Klinische Leitlinie Unipolare Depression

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MEDIZIN
KLINISCHE LEITLINIE
Unipolare Depression
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie aus der aktuellen S3- und
Nationalen VersorgungsLeitlinie „Unipolare Depression“
Martin Härter, Christian Klesse, Isaac Bermejo, Frank Schneider, Mathias Berger
Institut und Poliklinik
für Medizinische
Psychologie, Universitätsklinikum HamburgEppendorf: Prof. Dr.
med. Dr. phil. Härter,
Dipl.-Psych.
Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg:
Dipl.-Psych. Klesse,
Dr. phil. Bermejo,
Prof. Dr. med. Berger
Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie,
Universitätsklinikum
Aachen: Prof. Dr. med.
Dr. rer. soc. Schneider,
Dipl.-Psych.
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund: Depressive Störungen zählen zu den häufigsten Erkrankungen und Beratungsanlässen in der Versorgung. Nach wie vor besteht Optimierungsbedarf in Diagnostik und Therapie, die neue S3- und Nationale VersorgungsLeitlinie „Unipolare Depression“ soll hierzu Impulse
geben.
Methode: Internationale und nationale Leitlinien zur unipolaren Depression wurden synoptisch zusammengefasst
sowie durch systematische Literaturrecherchen ergänzt.
Im Rahmen von 14 Konsensuskonferenzen wurden insgesamt 107 evidenzbasierte Empfehlungen abgeleitet.
Ergebnisse: Die Diagnosestellung richtet sich nach der
ICD-10, Screeningbögen ergänzen eine klassifikatorische
Diagnostik. Zentral ist eine Patientenbeteiligung bei der
Auswahl der Behandlungsstrategie. Bei einer leichten depressiven Episode kann über 14 Tage zunächst eine aktivabwartende Begleitung erfolgen. Bei mittelgradigen depressiven Episoden sind Pharmako- und Psychotherapie
gleichwertige Behandlungsoptionen. Bei schweren depressiven Episoden empfiehlt sich eine Kombination aus
Pharmako- und Psychotherapie. Ist die Akuttherapie nach
vier bis sechs Wochen nicht ausreichend wirksam, hat bei
Pharmakotherapie eine Lithium-Augmentation Vorrang vor
einer Antidepressiva-Kombination beziehungsweise dem
Wechsel des Antidepressivums. Nach Remission wird eine
Erhaltungstherapie über vier bis neun Monate empfohlen.
Bei rezidivierender Depression soll eine Fortführung der
Pharmakotherapie über zwei Jahre beziehungsweise eine
angemessene psychotherapeutische Nachbehandlung angeboten werden. Darüber hinaus werden spezifische Empfehlungen bei somatischer oder psychischer Komorbidität
und aktueller Suizidalität sowie zur Versorgungskoordination gegeben.
Schlussfolgerung: Die Leitlinie stellt eine umfassende
Sammlung evidenz- und konsensbasierter Empfehlungen
zur Diagnostik und Therapie unipolarer Depressionen dar.
Eine breite Implementierung in der ambulanten und stationären Versorgung ist notwendig, um eine Versorgungsverbesserung zu erreichen.
Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(40): 700–8
DOI: 10.3238/arztebl.2010.0700
700
nter den Volkskrankheiten nimmt die Bedeutung unipolarer Depressionen stetig zu. Mit einer Lebenszeitprävalenz von 16 bis 20 Prozent zählen depressive Störungen zu den häufigsten Erkrankungen und Beratungsanlässen in der Versorgung
(1). Große Verbesserungspotenziale für die Versorgung bestehen bezüglich adäquater und rechtzeitiger
Erkennung depressiver Störungen, der Ausrichtung
an evidenzbasierten Empfehlungen bezüglich Diagnose und Behandlung sowie einer abgestuften und
vernetzten beziehungsweise sektorenübergreifenden
Versorgung (2, 3).
Initiator der S3-Leitlinie war die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), die in den Jahren 2005 bis 2009
federführend die Leitlinienentwicklung mit weiteren
Fachgesellschaften finanziert und erarbeitet hat, unterstützt durch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft (AWMF).
Darüber hinaus wurde sie unter Koordination des
Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin
(ÄZQ) als Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) finalisiert (4, 5).
U
Methodik
Die Konsensgruppe der S3-Leitlinie bestand aus Vertretern von 29 Fachgesellschaften und Berufsverbänden sowie Selbsthilfegruppen und Angehörigenverbänden (eKasten 1 und 2). Für die Entwicklung der
Nationalen VersorgungsLeitlinie und zur Koordination der Konsensuskonferenzen bildete sich eine Steuergruppe. Diese beriet die vom Koordinationsteam
erarbeiteten Hintergrundtexte und Empfehlungen vor
und erarbeitete hieraus Beschlussvorschläge (5, 6).
Auf insgesamt 14 moderierten Expertentreffen
wurden 107 sogenannte Statements und Empfehlungen konsentiert. Die Empfehlungen basieren einerseits auf der synoptischen Integration internationaler
und nationaler Leitlinien (eKasten 3), wobei als zentrale Quellleitlinie die britische NICE-Guideline
(„Depression: Management of depression in primary
and secondary care“) fungierte. Andererseits wurden, wenn Empfehlungen aus den Leitlinien keine
hinreichende Antwort auf die Schlüsselfragen gaben
beziehungsweise nicht auf das deutsche Versorgungssystem passten, systematische Literaturrecherchen, insbesondere nach Metaanalysen, systematiDeutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 40 | 8. Oktober 2010
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schen Übersichtsarbeiten und randomisiert-kontrollierten Studien vorgenommen.
Die Empfehlungen verabschiedeten die beteiligten
Experten im Konsens (Grafik 1).
GRAFIK 1
Diagnostik
Der Anwendungsbereich der Leitlinie bezieht sich
auf die Störungsbereiche depressive Episoden, rezidivierende depressive Störungen, Dysthymie und rezidivierende kurze depressive Störung ab einem Behandlungsalter von 18 Jahren.
Diagnostisch orientiert sich diese Leitlinie an der
„International Classification of Diseases“ (ICD-10)
(Grafik 2). Ein Screening auf eine mögliche depressive Störung kann mit folgenden Fragen geschehen (7):
● Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos?
● Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger
Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne
tun?
Die Diagnose einer behandlungsrelevanten depressiven Störung sollte, wenn in einem Screening
erhöhte Depressionswerte festgestellt werden, durch
die anschließende direkte und vollständige Erfassung der Haupt- und Zusatzsymptome (= Schweregrad) sowie Fragen zu Verlauf und Dauer gestellt
werden (Evidenzgrad, EG B; Evidenzstärke, ES IIb)
(Kasten 1).
Weil depressive Patienten selten spontan über typische depressive Kernsymptome berichten und
eher unspezifische Beschwerden wie Schlafstörungen mit morgendlichem Früherwachen, Appetitminderung, allgemeine Kraftlosigkeit, anhaltende
Schmerzen und/oder körperliche Beschwerden angeben, soll das Vorliegen einer depressiven Störung
beziehungsweise das Vorhandensein weiterer Symptome einer depressiven Störung aktiv exploriert werden (EG 0, ES III).
Bei depressiven Störungen sollte man körperliche
Erkrankungen, eingenommene Medikamente und
Noxen, die mit Depression als Symptom einhergehen
können, sowie somatische Komorbiditäten sorgfältig
prüfen. Bei Patienten, die fortan ausschließlich in
psychotherapeutischer Behandlung sind, soll der
körperliche Status in jedem Fall zuverlässig abgeklärt werden (EG 0, ES III).
Bei jedem Patienten mit einer depressiven Störung
sollte der Untersucher Suizidalität regelmäßig bei jedem Patientenkontakt klinisch einschätzen und gegebenenfalls explorieren (EG Klinischer Konsens,
KKP; ES IV).
Über die gesetzlich vorgeschriebene Aufklärungspflicht hinaus sollte mit den Patienten im Rahmen
einer partizipativen Entscheidungsfindung über
mögliche Behandlungsstrategien und die damit verbundenen unerwünschten Wirkungen und möglichen
Risiken (Vor- und Nachteile der spezifischen Behandlungsoptionen) gesprochen und entschieden
werden (EG B, ES Ib) (8).
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Entwicklungsprozess der S3- und Nationalen VersorgungsLeitlinie „Unipolare Depression“
Beginn einer Therapie
Grundlage für die Mitarbeit des Patienten sind gerade zu Beginn einer Therapie die Schaffung einer stabilen Therapeut-Patient-Beziehung, gezielte und verständliche Informationen und regelmäßige Aufklärungsgespräche. Depressive Patienten sollen über
Symptomatik, Verlauf und Behandlung der Depression aufgeklärt werden. Wenn es angebracht ist und
die Patienten einverstanden sind, gilt dies auch für
deren Angehörige (EG A, ES IV).
Psychoedukative Angebote für Betroffene und Angehörige sollten zur Verbesserung des Informationsstands, der Akzeptanz und der Patientenmitarbeit im
Rahmen einer Gesamtbehandlungsstrategie als sinnvolle Ergänzung angeboten werden (EG B, ES Ib–IIa).
Patienten und Angehörige sollen über Selbsthilfeund Angehörigengruppen informiert und, wenn angebracht, zur Teilnahme ermuntert werden (EG A,
ES IV).
701
MEDIZIN
Akuttherapie leichter und mittelgradiger
depressiver Episoden
GRAFIK 2
Algorithmus zur Diagnose depressiver Störungen nach ICD-10
Zu Beginn der Antidepressiva-Therapie ist eine
Aufklärung des Patienten über mögliche Nebenwirkungen, die mögliche Wirklatenz und die Behandlungsdauer wichtig (EG KKP, ES IV).
Wichtige Inhalte des Aufklärungsgesprächs sind (8):
● Bedenken gegenüber Antidepressiva (zum Beispiel Sucht- und Toleranzentwicklung, Persönlichkeitsveränderungen) erkennen und ausräumen
● biologische Wirkmechanismen erklären
● auf Wirklatenz hinweisen
● Nebenwirkungen erläutern
● Behandlungsdauer begründen (Statement, ES IV).
Dabei kann es vorteilhaft sein, Angehörige und/
oder Selbsthilfegruppen einzubeziehen.
Eine intensive Aufklärung und engmaschige Betreuung (wöchentlich) in den ersten vier Wochen ist
zu empfehlen, um die Mitarbeit des Patienten zu fördern (EG KKP, ES IV).
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Bei einer leichten depressiven Episode zeigen sich
zwischen Antidepressiva und Placebo bezüglich der
Wirksamkeit statistisch keine Unterschiede (9). Bei
mittelgradigen bis schweren depressiven Episoden
ist der Wirkunterschied zwischen Antidepressiva und
Placebo deutlich größer (10).
Die meisten Belege für die Wirksamkeit einer psychotherapeutischen Monotherapie liegen für leichte
und mittelgradige Depressionen vor; am besten abgesichert sind hierbei die kognitive Verhaltenstherapie (KVT), die interpersonelle Psychotherapie (IPT)
sowie die psychodynamische Kurzzeittherapie
(STPP) (11–13).
Bei einer leichten depressiven Episode kann,
wenn anzunehmen ist, dass die Symptomatik auch
ohne aktive Behandlung abklingt, im Sinne einer aktiv-abwartenden Begleitung zunächst von einer depressionsspezifischen Behandlung abgesehen werden (Grafik 3). Hält die Symptomatik nach einer
Kontrolle nach spätestens 14 Tagen noch an oder hat
sie sich verschlechtert, soll mit dem Patienten über
die Einleitung einer spezifischen Therapie entschieden werden (EG 0, ES IIb).
Antidepressiva sollten nicht generell zur Erstbehandlung bei leichten depressiven Episoden eingesetzt werden, sondern allenfalls unter besonders kritischer Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses
(EG B, ES Ia).
Für einen Einsatz von Antidepressiva bei einer
leichten depressiven Episode können sprechen:
● Wunsch/Präferenz des Patienten
● positive Erfahrung des Patienten mit gutem
Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie
in der Vergangenheit
● Fortbestehen von Symptomen nach anderen Interventionen
● Episoden mittelgradiger oder schwerer Depression in der Vorgeschichte des Patienten.
Zur Behandlung akuter leichter bis mittelschwerer depressiver Episoden soll eine Psychotherapie
(EG A, ES Ia) angeboten werden.
Zur Behandlung einer akuten mittelgradigen depressiven Episode soll eine medikamentöse Therapie mit einem Antidepressivum angeboten werden
(EG A, ES Ia).
Wenn man bei leichten oder mittelgradigen depressiven Episoden eine Pharmakotherapie erwägt,
kann bei Beachtung der spezifischen Nebenwirkungen und Interaktionen ein erster Therapieversuch
auch mit Johanniskraut unternommen werden (EG 0,
ES Ia).
Bei jedem Patienten sollte die antidepressive Medikation mit der niedrigen, als „Anfangsdosis“ bezeichneten Tagesdosis begonnen werden.
Für ältere Patienten ist es sinnvoll, bei Trizyklika diese Anfangsdosis zu halbieren und gegebenenfalls langsam aufzudosieren (Statement, ES
IIb–IV).
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KASTEN 1
Evidenzstärke und Empfehlungsgrade
Evidenzstärke = ES
Ia
Evidenz aus einer Metaanalyse von mindestens drei randomisierten kontrollierten Studien („randomized controlled
trials“, RCTs)
Ib
Evidenz aus mindestens einer randomisiert kontrollierten Studie oder einer Metaanalyse von weniger als drei RCTs
IIa
Evidenz aus zumindest einer methodisch gut kontrollierten Studie ohne Randomisierung
IIb
Evidenz aus zumindest einer methodisch guten, quasi-experimentellen deskriptiven Studie
III
Evidenz aus methodisch guten, nichtexperimentellen Beobachtungsstudien, wie zum Beispiel Vergleichsstudien, Korrelationsstudien und Fallstudien
IV
Evidenz aus Berichten von Expertenkomitees oder Expertenmeinung und/oder klinische Erfahrung anerkannter Autoritäten.
Empfehlungsgrade = EG
A
„Soll“-Empfehlung: zumindest eine randomisierte kontrollierte Studie von insgesamt guter Qualität und Konsistenz, die
sich direkt auf die jeweilige Empfehlung bezieht und nicht extrapoliert wurde (Evidenzebenen Ia und Ib)
B
„Sollte“-Empfehlung: Gut durchgeführte klinische Studien, aber keine randomisierten klinischen Studien, mit direktem
Bezug zur Empfehlung (Evidenzebenen II oder III) oder Extrapolation von Evidenzebene I, falls der Bezug zur spezifischen Fragestellung fehlt
0
„Kann“-Empfehlung: Berichte von Expertenkreisen oder Expertenmeinung und/oder klinische Erfahrung anerkannter
Autoritäten (Evidenzkategorie IV) oder Extrapolation von Evidenzebene IIa, IIb oder III; diese Einstufung zeigt an, dass
direkt anwendbare klinische Studien von guter Qualität nicht vorhanden oder nicht verfügbar waren
KKP (Klinischer Konsenspunkt): empfohlen als gute klinische Praxis („good clinical practice point“) im Konsens und aufgrund
der klinischen Erfahrung der Mitglieder der Leitliniengruppe als ein Standard in der Behandlung, bei dem keine experimentelle wissenschaftliche Erforschung möglich oder angestrebt ist
Akuttherapie schwerer depressiver Episoden
Für schwere depressive Episoden ist die placebokontrollierte Wirksamkeit von Antidepressiva und einer alleinigen KVT oder IPT belegt (10, 14). Die
Kombinationstherapie aus Pharmako- und Psychotherapie ist überlegen, zumal bei einer alleinigen
Psychotherapie auch von einer erhöhten Wirklatenz
auszugehen ist. Bei akuten schweren depressiven
Episoden soll eine Kombinationsbehandlung von medikamentöser und Psychotherapie angeboten werden
(EG A, ES Ib) (15).
Wenn ein alleiniges Behandlungsverfahren in Betracht gezogen wird, soll bei ambulant behandelbaren
Patienten mit akuten mittelschweren bis schweren depressiven Episoden eine alleinige Psychotherapie
gleichwertig zu einer alleinigen medikamentösen
Therapie angeboten werden (EG A, ES Ib).
Therapie chronischer depressiver Störungen
Bei einer Dysthymie (über zwei Jahre anhaltende subsyndromale depressive Störung) und „Double-Depression“ (Episode einer depressiven Störung, die
sich auf eine bestehende Dysthymie aufsetzt) soll die
Indikation für eine pharmakologische Behandlung geDeutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 40 | 8. Oktober 2010
prüft werden (EG A, ES Ia) (16). Bei einer chronischen (mehr als zwei Jahre persistierenden) depressiven Episode sollte eine pharmakologische Behandlung erwogen werden (EG B, ES Ib). Bei Dysthymie,
Double-Depression und chronischer Depression soll
der Patient darüber informiert werden, dass eine
Kombinationstherapie mit Psychotherapie und Antidepressiva gegenüber einer Monotherapie wirksamer
ist (EG A, ES Ib).
Wirkungsprüfung, Nichtansprechen auf die
Therapie und therapieresistente depressive
Störungen
Das Ansprechen auf eine medikamentöse oder psychotherapeutische Akutbehandlung muss im Rahmen
einer Verlaufs- und Prozessdiagnostik regelmäßig – in
den ersten vier Wochen wöchentlich – geprüft werden. Nach spätestens drei bis vier Wochen sollte eine
symptombezogene Wirkungsprüfung erfolgen (EG A,
ES IV).
Stellt sich in der Akutbehandlung drei bis vier Wochen nach Behandlungsbeginn keine positive Entwicklung im Sinne der Zielvorgaben ein, sollte ein
bislang nicht wirksames Vorgehen nicht unverändert
703
MEDIZIN
GRAFIK 3
fortgesetzt werden (EG 0, ES Ib). Bei Nichtansprechen auf eine Pharmakotherapie kommen prinzipiell
fünf Strategien in Betracht:
● Bestimmung der Serumkonzentration mit anschließender Dosisadaptation („therapeutisches
Drug-Monitoring“)
● Dosiserhöhung
● Augmentation mit einem anderen Pharmakon
● Wechsel des Antidepressivums und/oder
● Kombination mit einem anderen Pharmakon
(Grafik 4).
Bei zahlreichen Antidepressiva (zum Beispiel trizyklische Antidepressiva [TZA], Venlafaxin, Tranylcypromin) kann eine sinnvolle Maßnahme bei NonResponse im Aufdosieren der Substanz im Einklang
mit den Anwendungsempfehlungen des Herstellers
bestehen. Dies gilt nicht für selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) (EG 0, ES III).
Ein Versuch zur Wirkungsverstärkung (Augmentation) mit Lithium sollte der erfahrene Arzt bei Patienten erwägen, deren Depression auf Antidepressiva
nicht angesprochen hat (EG B, ES Ia) (17). Patienten,
die gut auf ein Antidepressivum mit Lithium-Augmentation ansprachen, sollten unter diesem Regime
für mindestens sechs Monate bleiben (EG B, ES
Ia–Ib). Wenn bei einem Patienten zwei bis vier Wochen nach Erreichen wirksamer Lithiumspiegel keine
Wirkung festzustellen ist, sollte man Lithium wieder
absetzen (EG KKP, ES IIb).
Der Wechsel des Antidepressivums ist bei NichtAnsprechen nicht die Behandlungsalternative erster
Wahl. Jeder Wechsel sollte daher sorgfältig geprüft
werden (EG B, ES Ib).
Bei einem Patienten, der auf eine Antidepressivum-Monotherapie nicht respondiert hat, kann als
einzige Kombination die Gabe von Mianserin (unter
Berücksichtigung des Agranulozytose-Risikos) oder
Mirtazapin einerseits mit einem SSRI oder einem
TZA andererseits empfohlen werden.
Bei therapieresistenter Depression (unter einer
adäquat applizierten Pharmakotherapie mit wenigstens zwei nacheinander in hinreichender Dosis und
über einen ausreichend langen Zeitraum gegebenen
Antidepressiva) sollte man den Patienten eine angemessene Psychotherapie anbieten (EG B, ES Ia).
Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe
Therapie depressiver Störungen
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Antidepressiva sollen mindestens vier bis neun Monate über die Remission einer depressiven Episode
hinaus eingenommen werden, weil sich hierdurch das
Risiko eines Rückfalls erheblich vermindern lässt. In
dieser Erhaltungsphase soll die gleiche Dosierung
wie in der Akutphase fortgeführt werden (EG A, ES
Ia) (18).
Patienten mit zwei oder mehr depressiven Episoden mit bedeutsamen funktionellen Einschränkungen
in der jüngeren Vergangenheit sollten dazu angehalten werden, das Antidepressivum mindestens zwei
Jahre lang zur Langzeitprophylaxe einzunehmen (EG
B, ES Ib). Zur Vorbeugung eines Rezidivs sollte die
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gleiche Dosierung des Antidepressivums verabreicht
werden, die bei der Akuttherapie wirksam war (EG B,
ES Ib). Bei suizidgefährdeten Patienten soll in der
Rezidivprophylaxe zur Reduzierung suizidaler Handlungen (Suizidversuche und Suizide) eine Medikation
mit Lithium in Betracht gezogen werden (EG A, ES
Ia) (19).
Zur Stabilisierung des Therapieerfolgs sowie zur
Senkung des Rückfallrisikos soll im Anschluss an eine Akutbehandlung eine angemessene psychotherapeutische Nachbehandlung (Erhaltungstherapie) angeboten werden (EG A, ES Ia) (20). Längerfristige
stabilisierende Psychotherapie (Rezidivprophylaxe)
soll Patienten mit einem erhöhten Risiko für ein Rezidiv angeboten werden (EG A, ES Ia).
GRAFIK 4
Red Flags
Die Leitlinie fokussiert auch auf Situationen, bei denen entweder ein bislang eingesetztes Verfahren oder
eine Maßnahme nicht mehr fortgesetzt werden sollen
oder besonders kritisch sein können:
● nach drei bis vier Wochen erfolgloser (leitliniengerechter) Pharmakotherapie Überprüfung des
therapeutischen Vorgehens (bei älteren Patienten
nach sechs Wochen)
● nach sechs Wochen erfolgloser hausärztlicher
Behandlung Überweisung in fachspezifische
Behandlung
● nach drei Monaten erfolgloser Psychotherapie
Überweisung zum Facharzt
● Nachuntersuchung von Patienten, die suizidal
stationär behandelt wurden, nach maximal einer
Woche (direkter Kontakt, wenn Termin nicht
wahrgenommen wird!).
Pharmakotherapie bei besonderen
Patientengruppen
Bei älteren Patienten sollte man eine Behandlung mit
TZA in einer erniedrigten Anfangsdosis beginnen
(Statement, ES IIb–III). Im Vergleich zu jüngeren Patienten ist das Nebenwirkungsprofil beziehungsweise
die Verträglichkeit von Antidepressiva stärker zu beachten.
Bei Patienten mit Depression und hirnorganischen
Erkrankungen sollten Wirkstoffe mit sedierender und/
oder anticholinerger Komponente vermieden werden
(EG 0, ES Ib) (21). Bei Patienten mit psychotischer
Depression sollte die Kombination des Antidepressivums mit Antipsychotika erwogen werden, wobei die
optimale Dosierung und Anwendungsdauer dieser
Medikamente unbekannt sind (EG B, ES III).
Bei koronarer Herzerkrankung und komorbider
mittelgradiger bis schwerer depressiver Störung soll
eine Pharmakotherapie vorzugsweise mit Sertralin
oder Citalopram angeboten werden (EG A, ES Ia).
Patienten mit einer Depression nach Schlaganfall
sollte unter Beachtung der Gefahren anticholinerger
Begleitwirkungen eine Pharmakotherapie angeboten
werden (empirische Hinweise liegen vor für Fluoxetin, Citalopram und Nortriptylin) (EG B, ES Ib).
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Pharmakotherapie der therapieresistenten Depression
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MEDIZIN
KASTEN 2
Schnittstellen in der Versorgung (die Definition der Zuständigkeit entspricht dem klinischen
Konsens der an der Leitlinienverabschiedung beteiligten Experten)
Ambulante Behandlung
Bei leichten bis mittelschweren depressiven Störungen kann eine alleinige ambulante Behandlung von allen relevanten Behandlungsgruppen,
das heißt von Hausärzten oder Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Nervenärzten, Ärzten mit Zusatztitel Psychotherapie und Psychoanalyse oder Psychologischen Psychotherapeuten erfolgen. Zusätzlich formuliert die
Leitlinie weitere Indikationskriterien:
● Eine fachärztliche (psychiatrisch-psychotherapeutische beziehungsweise nervenärztliche) Behandlung ist insbesondere indiziert bei:
–
–
–
–
–
–
–
–
unklarer (Differenzial-)Diagnostik psychischer Störungen
schwerer Symptomatik
Therapieresistenz
Problemen bei der Pharmakotherapie und/oder in einer Psychotherapie
Interaktionsproblemen im Rahmen der Kombinationstherapie von Antidepressiva mit anderen Medikamenten
akuter Selbst- und Fremdgefährdung
psychotischen Symptomen oder depressivem Stupor
Komorbidität einer depressiven Störung mit einer anderen schweren psychischen Störung sowie mit anderen schweren körperlichen Erkrankungen.
● Behandlung durch Psychologische Psychotherapeuten und Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (führen im Allgemeinen Richtlinienpsychotherapie durch): Eine Überweisung zu ihnen wird außerdem empfohlen
– zur psychotherapeutischen Mitbehandlung bei schwerer Symptomatik im Rahmen einer Kombinationstherapie
– bei psychotherapeutisch zugänglicher Therapieresistenz
– bei Komorbidität einer depressiven Störung mit einer anderen schweren psychischen Störung
– zur psychotherapeutischen Behandlung bei Komorbidität von Depression und chronischen körperlichen Erkrankungen
– zur psychotherapeutischen (Mit-)Behandlung
– bei Problemen in einer Psychotherapie.
Stationäre Behandlung
● Die Indikation für die Einweisung in eine stationäre psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung besteht bei:
–
–
–
–
akuter Suizidalität (Notfallindikation)
oder Gefahr der depressionsbedingten Isolation und anderen schwerwiegenden psychosozialen Faktoren
den Therapieerfolg massiv behindernden äußeren Lebensumständen
Therapieresistenz gegenüber ambulanten Therapien und so schweren Krankheitsbildern, dass die ambulanten Therapiemöglichkeiten nicht
ausreichen, sowie
– der starken Gefahr einer (weiteren) Chronifizierung.
● Soll in derartigen Fällen vorrangig eine Psychotherapie angeboten werden, kann auch eine Indikation zur psychosomatisch-psychotherapeutischen stationären Behandlung bestehen.
● Eine Indikation für eine stationäre Rehabilitationsbehandlung ist vor allem dann gegeben, wenn die Therapieziele in der Festigung von Behandlungserfolgen, der Behandlung von Krankheitsfolgen, der Verbesserung des Umgangs mit der (chronischen beziehungsweise chronifizierten) Erkrankung oder der Verbesserung oder Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit bestehen.
Bei einer Komorbidität von mittelgradiger bis
schwerer depressiver Störung und Tumorerkrankung
kann eine Pharmakotherapie mit einem Antidepressivum, insbesondere einem SSRI, angeboten werden
(EG 0, ES Ib).
Bei Pharmakotherapie einer Depression bei Diabetes mellitus sollten substanzspezifische Effekte auf
den Diabetes beachtet werden, zum Beispiel der reduzierte Insulinbedarf bei SSRI sowie eine Gewichtszunahme unter Mirtazapin, Mianserin und sedierenden
trizyklischen Antidepressiva (EG B, ES Ib–IIb).
706
Weitere somatische Behandlungsverfahren
Die Elektrokonvulsionstherapie soll bei schweren, therapieresistenten
depressiven Episoden als Behandlungsalternative in Betracht gezogen
werden (EG A, ES Ia). Eine Elektrokonvulsionstherapie kann auch zur
Erhaltungstherapie eingesetzt werden bei Patienten, die
● während einer Krankheitsepisode auf die Elektrokonvulsionstherapie angesprochen haben
● nicht angesprochen haben auf eine andere leitliniengerechte antidepressive Therapie
● psychotische Merkmale aufweisen oder
● eine entsprechende Präferenz haben (EG 0, ES IIa).
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Wachtherapie sollte in der Behandlung depressiver Episoden erwogen werden, wenn eine rasche, allerdings nur kurz anhaltende „Response“ therapeutisch gewünscht wird oder eine andere leitliniengerechte Behandlung ergänzt werden soll (EG B,
ES Ib). Lichttherapie soll als Behandlungsform
bei Patienten mit leicht- bis mittelgradigen Episoden
rezidivierender depressiver Störungen, die einem
saisonalen Muster folgen, erwogen werden (EG A,
ES Ia). Körperliches Training kann aus klinischer Erfahrung heraus empfohlen werden, um das Wohlbefinden zu steigern und depressive Symptome lindern
(EG KKP, ES Ib).
Schnittstellen in der Versorgung und Ausblick
In Kasten 2 findet man zahlreiche Hinweise auf
Schnittstellen in der Versorgung depressiver Patienten (keine Empfehlungen im engeren Sinn, zumal
Studien zum Übergang zwischen den Behandlungsstufen fehlen beziehungsweise schwer umsetzbar
sind [22, 23]). Aus den Empfehlungen dieser Leitlinie wurden darüber hinaus mögliche versorgungsund praxisrelevante Qualitätsindikatoren zur Qualitätssicherung formuliert. Diese sowie der Nutzen einer Implementierung der Leitlinie sollten in innovativen Versorgungsmodellen oder Modellprojekten
unter ambulanten und stationären Praxisbedingungen wissenschaftlich evaluiert werden.
Leitlinien unterliegen einer dynamischen Entwicklung und bedürfen der fortlaufenden Aktualisierung. Die Steuergruppe der Leitlinie hat verschiedene Themenbereiche gesammelt, die für die Neuauflage 2013 prioritär bearbeitet werden („Gender und
geschlechtsspezifische Aspekte“, „Schwangerschaft
und Stillzeit“, „Patienten mit Migrationshintergrund“ sowie „unipolare Depressionen bei Kindern
und Jugendlichen“). Bezüglich der psychotherapeutischen Verfahren ist die Evidenzprüfung der systemischen Therapie geplant.
Danksagung
Die Autorinnen und Autoren dieses Beitrags bedanken sich bei folgenden Personen für ihren außerordentlichen Einsatz, die Geduld, die Mitorganisation der
Expertentreffen, die Moderation und die Diskussionsbeiträge, die allesamt zum
Gelingen und Abschluss dieser Leitlinie insgesamt entscheidend beigetragen
haben:
Prof. Dr. med. Ina Kopp (AWMF), Moderation der Konsenstreffen zur S3-Leitlinie „Unipolare Depression“
Dr. med. Susanne Weinbrenner, Dr. med. Berit Meyerrose (beide ÄZQ, Berlin)
und Dr. med. Monika Lelgemann (ÄZQ Berlin und Medizinischer Dienst des
Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. [MDS]), methodische Unterstützung des Koordinations- und Redaktionsteams der S3-/NVL „Unipolare
Depression“
Prof. Dr. Dr. med. Günter Ollenschläger (ÄZQ), verantwortlich für das Leitlinienprogramm der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, Moderation der NVL-Steuergruppe „Unipolare Depression“.
Außerdem bedanken sich die Autoren bei den weiteren Mitgliedern der Steuergruppe für die Einbringung ihrer Expertise und ihre Bereitschaft zur Diskussion
(in alphabetischer Reihenfolge):
Angela Bleckmann (BApK)
PD Dr. med. Tom Bschor (AkdÄ)
Prof. Dr. med. Dipl.-Päd. Jochen Gensichen MPH (DEGAM)
Dipl.-Psych. Timo Harfst (BPtK)
Prof. Dr. phil. Martin Hautzinger (DGPs)
Carsten Kolada (BApK)
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Prof. Dr. sc. hum. Christine Kühner (DGPs)
Dipl.-Psych. Jürgen Matzat (DAG SHG)
Prof. Dr. med. Christoph Mundt (DGPPN)
Prof. Dr. med. Wilhelm Niebling (DEGAM)
Prof. Dr. phil. Rainer Richter (BPtK; als Gast)
Prof. Dr. med. Henning Schauenburg (DGPM)
PD Dr. phil. Holger Schulz (DGRW)
Interessenkonflikt
Martin Härter hat 2008 Vortragshonorare der Firmen Lilly und Boehringer-Ingelheim erhalten.
Isaac Bermejo hat bis 2008 Vortragshonorare der Firma Böhringer-Ingelheim
und Wyeth-Pharma erhalten.
Frank Schneider hat ausschließlich bis 2008 Vergütungen für Vorträge und
Mitwirkung in External Advisory Boards erhalten von AstraZeneca, Janssen-Cilag, Otsouka und Wyeth. Er erhielt Unterstützung für Forschungsvorhaben von
AstraZeneca und Lilly.
Die anderen Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 26. 7. 2010, revidierte Fassung angenommen: 26. 7. 2010
LITERATUR
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2. Wittchen HU, Müller N, Schmidtkunz B, et al.: Erscheinungsformen,
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Med [Suppl I] 2000; 118: 4–10.
3. Schneider F, Dausend S, Bermejo I, et al.: Insufficient depression
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4. Härter M, Klesse C, Bermejo I, et al.: Entwicklung der S3- und Nationalen VersorgungsLeitlinie Depression. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 2008; 51(4): 451–7.
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DGPM, DGPs, DGRW (eds.) für die Leitliniengruppe Unipolare Depression: S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression. 1. Auflage 2009. DGPPN, ÄZQ, AWMF – Berlin, Düsseldorf 2009. Internet: www.dgppn.de, www.versorgungsleitlinien.de,
www.awmf-leitlinien.de.
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Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Dr. phil. Martin Härter, Dipl.-Psych.
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie
Martinistraße 52 (W 26), 20246 Hamburg
E-Mail: [email protected]
SUMMARY
Clinical Practice Guideline: Unipolar Depression—Diagnostic
and Therapeutic Recommendations From the Current S3/National
Health Policy Guideline
Background: Depressive disorders are among the most common
illnesses and reasons for obtaining health care. Their diagnosis and
treatment are still in need of improvement. In Germany, a new
S3/National Clinical Practice Guideline has been developed for this
purpose.
Methods: The existing guidelines on unipolar depression from Germany
and other countries were synoptically compared and supplemented with
systematic literature searches. After 14 consensus conferences, a total
of 107 evidence-based recommendations were issued.
Results: Unipolar depression should be diagnosed in accordance
with ICD-10 criteria. Screening questionnaires are useful aids to
diagnostic classification. When a treatment is chosen, shared decisionmaking with the patient is essential. Mild depressive episodes can
be treated initially by watchful waiting for 14 days. For moderate
depressive episodes, pharmacotherapy and psychotherapy are equally
effective treatment options. For severe depression, a combination of
pharmacotherapy and psychotherapy is recommended. If 4 to 6 weeks
of acute therapy are insufficiently effective, lithium augmentation is
recommended, rather than combination antidepressant therapy or a
switch to another antidepressant. After remission, maintenance therapy
should be continued for 4 to 9 months. In recurrent depression,
pharmacotherapy and/or psychotherapy, where appropriate, should be
continued for at least two years. Specific recommendations are given
for patients who have somatic or mental comorbidities or are acutely
suicidal, and recommendations are also given for coordination of care.
Conclusion: This guideline is a comprehensive set of evidence- and
consensus-based recommendations for the diagnosis and treatment of
unipolar depression. An improvement in the care of patients with
unipolar depression will require broad implementation of the guideline,
both in the inpatient and outpatient setting.
Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(40): 700–8
DOI: 10.3238/arztebl.2010.0700
@
The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
STATISTIK-QUIZ
T-Tests
Zwanzig Statistik-Studenten werden am ersten Tag des Semesters nach dem Zufallsprinzip ausgewählt.
Ihre Körpergröße wird an diesem Tag einmal morgens und einmal abends gemessen.
Welches ist der geeignete statistische Test, um die Nullhypothese zu testen, dass ihre Körpergröße über den Tag
konstant geblieben ist?
Die Lösungen sind online abrufbar:
a) Zwei-Stichproben-t-Test
www.aerzteblatt.de/10m0708
b) einseitiger t-Test
Die Quiz-Fragen wurden vom Institut für
c) Ein-Stichproben-t-Test
Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI),
d) verbundener t-Test
Mainz, zur Verfügung entwickelt.
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708
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MEDIZIN
KLINISCHE LEITLINIE
Unipolare Depression
Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie aus der aktuellen S3- und
Nationalen VersorgungsLeitlinie „Unipolare Depression“
Martin Härter, Christian Klesse, Isaac Bermejo, Frank Schneider, Mathias Berger
eKASTEN 1
Beteiligte Fachgesellschaften, Berufsverbände, Angehörigen- und
Selbsthilfeorganisationen
● Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)
● Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
● Bundespsychotherapeutenkammer (beratend) (BPtK)
● Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker (BApK)
● Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (DAGSHG)
● Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)
● Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM)
● Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs)
● Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW)
● Bundesdirektorenkonferenz psychiatrischer Krankenhäuser (und Arbeitskreis Depressionsstationen)
(BDK)
● Arbeitskreis der Chefärztinnen und Chefärzte von Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an
Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland (ACKPA)
● Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP)
● Berufsverband der Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Deutschlands
(BPM)
● Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN)
● Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP)
● Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp)
● Chefarztkonferenz psychosomatisch-psychotherapeutischer Krankenhäuser und Abteilungen (CPKA)
● Deutsche Ärztliche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DÄVT)
● Deutsche Fachgesellschaft für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (DFT)
● Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DGGPP)
● Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie
(DGPT)
● Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT)
● Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft (DPG)
● Deutsche Psychoanalytische Vereinigung (DPV)
● Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV)
● Deutscher Fachverband für Verhaltenstherapie (DVT)
● Deutscher Hausärzteverband(BDA)
● Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie (GwG)
● Kompetenznetz Depression, Suizidalität (KND)
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MEDIZIN
eKASTEN 2
Beteiligte Experten
● Mitglieder der NVL-Steuergruppe (und Konsensgruppe)
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Angela Bleckmann (BApK)
PD Dr. med. Tom Bschor (AkdÄ)
Prof. Dr. med. Dipl.-Päd. Jochen Gensichen MPH (DEGAM)
Dipl.-Psych. Timo Harfst (BPtK)
Prof. Dr. phil. Martin Hautzinger (DGPs)
Carsten Kolada (BApK)
Prof. Dr. sc. hum. Christine Kühner (DGPs)
Dipl.-Psych. Jürgen Matzat (DAG SHG)
Prof. Dr. med. Christoph Mundt (DGPPN)
Prof. Dr. med. Wilhelm Niebling (DEGAM)
Prof. Dr. phil. Rainer Richter (BPtK)
Prof. Dr. med. Henning Schauenburg (DGPM)
Prof. Dr. med. Dr. rer. soc. Frank Schneider (DGPPN)
PD Dr. phil. Holger Schulz (DGRW)
● Mitglieder der Konsensgruppe
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Prof. Dr. med. Georg Adler (DGGPP)
PD Dr. med. Lothar Adler (BDK)
Dr. med. Karin Bell (BPM)
Dr. med. Frank Bergmann (BVDN)
Prof. Dr. med. Heinz Böker (DPV)
Dr. med. Jobst Finke (GwG)
Prof. Dr. med. Matthias Franz (DPG)
Dipl.-Psych. Detlev Haimerl (GwG)
Dr. med. Norbert Hartkamp (DPG)
Dr. med. Iris Hauth (BDK)
Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl (KND)
Prof. Dr. phil. Thomas Heidenreich (DGVT)
Dr. med. Gerhard Hildenbrand (CKPA)
Dr. med. Wolfram Keller (DGPT)
Prof. Dr. med. Joachim Küchenhoff (DPV)
Dipl.-Psych. Christa Leiendecker (DGPT)
Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Luderer (GwG)
Dr. med. Herbert Menzel (BPM)
Dr. med. Wolfgang Merkle (CKPA)
Dipl.-Psych. Rudi Merod (DGVT)
Dr. med. Norbert Mönter (BVDN)
Dipl.-Psych. Inge Neiser (BDP)
Dr. phil. Annelie Scharfenstein (DPtV)
Prof. Dr. med. Ulrich Schweiger (DVT)
Dr. med. Regine Simon (BVVP)
Prof. Dr. med. Gabriela Stoppe (DGGPP)
Dr. med. Diethard Sturm (BDA)
PD Dr. rer. soc. Karin Tritt (DFT)
Dr. med. Hans-Peter Unger (ACKPA)
Dr. med. Christian P. Vogel (BVDP)
Dipl.-Psych. Benedikt Waldherr (BVVP)
Prof. Dr. med. Georg Wiedemann (DÄVT)
Dr. med. Tobias Wiehn (DÄVT)
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Manfred Wolfersdorf (BDK)
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 107 | Heft 40 | 8. Oktober 2010
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MEDIZIN
eKASTEN 3
Als Evidenzgrundlage genutzte nationale und internationale Leitlinien
● Quell-Leitlinie
– National Collaborating Centre for Mental Health, National Institute for Clinical Excellence (NICE). Depression: Management of depression in primary and secondary care. Clinical Guideline 23. 2004 [cited: 2006 May 22]. http://www.nice.org.
uk/page.aspx?o=235213
● Referenz-Leitlinien
– American Psychiatric Association (APA): Practice guideline for the treatment of patients with major depressive disorder.
In: American Psychiatric Association (APA) (ed.): Practice guidelines for the treatment of people with psychiatric disorders. Washington: APA 2000; 413–96.
– Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ): Empfehlungen zur Therapie der Depression (2nd ed.). Berlin:
AkdÄ 2006. Arzneiverordnung in der Praxis; 33. http://www.akdae.de/en/35/67-Depression-2006–2Auflage.pdf
– Canadian Psychiatric Association (CPA): Clinical guidelines for the treatment of depressive disorders. Can J Psychiatry
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– De Jong-Meyer R, Hautzinger M, Kühner C, Schramm E: Evidenzbasierte Leitlinien zur Psychotherapie Affektiver
Störungen. Göttingen: Hogrefe 2007.
– Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN): Gaebel W, Falkai P (eds.):
Praxisleitlinien in der Psychiatrie: Behandlungsleitline Affektive Erkrankungen. Darmstadt: Steinkopff 2000.
– Deutsche Gesellschaft für Psychotherapeutische Medizin (DGPM), Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse,
Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT), Deutsches Kollegium Psychosomatische Medizin
(DKPM), Allgemeine Ärztliche Gesellschaft für Psychotherapie (AÄGP). Psychotherapie der Depression 2002 [cited: 2007
Okt 17]. http://www.uniduesseldorf.de/www/awmf/ll-na/051–023.htm
– Härter M, Bermejo I, Schneider F, Kratz S, Gaebel W, Hegerl U, Berger M (eds.): Versorgungsleitlinien für depressive
Störungen in der ambulanten Praxis. Z Arztl Fortbild Qualitatssich 2003; 97 (Suppl 4): 16–35.
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