Schlafstörungen Symptomatik, Erklärungsmodelle und Therapiestrategien Klassifikation von Schlafstörungen I. Organisch bedingte Schlafstörungen, z.B. • • • • • • • Schmerzzustände Schilddrüsenerkrankungen Hormonelle Störungen Herz-Kreislauf-Erkrankungen Nierenerkrankungen Schlafapnoe-Syndrom Restless legs-Syndrom / Myoklonie II. Psychiatrisch bedingte Schlafstörungen, z.B. • • • • • Depression Manie Schizophrenie Angststörungen Demenz III. Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, z.B. • Schichtarbeit • Jet lag IV. Parasomnien, z.B. • • • • Schlafwandeln Pavor Nocturnus Alpträume Bruxismus V. Primäre Insomnie • • • • Psychophysiologische Insomnie Fehlbeurteilung des Schlafes Idiopathische Insomnie Exogene Insomnie (Umwelt, Schlafhygiene, akuter Stress) Diagnostische Kriterien für eine primäre Insomnie nach DSM IV a. Die im Vordergrund stehende Beschwerde besteht in Einschlaf- und Durchschlafschwierigkeiten oder in nicht erholsamem Schlaf seit mindestens einem Monat b. Die Schlafstörung (oder die damit verbundene Tagesmüdigkeit) verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen c. Das Störungsbild tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer Narkolepsie, einer atmungsgebundenen Schlafstörung, einer Schlafstörung mit Störung des zirkadianen Rhythmus oder einer Parasomnie auf. d. Das Störungsbild tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer anderen psychischen Störung auf e. Das Störungsbild geht nicht auf die direkte körperliche Wirkung einer Substanz oder eines medizinischen Krankheitsfaktors zurück Merkmale, die bei Schlafgestörten bzw. „schlechten Schläfern“ identifiziert wurden • Depressivität • Angst / Psychastenie • Psychosomatische Beschwerden, psychovegetative Aktiviertheit und Labilität • Hypochondrie / Klagsamkeit • Neurotizismus • Erhöhte kognitive Aktiviertheit • Internalisierung von Gefühlen • Lebensunzufriedenheit • Belastung / mangelnde Bewältigungsfähigkeiten Ursachen von Insomnie • Körperliche Störungen • Substanzen • Probleme des zirkadianen Rhythmus • Psychologische Faktoren • Ungünstige äußere Umgebungsbedingungen • Ungünstige Schlafgewohnheiten Die wichtigsten Variablen zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Schlafstörungen Schlafspezifische Variablen Symptomebene Art und Ausprägung der Störung Tagessymptome Kognitive Ebene Vorstellungen und Erwartungen hinsichtlich der Schlafnorm Emotionale Ebene „Performance Anxiety“ Physiologische Ebene Entspannungsunfähigkeit Verhaltensebene Schlafhygiene / -rhythmus Umweltfaktoren Schlafumgebung Die wichtigsten Variablen zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Schlafstörungen Schlafunspezifische Ebene Kognitiv-emotionale Ebene Problemlösefähigkeiten Stressverarbeitung Grübeltendenz Stimmung/ Befindlichkeiten Verhaltensebene Freizeitaktivitäten Umweltfaktoren Arbeitsumgebung Partnerschaft Soziale Umgebung Lebensereignisse Aktuelle Belastungen Modell zur Aufrechterhaltung der Insomnie Schlafbehindernde Gedanken - Gedanken über Schlaflosigkeit und negative Konsequenzen - Dysfunktionale Vorstellungen über die Natur des Schlafes Psychophysiologische Auswirkungen - Klass. Konditionierung: Bett - Schlaflosigkeit Insomnie Konsequenzen - Müdigkeit / Erschöpfung - Einschränkung der Aktivität / Schonhaltung Ungünstige Schlafgewohnheiten - Mittagsschlaf - Lange Bettliegezeiten - Unregelmäßiger Rhythmus Ansatzpunkte für Interventionen StimulusKontrolle Schlafedukation Kognitive Verfahren Schlafhygiene Schlafbehindernde Gedanken Psychophysiolog. Auswirkungen Insomnie Ungünstige Schlafgewohnheiten Konsequenzen Entspannung Aktivitätenaufbau Schlafrestriktion Übersicht über therapeutische Maßnahmen Auf die Modifikation der Tagesaktivität abzielende Maßnahmen • Stressreduktion • Problemlösetraining • Fähigkeit zur Stimmungsbeeinflussung • Aufbau von befriedigenden Aktivitäten Auf die Modifikation des Schlafverhaltens abzielende Maßnahmen • Information über Schlaf und Einstellungsänderung • Fähigkeit zur körperlichen und kognitiven Entspannung • Änderung der Schlafgewohnheiten • Wiederherstellung eines stabilen Schlaf-Wach-Rhythmus Zusammenspiel therapeutischer Maßnahmen Tagesaktivität und Erlebnisse Stimmungen Schlafgewohnheiten und Einstellungen Schlafumgebung Schlafdauer und Schlafqualität Physische Bedingungen Medikamente und Stimulantien Schlafedukation Elemente • Aufklärung über die Natur des Schlafes • Ausbildung zum „Experten in eigener Sache“ • Abbau von dysfunktionalen Schlafmythen Ziele • Abbau von Verunsicherung / Entkatastrophisierung • Vorraussetzung für die Vermittlung eines Störungsmodells und Behandlungscompliance Schlafhygiene Verhaltensregeln für einen gesunden Schlaf • • • • • • • • • • • • • • Regelmäßigkeit Verzicht auf Mittagsschlaf Beschränkung der Bettliegezeit auf 7 Stunden Verzicht auf Alkohol Verzicht auf Kaffee Nikotinverzicht Ernährung Vermeidung körperlicher Überaktivierung vor dem Schlafen „Pufferzone“ zwischen Alltag und Schlafen Zubettgehrituale Verzicht auf nächtliches Essen Keine Uhr in der Nacht Ausreichende Lichtexposition am Morgen Kein Leben „auf Sparflamme“ Stimuluskontrolle Hintergrund Klassische Konditionierung (gelernte Assoziation) zwischen dem Stimulus Bett und dem Verhalten im Bett Therapietechnik Konsequentes Befolgen von Regeln, die dazu führen sollen, dass das Bett nur mit Schlafen assoziiert wird: Stimuluskontrolle • Gehen Sie erst dann zu Bett, wenn Sie ausreichend müde sind und das Gefühl haben, einschlafen zu können. • Das Bett ist nur zum Schlafen da. Schauen Sie dort nicht fern, lesen Sie nicht, essen Sie nicht, telefonieren Sie nicht, grübeln Sie nicht, streiten Sie sich nicht mit Ihrem Partner; Ausnahme: Sexuelle Aktivitäten • Wenn Sie ins Bett gehen, machen Sie bitte direkt das Licht aus. Wenn Sie innerhalb von 10 Minuten nicht einschlafen können, stehen Sie wieder auf und gehen Sie in einen anderen Raum. Suchen Sie sich dort eine ruhige Aktivität aus und gehen erst dann wieder ins Bett, wenn Sie sich ausreichend schläfrig fühlen. • Wenn Sie innerhalb einer bestimmten Zeit dann immer noch nicht einschlafen können, stehen Sie wieder auf. Wiederholen Sie dies so oft wie nötig innerhalb einer Nacht. Tun Sie dies auch dann, wenn Sie plötzlich mitten in der Nacht aufwachen und nicht innerhalb von 10 Minuten wieder einschlafen können. Stehen Sie aber trotzdem jeden Morgen zur gleichen Zeit endgültig auf. Entspannungstechniken Hintergrund Schlafstörungen sind häufig mit einem erhöhten psychophysiologischen Erregungsniveau verbunden Techniken • Progressive Muskelrelaxation (Jacobsen): An- und Entspannung aller Muskelgruppen und Konzentration der Wahrnehmung auf die muskuläre Entspannung • Autogenes Training: Autosuggestion, Schwere- und Wärmeübungen • Biofeedbackverfahren: Rückmeldung physiologischer Signale (z.B. Muskelanspannung) • Meditation/ Yoga Entspannungstechniken Wirksamkeit • Keine direkt schlafanstoßende Wirkung • 30% Symptomreduzierung • Indikation: insbesondere bei reinen Einschlafstörungen • Nicht indiziert bei hypoaktivierten Patienten Paradoxe Intention Hintergrund Sogenannte „Performance Anxiety“: Schlafgestörte versuchen häufig, ängstlich-angespannt den Schlaf herbeizuzwingen: „Ich muss jetzt schlafen!“ Therapietechnik • Der Patient soll sich im Bett darauf konzentrieren, nicht einzuschlafen Kognitive Therapie Hintergrund Schlafstörungen gehen häufig mit dysfunktionalen Gedanken der Patienten bzgl. ihres Schlafes und den Auswirkungen der Schlaflosigkeit einher Wie soll ich nur den nächsten Tag überstehen, wenn ich heute schon wieder nicht schlafen kann? Jetzt liege ich schon wieder eine Stunde wach – diese Nacht wird eine einzige Katastrophe! Ich werde noch verrückt, wenn ich nicht schlafe! Kognitive Therapie Therapietechniken • Kognitive Umstrukturierung • Sokratischer Dialog • Gedankenstopp • Grübelstuhl • Systematisches Problemlösen • Tagebuch Indikation • Ausgeprägtes Grübelverhalten • Erwartungsängste Das Münsteraner Schlaftraining Setting • 6-12 Gruppen a 90 Minuten • 10-12 Patienten je Gruppe, zwei „Schlaftrainer“ Therapietechnik • Vermittlung des Störungsmodells • Berechnung der Schlafeffizienz: SEF= TST / TBT x 100 • Festlegung des Schlaffensters: Unterste Grenze: 5h; Feste Zubettgeh- und Aufstehzeiten Das Münsteraner Schlaftraining Wirkmechanismen 1. Physiologisch • Aufbau von Schlafdruck 2. Psychologisch • Abbau von Wachliegezeiten – Abschwächung der assoziativen Kopplung von Bett und Schlafstörung • Angstreduktion: Konfrontation mit der Situation, mit wenig Schlaf auszukommen • Selbstwirksamkeit: Abbau des Kontrollverlustes 3. Chronobiologisch • Resynchonisation Das Münsteraner Schlaftraining Weitere Therapiebestandteile • Schlafedukation / Schlafhygiene • Aktivitätenaufbau • Motivation Nachteile einer längerdauernden medikamentösen Behandlung von Schlafstörungen • „Hang-over“-Effekte bezüglich der Empfindlichkeit und des Leistungsvermögens am nächsten Tag • Toleranzentwicklung / Wirkungsverlust nach 4-5 Wochen; teilweise beantwortet durch Dosissteigerungen • Veränderung der schlafphysiologischen Parameter (u.a. Verkürzung der REM- und Tiefschlafphase) • Entzugserscheinungen auch schon bei „low-dose-dependence“ • Attributionale Effekte Die Wirksamkeit verschiedener Interventionen 70 60 Einschlaflatenz 50 Nächtliches Wachliegen 30 20 Verbesserung (%) 40 10 0 e en gi n hy io af nt hl te Sc In xe do ra Pa n tio xa R ela PM eR itiv lle gn ro nt Ko ie ko ap us er ul im Th St ale od n tim tio ul M rik st re af hl Sc