 teilbare Zahlen enthält. 2. Es sei n > 1 und für 1 ≤ k ≤ n sei pk = pk (a1 , a2 , . . . , an ) die k-te elementarsymmetrische Grundfunktion der Zahlen a1 , a2 , . . . , an , also die Summe der Produkte aus jeweils k dieser Zahlen. Es sei P = P (a1 , a2 , . . . , an ) die Summe der pk mit ungeradem Index k kleiner oder gleich n. Wie viele verschiedene Werte treten unter den aj auf, falls alle aj (1 ≤ j ≤ n) und P Primzahlen sind? 3. Sei ABCD ein Viereck und seien P , Q, R und S die Mittelpunkte der Seiten AB , BC , CD und DA. Das Viereck P QRS heiÿt Seitenmittenviereck von ABCD. Man bestimmme alle Tangentenvierecke mit einem Quadrat als Seitenmittenviereck. 2 2 Lösungen 2.1 Tag 1 1. Ak,m (x) ist ein Potenzturm bestehend von unten nach oben aus k Zweiern, einem x und dann m Zweiern. Bk (y) ist ebenfalls ein Potenzturm, der aber nur aus k Vierern und einem y ganz oben besteht. Also .. . 2. x2 .2 .2 22 .. 44 und Ak,m (x) = 2 Bk (y) = 4 4y . Man bestimme abhängig von der positiven ganzen Zahl k > 0 alle Paare (x, y) nicht negativer ganzer Zahlen, sodass Ak,k (x) = Bk (y). Wir schauen uns zuerst die Fälle k = 1 und k = 2 an: Ist k = 1, dann lautet die zu lösende Gleichung folgendermaÿen: Lösung. 2 2x = 4y = 22y ⇔ x2 = 2y Daraus folgt, dass x sicher gerade sein muss, also x = 2n. Dann folgt y = 2n2 und für den Fall k = 2 die Lösung (2n | 2n2 ) mit n ∈ N. Gilt k = 2, dann ist die Gleichung folgende: 2 x2 22 y y 2y+1 = 44 = 22·4 = 22 ⇔ x4 = 2y + 1 In diesem Fall folgt, dass x sicher ungerade sein muss, also x = 2n + 1. Dann folgt durch Einsetzen und Umformen y = 8n4 + 16n3 + 12n2 + 4n + n und für den Fall k = 2 die Lösung (2n + 1 | 8n2 + 16n3 + 12n2 + 4n + n) mit n ∈ N. Wenn k ≥ 3 gilt, dann ist Bk (y) = 44 Bk−2 (y) 2Ak−2,k (x) Weiters gilt Ak,k (x) = 2 Wir haben also die Gleichung Ak−2,k (x) 22 = 22·4 Bk−2 (y) = 22 2Bk−2 (y)+1 . . = 22 2·Bk−2 (y)+1 ⇔ Ak−2,k (x) = 2 · Bk−2 (y) + 1 zu lösen. Ist nun k > 3, so ist die linke Seite der Gleichung sicher gerade, die rechte aber ungerade, was ein Widerspruch ist. 2 22 Gilt k = 3, so muss 2x = 2 · 2y + 1 gelten; die rechte Seite dieser Gleichung ist sicher ungerade, daher muss x = 0 sein, sodass auch die linke Seite ungerade ist. Dann wäre diese gleich Eins, was die rechte Seite aber für kein y ∈ N sein kann. Zusammenfassend erhalten wir also die Lösungen 2 für k = 1 {(2n | 2n ) | n ∈ N} 4 3 2 L = {(2n + 1 | 8n + 16n + 12n + 4n + n) | n ∈ N} für k = 2 {} für k ≥ 3 3 2. (a) Für positive ganze Zahlen a < b bezeichne Pb das arithmetische Mittel der Zahlen bM (a, b)c. Lösung. Es gilt: k+ √ √ k 2 + 3k + 3 b−a+1 k=a M (a, b) = k 2 + 3k + 3 über a ≤ k ≤ b. Man bestimme K(a, b) = 3 p 2 < k + 3k + 3 < k + 2. 2 Dies ist nämlich äquivalent zu k2 + 3k + 49 < k2 + 3k + 3 < k2 + 4k + 4 ⇔ 0 < 34 < k + 1, was sicher gilt. √ √ √ 2 2 2 Damit √ ist b k + 3k + +3c = k +1. Sei εk = k + 3k + 3−b k + 3k1 + 3c der Dezimalanteil 2 von k + 3k + 3. Aus der obigen Ungleichung folgt auÿerdem, dass 2 < εk < 1. Nun können wir das arithmetische Mittel folgendermaÿen umformen: Pb √ Pb Pb (k + 1) + k=a εk k 2 + 3k + 3 = k=a = b−a+1 b−a+1 Pb Pa−1 Pb Pb b(b+1) − (a−1)a k − k=0 k + (b − a + 1) + k=a εk εk 2 = k=0 = 2 + k=a +1= b−a+1 b−a+1 b−a+1 Pb Pb εk b2 + b − a2 + a a+b k=a εk = + +1= + k=a +1 2(b − a + 1) b−a+1 2 b−a+1 M (a, b) = k=a Pb k=a εk Da alle εk im Intervall ( 21 ; 1) liegen, liegt auch ihr arithmetisches Mittel b−a+1 darin. Schauen wir uns nun den ganzzahligen Anteil K(a, b) von M (a, b) an, so müssen wir zwei Fälle unterscheiden: $ K(a, b) = % ( Pb a+b für a + b gerade a+b k=a εk 2 +1 + + 1 = a+b+1 2 b−a+1 + 1 für a + b ungerade 2 (b) Man bestimme weiters Pb √ k 2 + 3k + 3c , b−a+1 k=a b N (a, b) = √ das arithmetische Mittel der Zahlen b k2 + 3k + 3c über a ≤ k ≤ b. Lösung. Für Teil (b) verwenden eine schwächere Ungleichung wie in (a): k+1< p k 2 + 3k + 3 < k + 2 Diese ist äquivalent zu k2 + 2k + 1 < k2 + 3k + 3 < k2 + 4k + 4 ⇔ 0 < k + 2 < 2k + 3, was sicher wahr ist. Damit gilt dann: √ Pb Pb Pa−1 (k + 1) k − k=0 k + (b − a + 1) k 2 + 3k + 3c = k=a = k=0 b−a+1 b−a+1 b−a+1 b(b+1) (a−1)a 2 2 − 2 b +b−a +a a+b = 2 +1= +1= +1 b−a+1 2(b − a + 1) 2 Pb N (a, b) = k=a b 4 3. Gegeben ist das Dreieck ABC . Gesucht sind alle Punkte P im Inneren des Dreiecks, für die das Folgende gilt: Sei D der Schnittpunkt der Verlängerung von AP mit der Seite BC und A0 jener Punkt auf der Verlängerung, für den AD = DA0 gilt. Dann sind die Dreiecke ABC und A0 BC kongruent. (Dabei müssen die Punkte einander nicht unbedingt in dieser Reihenfolge entsprechen.) Deniert man die Punkte B 0 und C 0 analog, so sind auch die Dreiecke AB 0 C und ABC 0 kongruent zu ABC . Wir betrachten zuerst die kongruenten Dreiecke ABC und A0 BC , wobei die Punkte einander nicht unbedingt in dieser Reihenfolge entsprechen müssen. Aus der Kongruenz der Dreiecke folgt, dass sie gleich groÿe Umkreise haben; damit sind auch die Winkel über der Seite BC gleich groÿ, also ∠BAC = ∠CA0 B . Damit bleiben noch zwei Fälle bezüglich der Gleichheit der anderen Winkel, nämlich ∠CBA = ∠A0 BC und ∠ACB = ∠BCA oder ∠CBA = ∠BCA0 und ∠ACB = ∠A0 BC . Lösung. Abbildung 1: Fall 1 Abbildung 2: Fall 2 • ∠CBA = ∠A0 BC und ∠ACB = ∠BCA: Aus diesen Winkelgleichheiten folgt, dass BC eine Symmetrale im Viereck ABA0 C ist (welches dann klarerweise ein Deltoid ist), womit AA0 ⊥BC . Daher muss in diesem Fall P auf der Höhe durch A liegen. • ∠CBA = ∠BCA0 und ∠ACB = ∠A0 BC : In diesem Fall folgt aus den Winkelgleichheiten AB k CA0 und AC k BA0 . Damit ist das Viereck ABA0 C ein Parallelogramm. In diesem halbieren sich die Diagonalen, womit A0 auf der Verlängerung der Schwerelinie durch A und P auf dieser liegt. Analoges erhalten wir für die anderen nach auÿen errichteten Dreiecke; P kann somit nur auf Schwerlinien und Höhen liegen. Mögliche geometrische Orte für P sind also der Schnittpunkt von 3 Höhenlinien (der Höhenschnittpunkt), der Schnittpunkt der drei Schwerelinien (der Schwerpunkt) oder der Schnittpunkt von zwei Höhen und einer Schwerelinie bzw. umgekehrt. Letzteres bringt uns aber keine neuen Punkte, denn auch wenn der Punkt P nur auf zwei Höhen bzw. Schwerlinien liegt ist er schon der Höhenschnittpunkt bzw. der Schwerpunkt. Da aber alle möglichen Punkte P im Inneren des Dreiecks gefragt sind, ist der Höhenschnittpunkt nur dann eine Lösung, wenn 4ABC spitzwinkelig ist. Der Schwerpunkt liegt immer im Inneren des Dreiecks und ist somit in jedem Dreieck Lösung. 5 2.2 Tag 2 1. Wir betrachten für jede positive ganze Zahl a die Folge han i mit a0 = a und an = an−1 + 40n! für n>0. Man zeige, dass jede dieser Folgen unendich viele durch 2009 teilbare Zahlen enthält. Lösung. Wir erkennen, dass wir die Folge explizit als an = a + n X 40i! i=1 darstellen können. Wir betrachten nun die Summe über alle 40i! getrennt modulo 41 und modulo 49 um das Ergebnis danach auf den Modul 2009 zusammenzuführen. • Modulo 41: Es gilt, da n! ≡ 0 mod 2 ∀n ∈ N und n ≥ 2: an = a + n X 40i! ≡ a + i=1 n X (−1)i! = a − 1 + i=1 n X 1i! = a + n − 2 mod 41. (1) i=2 Daher ist für alle n ≡ 2 − a mod 41 das Folgenglied an ≡ 0 mod 41. • Modulo 49: Laut Euler-Fermat gilt aϕ(49) = a42 ≡ 1 mod 49 ∀a mit ggT (a, 49) = 1. Im speziellen also auch 40k·42 ≡ 1 mod 49. Damit folgt, da 42|n! ∀n ∈ N und n ≥ 7: an = a + n X 40i! = a + i=1 Sei nun zusätzlich P6 i=1 6 X 40i! + n X 40i! ≡ a + 6 X mod 49 i=1 i=7 i=1 40i! + n − 6 40i! ≡ r mod 49 (dieses r ist klarerweise eindeutig mod 49), dann gilt an = a + n X 40i! ≡ a + r + n − 6 mod 49 (2) i=1 Somit ist an ≡ 0 mod 49 ∀n ≡ 6 − a − r mod 49. Aus (1) und (2) erhalten wir folgendes System aus linearen Kongruenzen, das erfüllt sein muss, sodass an sowohl kongruent Null modulo 41 als auch modulo 49 ist: n≡2−a n≡6−a−r mod 41 mod 49 Da ggT (41, 49) = 1 ist dieses System nach dem Chinesischen Restsatz eindeutig modulo 41 · 49 = 2009 lösbar; somit gibt es im Gesamten unendlich viele n sodass an ≡ 0 mod 2009. 2. Es sei n > 1 und für 1 ≤ k ≤ n sei pk = pk (a1 , a2 , . . . , an ) die k-te elementarsymmetrische Grundfunktion der Zahlen a1 , a2 , . . . , an , also die Summe der Produkte aus jeweils k dieser Zahlen. Es sei P = P (a1 , a2 , . . . , an ) die Summe der pk mit ungeradem Index k kleiner oder gleich n. Wie viele verschiedene Werte treten unter den aj auf, falls alle aj (1 ≤ j ≤ n) und P Primzahlen sind? 6 Wir betrachten die Anzahl der ungeraden Primzahlen unter den a1 , a2 , . . . , an ; sei diese l. Die Summanden einer elementarsymmetrischen Grundfunktion sind genau dann ungerade, wenn in ihnen nur ungerade aj vorkommen. Aus den l ungeraden Primzahlen aus a1 , a2 , . . . , an kann man l verschiedene Produkte aus jeweils k dieser Zahlen bilden, das heiÿt kl Summanden der k-ten k Elementarsymmetrischen Grundfunktion sind ungerade. P Durch Summation über alle ungeraden k erhalten wir dasselbe für P : nk=1; k ungerade kl Summanden von P sind ungerade, die restlichen gerade. P P Da nk = 0 ∀n < k gilt: nk=1; k ungerade kl = lk=1; k ungerade kl . Es gilt: Lösung. (1 + 1)l = l X l k=1 (1 − 1)l = l X k (−1)k k=1 = 2l (3) l =0 k (4) Durch Subtraktion von (3) und (4) sowie Division durch 2 erhält man: l X k=1 k ungerade l = 2l−1 k Ist diese Anzahl von ungeraden Summanden nun gerade, so ist auch ihre Summe und damit K gerade, was aber ein Widerspruch zu K ∈ P ist (da K > 2 sicher gilt, weil n > 1 und aj ≥ 2). Damit muss 2l−1 ungerade sein, was aber nur im Fall l = 1 eintritt. Zusammenfassend gilt also: P kann nur dann prim sein, wenn genau eines der aj eine ungerade Primzahl ist und n−1 der Primzahlen a1 , a2 . . . , an gerade (also gleich 2) sind. Das heiÿt es kommen unter den aj genau 2 verscheidene Werte vor. 3. Sei ABCD ein Viereck und seien P , Q, R und S die Mittelpunkte der Seiten AB , BC , CD und DA. Das Viereck P QRS heiÿt Seitenmittenviereck von ABCD. Man bestimmme alle Tangentenvierecke mit einem Quadrat als Seitenmittenviereck. Das Seitenmittenviereck ist sicher ein Parallelogramm (das Varignon-Parallelogramm); AS denn mit dem Strahlensatz gilt, da SD = PAP , P S k BD. Analog folgt QR k BD, SR k AC , B QR PQ PS RS 1 P Q k AC und BD = BD = AC = AC = 2 . Lösung. Abbildung 3: Aufgabe 6 Soll nun das Seitenmittenviereck ein Quadrat sein, so folgt aufgrund der Verhältnisse und des Strahlensatzes AC⊥BD und AC = BD. 7 Wir benennen den jeweils kürzeren Abschnitt der einander schneidenden und aufeinander normal stehenden Diagonalen AC, BD mit x, y . Sei weiters die Diagonalenlänge AC = BD = e. In jedem Tangentenviereck gilt bekanntermaÿen AB + CD = BC + DA Diese Seiten können wir nun mit Pythagoras ausrechnen, dann schreibt sich die Gleichung wie folgt: p (e − y)2 + x2 + p p p (e − x)2 + y 2 = (e − x)2 + (e − y)2 + x2 + y 2 Nach einigem Umformen erhalten wir aus dieser Aussage e2 · (e − 2x) · (e − 2y) = 0 Daraus folgt nun, da e 6= 0, e = 2x oder e = 2y , womit das Tangentenviereck ein Deltoid sein muss, in dem sich die Diagonalen schneiden (also ein konvexes Deltoid). Martin Nägele, Juni 2009 8