Versuch E.2 (2011/12 – 1. Tertial): Messung von Potentialen/Spannungen im Feld elektrischer Dipole - Elektrokardiographie Elektrische Dipole werden, ganz allgemein, von zwei räumlich getrennten Ladungen unterschiedlichen Vorzeichens gebildet. Im Herzmuskel breiten sich Erregung und Erregungsrückbildung über Ladungsverschiebungen Zellstränge während von Zelle Depolarisation zu und Zelle aus. Durch Repolarisation der Herzmuskelzellen entstehen bei Erregungsausbreitung und Erregungsrückbildung in jedem Zellstrang elektrische Dipole. Die Dipole der einzelnen Zellketten überlagern sich zu einem Summendipol, dessen Größe und Richtung während Erregungsausbreitung und -rückbildung einen charakteristischen Verlauf zeigen. Dementsprechend können während Erregungsausbreitung und –rückbildung im Myokard an festgelegten Punkten auf der Körperoberfläche Potentiale und Potentialdifferenzen mit charakteristischem zeitlichem Verlauf (Elektrokardiogramm) gemessen werden. Folglich lassen sich im Elektrokardiogramm z.B. Rhythmus, Verlauf von Erregungsausbreitung und –rückbildung im Myokard, Lage des Herzens im Thorax und Verteilung der Muskelmasse im Herzen bewerten. Ziele des Praktikums sind • zu verstehen, welche Potentiale und Potentialdifferenzen (Spannungen), abhängig von Größe und Richtung eines Dipols, an definierten Punkten der Körperoberfläche, den Ableitungspunkten der Elektrokardiographie, gemessen werden können, • den Verlauf von Richtung Erregungsausbreitung und und Größe -rückbildung des in Summendipols Vorhöfen und während Ventrikeln darzustellen, • und den Einfluss der Lage des Herzens am Beispiel von Ein- und Ausatmung zu verfolgen. 0 1 Messung von Potentialen und Potentialdifferenzen im Feld eines elektrischen Dipols Um zu verstehen welche Potentiale und Potentialdifferenzen an definierten Punkten im Feld eines elektrischen Dipols gemessen werden, benutzen wir ein einfaches Modell (wassergefüllter Behälter) mit definierten, fest montierten Messpunkten und einem Dipol, dessen Richtung, bezogen auf die Horizontale, von 0º bis 360º vorgewählt werden kann. Für verschiedene Positionen des Dipols sollen die Potentialdifferenzen (Spannungen) zwischen zwei Meßpunkt-Paaren gemessen werden. Es soll die Frage beantwortet werden, wie die gemessene Potentialdifferenz (Spannung) von der Orientierung des Dipols relativ zur Anordnung der Meßpunktpaare bzw. den dadurch definierten Ableitungslinien abhängt. 1.1 Versuchsdurchführung In einem quadratischen Wasserbehälter (Abbildung 1) sind drei Buchsen als Ableitungspunkte in Form eines gleichseitigen Dreiecks montiert. An einem Drehgriff, dessen Drehachse im Mittelpunkt des gleichseitigen Dreiecks liegt, sind zwei Metallspitzen angebracht, die in das Wasser eintauchen. Von einem Reizgerät wird in einem Rhythmus von 3 Hz für 100 ms eine Spannung von 5 V (bzw. 10 V) zwischen den beiden Metallspitzen angelegt. Dadurch entsteht für jeweils 100 ms ein elektrischer Dipol, dessen Feld sich im Wasserbehälter ausbreitet. Aufgabe ist, die zwischen den Elektroden der beiden Ableitungspaare I und II bestehenden Potentialdifferenzen (Spannungen) in Abhängigkeit von der Winkelstellungen des Dipols zu messen. Folgende Kabelverbindungen sind herzustellen: Die Elektroden des drehbaren Handgriffs werden mit den entsprechenden (farbkodierten: rot +; schwarz -) Anschlüssen des Reizgerätes verbunden. Die Ableitelektroden des Wasserbads werden gemäß der von Einthoven definierten Polaritäten, wie in Abbildung 1 skizziert, an die Eingänge A3 (I) und A4 (II) des Netbook-Oszilloskop-Adapters angeschlossen. Am Reizgerät sind für den Reiz folgende Einstellungen vorzunehmen: Frequenz: 3 pps; Verzögerung: 0; Reizbreite: 100 ms; Amplitude: 5 bzw. 10 V; Kippschalter „twin pulses“: regular; Kippschalter „mode“: repeat; Kippschalter „polarity“: normal; 1 Kippschalter „output“: mono. Zur Darstellung der für die Ableitungen I und II registrierten Spannungssignale sind am Oszilloskop folgende Einstellungen zu machen: Für die Kanäle I und II wird eine Amplitudeneinstellung von 0,05 V/Segment sowie offsets von 0,1 bzw. -0,1 gewählt. Die Zeitachse der Darstellung wird auf 600 ms gestellt. Trigger-Stellung auf „auto“, „Kanal 1“ und Flanke „steigend“ (ggf. Auto Set benutzen). Das Messsignal sollte nun etwa wie in Abbildung 2 skizziert aussehen. Die jeweilige Amplitude kann als Spannungsdifferenz „V-p-p“ (Spannung peak-to-peak) unter„Hz und Volt“ gemessen werden. Nun sollen für die in Protokoll 1 angegebenen Winkeleinstellungen die Signalamplituden in Ableitung I bestimmt (siehe Abbildung 2, auf das Vorzeichen achten!) und in Protokoll 1 eingetragen werden (Reizstärke 5 V). Um den Einfuss der Erregungsamplitude zu verdeutlichen werden anschließend noch bei einer Reizamplitude von 10 V die abgeleiteten Signalamplituden bei 0° und 60° gemessen und (in Klammern) in Protokoll 1 vermerkt. Abbildung 1: Versuchsaufbau 2 Abbildung 2: Beispiel einer Oszilloskopregistrierung Protokoll 1: Gemessene Potentialdifferenz (Spannung) gegen Winkel des Dipols Tragen Sie die bei verschiedenen Winkeln für die Ableitung I gemessenen Spannungen (mit Vorzeichen!) in folgende Tabelle ein. Winkel Ableitung I 0 60 90 180 Bestimmen Sie, bei welcher relativen Lage des Dipols zur jeweiligen Ableitung die gemessene Potentialdifferenz maximal und bei welcher Lage die gemessene Potentialdifferenz minimal ist. Wann ist die gemessene Potentialdifferenz eines Dipolvektors auf einer Ableitung halbmaximal? Wie stehen Dipolvektor und Ableitung relativ zueinander? 3 Nach welchem Prinzip kann man beschreiben, wie groß für verschiedene Winkelstellungen eines Dipols die in einer Ableitung gemessenen Potentialdifferenzen (Spannung) sind? Protokoll 2: Vorhergesagte Potentialdifferenz (Spannung) gegen Winkel des Dipols Welche Signalhöhen würde man in Ableitung I bei einer Winkelstellung des elektrischen Dipols von z.B. 30°, 120° oder 150° erwarten? Machen Sie anhand Ihrer aus Protokoll 1 vermuteten Gesetzmäßigkeiten für die in der folgenden Tabelle angegebenen Dipolstellungen Vorhersagen zu den in Ableitung I erwarteten Potentialdifferenzen und kontrollieren sie diese durch Nachmessen. Winkel Ableitung I Vorhersage Ableitung II gemessen Vorhersage gemessen 0 30 45 60 90 120 150 180 240 270 Wann wird die Potentialdifferenz entlang Ableitung II maximal, halbmaximal oder Null? Machen Sie nun Vorhersagen für Ableitung II und kontrollieren Sie durch Messen (in Protokoll 3). 4 Protokoll 3: Konstruktion der für eine Ableitung erwarteten Potentialdifferenz Konstruieren Sie entsprechend der von Ihnen abgeleiteten Zusammenhänge zwischen Winkelstellung des Dipols und vermuteten/gemessenen Potentialdifferenzen in Ableitung 1 und 2 jetzt in Abbildung 3 die für eine Dipolstellung von 60° in Ableitung III erwartete Potentialdifferenz. Wie lässt sich Ihr Ergebnis mathematisch kontrollieren? Abbildung 3: Konstruktion von erwarteten Potentialdifferenzen (Spannungen), für die Ableitungen I bis III nach Einthoven 5 Rekonstruktion von Lage und Größe eines Dipols aus den in Ableitung I und II gemessenen Potentialdifferenzen Für einen Dipol, dessen Größe und Richtung Sie nicht kennen, wurde in Ableitung I eine Spannung von 1 mV (soll hier 1 cm entsprechen) und in Ableitung II eine Spannung von 0,5 mV (entspricht 0,5 cm) gemessen. Rekonstruieren Sie diesen Dipol (Größe, Richtung) und bestimmen Sie die Spannung, die für diesen Dipol in Ableitung III zu erwarten ist. Wiederholen Sie die Aufgabe mit den Werten -0,5 mV und 0 mV für Ableitungen I und II. Wie hoch ist die in Ableitung III erwartete Potentialdifferenz,, wenn für Ableitung I und II jeweils Spannungen von 0 mV gemessen wurden? 6 2 Vektorkardiogramm 2.1 Allgemeines Das Vektorkardiogramm beschreibt für alle Zeitpunkte von Erregungsausbreitung und Rückbildung im Myokard Richtung und Größe des jeweiligen Summenvektors. Zur Übersichtlichkeit wird immer nur die Spitze des jeweiligen Vektors dargestellt. Die von der Spitze des Summenvektors beschriebene Kurve wird als Vektorschleife bezeichnet. Der Summenvektor während der Erregungsausbreitung der Vorhöfe beschreibt die PSchleife, die QRS-Schleife beschreibt die Erregungsausbreitung in den Ventrikeln, die T-Schleife die Erregungsrückbildung in den Kammern. Die Erregungsrückbildung der Vorhöfe fällt normalerweise in die Erregungsausbreitung in den Kammern und ist deshalb nicht meßbar. Die Vektorschleifen sind 3-D Gebilde. So zeigt z.B. der größte Summenvektor während der Erregungsausbreitung in den Kammern üblicherweise von rechts-kranial-ventral nach links-kaudal-dorsal. Zur Beschreibung der 3D-Form der Vektorschleife werden deren Projektion auf die frontale und horizontale Ebene benutzt (Abbildung 4). Diese beiden Projektionen werden im Praktikum dargestellt. Sie sollen dazu benutzt werden, direkt den Einfluss von Lageänderungen des Herzens auf die Lage der Vektorschleife, also auf die einzelnen Summenvektoren, am Beispiel von Ein- und Ausatmung zu demonstrieren. Abbildung 4: 3D-Vektorschleife und ihre jeweiligen Projektionen auf Sagittal-, Frontal- und Horizontalachse 7 Zur Registrierung der frontalen Vektorschleife werden in einer xy-Darstellung die für eine horizontal angeordnete Ableitung (x-Achse) gemessenen Potentialdifferenzen gegen die zeitgleich für eine vertikale Ableitung (y-Achse) gemessenen Spannungen aufgetragen. Als horizontale Ableitung kann die Ableitung I nach Einthoven (Abbildung 5a), als vertikale Ableitung die Ableitung aVF nach Goldberger benutzt werden. Für die horizontale Vektorschleife werden den Wilson-Ableitungen analoge Potentiale von einer über dem Processus xiphoideus (sagittale y-Achse) und einer medioaxillär auf gleicher Höhe (transversale x-Achse) platzierten Elektrode gemessen (Abbildung 5b). Abbildung 5: Versuchsaufbau frontale (a) und horizontale (b)Vektorschleife 2.2 Frontale Vektorschleife 2.2.1 Registrierung der Vektorschleife in der Frontalebene Es werden Ableit- und Erdungselektroden an den Extremitäten der Versuchsperson angebracht und die Spannungsänderungen in den Ableitungen I und aVF (invertiert als aVF) auf dem Bildschirm des PC dargestellt (x-Achse: Ableitung I, y-Achse: –aVF). 8 Beobachten Sie die 3 Schleifen, kleine P-Schleife, große QRS-Schleife, mittelgroße TSchleife. Beachten Sie den Einfluss von Ein- und Ausatmung auf Form und Lage der frontalen Vektorschleife. Danach werden P-, QRS- und T-Schleife einer Herzaktion in mittlerer Atemlage als Punktdiagramm ausgedruckt (Protokoll 3: frontale Vektorschleife). Der Zeitabstand zwischen aufeinanderfolgenden Punkten beträgt 5 Millisekunden. Die gemessenen Spannungen werden vom Messgerät intern um Faktor 500 verstärkt. 2.2.2 Auswertung Vektorschleife in der Frontalebene Beschriften Sie in Ihrem Ausdruck die QRS-Schleife, die P-Schleife und die T-Schleife. Tragen Sie mit einem Pfeil die Drehrichtung des Kammerkomplexes ein. Bestimmen Sie nun den Nullpunkt Ihrer Registrierung. (Wie ist dieser definiert?) Zeichnen Sie in die Registrierung eine Gerade ein, die Ableitung II darstellt und bestimmen Sie den Nullpunkt von Ableitung II (Projektion des Nullpunktes der Vektorschleife auf Ableitung II). Geben Sie für Ableitung II an, wo nach der Einthoven-Definition + und – sind. Nummerieren Sie nun die einzelnen Punkte der QRS-Schleife gemäß ihrer zeitlichen Reihenfolge und messen Sie die erwarteten Signalamplituden in Ableitung II für die in Protokoll 6 angegebenen Zeitpunkte (in cm bzw. mV). Rekonstruieren Sie in Protokoll 7 den Zeitverlauf des QRS-Komplexes für Ableitung II aus den in Protokoll 6 bestimmten Werten. Erklären Sie anhand der Vektorschleife die Tatsache, daß die Spitzen der R-Zacken in den Ableitungen I bis III nach Einthoven zeitlich meist nicht genau zusammenfallen. Protokoll 4: frontale Vektorschleife (wird ausgedruckt, hier einfügen). 9 2.3 Horizontale Vektorschleife 2.3.1 Registrierung der Vektorschleife in der Horizontalebene Stellen Sie nun mit Hilfe der am Processus xiphoideus und medioaxillär auf gleicher Höhe angebrachten Ableitelektroden den Herzvektor in der Horizontalebene auf dem Bildschirm dar und fertigen Sie einen Ausdruck der Vektorschleifen in der Horizontalebene an (Protokoll 5: horizontale Vektorschleife). Der Zeitabstand zwischen aufeinanderfolgenden Punkten beträgt wieder 5 Millisekunden. Die gemessenen Spannungen werden vom Messgerät intern um Faktor 500 verstärkt. Woher bekommt man bei den unipolaren Brustwandableitungen das NullPotential als Bezugspunkt? Welche Regel, die Sie schon aus der Elektrizitätslehre kennen, lässt sich hier wiederfinden (vergleiche auch Protokoll 3)? 2.3.2 Auswertung Vektorschleife in der Horizontalebene Beschriften Sie in Ihrem Ausdruck die QRS-Schleife, die P-Schleife und die T-Schleife. Tragen Sie mit einem Pfeil die Drehrichtung des Kammerkomplexes ein und bestimmen Sie den Nullpunkt der horizontalen Vektorschleife. Protokoll 5: horizontale Vektorschleife (wird ausgedruckt, hier einfügen). 10 Protokoll 6: Signalamplituden der frontalen Vektorschleife Zeit frontal frontal [ms] [cm] [mV] 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 11 Protokoll 7: Rekonstruktion des QRS-Komplexes aus der Frontalschleife 12 Zur Übung: Was sind Feldlinien? Was bedeutet eigentlich „Äquipotentiallinie“? Was ist auf einer Feld-, was auf einer Äquipotentiallinie gegeben? Wie sehen die Feldlinien, wie die Äquipotentiallinien eines elektrischen Dipols aus? Die folgenden Abbildungen sollen Verbände erregbarer Zellketten darstellen. In welche Richtung zeigt der jeweilige Summendipolvektor und wie groß ist er? Was passiert mit Richtung und Größe eines Summendipolvektors, wenn ein Teil der erregbaren Zellketten hypertrophiert (größer wird)? 13