Review article Schlaflosigkeit Martin Hatzinger a, Johannes Mathisb a b Psychiatrische Dienste der Solothurner Spitäler AG, Solothurn, Switzerland Neurologischer Leiter am Zentrum für Schlafmedizin, Neurologische Universitätsklinik, Inselspital, Bern, Switzerland Funding / potential competing interests: No financial suppor t and no other potential conflict of interest relevant to this ar ticle was repor ted. Klassifikation der Schlafstörungen Summary Insomnia Sleep disorders are among the most common symptoms in the general population. According to international classification schemes, in clinical practice they are divided into insomnia, hypersomnia, sleep-wake rhythm disorders and parasomnia, whereby insomnia occurs most frequently. In the event of insomnia occurring, the first step always involves cause-oriented investigation and treatment. In order to investigate the causes, the “5 P” rule can be followed: “Physical, Pharmacological, Physiological, Psychological, Psychiatric”. From a quantitative perspective, restless legs syndrome and sleep apnoea, above all, are of consequence among the somatic causes. The taking of sleep-disturbing substances, stimulants in particular, must also be taken into account especially. In the therapeutic schedule, non-pharmacological treatments such as a sleep consultation, investigation, and relaxation techniques are the top priority after cause-oriented investigation and treatment. To this one can add specific psychotherapeutic techniques, among which behavioural therapy-oriented processes, above all, have shown good acceptance and scientific evidence. In pharmacotherapy, phytotherapeutics can also be prescribed prior to the use of actual hypnotics. Key words: Schlafstörung; Insomnie Einleitung Nach internationalen epidemiologischen Studien kommen Klagen über Schlafprobleme bei 19–46% der Bevölkerung vor. Ca. 13% beschweren sich über eine beeinträchtigende Symptomatik [1]. Frauen sind erheblich stärker betroffen als Männer [2]. Die Prävalenz der chronischen Insomnien in der deutschen Allgemeinbevölkerung liegt bei ca. 4% [3]. Risikofaktoren für Schlafstörungen sind zunehmendes Lebensalter, psychische Belastung und psychiatrische Erkrankungen. Probleme beim Schlafen stellen eine bedeutende Ursache für krankheitsbedingte Absenzen am Arbeitsplatz und Unfälle infolge von Müdigkeit dar. Ca. 50% der Patienten zeigen eine Störungsdauer von mehr als fünf Jahren mit einer mittleren Dauer von 12 bis 14 Jahren. Nur ein geringer Anteil der Patienten sucht primär ärztliche Hilfe. Korrespondenz: Professor Martin Hatzinger, MD Professor für Psychiatrie, Med. Fakultät, Universität Basel Chefarzt Erwachsenenpsychiatrie Psychiatrische Dienste der Solothurner Spitäler AG Weissensteinstrasse 102 CH-4503 Solothurn martin.hatzinger[at]spital.so.ch Übersicht Bei der Klassifikation von Schlafstörungen muss man zwischen der ausführlichen Diagnostik in Schlafzentren, die wissenschaftlichen Kriterien genügen muss, wie z.B. die Einteilung gemäss ICSD-2 [4], und der Diagnostik für die klinische Praxis unterscheiden. Die internationale Klassifikation richtet sich nach den Kriterien der ICD-10 [5]. Klinisch definierte «Schlafstörungen» liegen vor, wenn sie regelmässig auftreten, in einem umschriebenen Zeitraum anhaltend bestehen und subjektiv als Beeinträchtigung erlebt werden. Auch wenn die Beschwerden relativ unspezifisch sind, werden Schlafstörungen in der Klinik entsprechend der typischerweise subjektiv führenden Symptomatik in Insomnien und Hypersomnien eingeteilt. Separat werden Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen, ein Mangel an Synchronizität zwischen dem individuellen und dem erwünschten Schlaf-Wach-Rhythmus als eigenes Beschwerdebild aufgeführt. Diese drei Hauptgruppen werden in Anlehnung an die internationale Klassifikation auch unter dem Oberbegriff «Dyssomnien», d.h. Störung in Menge, Qualität oder Zeitpunkt des Schlafes zusammengefasst. Unter Insomnien, d.h. «Schlaflosigkeit», welche quantitativ am häufigsten vorkommen, versteht man eine ungenügende Dauer oder Qualität des Schlafes, die über einen beträchtlichen Zeitraum bestehen bleiben. Sie werden in Anlehnung an ICD-10 und DSM-IV [6] operationalisiert diagnostiziert (Tab. 1). Der Oberbegriff «Parasomnien» fasst Störungen, die in den Schlafprozess einbrechen, nicht jedoch primär Störungen des Schlaf- oder Wachzustandes darstellen, zusammen. Sie sind charakterisiert durch im Schlaf und aus dem Schlaf heraus auftretende auffällige Verhaltungsweisen (Tab. 2). Bei Verdacht auf Parasomnie kann die Abklärung in einem schlafmedizinischen Zentrum, v.a. bei spektakulären und die Umgebung gefährdenden motorischen Phänomenen aus dem Schlaf heraus, indiziert sein. Bei allen wiederholt auftretenden motorischen Phänomenen im Schlaf ist differentialdiagnostisch eine im Schlaf auftretende Epilepsie abzuklären. Zur Schlafregulation und ihrer Pathophysiologie existieren mehrere Modelle. Als wichtigste sind dabei das aus der Elektrophysiologie abgeleitete Zwei-Prozess-Modell [7], das sich an neuroanatomischen Strukturen und biochemischen Befunden orientierende aminerg-cholinerge Modell der Schlafregulation [8, 9] und Modelle, die die Schlaf- S C H W E I Z E R A R C H I V F Ü R N E U R O L O G I E U N D P S Y C H I A T R I E 2011;162(8):310–7 www.sanp.ch | www.asnp.ch 310 Review article Tabelle 1 Insomnie: Diagnostische Kriterien (ICD-10). Tabelle 3 Schlafstörungen: Symptom- und Anamneseerhebung. Klagen über Ein-, Durchschlafstörungen und/oder schlechte Schlafqualität Häufigkeit, wenigstens dreimal pro Woche während mindestens einem Monat Die Schlafstörung verursacht entweder deutlichen Leidensdruck oder wirkt sich störend auf die soziale und berufliche Leistungsfähigkeit aus Überwiegendes Beschäftigtsein mit der Schlafstörung sowohl nachts als auch tagsüber, eine übertriebene Sorge über ihre negativen Konsequenzen 1. Art der Schlafstörung: – Einschlafstörung? – Durchschlafstörung? – Zu frühes morgendliches Erwachen – Nicht erholsamer Schlaf 2. Bettzeiten, Schlafdauer, Verhaltensgewohnheiten während nächtlicher Wachphase 3. Begleitsymptomatik – Kognitive, emotionale Aktivität – Vegetative Symptome (z.B. Herzrasen, Schwitzen) 4. Schlafverhalten tagsüber, Tagesbefindlichkeit 5. Genussmittelkonsum (Alkohol, Kaffee, Nikotin), abendliche Essgewohnheiten Tabelle 2 6. Medikamenteneinnahme, besonders Schlafmittel Parasomnien: Klassifikation nach ICSD-2. 7. Verlauf und Dauer der Störung 1. Aufwachstörungen: Tiefschlaf-assoziiert – Schlaftrunkenheit – Somnambulismus (Schlafwandeln) – Pavor nocturnus 8. Subjektive und objektive auslösende Ursachen 2. REM-Schlaf-assoziierte Parasomnien – Albträume – Schlaflähmung – Verhaltensstörungen im REM-Schlaf («Schenck-Syndrom») 9. Systemanamnese: – Psychiatrisch – Somatisch 10. Schlaftagebuch über 2 Wochen 3. Schlaf-Wach-Übergangsstörungen – Crampi nocturni (nächtliche Wadenkrämpfe) – Einschlafmyoklonien – Stereotype Bewegungsstörungen im Schlaf (z.B. Jactatio capitis nocturna) – Somniloquie (Sprechen im Schlaf) endokrinologie und weitere Neurotransmitter-Systeme mit einbeziehen, zu erwähnen [10, 11]. 4. Diverse: z.B. Bruxismus Abklärungen Im überwiegenden Anteil der Fälle ist die Diagnose aufgrund eines ausführlichen Interviews möglich. Für die klinische Praxis liefert die Leitlinie «Nicht erholsamer Schlaf» der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlaf- Abbildung 1 Klinischer Algorithmus zur Abklärung von Schlafstörungen. Patient mit nicht-erholsamen Schlaf 0 ja 1 Erhebliche Leistungsminderung durch nicht-erholsamen Schlaf bei Ein- und/oder Durchschlafstörungen und/oder Tagesschläfrigkeit? 2 ja Adäquater Umgang mit Schlaf? 3 ja nein Angepasst an zirkadianen Rhythmus? 4 ja 5 Einnahme von schlafstörenden Substanzen nein ja Umsetzung, Abstinenz Entwöhnung nein nein 6 9 Information, Prävention und Verhaltenstraining Symptom einer psychiatrischen und/oder körperlichen Krankheit nein 7 ja Diagnose und Behandlung der Grunderkrankung 8 Schlafmedizinisches Zentrum: Kardiorespiratorische Polysomnographie S C H W E I Z E R A R C H I V F Ü R N E U R O L O G I E U N D P S Y C H I A T R I E 2011;162(8):310–7 www.sanp.ch | www.asnp.ch 311 Review article medizin einen hilfreichen Algorithmus für das diagnostische und therapeutische Vorgehen (www.dgsm.de) (Abb. 1). Eine standardisierte Symptom- und Anamneseerhebung ist dabei oft hilfreich (Tab. 3). Besteht die Schlafveränderung erst seit vier Wochen, liegt zunächst die Vermutung einer akuten Erkrankung nahe. Diese muss entsprechend durch eine intensive körperliche, eventuell psychiatrische Untersuchung geklärt werden. Bei länger bestehender Schlafstörung sollten die Patienten über eine Dauer von etwa 14 Tagen ihre Störung exakt protokollieren. Abgesehen von eindeutig situativ bedingten Ein- und Durchschlafstörungen, die ohne aufwendige Diagnostik für wenige Wochen behandelt werden können, ist eine sorgfältige Abklärung unabdingbare Voraussetzung, damit eine ursachenspezifische Therapie eingeleitet werden kann. Polysomnographische Ableitungen sind nur bei spezieller Indikation notwendig (Tab. 4) und für die Insomnie in der Schweiz grundsätzlich (gem. KLV) nicht kassenpflichtig. Hilfreich ist die polysomnographische Untersuchung auch für Patienten mit einer chronischen krankheitswertigen Schlafstörung, die mehrere Monate besteht und bei der sich keine Ursachen eruieren lassen. Spezifische Ursachen von Insomnien Zur raschen Differentialdiagnose spezifischer Ursachen von Insomnien hat sich die Anwendung der sogenannten fünf P bewährt (Tab. 5). Während bei jüngeren Patienten meist sogenannte psychophysiologisch begründete Schlafveränderungen vorliegen, sind bei etwa 80% der Patienten über 60 Jahre physische Krankheiten als Kausalfaktoren zu finden [12]. Somatisch bedingte Insomnien Eine Vielzahl von körperlichen Erkrankungen kann als Symptom eine Insomnie zur Folge haben (Tab. 5). Von besonderer Bedeutung sind hierbei das Restless-Legs-Syndrom (RLS) und die periodischen Beinbewegungen (PLM, Periodic Limb Movement), die in der Bevölkerung recht häufig vorkommen (4–8%) und überwiegend Frauen betreffen (Prävalenz 9–20%). Eine pharmakologische Therapie benötigen allerdings ca. 3–4% der Bevölkerung. Für das RLS charakteristisch sind unangenehme Empfindungen in den Beinen, von den Betroffenen als Prickeln, Kribbeln, Stechen oder Jucken beschrieben. Diese Empfindungen treten beim abendlichen Ausruhen oder kurz vor dem Zubettgehen auf. Die Folge ist ein kaum unterdrückbarer Drang, die Beine zu bewegen, was verständlicherweise Tabelle 4 Indikationen für eine Schlafabklärung im Labor bei Verdachtsdiagnose. Schlaf-assoziierte Atemstörungen Periodische Beinbewegungen im Schlaf (PLMS) Nächtliche epileptische Anfälle Parasomnien Narkolepsie am Einschlafen hindert. Die Beschwerden bessern sich bei Bewegung sofort. Polysomnographisch lassen sich bei ca. 90% der Patienten PLMs im Schlafen und im Wachen während der Bettruhe nachweisen. PLMs können auch Tabelle 5 Ursachen von Schlafstörungen («die fünf P»). PHySiScH: Somatisch bedingte Ursachen Internistische Erkrankungen – kardiovaskuläre – pulmonale: Schlafapnoe usw. – endokrin-metabolische (Schilddrüse usw.) – rheumatologische (Schmerzen) Neurologische Erkrankungen – Restless-Legs-Syndrom, periodische Beinbewegungen – Degenerative Hirnerkrankungen – Narkolepsie Gynäkologische Ursachen – Menstruation – Schwangerschaft – Menopause – Hormonmangel – Hormontherapien Urologische Erkrankungen PHARMAKOLOGiScH: Substanzen mit potentiell schlafstörender Wirkung – – – – – – – – – – – – – – – – – – Aktivierende Antidepressiva (z.B. MAO-Hemmer) Alkohol Antiasthmatika (z.B. Theophyllin) Antibiotika (z.B. Gyrasehemmer, Makrolide) Anticholinergika Antihypertensiva (z.B. Betablocker, Diuretika) Antikonzeptive Hormonpräparate Antiparkinsonmittel (z.B. L-Dopa) Hypnotika mit kurzer Wirkdauer (Rebound!) Interferone Ketamin Koffein Kokain Kortikosteroide Migränemittel (z.B. Methysergid) Sympathomimetika (z.B. Ephedrin) Thyroxin Zytostatika PHySiOLOGiScH: Zirkadian bedingte Schlafstörungen Exogene Ursachen – Jetlag – Schichtarbeit – Sozial bedingte ungenügende Schlafhygiene – Kurzhospitalisation Endogene Ursachen – Vorverlagertes Schlafphasen-Syndrom – Verzögertes Schlafphasen-Syndrom – Unregelmässiges Schlafphasen-Syndrom Sekundär im Rahmen körperlicher Erkrankungen PSycHOLOGiScH: Psychophysiologische, situativ usw. bedingte Schlafstörungen – Lebensereignisse – Stress – Schwere Krankheit PSycHiATRiScH: Diagnostizierbare psychiatrische Störung – – – – – Angsterkrankungen Dementielle Erkrankungen Depressionen Schizophrenie Suchterkrankungen S C H W E I Z E R A R C H I V F Ü R N E U R O L O G I E U N D P S Y C H I A T R I E 2011;162(8):310–7 www.sanp.ch | www.asnp.ch 312 Review article isoliert bei völlig gesunden älteren Personen beobachtet werden. Wenn PLMs als einzige Ursache für eine Tagesschläfrigkeit oder eine Insomnie angeschuldigt werden, wird von Periodic Leg Movement Disorder (PLMD) gesprochen. Hier bestehen zwar keine Missempfindungen, und die Bewegungen werden vom Patienten in der Regel nicht wahr- Tabelle 6 Restless-Legs-Syndrom (RLS) und Periodic Limb Movement Disorder (PLMD) – Abklärungen. Klinisch – Familienanamnese – Fremdanamnese (Partnerbefragung) – Neurologischer Status (Small-Fibre-)Polyneuropathie, Radikulopathie, Parkinson usw.) Medikamentenanamnese – Antipsychotika – Antiemetika mit antidopaminerger Wirkung – Betablocker, Kalziumantagonisten Labor – Hämatologie und Blutchemie – Glukose – Ferritin, Eisen – Vitamin B12, Folsäure – TSH – Evtl. Schwangerschaftstest Tabelle 7 RLS und PLMD – wichtige Differentialdiagnosen. Polyneuropathie – Mehr oberflächlich lokalisierte Parästhesien und Dysästhesien – Keine Abhängigkeit von der Tageszeit und von körperlicher Ruhe Crampi nocturni – Anfallsartig, meist einseitig in den Waden und/ oder Fussmuskeln – Besserung durch passives Dehnen – Meist Bewegung als Auslöser Akathisie unter Antipsychotika – Motorische Unruhe während des ganzen Tages ohne zirkadiane Einflüsse – Nicht durch sensible Reizerscheinungen, sondern durch innere Unruhe charakterisiert Vaskuläre Claudicatio intermittens – Verschlechterung beim Gehen Tabelle 8 Pharmakologische Therapie des RLS. Dosisbeginn (mg) Dosierungsrahmen (mg) Dopaminerge Substanzen* 50/12,5 50/12,5–200/50 Pramipexol (NE) L-Dopa/Benserazid (NE) 0,125 0,125–1,5 Ropinirol (NE) 0,125 0,125–6,0 Rotigotin (NE) 1,0 2,0–6,0 Antikonvulsiva Clonazepam 0,25 0,25–2,0 Gabapentin 300 300–2400 Pregabalin 100 150–600 Opioide Tilidin/Naloxon 50/4 50/4–100/8 Tilidin/Naloxon ret. 50/4 50/4–200/16 50 50–150 Tramadol NE = Non-Ergotalkaloid-Derivat. genommen, der Schlaf wird aber durch die Bewegungen fragmentiert. Pathogenetisch wird eine Dysfunktion in dopaminergen und Opiattransmittersystemen des ZNS postuliert. Etwa 40% der Störungen sind idiopathisch, 60% sind mit einer Schwangerschaft oder einer internistischen Grunderkrankung wie rheumatoider Arthritis oder Eisenmangelanämie assoziiert. Die Inzidenz des RLS steigt in der Schwangerschaft signifikant, im 3. Trimester sind vorübergehend mindestens 25% aller Schwangeren betroffen. Eine eingehende Symptom- und Anamneseerhebung sowie entsprechende Laborabklärungen (Tab. 6, 7) geben einen Überblick über die Abklärungen und die wichtigsten Differentialdiagnosen. Therapeutisch steht zunächst eine ursachenorientierte Behandlung im Vordergrund. So stellt die Eisensubstitution eine Therapieoption bei manifestem Eisenmangel dar. Dabei wird ein hochnormaler Ferritinwert >50 µg/l angestrebt. Die Wirksamkeit diverser Vitamine und von Zink konnte bisher nicht genügend abgesichert werden. Beim idiopathischen RLS bzw. PLMD stehen mehrere Präparate zur Verfügung (Tab. 8). Die Auswahl sollte nach dem Schweregrad, der Häufigkeit des Auftretens und der erwarteten Wirkungen getroffen werden. Bei schwerer Ausprägung sind Dopaminagonisten die Medikamente der ersten Wahl. Die Gefahr liegt in der paradoxen Zunahme der Beschwerden (sog. Augmentation), die unter L-Dopa am häufigsten beschrieben wurde. Eine wichtige Nebenwirkung, insbesondere bei Tätigkeiten, die eine permanente Vigilanz und Aufmerksamkeit erfordern, sind Einschlafattacken, die teilweise bei Dopaminagonisten beschrieben wurden. Bei unzureichendem Ansprechen oder nicht ausreichend möglicher Dosiserhöhung können Opioide oder Antikonvulsiva eingesetzt werden. Pharmakologisch bedingte Insomnien Viele (auch) zentral wirkende Medikamente und Suchtmittel führen zu Störungen des Schlafes (Tab. 5). Alkohol als beliebter Schlaftrunk führt abhängig von der individuellen Disposition und der Dosis zu verkürzter Einschlafzeit und zu REM-Suppression in der ersten Nachthälfte. In der zweiten Nachthälfte treten ein REM-Rebound und vermehrte Wachphasen auf, wodurch der Nachtschlaf sowohl in der Quantität wie auch in der Qualität gestört wird. Dies ruft Albträume und Früherwachen hervor. Zudem ist die diuretische Wirkung mit dadurch provozierten nächtlichen Wachphasen nicht zu unterschätzen. Chronische Alkoholeinnahme führt zu vermehrten Wachphasen und Abnahme der Schlafeffizienz sowie zu einer Abnahme von Tief- und Zunahme von REM-Schlaf. Diese Veränderungen persistieren teilweise auch unter Abstinenz. Zirkadian bedingte Insomnien In dieser Gruppe werden vorwiegend Schlafstörungen, die durch einen Mangel an Synchronizität zwischen dem individuellen Schlaf-Wach-Rhythmus und dem erwünschten Schlaf-Wach-Rhythmus der Umgebung auftreten zusam- S C H W E I Z E R A R C H I V F Ü R N E U R O L O G I E U N D P S Y C H I A T R I E 2011;162(8):310–7 www.sanp.ch | www.asnp.ch 313 Review article Tabelle 9 Therapie der Insomnie: Stufenschema. 1. Ursachenorientiert: Abklärung und Einleitung einer spezifischen Therapie 2. Symptomatische Therapie nach Ausschluss einer spezifischen Ursache a) Nicht-pharmakologische Therapieansätze – Basisverfahren: Aufklärung und Beratung, Regeln der Schlafhygiene – Entspannungsverfahren und spezifische Interventionen – Psychotherapien im engeren Sinne b) Pharmakologische Therapieansätze – Phytotherapeutika – Hypnotika: GABAA-Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten – Andere Schlaf-fördernde Substanzen z.B. sedierende Antidepressiva mengefasst (Tab. 5). Die Störungen können exogen (Schichtarbeit, Jetlag) oder durch genetische (verlagerte bzw. unregelmässige Schlafmuster) Faktoren moduliert werden. Psychophysiologische Insomnien Bei den psychophysiologischen Ursachen und situativen Schlafstörungen, die mit emotionalen Konflikten oder anderen seelischen Belastungen in Verbindung stehen, sind vor allem jüngere Patienten betroffen (Tab. 5). Im Vordergrund steht ein erhöhter Erregungszustand («Hyperarousal»), gekennzeichnet durch emotionale Erregung, kognitive Überaktivität und körperliche Anspannung, verbunden mit vegetativer Überregung. Dies verhindert das Einschlafen bzw. führt zu nächtlichem Erwachen. Bei akuten Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen sind die Symptome in der Regel vorübergehend und sistieren, wenn der auslösende Faktor nicht mehr vorhanden ist. In der Therapie stehen nicht-pharmakologische Verfahren wie verhaltenstherapeutische Methoden und Entspannungstechniken im Vordergrund. Hypnotika können allenfalls vorübergehend zum Einsatz kommen. Therapeutisch werden in der biologischen Depressionsbehandlung neben der Pharmakotherapie auch chronobiologische Therapieverfahren eingesetzt. Der akute stimmungsaufhellende Effekt von Schlafentzug ist seit den 1960er Jahren bekannt und wird als Zusatztherapie in der Therapie jeglicher Depressionsform eingesetzt. Lichttherapie hingegen ist v.a. bei Patienten mit saisonal verlaufenden Depressionsformen indiziert. Angststörungen Patienten mit Panikstörung können auch aus dem Schlaf heraus, typischerweise aus dem Stadium-2–Schlaf, Panikattacken erleben. Bei der posttraumatischen Belastungsstörung stehen Ein- und Durchschlafstörungen sowie Angstträume im Vordergrund. Schizophrenie Insbesondere in der Prodromalphase einer schizophrenen Erkrankung oder im Rahmen der Exazerbation von psychotischen Symptomen werden von den Patienten häufig Einund Durchschlafstörungen angegeben. Demenz Bei fortschreitenden dementiellen Erkrankungen treten oft ausgeprägte Schlafstörungen auf. Als «Sundowning-Syndrom» wird dabei eine Kombination von Insomnie, Ängstlichkeit und Verwirrtheit bezeichnet. Die Therapie der Schlafstörung bei psychiatrischen Erkrankungen wird in erster Linie durch die Behandlung der Grunderkrankung abgedeckt. So empfiehlt sich nebst psychotherapeutischen Interventionen in der Behandlung depressiver Patienten, aber auch von Angstpatienten mit Schlafstörungen die Gabe schlafanstossender Antidepressiva zur Nacht (Tab. 13). Antipsychotika mit sedierender Wirkkomponente kommen in erster Linie bei Schizophrenie-Erkrankungen zum Einsatz. Auch bei Demenz werden sedierende Antipsychotika eingesetzt. Cholinesterasehemmer scheinen bei Dementen günstige Effekte auf die Schlafqualität auszuüben, können aber Albträume verursachen. Psychiatrisch bedingte Insomnien Viele psychiatrische Erkrankungen gehen mit Schlafstörungen einher, die sich auch polysomnographisch objektivieren lassen. Depression 70–90% der Patienten mit einer mittelschweren bis schweren Depression haben schwere Schlafstörungen mit typischem Muster (gestörte Schlafkontinuität, Verschiebung von REM-Schlaf in die erste Nachthälfte, Verringerung von Tiefschlaf, verkürzte REM-Latenz und erhöhte REMDichte). Diese werden mit den fehlregulierten Neurotransmittern und der abnorm regulierten HPA-Achse in Zusammenhang gebracht. Zudem ist eine bestehende Insomnie ein Risikofaktor für das prospektive Auftreten einer Depression. Ca. 10% aller Depressionen zeigen atypische Merkmale. Darunter versteht man Appetitzunahme mit Heisshunger auf Kohlenhydrate, eventuell Gewichtszunahme, vermehrte Müdigkeit und erhöhte Gesamtschlafzeit, wobei der Schlaf nicht als erfrischend erlebt wird. Therapie Der wichtigste Grundsatz bei der Therapie des Symptoms Insomnie ist der Ausschluss von Ursachen, die kausal behandelt werden können. Findet sich keine behandelbare Ursache, wird bei Vorliegen einer Insomnie in der Regel nach einem von den Schlafmedizinischen Gesellschaften empfohlenen Stufenschema vorgegangen (Tab. 9). Man darf aber auch nicht übersehen, dass sich die Insomnie bei bekannter Ursache nach Jahren teilweise verselbständigen kann. Dann ist es sinnvoll, die ursächliche Therapie (z.B. die antidepressive Behandlung) mit einer auf die Schlafstörung fokussierten Behandlung (Verhaltenstherapie) zu kombinieren. Nicht-pharmakologische Therapieverfahren Die Basisverfahren mit Aufklärung und Beratung zur Schlafhygiene bei allen Schlafstörungen mit Vermittlung der S C H W E I Z E R A R C H I V F Ü R N E U R O L O G I E U N D P S Y C H I A T R I E 2011;162(8):310–7 www.sanp.ch | www.asnp.ch 314 Review article Schlafhygiene-Regeln kommen bei allen zur Anwendung (Tab. 10, 11). Die Aufklärung über die Schlafphysiologie ist dabei von erheblicher Bedeutung, um unrealistische Erwartungen an einen vermeintlich normalen Schlaf zu korrigieren. So sollten ältere Patienten wissen, dass sich der Schlaf mit dem Alter verändert. Neben den Entspannungsverfahren (Tab. 10) hat vor allem die Verhaltenstherapie Methoden mit guter Effektivität entwickelt. Dazu gehören die verhaltenstherapeutisch orientierten Techniken wie die Stimuluskontrolle (Schlafumgebung als Stimulus für den Schlaf), die paradoxe Intention (Instruktion, wach zu bleiben, dadurch Reduktion Tabelle 10 Nichtmedikamentöse Therapieverfahren von Schlafstörungen. Basisverfahren Aufklärung und Beratung Schlafhygiene Verhaltenstherapeutische Techniken Stimuluskontrolle Schlafrestriktion Paradoxe Intention Kognitive Techniken Entspannungsverfahren Progressive Muskelrelaxation Autogenes Training Biofeedback Yoga, Meditation Psychotherapie im engeren Sinne Verhaltenstherapie Interpersonelle Psychotherapie Tabelle 11 Die 10 Regeln der Schlafhygiene. 1. Körperliche Tätigkeit fördert Müdigkeit. Keine Spitzenleistungen, dafür Abendspaziergang. 2. Mahlzeiten: abends nur leichte Mahlzeit. 3. «Training des vegetativen Nervensystems»: warm und kalt duschen. 4. Kaffee, Tee und andere Stimulantien stören. Alkohol erleichtert das Einschlafen, beeinträchtigt aber Schlafstruktur. 5. Schlafzimmer: wohliges Bett, Dunkelheit, Ruhe. 6. Regelmässigkeit: Zur gleichen Zeit zu Bett gehen und am Morgen aufstehen. Einschlafritual – Monotonie hilft beim Einschlafen. 7. Schlafzeit knapp bemessen: Schlafdefizit ist zwar unangenehm, aber ungefährlich. Das Mittagsschläfchen programmiert die abendliche Einschlafstörung. 8. Lieber aufstehen und lesen, als sich stundenlang im Bett wälzen. 9. Paradoxie: «Ich will gar nicht einschlafen.» Durchbrechen des Terrors der Erwartungshaltung. 10. Schlafmittel programmieren Schlafstörung. Tabelle 12 Schlafstörungen: Phytopharmaka. Johanniskraut (Hyperici herba) Hopfenzapfen (Lupuli strobulus) Melissenblätter (Melissae folium) Passionsblumenkraut (Passiflorae herba) Baldrianwurzel (Valerianae radix) angstbesetzter Kognitionen) und die Schlafrestriktion (erhöhter Schlafdruck durch Beschränkung der im Bett verbrachten Zeit) mit nachweislich gutem Effekt. Die kognitive Verhaltenstherapie versucht, dem Schlafgestörten durch kognitive Umstrukturierung die Angst vor der Schlaflosigkeit zu reduzieren und negative Gedanken und Einstellungen sowie falsche Erwartungen zu relativieren. In der interpersonellen Psychotherapie werden zwischenmenschliche Probleme angesprochen, die einen Einfluss auf die Schlafqualität haben. Pharmakologische Behandlungsmöglichkeiten Wenn nicht-pharmakologische Massnahmen nicht genügen, können bei leichten Schlafstörungen vor dem Einsatz der eigentlichen Hypnotika die Phytotherapeutika berücksichtigt werden. Erst wenn dieser Versuch erfolglos bleibt, sind verschreibungspflichtige Medikamente angezeigt. Phytopharmaka Mehrere Phytopharmaka haben bei der Behandlung von nervösen Unruhezuständen, welche häufig mit Schlafstörungen einhergehen, eine positive Bewertung erfahren (Tab. 12). Viele dieser Substanzen werden als standardisierte Präparate und teilweise auch als Tee angeboten. Bei jüngeren Frauen ist besonders zu beachten, dass es für alle diese Präparate keine Studien zur Teratogenität gibt. Generell ist vor nicht offiziell registrierten Präparaten zu warnen. Hypnotika In der Hypnotikatherapie nehmen die GABAA-Benzodiazepinrezeptoragonisten dank ihrer gesicherten hypnotischen Wirkung sowie ihrer unkomplizierten Handhabung und grossen therapeutischen Breite eine dominierende Stellung ein. Benzodiazepine wie auch die neueren Nicht-Benzodiazepin-Hypnotika Zopiclon (Zyklopyrrolon), Zolpidem (Imidazopyridin) und Zaleplon (Pyrazolopyrimidin) wirken über eine Interaktion mit dem GABAA-Benzodiazepinrezeptorkomplex. Unterschiede in der Wirkung beruhen zu einem grossen Teil auf der Pharmakokinetik der Substanzen. Kurz wirkende Hypnotika sollten für Einschlafstörungen verwendet werden, während der Einsatz von mittellang wirkenden Substanzen bei Durchschlafstörungen bzw. kombinierten Ein- und Durchschlafstörungen und dem Früherwachen indiziert ist. Langwirkende Hypnotika sollten nur eingesetzt werden, wenn eine gezielte Beeinflussung der Tagessymptomatik (z.B. Anxiolyse) erwünscht ist (Tab. 13). Nebenwirkungen und Interaktionspotential sind bei der Indikationsstellung von entscheidender Bedeutung. Die potentiell gefährlichen Wechselwirkungen mit anderen psychotropen Substanzen müssen beachtet werden. Die Nebenwirkungen nehmen altersabhängig zu, können aber auch bei jungen Patienten erheblich sein (Tab. 14). Bei mangelndem Erfolg sollten Hypnotika nicht länger als drei Wochen eingesetzt werden. Besteht die Insomnie nach langsamem Absetzen der Medikation weiter, sollte die Behandlungsstrategie überdacht werden. S C H W E I Z E R A R C H I V F Ü R N E U R O L O G I E U N D P S Y C H I A T R I E 2011;162(8):310–7 www.sanp.ch | www.asnp.ch 315 Review article Tabelle 13 Auswahl von Substanzen, die in der Insomniebehandlung Verwendung finden. Substanzklasse Hypnotika (BenzodiazepinRezeptorAgonisten) Substanz kurz Midazolam 7,5–15 1,5–2,5 0,125–0,25 2,4 Zaleplon 5–10 1 Zolpidem 5–10 1,5–4 0,125–0,25 4–7 Eszopiclon 1–3 6 Flunitrazepam 0,5–2 10–30 Lormetazepam 0,5–2 8–12 Temazepam Zopiclon lang Flurazepam Nitrazepam 15–30 2,5–10 8–20 5 45–120 15–30 Agomelatin 25–50 Doxepin 25–100 10–30 Mianserin 30–120 21–61 7,5–30 Trazodon 50–150 Trimipramin 10–100 klassisch Chlorprothixen niederpotent Pipamperon 12–24 1–2 5 3–6 25 15–90 8–12 20–40 8–17 25–50 9 atypisch Olanzapin 2,5–5 21–54 Quetiapin 25–100 6–7 Diphenhydramin 50–100 6–8 Doxylamin Diverse 7,5 25–20 Promethazin Antihistaminika 15–30 Amitriptylin Mirtazepin Antipsychotika Eliminationshalbwertzeit (h) Triazolam mittellang Brotizolam Antidepressiva Dosierung (mg) 6,25–25 Agomelatin mit einem Agonismus an den MelatoninRezeptoren (M1, M2) und einem Antagonismus am Serotonin-Rezeptor (5HT2c) ist als neuartiges, schlafregulierendes Antidepressivum zu erwähnen. Antipsychotika: Systematische Studien zur Wirksamkeit von Antipsychotika in der Insomniebehandlung fehlen. Problematisch sind die potentiell gefährlichen Nebenwirkungen wie z.B. starke kardiovaskuläre Nebenwirkungen bei Levomepromazin. Dopaminantagonisten sind kontraindiziert beim RLS. Gemäss den Empfehlungen sollen sedierende Antipsychotika in erster Linie bei Schlafstörungen im Zusammenhang mit Psychosen appliziert werden. Auch sind sie hilfreich bei Patienten mit Kontraindikationen für Benzodiazepine (Abhängigkeitserkrankungen) oder bei älteren Schlafgestörten, die von der im Vergleich zu den Benzodiazepinen geringen Muskelrelaxation profitieren können. Tabelle 14 Probleme der Hypnotika vom Benzodiazepin-Typ. Tagessedation, kognitive Beeinträchtigungen Rebound-Phänomene (Insomnie, Angst) Anterograde Amnesie Ataxie (Sturzgefahr!) Delirante Zustandsbilder (Cave: Alter!) Toleranz-/Abhängigkeitsentwicklung (Cave: Patienten mit Suchtverhalten) Atemdepression (Cave: Schlafapnoe) Interaktionen: andere Medikamente, Alkohol 6–12 Chloralhydrat 250–2000 6–7 Clomethiazol 192–384 4–8 Tabelle 15 Die 5-K-Regel für den Einsatz von Hypnotika. Klare Indikation Kleinstmögliche Dosierung Die wesentlichen Behandlungsgrundsätze sind in der 5-K-Regel der Schlafmedizin zusammengefasst (Tab. 15). Bei älteren Patienten bewährt es sich, die Einstiegsdosis zu halbieren. Patienten mit Suchtanamnese sollten möglichst keine Schlafmittel mit Suchtpotential erhalten. Eine primäre Neueinstellung auf eine Langzeitdauertherapie sollte nur in Ausnahmefällen erfolgen (Tab. 16). Andere schlaffördernde Substanzen Sedierende Antidepressiva (Tab. 17) sollten in erster Linie bei depressiven Patienten mit Schlafstörungen eingesetzt werden. Wegen ihrer sedierenden Potenz können auch Antidepressiva unabhängig vom Vorliegen einer Depression bei Schlafstörung angewendet werden. Hierzu existieren insbesondere Untersuchungen zu Trimipramin, Doxepin und Mirtazapin. Vorteile sind gute Wirksamkeit, fehlendes Abhängigkeitspotential und geringe Absetzprobleme. Besonders bei den Trizyklika können aber ausgeprägte Nebenwirkungen vorhanden sein. Mianserin und Mirtazapin sind besser verträglich und können auch bei älteren Leuten eingesetzt werden. Sie können entweder kurz vor dem Zubettgehen oder in niedriger Dosierung bereits 1 bis 2 Stunden vor dem Schlafengehen eingenommen werden. Kürzestmögliche Behandlungszeit Keinesfalls abrupt absetzen Kontraindikationen beachten Tabelle 16 Hypnotika: Kriterien für eine Langzeittherapie. Chronisches Schlafdefizit vorhanden Tagesbeeinträchtigung ohne Hypnotikaeinsatz vorhanden Absetzen bringt dem Patienten mehr Schaden als Nutzen Regelmässige Intervalltherapien und Absetzversuche gescheitert Kontraindikationen ausgeschlossen Tabelle 17 Langzeit-Therapiekonzepte. Standardintervalltherapie – Dauer der Gabe beschränkt: über Wochen oder Tage Kontrollierte Bedarfsintervalltherapie – Bedarfsgerechte Anwendung von Einzeldosen Niedrig dosierte Kombinationstherapie – z.B. Kombination von Hypnotikum und Antidepressivum S C H W E I Z E R A R C H I V F Ü R N E U R O L O G I E U N D P S Y C H I A T R I E 2011;162(8):310–7 www.sanp.ch | www.asnp.ch 316 Review article Antihistaminika: Diese werden aufgrund der freien Verkäuflichkeit sehr häufig in der Selbstbehandlung von Schlafstörungen eingesetzt. Obwohl sie insgesamt eine geringe Toxizität besitzen, können sie aber gerade bei älteren Menschen wegen anticholinerger (delirante Zustandsbilder) und alphaadrenolytischer Effekte (Blutdruckabfall) problematisch sein. Diverse Substanzen Clomethiazol besitzt eine starke sedativ-hypnotische Wirkung. Es ist aber mit einem erheblichen Abhängigkeitspotential und der Gefahr der Atemdepression behaftet. Sein Einsatz betrifft vorwiegend die Behandlung deliranter Syndrome unter stationären Bedingungen und ist aufgrund der genannten Risiken für den ambulanten Bereich nicht zu empfehlen. Chloralhydrat, ein Alkoholderivat, wirkt nur leicht sedierend und beeinflusst die Schlafstruktur nur gering. Problematisch sind die geringe therapeutische Breite, ein rascher Wirkungsverlust und ein Abhängigkeitsrisiko. L-Tryptophan, Aminosäure und Vorläufersubstanz von Serotonin, kann für leichte, chronisch vorhandene Schlafstörungen eingesetzt werden. Melatonin wird vor allem in der Behandlung von SchlafWach-Rhythmusstörungen bei blinden Personen, bei einer Jetlag-Symptomatik nach Zeitzonenverschiebung oder beim sehr seltenen Syndrom der verzögerten Schlafphase eingesetzt. Andere Indikationen sind weniger gut bis nicht belegt. Ramelteon ist ein selektiver MT1- und MT2-MelatoninRezeptoragonist und seit 2005 von der FDA in den USA zur Behandlung von Einschlafstörungen zugelassen. Die Substanz führt zur Verbesserung der subjektiven und polysomnographisch gemessenen Schlafqualität [13]. Literatur 1 Wittchen HU, Krause P, Höfler M, Pittrow D, Winter S, Spiegel B, Hajak G, Riemann D, Steiger A, Pfister H. NISAS-2000 – die «Nationwide Insomnia Screening and Awareness Study». Nervenheilkunde 2001,20:4–16. 2 National Sleep Fondation, 1998. 3 Hajak G and the SINE (Study of Insomnia in Europe) Study Group. Epidemiology of severe insomnia and its consequences in Germany. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience. 2001;251:49–56. 4 American Academy of Sleep Medicine. ICSD-2–International classification of sleep disorders, 2nd edition. Diagnostic and coding manual. Westchester, Illinois, 2005. 5 WHO. Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10 Kapitel V, Klinisch-diagnostische Leitlinien, Dilling H, Mombour W, Schmidt M H (Hrsg.), Verlag Hans Huber, Bern, Göttingen, Toronto. 1994. 6 American Psychiatric Association (APA). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) – IV. Washington DC, USA, 1994. 7 Achermann P, Borbély AA. Mathematical models of sleep regulation. Front Biosci 8: 2003;683–93. 8 Hobson JA, Lydic R, Baghdoyan HA. Evolving concepts of sleep cycle generation: from brain centres to neuronal populations. Behav Brain Sci. 1986;9:371–448. 9 Jouvet M. The role of monoamines and acetylcholine-containing neurons in the regulation of the sleep-wake cycle. Erg Physiol. 1972;64:166–307. 10 Steiger A. Neurochemical regulation of sleep. J Psychiat Res 2007;41: 537–52. 11 Saper CB, Scammell TE, Lu J. Hypothalamic regulation of sleep and circadian rhythms. Nature 2005; 437:1257–63. 12 Haldemann R, Good M, Holsboer-Trachsler E. Epidemiologische Studie über Schlafstörungen bei Patienten in Schweizer Allgemeinpraxen. Schweizerische Rundschau für Medizin. 1996;85(51/52):1656–62. 13 Borja NL, Daniel KL. Ramelteon for the treatment of insomnia. 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