14 1 Die Zeit der großen Umbrüche 1800 befanden sich dort der Sitz des Präsidenten (Weißes Haus) und der des Kapitols (Kongress). Das letzte Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts deutete ferner an, dass das neue Staatswesen eine große Zukunft vor sich hatte: Seit 1790 wurde der Osten der USA zügig industrialisiert, und zugleich begann die Ausdehnung nach Westen, die durch die beginnende Masseneinwanderung aus Europa noch weiter forciert wurde. ZEIT TAFEL Überblick Geschichte der USA von 1776 bis 1791 4.7.1776 1775 – 1783 1783 17.9.1787 1789 1791 Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung, in der die Menschenrechte und das Widerstandsrecht verankert werden, in Philadelphia durch die aufständischen Kolonien Sieg der Kolonisten im Unabhängigkeitskrieg gegen Großbritannien Anerkennung der Unabhängigkeit der Kolonien durch Großbritannien im Frieden von Versailles Verabschiedung der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika mit einem ausgeklügelten System wechselseitiger Kontrolle und Gewaltenteilung Wahl George Washingtons zum ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten Inkrafttreten der zehn Ergänzungsartikel der Grundrechte in der „Bill of Rights“ INSIDER-TIPP Namen Ist es wichtig, die Namen bedeutender historischer Persönlichkeiten zu kennen? Ja, absolut! Denn solche Namen stehen in der Regel für einen größeren Bedeutungszusammenhang, für ein politisches Programm, für gesellschaftliche Tendenzen usw. Außerdem gibt man sich unter Geisteswissenschaftlern als sachkundig zu erkennen, wenn man die Namen – und möglichst auch die Vornamen – richtig wiedergeben kann und zuzuordnen versteht. Deshalb mein Tipp: Lernen Sie die Namen und Vornamen korrekt und behaltet Sie sie fest im Gedächtnis! Dies gelingt am leichtesten, indem Sie mit dem betreffenden Namen etwas Zentrales aus dem Leben oder Werk dieser Person verbinden. 1.4 Die Französische Revolution 1.4 Die Französische Revolution Kaum ein anderes Ereignis der Weltgeschichte hat die Menschheit so sehr erschüttert, hat so weitreichende und vielfältige Folgen gehabt wie die Französische Revolution. Deshalb werden zweiteilige Darstellungen der Menschheitsgeschichte gerne durch die Zäsur des Jahres 1789 getrennt. In diesem Epochenjahr setzte in Paris ein revolutionärer Umbruch nie gekannten Ausmaßes ein, der über die Bildung einer Verfassunggebenden Nationalversammlung und die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte innerhalb von vier Jahren zur Absetzung des Königs und zur Errichtung der Republik führte. QUELLEN TE X T Aus der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789: Art. I: Die Menschen sind und bleiben von Geburt an frei und gleich an Rechten. Soziale Unterschiede dürfen nur im Allgemeinnutzen begründet sein Art. II: Das Ziel einer jeden politischen Vereinigung besteht in der Erhaltung der natürlichen und unantastbaren Menschenrechte. Diese Rechte sind Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung In: Geschichte in Quellen, Amerikanische und Französische Revolution, bearb. von Günter Schönbrunn, München 1980, S. 199 Da Frankreich zu dieser Zeit politisch, militärisch und auch kulturell die dominierende und tonangebende Großmacht in Europa war, mussten gravierende Veränderungen in der Grande Nation zwangsläufig gewaltige Folgewirkungen für die Nachbarländer und den gesamten europäischen Kontinent haben. Daher erschütterte die „Große Revolution“ der Franzosen nicht nur ihr eigenes Land, sondern stärkte überall in Europa die veränderungsbereiten Kräfte. Die aus der Aufklärung stammenden Leitideen der Revolution, ihre Prinzipien von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“, die Forderungen nach Abschaffung der feudalen Ständegesellschaft und nach Volkssouveränität strahlten auf alle Länder Europas und über die Kolonien bald auf die gesamte Welt aus. Mit der Französischen Revolution beginnt das Bürgerliche Zeitalter, das Monarchie und Adelsgesellschaft ablöst. Damit wird der absolutistische Staat ebenso überwunden wie die Vormachtstellung der Kirche. Fortan muss sich jede Gesellschaft der Frage stellen, wer legitimiert ist, die Herrschaft auszuüben, und welche Grundfreiheiten jedem Menschen zuste- 15 20 1 Die Zeit der großen Umbrüche seinem Hauptkonkurrenten um die Weltherrschaft, dem englischen Empire, blieb er jedoch erfolglos, weil es nach der entscheidenden Seeschlacht von Trafalgar 1805 dank seiner überlegenen Flotte und seiner geostrategisch so vorteilhaften Insellage für Frankreich praktisch unangreifbar war. Da sich der russische Zar der von Napoleon gegen England verhängten Handelssperre, der sogenannten Kontinentalsperre, widersetzte, griff der französische Kaiser 1812 Russland an. Dieser gewaltige Feldzug erwies sich indes als totales Fiasko: Der furchtbare Winter, der Brand von Moskau und die geschickte russische Kriegsführung zwangen ihn zum Rückzug. Von nun an gab es für Napoleon keine Siege mehr: 1813 verlor er im Oktober die „Völkerschlacht von Leipzig“ und musste sich danach über den Rhein zurückziehen. Nach seiner Abdankung 1814 kehrte er zwar ein Jahr später noch einmal im Triumphzug nach Paris zurück, musste aber 1815 in der Schlacht von Waterloo die Überlegenheit der verbündeten Briten und Preußen anerkennen. Damit war seine Herrschaft endgültig zusammengebrochen. Kennzeichen der Ära Napoleon Auch wenn Napoleon ein z autokratisches Regime führte, wahrte er nach außen den Schein, die Revolution von 1789 fortzuführen und zu vollenden. Deshalb schuf er 1799 eine Konsulatsverfassung, die mit allgemeinem Wahlrecht und zwei gewählten Kammern demokratisch zu sein schien. Allerdings durfte Napoleon alle entscheidenden Posten selbst besetzen, sodass er auch schon vor der Begründung des Kaiserreichs 1804 ein cäsaristisches Regime führen konnte. Durch Volksentscheide ließ er seine Herrschaft wiederholt vom Volk bestätigen. Mit seinen eindrucksvollen militärischen Erfolgen befriedigte Bonaparte bis 1810 die Sehnsucht der Grande Nation nach außenpolitischen Triumphen, nach einer Vormachtstellung Frankreichs und nach Gloire. Napoleons Militärdiktatur trug dem allgemeinen Bedürfnis nach Ordnung und Sicherheit im Innern Rechnung. Das neue Regime stützte sich dafür auf einen umfangreichen Polizeiapparat und ein ausgeklügeltes Spitzelwesen. Die Presse unterlag einer strengen Zensur, Kritiker wurden nicht geduldet. Der Code civil, auch Code Napoléon (1804) genannt, brachte Frankreich eine einheitliche Gesetzgebung, die die persönliche Freiheit des Einzelnen und den Schutz des Eigentums garantierte. Neben der Gleichheit vor dem Gesetz fand auch die Zivilehe Eingang in dieses erste bürgerliche 1.5 Das Zeitalter Napoleons Gesetzbuch, das zum Vorbild der Zivilgesetzgebung im Europa des 19. Jahrhunderts wurde. Das zentralistische Präfektensystem einer straff von oben nach unten organisierten Verwaltung ersetzte die lokalen und regionalen Selbstverwaltungsorgane der Revolution. Im Sinne dieser allgemeinen Zentralisierung wurde unter Napoleons Ägide auch das Schulwesen vereinheitlicht und staatlicher Kontrolle unterstellt. Durch die Gründung der Bank von Frankreich (1800) zur Eindämmung der Inflation wurde auch die Geldpolitik zentralisiert. Im Konkordat mit dem Papst wurden 1801 der Klerus und die katholische Bevölkerung an den französischen Staat gebunden, der seither die Bischöfe ernannte und die Priester zum Treueid auf die Verfassung verpflichtete. In Mitteleuropa bewirkte Napoleon eine tief greifende und dauerhafte territoriale Neuordnung, in der viele deutsche Kleinstaaten und bis dahin freie Reichsstädte aufgehoben und in größere Herrschaftsgebiete eingegliedert wurden. 1806 wurde das seit über 800 Jahren bestehende z Heilige Römische Reich Deutscher Nation aufgelöst. In allen besetzten Ländern führte die französische Fremdherrschaft zu einem erwachenden Nationalbewusstsein, wodurch von Spanien bis Tirol und Preußen eine breite Widerstandsbewegung entstand, die Napoleon nicht nachhaltig unterdrücken konnte und die maßgeblich zu seinem Untergang beitrug. INSIDER-TIPP Jahreszahlen Muss man sich eigentlich Jahreszahlen merken? Ja! Das gilt zumindest für Schlüsselereignisse und Epochenumbrüche. Bezüglich Frankreich muss man wissen, dass 1789 ein ungemein wichtiger Einschnitt der Neueren Geschichte war, ähnlich wie auch das Jahr 1815. In der deutschen Geschichte muss man etwa wissen, was 1933 passiert ist und was 1945. Neben Epochenschwellen gibt es viele weitere wichtige Daten, die man nach Möglichkeit kennen sollte. Ähnlich wie bei den Namen wichtiger historischer Persönlichkeiten gibt man so sofort zu erkennen, dass man etwas von einem bestimmten Zeitalter versteht. PS: Das Behalten fällt übrigens immer leichter, sobald man erst einmal ein paar Jahreszahlen sicher weiß, da sich so allmählich ein innerer Bedeutungszusammenhang der verschiedenen Daten ergibt. 21 92 3 Das Zeitalter der Weltkriege 8.12.1941 die USA und Großbritannien Japan den Krieg. Mit den Kriegserklärungen Hitler-Deutschlands und Italiens an die USA am 11.12.1941 hatte Hitler den Zenit seiner militärischen Macht überschritten, zumal in derselben Woche der Vormarsch der deutschen Truppen in Russland wegen des einbrechenden Winters zum Erliegen kam. Von nun an begann für die sieggewohnten deutschen Truppen ein verzweifelter Abwehrkampf, in dem die zunehmende Überlegenheit der Alliierten dazu führte, dass die Wehrmacht an allen Fronten massiv zurückgedrängt wurde. ZEIT TAFEL Wichtige Ereignisse von 1941 bis 1945 22.6.1941 14.8.1941 7.12.1941 3. – 7.6.1942 Winter 1942/43 10.7.1943 6.6.1944 20.7.1944 25.8.1944 Februar 1945 10.3.1945 30.4.1945 8.5.1945 15.8.1945 deutscher Überfall auf die UdSSR mit raschem Vordringen der Wehrmacht bis Leningrad und Moskau Atlantik-Charta Roosevelts und Churchills: Ziele/Grundsätze der Kriegspolitik der USA und Großbritanniens Überfall Japans auf die US-Flotte in Pearl Harbor Japan erleidet in der See- und Luftschlacht bei den MidwayInseln die entscheidende Niederlage. Schlacht um Stalingrad bringt die kriegsentscheidende Wende in Europa. Bis zum 2.2.1943 kapituliert die gesamte 6. deutsche Armee in Stalingrad. Landung der Amerikaner und Briten in Sizilien, von dort allmähliches Zurückdrängen der deutschen Truppen aus Italien Mit der Landung alliierter Truppen in der Normandie beginnt die schrittweise Rückeroberung Frankreichs. Ein gut vorbereitetes Attentat führender deutscher Offiziere auf Hitler misslingt, Putschversuch scheitert. Die Amerikaner und französische Truppen unter Charles de Gaulle gewinnen Paris. Konferenz von Jalta, auf der die „Großen Drei“ (Roosevelt, Stalin und Churchill) die Nachkriegsordnung und die Aufteilung Deutschlands beschließen. Die Amerikaner erobern Köln und die Rheingrenze. Selbstmord Hitlers bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches und „Stunde Null“ für Deutschland nach den Atombombenabwürfen der USA auf Hiroshima und Nagasaki bedingungslose Kapitulation Japans 3.6 Der Zweite Weltkrieg CHECK LIS TE 3 Das Zeitalter der Weltkriege Welche Schlüsselereignisse verbinden Sie mit den folgenden Jahreszahlen? 1914 1935 1917 1938 1918 1939 1919 1941 1923 1942 1929 1945 1933 Können Sie die folgenden Schlüsselbegriffe erklären? Falls nicht, schlagen Sie noch einmal hinten im Glossar nach! Bolschewismus Gleichschaltung Novemberrevolution Ermächtigungsgesetz Kriegsschuldfrage Totalitarismus Dolchstoßlegende Rassismus Versailler Vertrag Arier Weimarer Republik Antisemitismus Notverordnung Nürnberger Gesetze Inflation/Deflation Appeasement Weltwirtschaftskrise Münchener Abkommen Faschismus Hitler-Stalin-Pakt Nationalsozialismus Jalta-Konferenz Drittes Reich Fragen zum Nachdenken: Skizzieren Sie Grundzüge der drei Phasen der Weimarer Republik und zeigen Sie, inwiefern die Jahre 1923 und 1930 Wendepunkte gewesen sind. Erörtern Sie die These, dass das Scheitern der Weimarer Republik schon durch den Versailler Vertrag zwangsläufig bedingt war. Beschreiben Sie, mit welchen Mitteln und in welchen Schritten Hitler und die Nationalsozialisten 1933 ihre Macht durchsetzten. Erklären Sie, warum die verschiedenen Widerstandsgruppen im Dritten Reich so wenig Erfolg hatten. 93 6 Glossar: Prüfungsrelevante historische Grundbegriffe Mithilfe dieses Vokabulars können Sie Ihre Arbeiten aufwerten: Neben Jahreszahlen, harten Fakten und wichtigen Persönlichkeiten ist es vor allem wichtig, die Schlüsselbegriffe zu kennen und passend zu verwenden. Absolutismus Staatsform, in der der Monarch absolut, das heißt „losgelöst“ von jeglicher Herrschaft, also uneingeschränkt herrschen kann und niemandem – außer Gott – verantwortlich ist. Der absolute Herrscher wird von keinem Parlament kontrolliert und er ist auch keiner Verfassung unterworfen (Gegenbegriffe: konstitutionelle und parlamentarische Monarchie). Ahlener Programm Frühes Programm der CDU von 1947, in dem der Kapitalismus kritisiert und breite Mitbestimmung gefordert wurde. Alldeutscher Verband Sehr einflussreiche nationalistische Vereinigung, die im Deutschen Reich seit 1891 eine aggressiv-imperialistische Flotten- und Kolonialpolitik betrieb. Alleinvertretungsanspruch Außenpolitischer Grundsatz der Bundesrepublik Deutschland nach 1955, dass nur sie legitimiert sei, Deutschland völkerrechtlich zu vertreten ( Hallstein-Doktrin). Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein 1863 von Ferdinand Lassalle gegründete erste deutsche Arbeiterpartei, aus der später die SPD hervorging. Alliierte (frz.: Verbündete) seit 1914 Bezeichnung der Gegner der Mittelmächte, vor allem Frankreich und Großbritannien, dann auch für Russland bzw. die UdSSR und die USA gebräuchliche Bezeichnung. Alliierter Kontrollrat Seit Juni 1945 oberstes Entscheidungs- und Kontrollorgan der vier Besatzungsmächte im Nachkriegsdeutschland, das aber wegen der Differenzen zwischen den Siegermächten zunehmend handlungsunfähig wurde. Anarchismus Politische Lehre, die staatliche Gewalt generell ablehnt und für eine herrschaftsfreie Gesellschaft eintritt. „Anarchie“ bedeutet also eigentlich „Aufhebung von Herrschaft und Gewalt“, wird aber oft mit Chaos oder Terror gleichgesetzt. Ancien Régime frz. für „alte Herrschaftsform“ v. a. zur Bezeichnung der vorrevolutionären Feudalgesellschaft in Frankreich bis 1789. Annexion Gewaltsame Einverleibung eines fremden Staatsgebietes. Anschluss Eigentlich freiwillige Angliederung eines Staates an einen anderen. 1938 gebrauchtes Schlagwort für die Angliederung Österreichs an das Deutsche Reich unter Hitler (Gegenbegriff: Annexion). Antifaschismus Eigentlich Sammelbezeichnung von allen Gruppen, die den Faschismus und den Nationalsozialismus bekämpften. Später wurde dieser Begriff von Sozialisten und Kommunisten ausschließlich für die eigene Bewegung reklamiert.