Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter 10.10.11 Marvin, 12a ¨ ¨ ¨ ANGST UND PANIKSTÖRUNGEN IM KINDES- UND JUGENDALTER Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Verweigerung des Schulbesuchs seit der 1.Klasse HS wenige Wochen nach Schulbeginn. Er hat Angst vor neuen, unbekannten Mitschülern Psychotherapie, dann kinder- und jugendpsychosomatische Station, dann EH, dann Schulwechsel. Fremdunterbringung aus Trennungsangst verweigert Wird aggressiv, wenn seine Mutter ihn in die Schule bringen will. Schreit sie an, greift ihr ins Lenkrad während der Fahrt, steigt nicht aus. Geht nicht mehr in den Fußballclub, läßt sich zur Abschlussfeier führen, steigt aber nicht aus. Schwitzt dann vor Angst sein T-Shirt durch Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Marvin,12 a Marvin, 12a Psychiatrische Symptome: ¨ Jede Abweichung von seinem Tagesablauf stört ihn ¨ Extreme Langeweile allein zu Haus´ ¨ Duscht sich mehrmals täglich ¨ Braucht ewig beim Umziehen, ist immer der Letzte ¨ Kratzt sich Hautstellen auf, nässt sein T-Shirt mit dem Mund ein, hält den Teddybären, der „die Katze nicht mag“ Marvins Störung: Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at ¨ ¨ ¨ F42.1 Zwangshandlungen F40.1 Sozialphobie Psychodynamik: Autonomie-Abhängigkeitskonflikt Auslöser: Traumatisches Erlebnis im Rahmen einer Polypen-OP im 3.Lj. mit schlechter Sedierung und unbegleitet über eine Stunde im Aufwachraum Erhaltende Bedingungen: Genetik, Trennung der Eltern im 4.Lj. Wollte nie mehr zu seinem Vater, der dies auch mit Gewalt zu erzwingen suchte Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 1 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter David, 13a Seit 2 Jahren sozialer Rückzug ¨ Zieht sich in sein Zimmer zurück ¨ Verstummt in Gesprächen ¨ Mobbing in der Schule seit der 2.Klasse ¨ Direktor hat Wind gemacht, das half zwei Wochen lang ¨ Als er zum Schulpsychologen musste, fand er das so unfair, dass er die Schule verweigerte ¨ 10.10.11 David, 13a Kinderpsychosomatische Abtlg rät von Aufnahme ab ¨ Hat Angst, gefragt zu werden, was mit ihm los sei ¨ Zu Hause unauffällig ¨ Bei Konzentration Leistungsangst, dann schlechte Ergebnisse. Bei Ablenkung gute Leistung ¨ Wehrt sich gegen die Hausaufgabe vor Angst, zu versagen ¨ Anspannung am Abend vor geplanten Schulbesuch ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at David, 13a Ehrgeizig, übt stundenlang, bis er es kann ¨ Wird wütend, wenn er etwas nicht schafft ¨ Schwierigkeiten im Kontaktaufbau zu Unbekannten ¨ Esse nur bekannte Speisen, ansonsten isst er halt nichts ¨ Rezidivierende Bauch- und Ohrenschmerzen ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at David, 13a ¨ ¨ Unter Gladem 50mg leichte Bessergung der Symptomatik, jedoch Entwicklung von schleimigblutigem Stuhl: Abgesetzt Unter Trittico 150mg ret 0-0-1/3 Schulbesuch zum Ablegen der Prüfungen, zugänglicher, mehr Interesse an allem Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 2 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter David, 13a 10.10.11 Angst Hausbeschulung April-Juni ¨ Konsultation bei verschiedenen Psychotherapeuten, die er alle ablehnte ¨ Im Sept drei erste Schultage, nach Wochenende wieder verweigert ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Furcht Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Phobie Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 3 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Panik 10.10.11 Angst, Depression und Aggression Serotonin-Transporter-Gen ¨ Frühkindliche Traumatisierung ¨ Angst: Amygdala ¨ Panik: 2 neurobologische Theorien ¨ ¤ Ncl. Präterminalis ¤ Hippocampus-Dysfunktion ¨ Genpolymorphismus Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Evolution Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Stress Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 4 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Bindungstheorie Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 10.10.11 Bindung Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Übergänge Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 5 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Rituale 10.10.11 Entwicklungsbedingte Ängste Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Viele Auffälligkeiten sind in bestimmten Entwicklungsphasen normal und transitorisch Beispiel: entwicklungstypische Ängste sensorische Phase, Objektkonstanz 1. LJ: fremde Menschen oder Gegenstände, laute Geräusche präoperationale Phase – animistisches Denken, Zentrierung auf selbst und Zustände 2-4. Lj: Tiere, Dunkelheit, Alleinsein präoperationale Phase mit Zunahme konkret operationalen und hypothetischen Denkens 4-6.Lj: Phantasiegestalten, Unwetter Selbstwertentwicklung 7-10.Lj:Schule, Versagen, Gesundheit, medizinische Eingriffe Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 6 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Fremdeln 10.10.11 Angststörungen der frühen Kindheit (220.) DC:0-3R - Achse I Angststörungen der frühen Kindheit (220.) • Diese müssen von entwicklungstypischen Ängsten und ängstlichem Temperament abgegrenzt werden. Störung mit Trennungsangst (221.) • exzessive Ängste vor einer befürchteten Trennung - oder nach einer Trennung von Bezugspersonen oder der gewohnten Umgebung • untröstbares Weinen • Selbstverletzung • persistierende Sorgen um die Bezugperson • Weigerung die gewohnte Umgebung zu verlassen und z.B. in den Kindergarten zu gehen • Weigerung, alleine zu sein • Anwesenheit von Bezugspersonen beim Einschlafen • Alpträume; somatische Beschwerden • Vermeidung von Aktivität. Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Angststörungen der frühen Kindheit (220.) DC:0-3R - Achse I Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at KITA-Studie: Aktuelle Psychopathologie von Vorschulkindern (N=107, Durchschnittsalter 6;3) Spezifische Phobie (222.) • exzessive, nicht entwicklungsadäquate, objektbezogene Ängste und Vermeidungshandlungen • Weinen, Wutanfälle und Klammerverhalten Störung mit sozialen Ängsten (Soziale Phobie) (223.) • ausgeprägte und persistierende Ängste vor einer oder mehreren fremden sozialen Situationen mit Gleichaltrigen und Erwachsenen (wie Geburtstags- und Familienfeiern, Spielkreisen, usw.) • Weinen, Panik, Wutanfällen, Rückzug, Erstarrung • Vermeidung der gefürchteten Situation und soziale Einschränkungen. Generalisierte Angststörung (224.) • exzessive, nicht kontrollierbare Ängste und Sorgen während verschiedener Aktivitäten • Unruhe, leichte Ermüdbarkeit, Konzentrationsstörungen, Wutanfälle, Gereiztheit, Anspannung und Schlafstörungen Angststörung, nicht näher bezeichnet (225.) Restkategorie Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 7 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Beziehung zur primären Bezugsperson DC:0-3R - Achse II Skala zur Einschätzung des globalen Funktionsniveaus (Parent-Infant Relationship Global Assessment Scale, PIR-GAS) Einschätzung der Beziehungsqualität 10.10.11 Beziehung zur primären Bezugsperson DC:0-3R - Achse II ¨ ¨ ¨ 10 Misshandelnd 20 Akut gefährdend ¨ 30 Schwer gestört 40 Gestört ¨ 50 Dysfunktional ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at ¨ ¨ ¨ ¨ 60 Gestresst 70 Unausgewogen 80 Etwas unausgewogen 90 Adaptiert (ausgewogen) 100 Gut adaptiert (ausgewogen) Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Trennungsangst Leitsymptome ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Übertriebene Sorge, einer Bezugsperson könnte etwas zustoßen und vor unvorhersehbaren Ereignissen, die zur Trennung führen könnten Verweigerung des Kindergarten oder Schulbesuchs Hartnäckige Weigerung, getrennt von der Bezugsperson zu schlafen Unangemessene Angst, ohne Bezugsperson zu Hause zu bleiben Wiederholte Alpträume in Bezug auf Trennungen Wiederholtes Auftreten somatischer Symptome (Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Kopfschmerzen) in Erwartung von, während und unmittelbar nach Trennungen Gereizt, aggressiv oder apathisch Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 8 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Phobische emotionale Störung 10.10.11 Phobische emotionale Störung Körperliche Reaktionen wie Bauchschmerzen, Herzkopfen, Schwitzen ¨ Fehlerhafte Kognitionen: „Ich kann das nicht“, „Das ist gefährlich“ ¨ Flight or fight ¨ freeze ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Volksschulalter Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 9 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Volksschulalter 10.10.11 Störung mit sozialer Ängstlichkeit Persistente oder wiederkehrende Ängste vor dem Kontakt mit Unbekannten ¨ Befangenheit ¨ Verlegenheit ¨ Übertriebene Sorge um angemessenes Verhalten ¨ Leid, Schweigen, Weinen, Unbehagen, sozialer Rückzug ¨ Unauffällige Kontakte zu Familienmitgliedern ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Sozialphobie ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Furcht, sich lächerlich zu machen oder gedemütigt zu werden Angst, sich zu blamieren, daher Schulverweigerung Selbstabwertung Inniges Verhältnis zu Familienmitgliedern Angst vor Essen, Sprechen in der Öffentlichkeit, Treffen mit dem anderen Geschlecht, alle Gruppenaktivitäten Soziale Isolation Altersuntypische, isolierte Interessen: Computer, Internet Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Jugendalter Reifungskrise ¨ Existenzangst ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 10 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Panikstörung Wiederholte und unvorhersehbare Panikattacken ¨ Treten auch aus dem Schlaf heraus auf ¨ Herzklopfen ¨ Schwitzen ¨ Mundtrockenheit ¨ Erstickungsgefühl ¨ Hyperventilation ¨ Brustschmerz ¨ Beklemmungsgefühl ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Umweltbedingte Ängste Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at 10.10.11 Panikstörung Übelkeit ¨ Magen-Darm-Beschwerden ¨ Schwindel ¨ Derealisation und Depersonalisation ¨ Angst, die Kontrolle zu verlieren, verrückt zu werden oder zu sterben ¨ Hitzegefühl oder Kälteschauer ¨ Parästhesien ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Verarbeitung von Kindern Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 11 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Entwicklung ¨ 10.10.11 Pathologische Angst Ängste sind die Grundlage für Entwicklung und Lernen neuer Strategien Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Franz Resch 2006 Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Epidemiologie ¨ 10% der Kinder im 8.Lj. geben die Vollsymptomatik einer Angsterkrankung an ¤ Spezifische Phobien am häufigsten Trennungsangst ¤ Dann Sozialphobie ¤ Agoraphobie ¤ Selten: generalisierte Ansgtstörungen ¤ Dann ¨ Bis zum Jugendalter: ¤ Keine unspezifischen Panikstörungen! Panikanfälle aufgrund entwicklungstypischer Ängste ¤ Volle Panikstörung erst im Erwachsenenalter ¤ Dafür Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 12 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Komorbidität zu Angststörungen ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ 60% leiden an zwei, 30% an drei spezifischen Ängsten Depressive Störungen: 28-69%, besonders bei Agoraphobie (umgekehrt 21-51%) Angststörungen gehen in der Regel depressiven Störungen voraus (Gerhard Roth): gelernte Hilflosigkeit Störung des Sozialverhaltens: 8-27% Elektiver Mutismus 10.10.11 Beginn der Erkrankung ¨ ¨ ¨ ¨ Bei emotionaler Störung mit Trennungsangst im Kindesalter: 25% ADHS-Kinder Durchschnittlicher Diagnosezeitpunkt aller Angststörungen insg: 11.Lj. Spezifische Phobien und Störung mit Trennungsangst: 7.Lj. 75% aller Angststörungen beginnen im Kindes- und Jugendalter Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Verlauf der Erkrankung 46% der Kinder haben ihre Angststörung auch nach 8 Jahren noch ¨ 82% der behandelten Kinder verlieren ihre Angststörung, 60% davon im ersten Behandlungsjahr ¨ ¤ 96% Remission bei behandelter Trennungsangst ¤ 70% Remission bei Panikstörungen ¤ 30% Relaps mit psychiatrischer Störung, 50% mit derselben Angststörung ¨ Schlechtere Prognose bei komorbiden Störungen Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Prognose im 20.-29.Lj. Bei Erstdiagnose im 7.-12.Lj. ¨ Psychiatrische Störungen häufiger Leben häufiger bei ihren Eltern als Gleichaltrige Bekommen weniger Kinder ¨ Erhöhtes Risiko für ¨ ¨ ¤ ¤ ¤ ¤ ¤ ¤ ¤ ¤ Panikstörung Spezifische Phobie Generalisierte Angststörung Zwangsstörung Bipolare Störung Schmerzstörung Alkoholabhängigkeit Aggression Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 13 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter 10.10.11 Wachstum durch Angst Maximilian, 11a Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Maximilian, 11a Im Kindergarten „schlimm“ gewesen ¨ Im zweiten Kindergarten gut gelaufen ¨ „gemobbt“ ab der 3.Klasse VS, erlebt subjektiv, mit Stöcken geschlagen und von den Lehrern missachtet zu werden. Erlebt sich als Opfer, das sich körperlich wehren muß ¨ In der HS fühlt er sich körperlich bedroht ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Maximilian, 11a ¨ In der Nachmittagsbetreuung in der Schule aufwendiges Verhalten: er strippt in der Klasse, steckt sich Schokolade in den After und isst diese dann, beschimpft ausländische Mitschüler, wenn diese sich von ihm distanzlos behandelt fühlen. Beschimpft vor der Klasse seine eigene Mutter als „Hure“, schreibt vor den Mitschülern in Facebook, seine Mutter „arbeite in einem Puff“. Muss ständig im Mittelpunkt stehen. Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 14 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Maximilian, 11a Zu Hause Kampf um jede Hausübung, droht der Mutter mit dem Messer, ritzt Schimpfwörter in den Parkettboden, wirft Gegenstände aus dem Fenster. ¨ Distanzlos Unbekannten gegenüber, kann Autorität, Regeln und Grenzen nicht akzeptieren ¨ Abends Angst vor der Dunkelheit, vor Geistern, im Keller, wird ohnmächtig vor Angst bei medizinischen Eingriffen wie Gipsen eines Bruches. ¨ 10.10.11 Maximilian, 11a ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Schlechter Selbstwert, geringe Frustrationstoleranz Lustlos, interesselos, gereizt, anhedon, depressiv, Leeregefühl, Langeweile, verminderter Antrieb Kopfschmerzen seit Jahren, Verspannungen in Beinen und Armen, Jucken verbunden mit Gereiztheit, Müdigkeit, Erschöpfung mit Opposition, Nägelbeissen Wurde und wird aggressiv nach Trennungen. kann sich nicht selbst beschäftigen Kann kein Lob akzeptieren Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Maximilian, 11a Maximilian, 11a Maximilians Störung: ¨ F43.1 Sequentielle komplexe Traumatisierungsstörung ¨ F32.1 Bipolare Störung ¨ F41.1 Generalisierte Angststörung Ursache: Gewalttätiger Vater 0.-5.Lm, dann Frauenhaus, danach Anraten der behandelnden Psychologen, bei Maximilian seien trotz massiver Angst vor seinem Vater die Besuchskontakte bei diesem durchzuführen. Vater drogenabhängig, bipolare Störung, Stalking der Mutter bis zum 5.Lj. Dann Hochzeit mit Stiefvater, seither extrem unterstützende Familienverhältnisse. Dennoch: weiterhin Besuchskontakte beim Vater auf Anraten des Jugendamts und der behandelnden Psychologen Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 15 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter 10.10.11 Risikobeispiel: Hannah, 14a Hannah, 14a Häufiges Ausbleiben des Schulbesuchs ¨ Konsekutiv unbeurteilt in der 3.Klasse AHS, daher Wiederholung ¨ Extreme Angst vor der Schule ¨ Angst, von Mitschülern körperlich attackiert zu werden ¨ Sie sei voriges Jahr von Mitschülern einmal beschimpft worden ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Hannah, 14a In der Früh vor dem Schulbesuch Übelkeit ¨ Stirnbetonte Kopfschmerzen ¨ Kann sich nicht mehr konzentrieren ¨ Denkt und handelt verlangsamt ¨ Ritzt sich tief und vielfach ¨ Die Lautstärke in der Schule wird ihr vor allem in den Pausen zu viel ¨ Häufig Streit mit der Mutter über den Schulbesuch ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Hannah, 14a Suizidale Impulse: Plant, von einem Hochhaus zu springen oder sich die Pulsadern aufzuschneiden ¨ Hat so das Gefühl, die Mitschüler schweben über den Schulgang ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 16 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Hannah, 14a ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Kommt in der Früh einfach nicht aus dem Bett Massive Schlafstörung, schläft nur 2-4 Stunden pro Nacht, telefoniert mit ihrer Freundin von 2-6 Uhr früh Zu Hause Angst vor der Türklingel, da könnten Einbrecher oder Hunde hereinstürmen Hebt am Handy ab und bemerkt dann, dass niemand dran ist, hat es aber klingeln gehört Angst, in der Nacht umgebracht zu werden Sieht in der Nacht im Bett liegend rotglühende Asche zu Boden fallen Wenn sie in den Spiegel sieht, graut ihr vor ihrem verzerrten Gesicht 10.10.11 Hannah, 14a Hannahs Störung: F 32.3 Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen Hintergrund: Psychiatrisch erkrankter Vater, teilt eigene Diagnose nicht mit, aber mehrere Psychiatrie-Aufenthalte. Trennung der Eltern schon im Säuglingsalter. Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Hannah, 14a Hannah, 14a Reaktion der Schule auf Mitteilen der Diagnose durch die Mutter: ¨ ¨ Information der gesamten Klasse mit Diagnose vor dem Wiederkommen Hannahs ¨ Reaktion des Elternvereins gegen die Beschulung ihrer Kinder an Seite einer psychiatrisch erkrankten Mitschülerin ¨ Vorschlag seitens des Direktors, die Schule freiwillig zu verlassen ¨ ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at ¨ ¨ ¨ Verstärkung von Hannahs psychotischen Schulängsten durch die reale Ablehnung in ihrer Schule Versuch des Schulwechsels Die von mir empfohlene Schule lehnt das Mädchen trotz Kooperation mit der Schulärztin wegen meines Befundes ab Das Mädchen durchgehend kooperativ, soweit das ihre Krankheit erlaubt Inzwischen psychopharmakologisch stabilisiert, dennoch Ablehnung seitens der beiden Schulen Seit September 2011 dritte Schule mit sehr unterstützenden Lehrern Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 17 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Leitlinien DGKJP Angstsymptomatik 10.10.11 Leitlinien DGKJP Soziale Angst Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Leitlinien Trennungsangst DGKJP Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at ICD-10 ¨ Angststörungen im Kindesalter ¤ Emotionale Störungen des Kindesalters F93 n n n F93.0 Emotionale Störung mit Trennungsangst F93.1 Störung mit sozialer Überempfindlichkeit F93.80 generalisierte Angststörung des Kindesalters ¨ Angststörungen, die in jeder Altersstufe beginnen können ¤ F40 phobische Störungen n n n ¤ F41 Sonstige Angststörungen n n n n Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at F40.0 Agoraphobie F40.1 soziale Phobie F40.2 Spezifische Phobie F41.0 Panikstörung F41.1 Generalisierte Angststörung F41.2 Angst und depressive Störung gemischt F41.3 Sonstige gemischte Angststörung Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 18 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter Psychopharmaka bei Angststörungen im KJ-Alter Therapie Beratung ¨ Psychotherapie ¨ Familienintervention ¨ Psychopharmakothera pie nur in Kombination ¨ 10.10.11 Ambulant ¨ Teilstationär ¨ Stationär ¨ ¨ In Abhängigkeit von der Schwere der Symptomatik SSRI´s ¨ Trizyklische Antidepressiva ¨ Buspiron ¨ Benzodiazepine ¨ ß-Rezeptoren-Blocker ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Psychopharmaka bei Angststörungen im KJ-Alter ¨ Offiziell: ¨ Inoffiziell Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Literatur ¨ ¨ ¨ ¨ 1.Wahl: SSRI´s 2.Wahl: Trizyklische Antidepressiva ¨ ¨ 1.Wahl: SSRI´s 2.Wahl: Trazodon (Trittico) oder Efectin ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at Dr. Christoph Gö>l www.kinder-­‐jugendpsychiatrie.at Wenig Studien ¨ Off-label-use ¨ American Academy of Child and Adolescent Psychiatry. (kein Datum). Practice Parameters for the Assessment and treatment of children and adolescent with anxiety disorders. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry , 36. Angold, A., & Costello, E. (1993). Depressive comorbidity in children and adolescents: Empirical, theoretical and methodological issues. Am J Psychiatry , 150, S. 1779-91. Brückl, T., Wittchen, H., Höfler, M., Pfister, H., Schneider, S., & Lieb, R. (2007). Childhood separation anxiety and the risk for subsequent psychopathology. Psychoth Psychosom , 76, S. 47-56. Federer, M., Schneider, S., & Margraf, J. (2000a). Leiden schon 8-jährige an Panik? Z Kinder Jugendpsychiatrie Psychother , 28, S. 205-14. Kashani, J., & Orvaschel, H. (1988). A community study of anxiety in children and adolescents. Am J Psychiatry , 145, S. 960-4. Kashani, J., & Orvaschel, H. (1990). A community study of anxiety in children and adolescents. Am J Psychiatry , 147, S. 313-8. Kessler, R., & Merikangas, K. (2004). The National Comorbity Survey Replication (NCS-R): background and aims. Int J Methods Psychiatr Res , 13, S. 60-8. Dr. Christoph Göttl www.kinder-jugendpsychiatrie.at 19 Angst-­‐ und Panikstörungen im Kindes-­‐ und Jugendalter 10.10.11 Literatur ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Kovacs, M., Gatsonis, C., & Paulaskas, S. (1989). Depressive disorders in childhood: IV. A longitudinal study of comorbidity with and risk for anxiety disorders. Arch Gen Psychiatry , 46, S. 776-82. Last, C., Perrin, S., Hersen, M., & Kazdin, A. (1996). A prospective study of childhood anxiety disorders. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry , 35, S. 1502-10. Last, C., Perrin, S., Hersen, M., & Kazdin, A. (1992). DSM-III-R anxiety disorders in children: sociodemographic and clinical characteristics. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry , 31, S. 1070-6. Roth, G. (1.-4.. 10 2009). Psychoanalyse und psychoanalytische Therapie aus Sicht der Hirnforschung. 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