Vortragsskript

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Deutsche Pharmazeutische
Gesellschaft Osnabrück, 19.03.2009
Schlafmittel: Grundsätze
einer guten Beratung
Dr. Nina Griese
Zentrum für Arzneimittelinformation
und Pharmazeutische Praxis (ZAPP), Geschäftsbereich
Arzneimittel der ABDA, Berlin
[email protected]
Was Sie erwartet:
 Epidemiologie der Schlafstörungen
 Klassifikation von Schlafstörungen
 Beratung bei Schlafstörungen in der
Selbstmedikation
 Beratung bei verordneten Hypnotika
 Schlafstörungen im Alter
2
Epidemiologie
 10 bis 15 Prozent der Erwachsenen:
chronische Insomnien (Dauer > 1 Monat)
 Ca. 30 Prozent: vorübergehende Schlafstörungen
 Prävalenz chronischer Schlafstörungen höher bei
älteren Menschen und bei Frauen
 Hohe Komorbidität z. B. mit
 Körperlichen Erkrankungen
 Depressionen
3 Doghramji, K. Am. J. Manag. Care, 12 (8) 2006, 214
NON-REM und REM-Schlaf
Arousal
4
Klassifikation von Schlafstörungen
 Schlafstörungen bei körperlichen und
psychiatrischen Erkrankungen z. B.

Depression, Schmerzen
 Parasomnien

Z. B. Schlafwandeln
 Dyssomnien

5
Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien) und
Schläfrigkeit am Tag (Hypersomnien)
American Academy of Sleep Medicine. The International
Classification of Sleep disorders. 2nd edition. Westchester, IL, 2005
Nicht erholsamer Schlaf
 Primäre chronische Schlafstörungen
 Restless-legs-Syndrom
 Akute Insomnie durch ein belastendes Ereignis
 Inadäquate Schlafhygiene
 Schlafstörungen aufgrund von Medikamenten,
Drogen oder Alkohol
 Schlafstörung bei Schichtarbeit
 Schlafstörungen bei Zeitzonenwechsel
6
American Acedemy of Sleep Medicine. The International
Classification of Sleep disorders. 2nd edition. Westchester, IL, 2005
Beratung im Rahmen der Selbstmedikation
 Behandlungsbedürftigkeit ?
 Ist eine Selbstmedikation möglich ?
 Auswahl des geeigneten Arzneimittels

Kontraindikationen, Interaktionen ?
 Nichtmedikamentöse Maßnahmen
7
Typische Beratungssituation
Ein etwa 75-jähriger Mann betritt nach langer
Zeit wieder die Apotheke. Früher zählte er zu
den regelmäßigen Kunden, denn er löste
während der langjährigen Erkrankung seiner
Frau ihre Rezepte in der Apotheke ein.
Nach dem Tod seiner Frau kam er kaum noch
vorbei, nun bittet er um ein Schlafmittel.
8
Behandlungsbedürftigkeit ?
Bei primären und sekundären
Schlafstörungen besteht
Behandlungsbedürftigkeit nur dann, wenn
außer dem gestörten Nachtschlaf die
Tagesbefindlichkeit beeinträchtigt ist
9
Leitlinie Insomnie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 2008
Änderung des Schlafes im Alter
10
Staedt J,, Riemann D. Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen,
Kohlhammer, Stuttgart 2007
Liegt ein nicht erholsamer Schlaf vor?
14h
5 - 6 Stunden
7 - 8 Stunden
9 - 10 Stunden
11
> 10 Stunden
Kurzschläfer
Mittellangschläfer
Langschläfer
Erwartungshaltung des Patienten ?
Der Patient berichtet: Er gehe jeden Abend
zwischen 21 und 22 Uhr ins Bett und liege
dann oft stundenlang wach. Wenn er
endlich eingeschlafen sei, wache er jeden
Morgen schon um 5 Uhr auf. Weil er »kaum
ein Auge zugetan« habe und mittags
schon wieder müde und abgeschlagen sei,
gönne er sich mindestens 1 Stunde,
12
manchmal auch 2 Stunden Mittagsschlaf.
Einteilung nach Dauer
 Chronische Insomnie ≥ vier Wochen
 Akute Insomnie

Dauert Tage bis Wochen

Enge zeitliche Bindung an ein belastendes Ereignis
 Selbstmedikation häufig möglich bei
4 Wochen
Daher eine wichtige Frage:
 Seit wann haben Sie die Schlafprobleme ?
13
Dauer der Symptome ?
»Seit einem halben Jahr, also seit meine
Frau verstorben ist, kann ich nicht mehr
richtig schlafen.«
14
Fragen, die geklärt werden müssen
 Besteht ein adäquater Umgang mit dem Schlaf ?
 Werden schlafstörende Substanzen
(ein)genommen ?
 Ist der nicht erholsame Schlaf das Symptom einer
psychiatrischen und/oder anderen organischen
Erkrankung ?
 Besteht eine Störung des zirkadianen Rhythmus ?
15
Leitlinie „S2“ der DGSM, 2001
Adäquater Umgang mit dem Schlaf ?
 Eine Reihe von Gewohnheiten können den
Schlaf potentiell stören
 Vermittlung der Regeln zur Schlafhygiene sind
Baustein jeder (Selbst-) Behandlung der
(primären) Insomnie
 Ziel: Abbau schlafverhindernder
Verhaltensweisen
16
Patienteninformation
Patienteninformation des ZAPPs für die
Apotheke als Download unter:
http://www.abda.de/arbeitsmittel_apotheke.html
17
Adäquater Umgang mit dem Schlaf ?
» Ab und zu gehe ich mit dem Hund meines
Sohnes spazieren, ansonsten bin ich eher zu
Hause. Bei schönem Wetter setze ich mich
auch gerne in den Garten. Abends esse ich
oft mit der Familie meines Sohnes zu Abend.
Bisher habe ich auch noch nichts
eingenommen, abgesehen von den paar
restlichen Schlaftabletten meiner Frau. «
18
Schlafstörende Substanzen ?
Hypnotika (Rebound-Insomnie)
Beta-Blocker, Alpha-Agonisten, Alpha-Blocker
Theophyllin (Coffein)
Antidepressiva mit stark antriebssteigender Wirkung
ohne sedierende Komponente, z. B. Fluoxetin,
Venlafaxin
Glukokortikoide
Schilddrüsenhormone
19
Alkohol und Schlaf
 Alkohol kann Einschlafen erleichtern
 Aber ab 0,6 g Alkohol pro kg Körpergewicht:
 Häufigeres Erwachen
 Rebound-Phänomen: 1. Nachthälfte REM-Schlaf
, 2.
Nachthälfte REM-Schlaf : geringerer Erholungswert
 Zeitlichen Rahmen für Verzicht festlegen
 Insbesondere problematisch bei Schlafapnoe-
Syndrom: Anzahl / Dauer der Atemaussetzer
erhöht
20
DGSM Schulz H. et al. Kompendium der Schlafmedizin,
ecomed Medizin, Landsberg, 1997 inkl. 2. Erg.-Lfg. 2008
Sekundäre Insomnie ?
 Psychiatrische Erkrankungen
 Depressionen
 Angststörungen
 Organische Erkrankungen
 Restless-legs-Syndrom (RSL)
 Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS)
 Chronische Schmerzen (Kopf- und
Rückenschmerzen)
 Rheumatische Erkrankungen
 Angina pectoris/Herzinfarkt
 Asthma / COPD
21
Staedt J., Riemann D. Diagnostik und Therapie von
Schlafstörungen, Kohlhammer, Stuttgart 2007
Sekundäre Insomnie ?
Die Medikationshistorie: regelmäßige Einnahme
von Prostagutt uno®
» Außer dass ich mich tagsüber so
abgeschlagen fühle, habe ich sonst
eigentlich nichts. Wegen meiner Probleme
beim »Wasserlassen« hat mein Arzt mir
vor ein paar Monaten etwas empfohlen «
22
Arzneistoffe in der Selbstmedikation
 H1-Antihistaminika
 Diphenhydramin, Doxylamin
 Phytopharmaka
 Baldrian, Hopfen, Passionsblume, Lavendel, Melisse
 Tryptophan
23
H1-Antihistaminika
 Diphenhydramin: 50 mg, Doxylamin: 25 bis 50 mg
 Bei leichten, nicht chronifizierten Schlafstörungen

insbesondere bei situativen Schlafstörungen
Vorteile
Nachteile
Geringes
Abhängigkeitspotential
Schneller Wirkungsverlust
(Toleranzentwicklung)
Mittlere hypnotische Potenz Hang-over
(Keine) Absetzeffekte
24
Anticholinerge Nebenwirkungen
Hohe Toxizität
Bei älteren Patienten geeignet ?
 Versuch einer Konsensusfindung für adaptierte
Version der „Beers- und McLeod-Liste“
 Bewertung durch AkdÄ-Arbeitsgruppe
„Arzneimitteltherapie im Alter“
H1-Antihistaminika, 1. Generation
Diphenhydramin
Hydroxyzin
Promethazin (Psychopharmakon!)
Bewertung
A
A
A
A: Potentiell inadäquat/bedenklich für Therapie im Alter
25
Müller-Oerlinghausen B. Präsentation auf dem 2. Deutschen
Pharmakovigilanztag 2007
Kontraindikationen
 Diphenhydramin, Doxylamin




Engwinkelglaukom
Blasenentleerungsstörungen mit Restharnbildung
Epileptiker
Schwangere und Stillende
 Diphenhydramin
 Kardiale Störungen (koronare Herzkrankheit,
Erregungsleitungsstörungen, Arrhythmien)
 Hypokaliämie, Hypomagnesieämie
 Bradykardie
 Gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln, die
ebenfalls das QT-Intervall verlängern
26
Interaktionen
 Diphenhydramin und Doxylamin
 Ethanol: Hinweis auf Verstärkung der
zentraldämpfenden Wirkung
 Verstärkte anticholinerge Nebenwirkungen bei
anticholinerg wirkenden Arzneistoffen
 Diphenhydramin
 Interaktion mit QT-Zeit verlängernden Arzneimitteln
• Antiarrhythmika, z. B. Sotalol
• Makrolide
• Trizyklische Antidepressiva
• Neuroleptika
27
Einnahmehinweise
 Bei Einschlafstörungen 30 bis 60 Minuten, bei
Durchschlafstörungen direkt vor dem Schlafen
 Etwa 8 Stunden vor dem geplanten Aufstehen
 Nach 2 bis 3 Tagen Auslassversuch oder Einnahme
an jedem 2. Tag
 Arztverweis: keine Besserung nach 2 bis 3 Tagen
oder wieder Verschlechterung nach Absetzen
28
Braun/Schulz, Selbstbehandlung. Beratung in der Apotheke. Govi-Verlag,
Eschborn 1994, inkl. 8. Erg.-Lfg. 2007
H1-Antihistaminika ?
Für den Patienten nicht Mittel der ersten
Wahl
29

Kontraindikation Prostatahyperplasie

Alter
Phytopharmaka
 Extrakte / Extraktkombinationen aus Baldrianwurzel,
Hopfenzapfen, Melissenblättern, Lavendelblüten und
Passionsblumenkraut
 Förderung der Schlafbereitschaft durch Verminderung
der nervösen Anspannung
30

Große therapeutische Breite, wenige Nebenwirkungen

Keine Wechselwirkungen

Keine negative Beeinflussung des Schlafmusters

Keine Abhängigkeitsentwicklung
Unger, M. Pharm. Unserer Zeit 36 (3) (2007) 206
Baldrian
 Wirkung von Baldrian am besten untersucht1
 Verschiedene RCT1
 Einige zeigten Verbesserung der Schlafqualität
 Zwei Metaanalysen: noch kein gesicherter
Wirksamkeitsnachweis2,3
 (Volle) Wirksamkeit wahrscheinlich erst nach
10 bis 14 Tagen1
31
1) Unger, M. Pharm. Unserer Zeit 36 (3) (2007) 206
2) Stevinson C. et al. Sleep Med 1 (2000), 91
3) Bent, S. et al. Am. J. Med. 119 (2006) 1005
Phytopharmaka
 Extrakte bzw. Extraktkombinationen:
sedierende oder anxiolytische Wirkung,
verkürzte Einschlafzeit bzw. verbesserte
Schlaf- und Lebensqualität in klinischen Studien1
 Weitere klinische Studien zur schlaffördernden
Wirkung notwendig
 Einsatzgebiet: leichte Schlafstörungen ohne
Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit2
32
1) Unger, M. Pharm. Unserer Zeit 36 (3) (2007) 206
2) DGSM Schulz H. et al. Kompendium der Schlafmedizin,
ecomed Medizin, Landsberg, 1997 inkl. 2. Erg.-Lfg. 2008
Tryptophan
 Vorstufe für Serotonin und Melatonin
 Zwei Metaanalysen1,2
 Bei leichten Schlafstörungen: Verbesserung des
gestörten physiologischen Schlafprofil und
Verringerung der Schlaflatenz
 Allerdings nur geringe hypnotische Potenz
und Plazebo nur leicht überlegen
 Einnahme: 1 bis 3 g/Tag eine halbe Stunde
vor dem Zubettgehen
1) Schneider-Helmert, D. et al. Psychopharmacology (Berl). 89 (1986) 1
Hartmann, E. et al. J. Psychiatr. Res. 17 (1982) 107
33 2)
Phytopharmaka ?
Nichtmedikamentöse Maßnahmen stehen
im Vordergrund.
Baldrian kann zur Unterstützung der
nichtmedikamentösen Maßnahmen
empfohlen werden
(Extrakt: entsprechend 2 – 3 g Droge)
Arztverweis, wenn kein Erfolg nach zwei
Wochen.
34
Frau B. kommt in die Apotheke mit der Frage
nach einem wirksamen Schlafmittel, dass auch
beruhigend wirke. Wegen eines unruhigen
Gefühls in den Beine könne sie kaum schlafen.
Ihr Arzt habe ihr letzte Woche ein Spritze
wegen ihrer Unruhe gegeben. Diese hätte aber
nicht gebracht. Die Probleme seien eher noch
stärker geworden.
Die Medikationsdatei zeigt, dass die Patientin
Fluspirilen (Imap®) bekommen hat.
35
Restless-Legs-Syndrom
 Prävalenz: 5 bis 10 % der Bevölkerung
 Leitsymptom: Bewegungsdrang

Quälende Missempfindungen in den Extremitäten

Beschwerden treten in Ruhe auf

Am Abend und in der Nacht am stärksten

Bessern sich durch Bewegung
 Verschlechterung der Symptomatik durch
Neuroleptika oder Antidepressiva
 Mittel der 1. Wahl: Dopaminerge Substanzen
36
Störung des zirkadianen Rhythmus ?
Unfähigkeit zur gewünschten Zeit zu schlafen
 Schichtarbeit:


Beschwerden mgl., wenn die Hauptschlaffzeit zu
einer Zeit stattfinden muss, die nicht der üblichen
Schlafzeit entspricht
Vor allem Fragmentierung und Verkürzung
 Jet-lag:
 Abhängig von der Flugrichtung und der Anzahl
der überquerten Meridiane wird die Tageszeit
gegenüber der inneren Uhr verschoben
 Vor allem Einschlafstörungen.
37
Jet-lag (1)
 Bei transmeridianen Flügen in Ost- und
Westrichtung kann es zum Jet-lag mit
folgenden Symptomen kommen





38
Ein- und Durchschlafstörungen
Tagesmüdigkeit
Konzentrationsstörungen
Veränderung des psychischen Befindens mit
verstärkter Gereiztheit oder Depressivität
Störungen der Verdauungsfunktion
Prophylaktische Maßnahmen
Voranpassung zu Hause durch Verschiebung der
Tagesaktivität entsprechend der Ankunftszeit
Beim Flug kein Alkohol / schwere Mahlzeiten
Am Ankunftsort an die dortigen Tageszeiten halten
Körperliche Aktivität / Aufenthalt im Freien
Ostflug: Morgens
Westflug: Nachmittags
39
DGSM Schulz H. et al. Kompendium der Schlafmedizin,
ecomed Medizin, Landsberg, 1997 inkl. 2. Erg.-Lfg. 2008
Medikamentöse Maßnahmen
 Kurzfristiger Einsatz von kurz- und mittellang
wirkenden Schlafmitteln, zum Beispiel H1Antihistaminika in der Selbstmedikation
 Wirksamkeit von Zolpidem bei Jet-lag gut belegt1
 Wirksamkeit von Melatonin bei Jet-lag umstritten1

Zwei Metaanalysen, die zu unterschiedlichen
Ergebnissen kommen2,3

Melatonin in Deutschland für Jet-lag nicht zugelassen
1) Staedt J., Riemann D. Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen, Kohlhammer, Stuttgart 2007
2) Herxheimer, A. et al.. Cochrane. Database. Syst. Rev. (2002)
40
3) Buscemi, N. et al. BMJ. 332 (2006) 385
Schichtarbeit (1)
Nichtmedikamentöse Maßnahmen
 Lichttherapie in der nächtlichen Pause (2.500 Lux)
 Kohlenhydrathaltige Kost am Abend,
kein Kaffee in der 2. Nachthälfte
 Kurzschlaf von 30 min
 Dunkle und ruhige Schlafumgebung
41
Staedt J., Riemann D. Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen,
Kohlhammer, Stuttgart 2007
Schichtarbeit (2)
Medikamentöse Maßnahmen:
 Modafinil (Vigil®) zugelassen beim Schichtarbeiter-
Syndrom, 200 mg (2 Tabletten) als Einzeldosis
ungefähr 1 Stunde vor Beginn der Nachtschicht
 Gebrauch von Schlafmitteln umstritten, wenn kurzmittellangwirkende Benzodiazepine oder -Analoga,
zeitlich begrenzt auf 3 Tage (zum Schichtwechsel)
 Melatonin: kein signifikanter Effekt
1)
42
2)
DGSM Schulz H. et al. Kompendium der Schlafmedizin,
ecomed Medizin, Landsberg, 1997 inkl. 2. Erg.-Lfg. 2008
Staedt J., Riemann D. Diagnostik und Therapie von
Schlafstörungen, Kohlhammer, Stuttgart 2007
Medikamentöse Behandlung und
nichtmedikamentöse Behandlung von
Schlafstörungen
 Primär chronische Insomnie
43
Indikationen von Schlafmitteln
 Bei akuten reaktiven oder situativen Insomnien
(in der Regel nicht > als 4 Wochen)
 Unterstützend zur kausalen Therapie bei
organischen / psychisch bedingten Insomnien
 Zur Durchbrechung des Teufelskreises bei
chronisch primärer Insomnie
 Einbindung in ein Therapiekonzept bei chronisch
primärer Insomnie
44
DGSM Schulz H. et al. Kompendium der Schlafmedizin,
ecomed Medizin, Landsberg, 1997 inkl. 2. Erg.-Lfg. 2008
Frau Kaiser, eine 45-jährige Mutter von zwei Kindern,
berichtet in der Apotheke, dass sie seit 10 Jahren unter
Schlafstörungen leide. Sie brauche mehr als 1 Stunde,
um Schlaf zu finden und wache nachts 2 – 3 mal für
mindestens 15 min auf. Erst habe dies mit den Kindern
zu tun gehabt, jetzt sei das aber nicht mehr so. Seit
einem Jahr fühle sie sich richtig schlapp und könnte
sich kaum noch konzentrieren. Sie sei irgendwie
„aufgedreht“. Sie habe jetzt zudem Kopfschmerzen und
Schweißausbrüche.
45
Primär chronische Insomnie
 Häufigste Form: psychophysiologische
Insomnie

„gelernte Insomnie“
 Häufige Symptome
 Verlängerte Einschlaflatenz ( > 30 min)
 Vermehrte Schlafunterbrechungen
 Gesamtschlafzeit < 6 h
 Erhöhter Anteil des Leichtschlafes (NON-REM-1)
 Reduzierte Leistungsfähigkeit / Abgeschlagenheit
46
Popp, R. et al. Pharm. Unserer Zeit 36 (2007) 180
Teufelskreis der Insomnie
Schlaf-behindernde Kognition
• Ärger über Schlaflosigkeit
• Grübeln über Konsequenzen
• Unrealistische Erwartungen
Schlafgewohnheiten
Übererregung
• Emotional
• Kognitiv
• Physiologisch
• Motorisch
Insomnie
Konsequenzen
• Müdigkeit, Erschöpfung
• Stimmungsbeeinträchtigung
• Einbußen in Leistungs- und
Konzentrationsfähigkeit
• Verringerte Lebensqualität
• Lange Bettzeiten
• Unregelmäßiger
Schlaf-WachRhythmus
• Tagschlaf
• Schlafinkompatible
Verhaltensweisen
Nichtmedikamentöse Maßnahmen
 Mittel der 1. Wahl
 Verhaltenstherapeutische Maßnahmen
langfristiger Effekt über sechs Monate belegt

Schlafedukation

Schlafprotokoll

Entspannungsverfahren

Stimuluskontrolle

Bettzeitenrestriktion
48 Morin, A. K., et al. Pharmacotherapy. 27 (2007) 89-110.
Frau Kaiser werden schlafhygienische
Maßnahme erklärt und sie soll ein
Schlaftagebuch führen. Die progressive
Muskelentspannung hilft ihr manchmal etwas.
Nach vier Wochen hat sich die Schlafstörung
etwas verbessert, die Patientin hat jedoch
erheblichen Leidensdruck und bittet um
weitere Maßnahmen.
49
Medikamentöse Maßnahmen
 Welche Arzneimittel werden bei primär
chronischer Insomnie verordnet ?
 Was sind Vor- und Nachteile der
verschiedenen Arzneistoffgruppen ?
 Welchen Beratungshinweise sind sinnvoll ?
50
Verordnungsspektrum 2007 (GKV)
 Benzodiazepine (52 Mio. DDD)
 Benzodiazepinrezeptoragonisten (77 Mio. DDD)
 Pflanzliche Präparate (3 Mio. DDD)
 1992: 463 Mio. DDD Hypnotika/Sedativa
 2007: 132 Mio. DDD Hypnotika/Sedativa
Tagesdosen für etwa 360.000 Patienten ?
Epidemiologische Zahlen ?
51 Schwabe U. Arzneiverordnungsreport 2008, Springer Verlag, Heidelberg
70 %
Primär chronische Insomnie
 Benzodiazepine und Z-Substanzen
 Wirksamkeit gut belegt (keine Langzeitstudien bis
auf drei Ausnahmen)
 Antidepressiva
 Wirksamkeit ist als gut einzustufen (keine
Metaanalysen, keine Langzeitstudien)
 Melatonin
 Marginale Effekte
 Neuroleptika
 Es liegen keine ausreichend fundierten Studien vor
52 Leitlinie Insomnie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 2008
Benzodiazepine / -Analoga
 Benzodiazepine: allosterische Aktivierung der
Bindungsstelle für GABA durch Bindung am
GABAA-Rezeptor

Anxiolytisch, muskelrelaxierend, sedierend bis
hypnotisch und antikonvulsiv
 Benzodiazepin-Analoga (Zopiclon, Zolpidem,
Zaleplon: Z-Substanzen): Bindung an α1Untereinheit des Rezeptors

Sedierend bis hypnotisch
 Wirkdauer entscheidender Parameter für das
Anwendungsgebiet
53
Zulley J. Pharm. Unserer Zeit 36 (3) (2007) 206
Vor- und Nachteile der Benzodiazepine
Vorteile
 Gute hypnotische Potenz, geringe Toxizität,
rascher Wirkeintritt, jahrelanger Erfahrungsschatz
Nachteile
 Unerwünschte Arzneimittelwirkungen: Amnesie,
Muskelrelaxation, Atemdepression, ReboundInsomnie, Tagessedation
 Tiefschlafunterdrückung, REM-Schlaf
 Abhängigkeitspotential (kein Einsatz bei Patienten
mit positiver Suchtanamnese),
Toleranzentwicklung
54
Vergleich Benzos und Z-Substanzen
 Vergleichende Metaanalyse1
 Gleich wirksam bei höheren Therapiekosten
 Benzodiazepin-ähnliches Nebenwirkungsprofil

Tagessedation

Möglicherweise geringere Gefahr für
Abhängigkeits- und Toleranzentwicklung sowie
Rebound-Insomnie
 Einsatz: zeitlich befristet, in der Regel nicht
länger als drei bis vier Wochen
55
Dundar, Y., et al. Health Technol. Assess. 8 (2004) iii-125.
Abhängigkeit und Missbrauch
Medikamente:
Abhängigkeit und Missbrauch Leitfaden für die apothekerliche Praxis
(BAK, Mai 2008)
http://www.abda.de/medikamentensucht.html
56
Kurzwirkende Substanzen
Arzneistoff
Präparatenamen®
HWZ (h)
VerlängeMax. Dosis
rung HWZ
Aktiver
[mg]
Metabolit* im Alter
Zaleplon
Sonata
10
Zolpidem
Triazolam
1
k. A.
z. B. Stilnox 10
0,7-3,5
15 %
Halcion
2-4*
-
0,25
Einnahme direkt vor dem Zubettgehen / bis spätestens 3 Uhr
nachts möglich
57
Staedt J., Riemann D. Diagnostik und Therapie von
Schlafstörungen, Kohlhammer, Stuttgart 2007
Mittellangwirkende Substanzen
Max.
Dosis
[mg]
HWZ (h)
Verlängerung HWZ
Aktiver
Metabolit* im Alter
Arzneistoff
Präparatenamen®
Zopiclon
z. B. Ximovan 7,5
5-8*
60-80 %
Brotizolam
Lendormin
0,25
4-7
95 %
z. B. Planum
20
5-13
(-30-40)
Temazepam
Lormetazepam z. B. Noctamid 1 (- 2)
Direkt vor dem
Zubettgehen
58
10-14
-
Ca. 1/2 Stunde vor
dem Zubettgehen
Staedt J., Riemann D. Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen, Kohlhammer, Stuttgart 2007
Benzodiazepine und Einnahmehinweise
 Einnahmezeitpunkt
 Dosierungen nicht überschreiten
(kein Nachdosieren!)
 Nur kurzfristige Einnahme
 Verstärkung der unerwünschten Wirkungen
durch Alkohol und zentral wirksame Arzneimittel
 Keine Weitergabe an Dritte
59
Antidepressiva
 Einsatzgebiete1
 Depressionen mit Schlafbeschwerden
 Insomnien mit ängstlich depressiver
Begleitsymptomatik
 Primär chronische Insomnie
 Wirksamkeit / Sicherheit in der Behandlung der
primären Insomnie haben vor allem Trazodon,
Trimipramin und Doxepin in RCT gezeigt2
 Kein Antidepressivum zur Behandlung der primär
chronischen Insomnie zugelassen
1) DGSM, Schulz H. et al. Kompendium der Schlafmedizin, ecomed
Medizin, Landsberg, 1997 inkl. Erg.-Lfg. 2008
60
2) Doerr, J. P. et al. Med. Monatsschr. Pharm. 31 (2008) 339
Vor- und Nachteile der Antidepressiva
Vorteile
 Geringes bis fehlendes Abhängigkeitspotential,
kaum Toleranzentwicklung, keine ReboundInsomnie
Nachteile
 Unerwünschte Arzneimittelwirkungen: QTZeitverlängerung, orthostatische Dysregulation,
anticholinerges Syndrom
 REM-Schlafunterdrückung (nicht Trimipramin)
 Hohe akute Toxizität (Suizidgefahr)
61
Sedierende Antidepressiva
Arzneistoff
Präparatenamen®
Dosis als
Antidepressive
Schlafmittel
Dosis [mg]
[mg]
Doxepin
z. B. Aponal
100 - 300
(5 -) 10 - 50
Trimipramin
z. B. Stangyl
100 - 300
(5 -) 25 - 100
Amitriptylin
z. B. Saroten
100 - 300
(5 -) 10 - 50
Mirtazapin
z. B. Remergil
15 - 45
7,5 - 15 (- 30)
Trazodon
z. B. Thombran
200 - 400
25 - 100
Leitlinie Insomnie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 2008
62 Enzensperger C. et al. Pharm. Unserer Zeit 36 (3) (2007) 196
Doerr, J. P. et al. Med. Monatsschr. Pharm. 31 (2008) 339
Antidepressiva und Einnahmehinweise
 Einnahme etwa zwei Stunden vor dem
Zubettgehen


Langsames Anfluten
Reduzierung der Hang-over-Problematik
 Individuelle Einstellung der Dosis (Tropfen sinnvoll)
und Anpassung des Einnahmezeitpunktes
 Zu Beginn (1-2 Wochen) leichte morgendliche
Benommenheit durch Blutdrucksenkung mgl.
 Ausschleichen bei längerer Einnahme
63
Nach der Durchführung eine EKGs (Cave: Überleitungsstörungen bei anticholinerg wirkenden Antidepressiva)
wird Trimipramin (Stangyl®) beginnend mit 25 mg
eingesetzt. Frau Kaiser kann dies bis 75 mg
hochdosieren.
Unter Trimipramin kommt es innerhalb von zwei Monaten
zu einer kompletten Rückbildung der Schlafstörung.
Begleitet wird die Therapie durch psychotherapeutische
Interventionen. Langsam wird nach einem halben Jahr
64
Trimipramin
über 6 Monate ausgeschlichen.
Alter und
Schlafstörungen
Zu wenig
Aktivität
Keine
Tagesstruktur
Arzneimittel
Schlaf
Erkrankungen
Schlafstruktur
Therapie der Insomnie im Alter
 Nichtmedikamentöse Maßnahmen 1. Wahl
 Medikamentöse Therapie:

Pharmakokinetik und Nebenwirkungen beachten
 (Anfangs-) Dosis halbieren
 Wenn Antidepressiva: nicht Amitriptylin, Doxepin
 Wenn Benzodiazepine, dann vor allem
Lormetazepam, Temazepam, Zolpidem

Erhöhtes Risiko für kognitive Verschlechterung,
Verwirrtheitszustände und Stürze
66
Staedt J., Riemann D. Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen,
Kohlhammer, Stuttgart 2007
Zirbeldrüse
Retinohypotalamischer Trakt
67
Suprachiasmatischer
Nukleus
Retardiertes Melatonin (1)
 Circardin®: zur kurzfristigen Behandlung der
primären Schlafstörung bei Patienten ab 55
Jahren
 Markteinführung 01. April 2008
 Von April bis November 2008: 17.143
Packungen zu Lasten der GKV verordnet
(Quelle: Deutsches Arzneiprüfungsinstitut
e. V. (DAPI))
68
Studiendaten
 Wirksamkeit: Gering1
 Verbesserung der Schlafqualität:
26 % Melatonin (n = 169) versus 15 % Plazebo (n = 165)
(NNT 9)
 Zeit bis zum Einschlafen:
13 min Melatonin versus 24 min Plazebo
 Nebenwirkungen: Selten
 DDD-Kosten
 Circadin® 20 Retardtbl. 2 mg 25,38 €: 1,27 €/Tag
 Zolpidem AL 20 Tbl. 10 mg 14,24 €: 0,71 €/Tag
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EMEA Assessment Report
Retardiertes Melatonin (2)
 Einnahme:
2 mg nach der letzten Mahlzeit und 1 bis 2
Stunden vor dem Schlafengehen
 Keine Nachdosierung in der Nacht
 Über drei Wochen
 Kein Alkohol
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Zusammenfassung
 Akute Insomnie ist häufig ein Fall für die
Selbstmedikation

Differenzierung von anderen Ursachen und
Auswahl des geeigneten Arzneimittels
 Im Mittelpunkt der Beratung bei verordneten
Arzneimitteln

Einnahmehinweise und das Erkennen und Lösen
arzneimittelbezogener Probleme
 Regeln der Schlafhygiene: Im Rahmen der
Selbstmedikation und bei verordneten
Arzneimitteln sinnvoll
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Gut beraten, schläft‘s sich besser!
Ich bin so knallvergnügt erwacht.
Ich klatsche meine Hüften.
Das Wasser lockt, die Seife lacht.
Es dürstet mich nach Lüften.
Aus meiner tiefsten Seele zieht
Mit Nasenflügel beben
Ein ungeheurer Appetit
Nach Frühstück und nach Leben.
Joachim Ringelnatz
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