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Hintergrundinformationen
Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Herz-Kreislauferkrankungen
Über Jahrzehnte hinweg galten Herz-Kreislauferkrankungen wie Angina pectoris, Herzinfarkt oder
Schlaganfall als typische Männerleiden. Mittlerweile zeigt eine Vielzahl von Untersuchungen jedoch,
dass auch Frauen hiervon in immer stärkerem Maße betroffen sind – heute stellen HerzKreislauferkrankungen beim weiblichen ebenso wie beim männlichen Geschlecht die häufigste
Todesursache dar. Bei Frauen besteht im Falle einer solchen Erkrankung jedoch oft ein höheres
Mortalitätsrisiko, wie das Beispiel Herzinfarkt zeigt, der bei Männern zwar häufiger auftritt, bei
Frauen aber öfter zum Tode führt.
Hierzu trägt neben dem generell höheren Alter der Frauen bei diesen Ereignissen auch die
schlechtere Versorgungsqualität bei, da die Symptome von Herz-Kreislauferkrankungen bei Frauen
sich teilweise deutlich von denen bei Männern unterscheiden – daher werden die Krankheiten bei
ihnen oftmals erst sehr später erkannt. Darüber hinaus wurden in Studien zu vielen Herz-KreislaufMedikamenten bisher vorwiegend männliche Patienten eingeschlossen, sodass ihre Wirkungen und
Nebenwirkungen bei Frauen häufig nur unzureichend untersucht sind. Neuere Daten zeigen
überdies, dass einige Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen, etwa Diabetes, bei Männern
und Frauen unterschiedlich gewichtet werden müssen, was in der Prävention zu beachten ist. Für
eine bessere Vorbeugung ist zudem eine umfassende Aufklärung der Frauen über das Herz-KreislaufRisiko notwendig, das von ihnen im Gegensatz zu den Männern bisher noch kaum wahrgenommen
wird. Ein Grund hierfür könnte sein, dass Frauen denken, Herz-Kreislauferkrankungen seien eher mit
männlichem Geschlecht assoziiert – in einer repräsentativen Forsa-Umfrage1 aus dem Jahr 2011
unter 1.003 Frauen vermuteten 60 Prozent der Befragten, das Risiko für eine solche Krankheit liege
bei Männern vergleichsweise höher. 50 Prozent der Frauen bewerteten ihr eigenes Risiko für eine
Herz-Kreislauferkrankung mit „gering“ (35 %) oder sogar „sehr gering“ (15 %).
1
Epidemiologie
Koronare Herzerkrankung und Myokardinfarkt sind heute in Deutschland bei Frauen fast so
verbreitet wie bei Männern, treten aber, wohl aufgrund der schützenden Wirkung von Östrogen, in
der Regel etwa zehn Jahre später auf.2 Während sich jedoch die Inzidenz von Herzinfarkten bei
Männern zwischen 1985 und 2003 von 586/100.000 auf 372/100.000 deutlich reduzierte, fiel dieser
Rückgang bei Frauen deutlich geringer aus (141/100.000 auf 121/100.000).3 Hierzu trägt
insbesondere der Anstieg der Inzidenz bei jüngeren Frauen bei, der mit der heutigen höheren
Stressbelastung von Frauen im Beruf und dem weiterhin wachsenden Anteil jüngerer Raucherinnen
assoziiert ist. Aktuelle Todesfallzahlen für Europa zeigen, dass von den unter 75-jährigen Männern
20 Prozent an einer koronaren Herzerkrankung versterben, während es bei den Frauen 18 Prozent
sind. Letztere sterben jedoch häufiger an einem Schlaganfall (14 vs. 9 %) und anderen HerzKreislauferkrankungen (10 vs. 9 %).2
Geschlechtsspezifische Unterschiede in den Krankheitsbildern
Koronare Herzerkrankung und Myokardinfarkt
Die koronare Herzerkrankung basiert auf einer Arteriosklerose der Herzkranzgefäße. Hierbei bilden
sich an den Innenwänden der Koronararterien herdförmige Ansammlungen (Plaques) aus Fetten,
Kohlenhydraten, Bindegewebe, Blutbestandteilen und Kalzium, die das Lumen der Gefäße verengen.
Je nach Ausmaß der Stenose wird hierdurch die Durchblutung des Herzmuskels eingeschränkt, was
bei körperlicher Belastung oder Stress zu einer Angina pectoris führen kann, einem anfallsartigen
Engegefühl, Brennen und Schmerzen in der Brust. Dieser stabilen Angina pectoris steht die instabile
gegenüber, bei der die Symptomatik bereits in Ruhe auftritt und die eine unmittelbare Gefahr für
einen Myokardinfarkt darstellt. Hierbei kommt es zu einem Aufreißen eines Plaques mit
anschließender Thrombusbildung durch eine Aktivierung des Blutgerinnungssystems. Dies bewirkt
einen vollständigen Gefäßverschluss, sodass die betroffene Herzmuskelregion nach wenigen
Minuten abstirbt. Alternativ können Plaques jedoch auch erodieren, wobei die freigesetzten
2
Bruchstücke zu Verschlüssen in der Mikrozirkulation des Herzens führen, was bei Frauen
vergleichsweise häufig der Fall ist.4
Frauen suchen wegen einer Belastungsangina seltener den Arzt auf und zeigen häufig auch andere
Symptome bei einem Infarkt.5, 6 Während bei drei Vierteln der Männer ein Infarkt mit typischem
linksseitigem Brustschmerz einhergeht, ist dies bei Frauen nur bei etwa zwei Dritteln der Fall. Bei
Frauen zeigen sich häufiger eher atypische Symptome wie Atemnot, Bauchschmerzen und Übelkeit,
was die Diagnose verzögern und somit die Infarktsterblichkeit erhöhen kann. Diese ist gerade bei
jüngeren Frauen höher als bei altersgleichen Männern. Als Ursache hierfür vermutet man, dass es
bei ihnen oft trotz noch offener Herzkranzgefäße zum Infarkt kommt, was mit der herkömmlichen
Methode der Koronarangiographie nicht nachweisbar ist, sodass keine rechtzeitige Intervention
erfolgt.7 Erst bei Frauen über 55 Jahren kommt es vermehrt zum „typisch männlichen“ Herzinfarkt
mit Plaque-Ruptur, wobei jedoch auch bei ihnen die Sterblichkeit vor der Hospitalisierung sowie im
Krankenhaus höher ist.8 Neben dem höheren Alter der Patientinnen spielen hierbei offenbar
vermehrte Blutungskomplikationen bei der Katheterisierung und Thrombolyse eine Rolle.9 Auch
nach einer Bypassoperation ist das Frühmortalitätsrisiko von Frauen höher als das von Männern,
was vor allem für die Patientinnen unter 50 Jahren gilt, bei denen es mehr als doppelt so hoch ist als
in der gleichaltrigen Vergleichsgruppe.10, 11
Herzinsuffizienz
Neben anderen Ursachen wie Hypertonie oder Diabetes ist eine chronische Herzschwäche häufig die
Folge eines Infarktes, denn das Herz versucht, die durch den geschädigten Herzmuskel verminderte
Pumpleistung durch Größenwachstum und höhere Frequenz zu kompensieren. Die chronische
Überanstrengung führt jedoch nach einiger Zeit zu einer Schwäche der Herzmuskulatur und damit zu
eingeschränktem Bluttransport, wodurch es zunächst unter Belastung und später auch in Ruhe zur
Atemnot kommt (systolische Insuffizienz). Umgekehrt kann jedoch auch die Dehnbarkeit des
Herzmuskels beeinträchtigt sein – mit der Folge, dass die Herzkammern sich nur noch unvollständig
mit Blut füllen, was ebenfalls die Pumpleistung beeinträchtigt und zur Atemnot führt (diastolische
3
Insuffizienz). Bei Männern tritt vorwiegend die systolische Variante auf, die durch ein
Echokardiogramm relativ leicht nachweisbar ist. Aufgrund der höheren Prävalenz von Hypertonie
und Diabetes leiden Frauen jedoch eher an der diastolischen Form12, die schwerer nachweisbar ist.
Gerade bei adipösen und älteren Frauen ist es zudem oft schwierig, die Zeichen und Symptome
einer Herzinsuffizienz wie Abgeschlagenheit und chronische Müdigkeit (Fatigue) richtig zu deuten.2
Hinzu kommt, dass auch die bisherigen Leitlinien zur Therapie der Herzinsuffizienz den
geschlechtsspezifischen Unterschieden noch zu wenig Beachtung schenken.
Herzrhythmusstörungen
Frauenherzen besitzen eine höhere Ruhefrequenz und damit eine niedrigere Erholungszeit als die
von Männern, wobei ihre Schlagfrequenz größeren Schwankungen unterliegt. Unterschiede in der
elektrischen Erregung des Herzens führen dazu, dass bei Frauen andere Herzrhythmusstörungen im
Vordergrund stehen als bei Männern. So sterben sie bei bekannter koronarer Herzerkrankung zwar
seltener am plötzlichen Herztod als Männer, bei scheinbar völliger Gesundheit aber häufiger. Auch
sind sie anfälliger gegenüber bestimmten, seltenen Tachykardien, die zum tödlichen
Kammerflimmern führen können. Auch eine als Long QT-Syndrom bekannte maligne ventrikuläre
Arrhythmie tritt bei Frauen häufiger auf.13 Bei Vorhofflimmern, einer häufigen Rhythmusstörung, die
zu einem unregelmäßigen Herzschlag führt, sind Frauen stärker gefährdet als Männer, einen
Schlaganfall zu erleiden.
Geschlechtspezifische Unterschiede bei Herz-Kreislauf-Medikamenten
Herz-Kreislauf-Medikamente wie ASS, Digitalis, Betablocker oder ACE-Hemmer weisen bei Frauen
und Männern nicht selten unterschiedliche Wirkungen und Nebenwirkungen auf. Da der Großteil
der klinischen Studien hierzu jedoch meist nur einen kleinen Frauenanteil aufwies, sind diese
Differenzen erst in den letzten Jahren vermehrt ans Licht gekommen. So ist etwa ASS bei jüngeren
Frauen unwirksam zur Prävention eines ersten Herzinfarkts, reduziert jedoch das Schlaganfallrisiko,
4
während es bei Männern über 50 umgekehrt ist.14 Digitalis als Mittel gegen Herzinsuffizienz führte
bei Frauen hingegen zu einer höheren Mortalität als bei Männern.15 Betablocker gegen Hypertonie
und koronare Herzkrankheit sind bei beiden Geschlechtern zwar ähnlich effektiv, besitzen jedoch
teilweise Unterschiede in der Pharmakokinetik, sodass Frauen niedrigere Dosen benötigen um
Nebenwirkungen zu vermeiden.13 Auch ACE-Hemmer gegen Herzinsuffizienz und Hypertonie sind bei
Frauen wirksam, zeigen jedoch bei ihnen ein anderes Nebenwirkungsprofil, wie etwa eine höhere
Inzidenz an Reizhusten.16 Ebenfalls zu beachten ist , dass das ohnehin höhere Risiko für Arrhythmien
bei Frauen durch die Gabe von Diuretika und damit verbundene Störungen des Natrium-KaliumStoffwechsels weiter verstärkt werden kann.13 In dieser Hinsicht reagieren sie auch deutlich
empfindlicher auf Kalziumkanal-Blocker und andere Medikamente, die die QT-Zeit verlängern, wie
etwa Antihistaminika, Antidepressiva oder Antibiotika.17
Differenzen bei Risikofaktoren beachten
Zwar sind die Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie, Adipositas und Diabetes für HerzKreislauferkrankungen bei Frauen und Männern im wesentlichen gleich, jedoch bestehen teilweise
deutliche Unterschiede hinsichtlich ihrer Prävalenz und ihres Einflusses. So erkranken Frauen nach
der Menopause häufiger als Männer an Bluthochdruck, sodass schon aufgrund der höheren
Lebenserwartung rund 60 Prozent der Hypertoniker weiblich sind. Zudem erhöht sich der systolische
Blutdruck bei Frauen mit dem Alter stärker als bei Männern, womit für sie ein höheres Risiko für
kardiovaskuläre Ereignisse wie Myokardinfarkt, Schlaganfall oder Herzinsuffizienz entsteht.18 Bei
hypertensiven Frauen ist die Inzidenz von Schlaganfällen zudem höher als bei Männern mit
vergleichbar hohem Blutdruck.13
Adipositas und Bewegungsmangel sind ebenfalls wichtige Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen. Frauen profitieren jedoch deutlich stärker von regelmäßiger Bewegung als Männer,
ungeachtet der hierdurch erreichten Gewichtsreduktion.13 Adipositas ist auch ein wesentlicher
Risikofaktor für die Entstehung einer Glukoseintoleranz oder eines Typ-II-Diabetes, der bei Frauen
mit einer höheren kardiovaskulären Gefährdung einhergeht als bei Männern. Während sich bei
5
Frauen hierdurch das Risiko für einen Myokardinfarkt um den Faktor drei bis sechs erhöht, steigt es
bei Männern nur um das Zwei- bis Vierfache.19 Diabetikerinnen haben darüber hinaus ein größeres
Risiko, dass ein Infarkt eine Herzinsuffizienz nach sich zieht.20 Ein höheres kardiovaskuläres Risiko als
bei Männern besteht bei Frauen auch durch niedrige HDL- und hohe Triglycerid-Werte.21 Besonders
bei jüngeren Frauen erhöht zudem das Rauchen das Risiko für eine ischämische Herzerkrankung im
Vergleich zu Männern um ca. 60 Prozent.22
Trotz dieser Unterschiede werden Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen in Deutschland
und Europa bei Frauen oft weniger intensiv behandelt als bei Männern. So erhalten Frauen etwa
signifikant seltener Statine zur Senkung des Cholesterinspiegels23 oder werden seltener mit
modernen Blutdrucksenkern behandelt.24
Fazit
Herz-Kreislauferkrankungen sind hierzulande heute die führende Todesursache bei beiden
Geschlechtern. Frauen sind sich dieses Risikos jedoch häufig immer noch nicht bewusst und sehen
beispielweise Brustkrebs als deutlich bedrohlicher an. 62 Prozent der im Rahmen der ForsaErhebung befragten Frauen vermuteten eine Krebserkrankung als häufigsten Todesgrund bei
Frauen, nur knapp jede dritte (31 %) dachte bei dieser Frage an Herz-Kreislauferkrankungen. Umso
wichtiger ist es, Frauen verstärkt über diese Erkrankungen sowie die Vermeidung ihrer
Risikofaktoren und über geeignete Präventionsmaßnahmen aufzuklären. Wesentlich ist jedoch auch,
dass in der Prävention, Diagnose und Therapie von Herz-Kreislauferkrankungen die Erkenntnisse
über geschlechtsspezifische Unterschiede künftig mehr Beachtung finden. Dies gilt nicht zuletzt auch
bei der Konzeption klinischer Studien für neue Medikamente, die einen ausreichend hohen Anteil an
Frauen aufweisen müssen, um unterschiedliche Wirkungen und Nebenwirkungen zu demonstrieren
sowie eine korrekte Dosierung zu ermöglichen.
6
Quellen
1
Forsa-Umfrage „Gesundheit bei Frauen“, Auftraggeber: Coca-Cola GmbH, Zeitraum: 31. Oktober – 3. November,
Grundgesamtheit: Die in Privathaushalten in Deutschland lebenden deutschsprachigen Frauen ab 14 Jahre,
Stichprobengröße: 1.003 Personen, Erhebungsmethode: Computergestützte Telefoninterviews (CATI)
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