Region kultuR Heute startet das Arosa Musikfestival Das sechste Arosa Musikfestival feiert heute seine Eröffnung. Auf den Bühnen stehen international gefragte Musiker wie die Geigerin Esther Hoppe oder der Flötist Maurice Steger. Arosa. – 16 öffentliche Konzerte stehen in diesem Jahr auf dem Programm des Arosa Musikfestivals. Zudem finden zwei verschiedene Konzerte für die Schuljugend aus Arosa statt. Eröffnet wird das Festival heute mit einem Konzert des Casal-Quartetts. Jeweils am späten Nachmittag stehen bis Sonntag, 7.April, klassische Konzerte auf dem Programm. Abends sind Jazz- und Klezmer-Musik angesagt. Das Festival bringt jeweils Musikerinnen und Musiker aus Graubünden mit internationalen Künstlern zusammen. Dazu gehören unter anderem das Casal-Quartett oder das Galatea Quartett, die Berliner Sängerin mit jüdischen Wurzeln, Sharom Brauner, der Flötist Maurice Steger, die Koloratursopranistin Sumi Kittelberger, die Geigerin Esther Hoppe oder die Churer Querflötistin Alexa Deplazes. Förderung junger Talente Zudem ist das Festival eine Plattform für junge Talente. Bei diesen JungeMeister-Konzerten kommen heuer mehrere erfolgreiche Teilnehmende des Schweizerischen JugendmusikWettbewerbs zum Zug, darunter aus Graubünden die Trimmiser Geigerin Andrina Däppen, das Streichquartett Archi Allegri mit Andrina Däppen, Gianluca Camenisch, Lisha Kim und Selina Matile, sowie die Obersaxer Sopranistin Bettina Herrmann. Bei den jazzigen Abendkonzerten treten unter anderem die Gruppen «Gufo reale» aus Chur, «The Mozzarellas» aus dem St. Galler Rheintal und «Macsànka» aus Basel – begleitet vom Bündner Kontrabassisten Martin Wyss – auf. Als Höhepunkte des Festivals sind ein Festkonzert am Ostersonntag, das Galakonzert «King’s Music» mit den Festival Players Arosa am Freitag, 5.April, und der Auftritt des Kammerchors Chur am Sonntag, 7.April gesetzt (Beginn der Konzerte ist jeweils um 17 Uhr). (so) Weitere Informationen zum Musikfestival unter: www.arosamusikfestival.ch DIE SüDoSTScHWEIz | DOnneRSTAG, 28. MäRZ 2013 11 Die Unterdrückung gebiert die schrecklichsten Ungeheuer Die Bündner Regisseurin Ursina Hartmann bringt Jean Genets Stück «Die Zofen» auf die Bühne. Premiere feiert die Inszenierung am kommenden Mittwoch im Theater Klibühni in Chur. Von Valerio Gerstlauer Chur. – Er stahl, vagabundierte, bettelte, ging auf den Strich. Und er schrieb Worte nieder. Worte, die schonungslos die Halbwelt in all ihrer Härte vor Augen führen. Verbrechen, ausschweifende Sexualität, Gier und Verzweiflung thematisierte Jean Genet (1910–1986) in seinen Büchern und Bühnenwerken – sein Studienobjekt war stets der Bodensatz der Gesellschaft, dem er selbst jahrelang angehörte. Als Deserteur floh der in Paris Geborene durch ganz Europa, klaute wann immer möglich, viel lieber allerdings ging er der Prostitution nach. Regelmässig landete Genet deswegen hinter Gittern: Angesichts der Vielzahl seiner Vergehen sah er sich 1948 gar mit der dauerhaften Sicherheitsverwahrung konfrontiert. Ihr entkam er bloss dank des geballten Protests französischer Intellektueller. Denn im Gefängnis hatte Genet begonnen, Texte zu schreiben. Sie brachten ihm Weltruhm ein. Zu jenen Schriften gehört auch das 1947 verfasste Stück «Die Zofen». Dieses bringt Regisseurin Ursina Hartmann ab kommendem Mittwoch im Theater Klibühni in Chur zur Aufführung. Auf der Bühne stehen Oliver Krättli, Kurt Grünenfelder und Leonie Bandli. Das Bühnenbild stammt vom bildenden Künstler Chris Hunter. «Ein Spiel im Spiel» Seit eineinhalb Jahren verfolge sie die Absicht, «Die Zofen» auf die Bühne zu bringen, sagte Hartmann gestern an einer Medienkonferenz in Chur. Bei der Inszenierung habe sie sich an einer Übersetzung des Stücks, aber auch am Originaltext orientiert. «Die Uraufführung des Stücks fand Erzwungene Verbeugungen: Die Herrin (Leonie Bandli) hat ihre beiden Zofen Solange (Oliver Krättli, links) und Claire (Kurt Grünenfelder) fest im Griff. Bild Yanik Bürkli damals mit drei Schauspielerinnen statt», erzählte Hartmann. «Ich habe allerdings gelesen, dass Genet gerne zwei Männer in den Rollen der Zofen gesehen hätte – dieser ursprünglichen Forderung bin ich gefolgt.» Denn diese Besetzung sei von zentraler Bedeutung. «Der Travestie-Gedanke, das Spiel im Spiel in den abgründigsten Formen, die perverse Lust an Macht und Demut sind Themen, die im Stück ausgelotet werden.» Ausserdem verdeutliche die Besetzung mit zwei Männern die homosexuelle Komponente, die in allen Stücken Genets auszumachen sei. «Es geht nicht nur um Rache» In «Die Zofen» dienen Claire und Solange, Claires ältere Schwester, in einer für Angestellte unerreichbaren Gesellschaftsschicht, wie Hartmann sagt. Mit anonymen Briefen bringen sie zunächst den Hausherrn ins Gefängnis. Nach diesem Erfolg planen die Zofen, ihre Herrin zu erdrosseln. Dieses Vorhaben bestimmt ihre Gedanken in jedem Augenblick, den sie allein zu Hause verbringen. «Den Zofen geht es bei ihrem Plan nicht allein darum, Rache zu üben», erklärte Hartmann. Sie seien vielmehr darum bemüht, sich zu befreien, endlich ihr eigenes Leben zu leben. Den beiden Frauen falle es schwer, unter der erdrückenden Güte und Herrschsucht der Madame überhaupt zu atmen. So schreibt die Herrin sogar vor, wie sie ihre Nachtgebete sprechen müssen. «Die Zofen müssen sich unterwerfen, können nie sich selber sein, sondern haben stets zu funktionieren.» Für Hartmann handelt es sich um ein sehr politisches Stück. Denn Ge- net ging es immer auch um die Unterdrückten dieser Welt – sei es um unterdrückte Gesellschaftsschichten oder unterdrückte Völker. So wandte er sich vor allem in den letzten 30 Jahren seines Lebens «der Politik der Aussenseiter» zu. Genet nahm Kontakt auf zu Palästinensern, der BlackPanther-Bewegung und der Rote-Armee-Fraktion. Für hochaktuell hält Hartmann das Stück insofern, als es Missbrauch sowie versteckte und offene sexuelle Gewalt anprangert. «Die Ereignisse in Indien zeigen wieder, dass dies ein Thema ist, das uns noch lange Zeit beschäftigen wird.» «Die Zofen». Premiere: Mittwoch, 3. April, 20.30 Uhr. Weitere Vorstellungen: 5., 6., 9., 10., 11., 12. und 13. April, jeweils 20.30 Uhr. Theater Klibühni, Chur. A nS I cH T S S A c H E Das Staunen der jungen Frau ob der Fülle dieser Leere Von Gisela Kuoni* Vor einer Woche ist der Fotograf hier gewesen: Ein junger Mann, ausgerüstet mit Kamera, Scheinwerfern, Stativ, er hat das Haus fotografiert, viele Stunden lang – und was ist dabei herausgekommen? Ein Bild mit nichts als einem Stuhl, einem Fenster, ein bisschen Landschaft. Die junge Hausangestellte kommt aus einer andern Welt. Das Haus ihrer Eltern ist vollgestopft mit Möbeln, Teppichen, Vorhängen, mit Bildern, Blumentöpfen, Vasen mit echten und falschen Blumen, mit lauter schmückendem Kram. Hier ist alles anders. Sie staunt. Sie setzt sich auf den Stuhl des namhaften Designers. Kann man darauf überhaupt sitzen? Und was empfindet sie? Sie kommt zur Ruhe, seltsam entspannt, sie schliesst die Augen, lauscht in die Stille. Sie fühlt sich ausgesetzt, allein. Doch etwas hält sie fest. Sie schaut. Um sie herum ist eine lichte, weisse Höhle. Klare Linien begrenzen die Wände, die Decke. Der Boden nimmt das Licht auf, er ist spiegelglatt, hell, einladend. Obwohl der Raum im Schatten liegt und nur ein schmaler, schräger Streifen Sonnenlicht hereinfällt, ist er erfüllt von Licht. Nichts bedrängt die junge Frau. Die Weite um sie herum gibt Raum für eigene Gedanken, Gefühle, Fantasien. Oder kann man sich auch verlassen vorkommen in dieser scheinbaren Offenheit? Doch sie fühlt sich wohl, ist heiter, erwartungsvoll. Hier ist Luft zum Atmen, gleichzeitig gibt die Strenge der Linien Halt und Schutz. Dieser Architekt geht über das Gefällige, Einfache hinaus. Er fordert von den Bewohnern des Hauses die gleiche Klarheit, die er mit dem Konzept seiner Räume anstrebt. Der Blick geht zum Fenster. Im Verhältnis zum ganzen Raumvolumen ist es eher klein. Ein schnörkelloses Quadrat, eingebettet in klare geometrische Formen. Es wird zum Zentrum und macht den Raum zur Skulptur. Kein Vorhang lenkt ab. Man könnte das Fenster öffnen, sich hinauslehnen, hinausspringen. Doch es ist geschlossen. Wie ein Gemälde, ein Bild, präsentiert sich die Landschaft draussen. Auch sie scheint unbegrenzt, einladend. Nichts Spektakuläres, liebliche Wiesen und Hügel setzen den einzigen Farbtupfer in den Raum. Die junge Frau empfindet eine Harmonie, die sie sich nicht erklären kann. Sie hat die Fülle der Leere erlebt. Ein solches Haus zu bauen ist eine Herausforderung. Es ist ein Konzentrat von Schönheit und Klarheit, von Bescheidenheit und Kompromisslosigkeit. So ein Wohnsitz mag «Ansichtssache» sein – ein Wurf ist er allemal. Und der Fotograf versteht sein Handwerk. * Gisela Kuoni ist Kulturjournalistin und lebt in Chur. Anlässlich der aktuellen Ausstellung «Ansichtssache» im Kunstmuseum Graubünden verfassen ausgewählte Persönlichkeiten Texte zu einem Bild ihrer Wahl. Die Ausstellung dauert bis am 12. Mai. Haus Meuli: Von Bearth & Deplazes, Fläsch, 2009. Bild Ralph Feiner Infos unter www.suedostschweiz.ch/dossier