Thema/Anlass Häufigkeit von Schlafstörungen Schlaf gut! Ursachen und Behandlung von Schlafstörungen Dr. med. Stefanie Faulhaber, Oberärztin Konsiliar- & Liaisonpsychiatrie Klassifikation von Schlafstörungen nach ICSD-2 25.11.2016 2 25.11.2016 4 Insomnie Definition Insomnien Hypersomnien Parasomnien Schlafbezogene Atmungsstörungen Schlafbezogene Bewegungsstörungen Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus Einschlafstörung und/oder Durchschlafstörung beeinträchtigte Schlafqualität UND beeinträchtigte Befindlichkeit am Tage und/oder 3x pro Woche über mind. 1 Monat (ICD-10) 25.11.2016 3 Insomnien nach ICSD-2 Differenzialdiagnostik: «5 P» Anpassungsbedingte oder akute Insomnie Psychophysiologische Insomnie Paradoxe Insomnie Idiopathische Insomnie Insomnie im Rahmen einer psychischen Störung Insomnie im Rahmen inadäquater Schlafhygiene Verhaltensabhängige Schlafstörung in der Kindheit Insomnie im Rahmen von Medikamenten- oder Substanzmittelmissbrauch Psychologisch: Stress, Lebensereignisse, schwere Krankheit Insomnie im Rahmen einer organischen Erkrankung Psychiatrisch: Depression, Angsterkrankungen, Suchterkrankungen, Insomnie unabhängig von Substanzmittelgebrauch oder anderen metabolisch / rheumatologisch), urologische Erkrankungen, neurologische Erkrankungen (degenerativ / periodische Beinbewegungen / RLS), Schlafapnoe Physiologisch: Alter, Jet lag, Schichtarbeit, Kurzhospitalisation, schlechte Schlafhygiene Schizophrenie, Somatoforme Störungen physiologischen Bedingungen, nicht spezifiziert (nichtorganische Physisch: internistische Erkrankungen (kardiovaskulär / pulmonal / endokrin- Pharmakologisch: Alkohol, Koffein, Nikotin, Stimulanzien, Antihypertensiva, Insomnie) Zytostatika, Steroide, Theophylline, Schilddrüsenhormone, MAO-Hemmer, Beta- Physiologische (organische) Insomnie, nicht spezifiziert Blocker, Diuretika 25.11.2016 Präsentationstitel 5 25.11.2016 25.11.2016 6 1 Thema/Anlass Schlafmythen Schlafmythen Der Mensch braucht acht Stunden Schlaf Wenn man in der nächsten Nacht voraussichtlich wenig schlafen wird, sollte man „vorschlafen“ Der Schlaf muss durchgehend tief sein Entgangener Schlaf muss unbedingt nachgeholt werden Spontanes Erwachen während der Nacht ist nicht normal und Anzeichen für eine Störung Das Befinden am Tage ist direkt abhängig von der Schlafqualität in der vorangegangenen Nacht Wenn man am nächsten Tag früh aufstehen muss, sollte man entsprechend früher zu Bett gehen Nach einer schlechten Nacht muss man sich schonen 25.11.2016 7 25.11.2016 8 25.11.2016 10 Schlafregulation Die innere Uhr Zwei-Prozess-Modell von Borbély 25.11.2016 9 Sollen wir weniger schlafen? – „Die Deutschen schlafen zu lang. – Eine Kuh beispielsweise kommt mit drei bis vier Stunden Schlaf am Tag aus. – Ich auch.“ – Sabine Christiansen, 04.07.2004 25.11.2016 Präsentationstitel 11 25.11.2016 2 Thema/Anlass Schlaf: Veränderungen im Alter “Glaube ja nicht, daß du viel leisten kannst, wenn du nur kurz schläfst. Das ist eine törichte Annahme von Leuten ohne Vorstellungskraft. Im Gegenteil, wenn Du lange schläfst, wirst Du mehr schaffen.“ Verkürzung der nächtlichen Schlafperiode (Nickerchen tagsüber) deutliche Verringerung Tiefschlafanteil (bis unter 5%) Zunahme Schlafunterbrechungen in Anzahl und Dauer Winston Churchill (1874-1965) insgesamt verminderte Schlafeffizienz 5 bis 8 Stunden optimal (je nach individuellem Schlafmuster) Kripke et al, Arch Gen. Psychiatry, 2002 25.11.2016 Veränderung der Schlafstadien mit dem Alter 16 14 50 40 13 30 12 16 25 14 Schlafstörungen bei psychiatrischen Erkrankungen 18 14 12 10 8 6 4 2 0 11 10,5 20 18,5 8,5 20 REM-Schlaf 7,75 22 7 18,9 6 15 Schlaf in Std. REM-Schlaf % Leichter Schlaf Tiefschlaf 1-15 3-5 6-23 2-3 3-5 5-9 14-18 Tage Monate Jahre 19-30 33-45 50-70 70-85 Alter nach Benca et al., 1992 modifiziert nach: Kasper et al., 2012 Polysomnographie 25.11.2016 16 25.11.2016 18 Teufelskreis der primären Insomnie Gesunder Schläfer Patient mit Insomnie 25.11.2016 Präsentationstitel 17 25.11.2016 3 Thema/Anlass Schlaf und Sucht Schlafstörungen Folgen Schlafstörungen sind häufig, persistierend und mit Rückfällen verbunden (Brower, 2003; Feige et al., 2007) Befinden reduzierte Motivation, depressive Stimmung bei stationär behandelten Patienten mit Alkoholismus – Insomnie bei 36 bis 91% (Brower, 2001; Cohn et al., 2003) 20% bis 40% der Erwachsenen, die regelmässig Alkohol trinken, nehmen dies zur Schlafinduktion oder wegen Schlafstörungen (National Sleep Foundation 2000, Browers et al. 2001) Kognition Verschlechterung von Konzentration, Aufmerksamkeit und Gedächtnis bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit, wesentlich erhöhte Prävalenz für Insomnie vs. Pat. ohne Alkoholproblematik (Crum et al. 2004) Körper Blutdruckanstieg, Diabetes Typ II, cardiovaskuläre Erkrankungen, Metabolismusstörungen, Infektanfälligkeit, Schmerzempfindlichkeit generell Substanzmissbrauch geht mit mehr Schlafstörungen einher – 2.3fach bei Alkohol, 2.6.fach bei anderen Drogen wie Cocain, Amphetamine etc. (Johnson und Breslau 2001) 19 Schlaf und Sucht Schlaf und Sucht Akute Wirkung von Alkohol auf den Schlaf: Schlaf bei abstinenten chronischen Alkoholikern: Kurze Einschlafzeit Verlängerte Einschlafzeit Verminderter Tiefschlaf Verkürzte REM-Latenz Verkürzte REM-Phasen Häufige Aufwachphasen Verminderte Schlafeffizienz Häufiger Stadienwechsel Vermehrtes Stadium I Verminderter Tiefschlaf Vermehrter REM-Schlaf Verkürzte REM-Latenz 21 Ein ideales Schlafmittel 22 Benzodiazepine Rasche Wirkung, ausreichend starker Effekt keine Beeinträchtigung des physiologischen Schlafprofils keine Toleranz und Abhängigkeit, kein Rebound Einschlaflatenz verkürzt kein Hangover, keine Kumulation minimale Nebenwirkungen und Toxizität, geringes REM-Supression und Verlängerte REM-Latenz Nach Absetzen oft REM-Rebound Bei Kurzzeitgabe gut verträglich, sicher, wirksam Gesamtschlafzeit verlängert Tiefschlafabnahme Interaktionspotential Zurückhaltung bei «Suchtpatienten» Bei Langzeitanwendung: Affektverflachung, kognitive Strg. … gibt es nicht! 25.11.2016 Präsentationstitel 23 25.11.2016 25.11.2016 24 4 Thema/Anlass BenzodiazepineEffekte auf den Schlaf Non-Benzodiazepinhypnotika Einschlaflatenz verkürzt Gesamtschlafzeit verlängert Tiefschlafabnahme REM-Schlaf weniger beeinflusst als unter Benzos 25.11.2016 25 25.11.2016 Chloralhydrat 26 Antidepressiva Amitryptilin, Doxepin: REM-Schlaf-Suppression Trimipramin, Mirtazapin, Trazodon: keine REM-Schlaf-Suppression Tiefschlafzunahme Verkürzte Einschlaflatenz REM-neutral Agomelatin: Schlafkontinuität verbessert, Tiefschlafinduktion, REM neutral Cave: geringe therapeutische Breite, Abhängigkeitsentwicklung Mirtazapin, Trazodon: Schlafkontinuität verbessert, Tiefschlafinduktion, REM neutral bis erhöht 25.11.2016 27 Antidepressiva-Effekte auf das Schlaf-EEG 25.11.2016 28 25.11.2016 30 GABA-A agonistische Substanzen Pregabalin Gabapentin Bei Schlafstörungen mit Schmerz u./o. Angst Intensivierung des Non-REM-Schlafs 25.11.2016 Präsentationstitel 29 25.11.2016 5 Thema/Anlass Antihistaminika Neuroleptika Einschlaflatenz verkürzt Keine konsistenten Effekte auf Schlafarchitektur bekannt Tiefschlafzunahme Ausser Olanzapin: fördert Tiefschlaf, erhöht REM-Schlaf Melperon u. Dipiperon: bei älteren Menschen, kaum anticholinerg Wirkverlust nach wenigen Tagen Anticholinerge UAW Keine Daten zur Langzeitanwendung UAW: EPMS, metabolisch 25.11.2016 31 25.11.2016 Phytotherapeutika 32 Melatonin Insgesamt aktuell kein überzeugender Wirksamkeitsnachweis Gute Verträglichkeit Nachgewiesene Wirkungen bei: Jet-lag verzögertes Schlafphasen-Syndrom SW-Rhythmusstörungen blinder Patienten Mögliche Wirkungen bei: Problematik primäre Insomnie, v.a. bei älteren Patienten (mit erniedrigtem endogenem Melatonin) Studienlage bzgl. Wirksamkeit nicht eindeutig, beschränkte Zulassung Unklare Dosierung, keine Sofortwirkung Keine Daten über Langzeitanwendung 25.11.2016 33 Substanzen mit sedierender Wirkung über NA-Rezeptoren 25.11.2016 34 25.11.2016 36 Orexinrezeptorantagonisten Orexin stabilisiert die Wachheit Orexin-Antagonisten (Suvorexant) wirken schlaffördernd Clonidin (Alpha2 Agonismus) Prazosin (Alpha1-Antagonist) Aktuell keine Zulassung Indikation bei schweren Albträumen 25.11.2016 Präsentationstitel 35 25.11.2016 6 Thema/Anlass Faktoren die Schlafstörungen aufrechterhalten Massnahmen zur Behebung Nicht medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten Körperliche Anspannung Muskelentspannung Aufklärung über Schlafregulation Schlafhygiene Entspannungsverfahren Geistige Anspannung Phantasiereisen, angenehme Gedanken, Chronotherapeutische Massnahmen: dtl. Tag-NachtKontrastierung (Licht, Aktivität) Schlafrestriktion, Schlafentzug Ungünstige Schlafgewohnheiten Regeln für gesunden Schlaf, Ruhebild Stimuluskontrolle, Schlafrestriktion Psychotherapie (v.a. KVT) Schlafbehindernde Gedanken Grübelstuhl, Gedankenstopp, Ersetzen negativer Gedanken und Erwartungen zum Schlaf durch schlaffördernde Gedanken 25.11.2016 37 Stimuluskontrolle 25.11.2016 38 Kognitive Interventionen Negative Gedanken „Acht Stunden Schlaf braucht der Mensch“ Konstruktive Alternative Zubettgehen nur bei Müdigkeit Bett ist nur zum Schlafen da Bei Einschlafschwierigkeiten, Bett nach 15 min. verlassen. „Die Spannbreite der benötigten Schlafdauer ist individuell sehr unterschiedlich.“ Rückkehr erst bei Müdigkeit Morgendliches Aufstehen immer zur gleichen Zeit, unabhängig von der Qualität des Schlafs und dem Müdigkeitsgefühl am Negative Gedanken Morgen „Wenn ich nicht genug schlafe, bin ich morgen nicht leistungsfähig.“ Konstruktive Alternative Kein Schlaf am Tag „Meine Leistungsfähigkeit ist nicht nur vom Schlaf abhängig. Auch nach einer schlechten Nacht hatte ich auch schon einiges geleistet.“ 25.11.2016 39 Regeln für einen gesunden Schlaf Nach Behandlungsbedürftigkeit nur bei eingeschränkter Tagesbefindlichkeit und Leistungsfähigkeit dem Mittagessen keine coffeinhaltigen Getränke (Kaffee, Schwarztee, Verzicht Keine weitgehend vermeiden und keinesfalls als Schlafmittel einsetzen Abklärung einer organischen, psychiatrischen oder medikamentösen Ursache (kausale Therapie) auf Appetitzügler schweren Mahlzeiten am Abend Regelmäßige Allmähliche Verhaltensorientierte Massnahmen immer vor medikamentöser Behandlung körperliche Aktivität Verringerung geistiger und körperlicher Anstrengung vor dem Medikamentöse Therapie: Zubettgehen Ein Im In Benzodiazepine / Benzodiazepinanaloga max. 4 Wochen persönliches Einschlafritual einführen bei längerfristig notwendiger Behandlung Antidepressiva oder Schlafzimmer für eine angenehme Atmosphäre sorgen Neuroleptika der Nacht nicht auf den Wecker oder die Armbanduhr schauen 25.11.2016 Präsentationstitel 40 Fazit Schlafstörungen Cola) mehr trinken Alkohol 25.11.2016 41 25.11.2016 25.11.2016 42 7