Reinhard Hünerberg / Andreas Mann (Hrsg.) Ganzheitliche

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Reinhard Hünerberg / Andreas Mann (Hrsg.)
Ganzheitliche Unternehmensführung
in dynamischen Märkten
GABLER RESEARCH
Forum Marketing
Herausgegeben von
Professor Dr. Reinhard Hünerberg, Universität Kassel,
Professor Dr. Andreas Mann, Universität Kassel,
Professor Dr. Stefan Müller, Technische Universität Dresden und
Professor Dr. Armin Töpfer, Technische Universität Dresden
Die zunehmende Globalisierung führt zu einem verschärften Wettbewerb, vor allem
in den Bereichen Qualität, Zeit und Kosten. Vor diesem Hintergrund werden in der
Schriftenreihe aktuelle Forschungsergebnisse sowohl zu strategischen Fragen der
marktorientierten Unternehmensführung als auch zur operativen Unsetzung durch
konsequente Kundenorientierung präsentiert. Dazu werden innovative Konzeptionen
entwickelt, theoretische Ursache-Wirkungs-Beziehungen analysiert und pragmatische Gestaltungsempfehlungen gegeben.
Reinhard Hünerberg
Andreas Mann (Hrsg.)
Ganzheitliche
Unternehmensführung
in dynamischen Märkten
Festschrift für Univ.-Prof. Dr. Armin Töpfer
Mit Beiträgen von:
Ingo Balderjahn, Fred G. Becker, Wolfgang Becker,
Marc-Oliver Blockus, Klaus Bodensteiner,
Ronald Bogaschewsky, Manfred Bruhn, Rolf Bühner,
Michael W. Busch, Sören Dressler, Elgar Fleisch,
Carina Gebhart, Marco Gießmann, Rüdiger Grube,
Sven Henkel, Reinhard Hünerberg, Dieter Köster,
Juliane Krebs, Christian Kunz, Volker Kurfess,
Rainer Lasch, Frank Lasogga, Daniela Lehr, Michael Leyer,
Stephan Mangliers, Andreas Mann, Susan Meixner,
Anton Meyer, Jürgen Moormann, Stefan Müller,
Günter Müller-Stewens, Andreas Munzel, Shamsey Oloko,
Wolfgang Pfau, Thomas Rachfall, Marko Sarstedt,
Manfred Schwaiger, Torsten Tomczak, Christoph Ullmer,
Dietrich von der Oelsnitz, Benjamin von Walter,
Stefan Wünschmann, Joachim Zentes
RESEARCH
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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1. Auflage 2009
Alle Rechte vorbehalten
© Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009
Lektorat: Claudia Jeske | Britta Göhrisch-Radmacher
Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.
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wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-8349-1244-2
Vorwort
Am 1. April 2009 hat der Mitbegründer der Schriftenreihe „Forum Marketing“
im Gabler-Verlag, Herr Professor Dr. Armin Töpfer, seinen 65. Geburtstag
gefeiert. Ein Grund für uns, die Mitherausgeber der Schriftenreihe, den Jubilar
mit einer Festschrift für sein wissenschaftliches Lebenswerk zu ehren. Kollegen,
Weggefährten und Schüler von Armin Töpfer präsentieren im vorliegenden
Sammelband aktuelle Forschungsergebnisse zu den Arbeits- und Forschungsbereichen, in denen Armin Töpfer schwerpunktmäßig tätig war und ist.
Zur Erstellung der Festschrift haben neben den Autoren auch einige
Mitarbeiter des Fachgebiets Marketing und des SVI-Stiftungslehrstuhls für
Dialogmarketing an der Universität Kassel wertvolle Unterstützung geleistet.
Namentlich zu erwähnen sind Frau Dipl.-Oec. Andrea Liese, Frau Dipl.-Oec.
Elina Saida und Frau Martina Tisafalvi, die an den Vorbereitungen zur
Drucklegung des Manuskripts tatkräftig mitgearbeitet haben. Ihnen und den
Autoren gilt unser herzlicher Dank für ihre Beteiligung an der Erstellung
des Sammelbandes. Ein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Rüdiger Grube und
der M+M Management + Marketing Consulting GmbH in Kassel, die den Druck
der Festschrift ermöglicht haben.
Wir hoffen, dass die vorliegende Festschrift Beachtung in Wissenschaft und
Unternehmenspraxis erfährt und zu weiterer Forschung sowie praktischen
Umsetzungen anregt. Dem Jubilar wünschen wir auch weiterhin Schaffenskraft
und wissenschaftliche Neugierde in seinem neuen Lebensabschnitt.
Prof. Dr. Reinhard Hünerberg
Fachgebiet Marketing,
Universität Kassel
Prof. Dr. Andreas Mann
SVI-Stiftungslehrstuhl
für Dialogmarketing,
Universität Kassel
Kassel, im Mai 2009
Inhaltsverzeichnis
Vorwort .............................................................................................................V
Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen an die
Unternehmensführung ........................................................................................1
Reinhard Hünerberg / Andreas Mann
Erster Teil: Komplexitäts- und Innovationsmanagement
„Jedes Geschäft ist ‚global-lokal‘: Die Zukunft der Automobilindustrie“ .........17
Rüdiger Grube
Komplexität bei Dienstleistungen .....................................................................27
Manfred Bruhn / Marc-Oliver Blockus
Strategische Orientierungen des Innovationsmanagements in Handel und
Konsumgüterindustrie .......................................................................................49
Joachim Zentes / Juliane Krebs
Der Einfluss der RFID-Technologie auf die Unternehmensführung ................69
Elgar Fleisch / Günter Müller-Stewens
Qualitäts- und Komplexitätsmanagement - Parallelitäten und Interaktionen
zweier Managementdisziplinen ........................................................................93
Rainer Lasch / Marco Gießmann
Human- und technologieorientiertes Wissensmanagement als Basis für
Innovationen – Ein Vergleich zwischen KMU und Großunternehmen ..........125
Wolfgang Pfau / Stephan Mangliers
Innovationscontrolling von Technologieprojekten in der regenerativen
Energiebranche ...............................................................................................143
Sören Dressler / Thomas Rachfall
VIII
Inhaltsverzeichnis
Zur Komplexität von Marketinginstrumenten – Konzeptionelle Überlegungen
zu einer innovativen Integration von Kommunikation und Distribution als
Herausforderung an eine marktorientierte Unternehmensführung ..................165
Reinhard Hünerberg
Zweiter Teil: Unternehmens- und Mitarbeiterführung
Ganzheitliches Supply Management in international
agierenden Unternehmen ................................................................................187
Ronald Bogaschewsky
Ganzheitliches Produktmanagement – Architektur,
Betrachtungsperspektiven und Methoden .......................................................205
Wolfgang Becker / Christian Kunz
Cause related Marketing als Instrument zur strategischen
Unternehmensführung ....................................................................................233
Shamsey Oloko / Ingo Balderjahn
Teamlernen: Ansatzpunkte und Erfolgsvoraussetzungen ...............................249
Dietrich von der Oelsnitz / Michael W. Busch
Die Führungs-Paradox-These: Führungsunterstützung bei zeitkritischen
Projektteams und Auswirkungen auf den Projekterfolg .................................273
Rolf Bühner / Carina N. Gebhart
Roadmap to Brand Behavior - Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen ...307
Torsten Tomczak / Sven Henkel / Benjamin von Walter
Demografieorientierte (= marktorientierte) Personalarbeit .............................327
Fred G. Becker
Dritter Teil: CRM und Qualität
Beziehungswert und Beziehungsintelligenz – Integration und Interdependenz
der kunden- und unternehmensseitigen Perspektive durch intelligentes
Beziehungsmanagement .................................................................................353
Anton Meyer / Andreas Munzel / Christoph Ullmer
Inhaltsverzeichnis
IX
Erfolgsparameter exzellenter Customer Relationship ManagementAnsätze ............................................................................................................375
Frank Lasogga
Kundenzufriedenheit, Beschwerdeverhalten und Beschwerdezufriedenheit:
Ein Überblick ..................................................................................................395
Stefan Müller / Susan Meixner / Stefan Wünschmann
Der Weg zur Marktorientierung - Fallbeispiel aus dem Automotive
Aftermarket .....................................................................................................417
Volker Kurfess
Partnerbindung in Hersteller-Händler-Kooperationen – Das Beispiel der
Automobilwirtschaft .......................................................................................435
Klaus Bodensteiner / Reinhard Hünerberg / Andreas Mann
Marktorientierung und Prozessgestaltung im langfristigen
Bauprojektgeschäft .........................................................................................465
Dieter Köster
Treiber der Fußballfanzufriedenheit - Eine kausalanalytische
Untersuchung ..................................................................................................491
Manfred Schwaiger / Marko Sarstedt
Mithilfe von Kundenbindungsmanagement zum Sanierungserfolg von
Unternehmen ...................................................................................................515
Daniela Lehr
Qualitätssteigerung durch Six Sigma am Beispiel der Finanzindustrie ..........527
Jürgen Moormann / Michael Leyer
Dialogmarketing-Excellence: Qualitäts- und Wertorientierung in der
direkten Kundenansprache ..............................................................................551
Andreas Mann
Autorenverzeichnis .......................................................................................587
Komplexität und Ressourceneinsatz als
Herausforderungen an die Unternehmensführung
Reinhard Hünerberg / Andreas Mann
1
2
3
4
5
Grundfunktionen der Unternehmensführung
Komplexitäts- und Innovationsmanagement
Unternehmens- und Mitarbeiterführung
CRM und Qualität
Literatur
R. Hünerberg, A. Mann (Hrsg.), Ganzheitliche Unternehmensführungin dynamischen Märkten,
DOI 10.1007/978-3-8349-8787-7_1, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009
2
1
Reinhard Hünerberg / Andreas Mann
Grundfunktionen der Unternehmensführung
Im weiteren Sinne bewegt sich Unternehmensführung im Spannungsfeld zwischen externen Marktentwicklungen und den Kompetenzen eines Unternehmens.
Erstere beinhalten Aktionen und Reaktionen von Marktteilnehmern ((potenziellen) Kunden, Wettbewerbern, (horizontalen und vertikalen) Marktpartnern) sowie sonstige Rahmenbedingungen (gesamtwirtschaftlicher, politischer, gesetzlicher Art usw.). Letztere umfassen die in der Unternehmung vorhandenen bzw.
einsetzbaren Ressourcen und Potenziale physischer und intangibler Art. 1 Unternehmensführung lässt sich dann verstehen als die vorausschauende Berücksichtigung der Marktentwicklung im Lichte eigener Einflussmöglichkeiten mit entsprechender Handlungsrealisierung. 2 Letztlich ist die Kombination eines marketbased und eines resource-based view gefordert, die eine marktorientierte Unternehmensführung ermöglicht, indem externe und interne Situationen komplexer
Natur durch adäquaten Ressourceneinsatz im Sinne unternehmerischer Zielvorstellungen bewältigt werden. 3
ARMIN TÖPFER hat in Forschung, Lehre und Praxisbeiträgen aus der damit
aufgespannten großen Bandbreite an Fragestellungen zahlreiche Problemkreise
aufgegriffen und teilweise intensiv behandelt. Genannt seien hier beispielhaft
seine Erörterungen zu Wertorientierung 4 und Business Excellence von Unternehmen, 5 zum Geschäftsprozessmanagement 6 oder zum Kundenmanagement. 7
In der vorliegenden Festschrift zu seinem 65. Geburtstag werden einige dieser
Bereiche grundsätzlich oder aus spezieller Perspektive, auch anhand konkreter
Beispiele, diskutiert.
Die Komplexität sowohl der externen Marktumwelt als auch der dadurch
bedingten Unternehmenssituation sowie mögliche unternehmerische Reaktionen
hierauf durch entsprechende Managementansätze, speziell durch Entwicklung
und Einsatz von Innovationen, stehen im Mittelpunkt des ersten Teils dieser
Festschrift („Marktorientierung durch Komplexitäts- und Innovationsmanagement“). Es folgt die Diskussion von Ausprägungen der Unternehmens-, in Sonderheit der Mitarbeiterführung, und ihrer Bedeutung für eine marktorientierte
Unternehmensführung („Marktorientierung durch Unternehmens- und Mitarbeiterführung“). Der dritte Teil ist dem Beziehungsmanagement und dem hierauf
1
Vgl. Welge / Al-Laham 2008, S. 88
Vgl. Macharzina 1999, S. 6 / S. 23 ff.
Vgl. Meffert / Burmann / Kirchgeorg 2008, S.13 ff. / S. 97; Töpfer 2007, S. 547 f.
4
Siehe Töpfer / Duchmann 2006
5
Siehe Töpfer 2002
6
Siehe derselbe 1996
7
Siehe derselbe 2008a und 2008b
2
3
Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen
3
abzielenden Einsatz marketingpolitischer Instrumente aus einer generellen Qualitätsperspektive gewidmet („Marktorientierung durch CRM und Qualität“).
2
Komplexitäts- und Innovationsmanagement
Komplexitäts- und Innovationsmanagement lässt sich als ein interdependent
verbundener Maßnahmenansatz der Unternehmensführung verstehen, 8 der für
Konsumgüter-, Industriegüter- und Dienstleistungsanbieter gleichermaßen gilt.
Zwar bezieht sich Komplexität generell auf das externe Unternehmensumfeld
sowie auf komplizierte unternehmensinterne Zusammenhänge 9 und Innovation
auf ganz bestimmte neuartige Maßnahmen unternehmerischen Handelns, 10 aus
der Verbindung mit dem Management-Begriff ergibt sich jedoch die gegenseitige Verknüpfung beider Konzepte. Soll Komplexität handhabbar werden, so sind
Ansätze zu ihrer kognitiven Durchdringung, Vereinfachung, Umwandlung, Berechnung o. ä. vonnöten. Zentrale Managementansätze in diesem Sinne werden
häufig zu innovativen Ergebnissen führen, indem neuartige Prozesse und Angebotsformen realisiert werden. Technologieinnovationen wie etwa die ITRevolutionen spielen dabei eine besondere Rolle. Innovationen können auch als
Qualitätsverbesserungen oder sogar -sprünge interpretiert werden 11 und erfordern häufig besondere Formen des Wissensmanagement. 12 Zumindest tendenziell tragen sie damit aber wiederum zu einer Komplexitätszunahme bei, so dass
abzuwägen ist, ob sie insgesamt eher komplexitätsreduzierend oder -steigernd
sind. Auf jeden Fall ist der Erfolg von Innovationen, etwa im Zusammenhang
mit einem Innovationscontrolling, kritisch zu hinterfragen.
RÜDIGER GRUBE trägt einen ersten einführenden Praxis-Beitrag zur Thematik bei, indem er die Globalisierung als generelle Rahmenbedingung der heutigen
Unternehmensführung beschreibt („Jedes Geschäft ist ‚global-lokal‘: Die Zukunft der Automobilindustrie“). Alle weiteren Kapitel des vorliegenden Sammelbandes beruhen auf dieser Komplexitätsdeterminante, und alle Aspekte der
Unternehmensführung sind von ihr mehr oder minder geprägt. Globalisierung
wird jedoch erst zur besonderen Herausforderung durch die weiterhin notwendige Beachtung lokaler Gegebenheiten. Diese klassische Polarität zwischen „think
globally, act locally“, welche die Konzeption eines „localized global marketing“
8
Vgl. Garybadze 2004, S. 74 f.
Vgl. Trommsdorff / Steinhoff 2007, S. 51
10
Vgl. Hauschildt / Salomon 2007, S. 3ff.
11
Vgl. Töpfer / Mehdorn 1993, S. 46 f.
12
Vgl. Hauschildt / Salomon 2997, S. 428 ff.
9
4
Reinhard Hünerberg / Andreas Mann
erfordert, existiert in allen Branchen. Allerdings stellt sich die Aufgabe von Unternehmen zu Unternehmen ganz unterschiedlich. Der Autor geht auf das Beispiel Daimler ein. Gerade mit Blick auf die gegenwärtige Wirtschaftskrise sind
seine zusätzlichen Anmerkungen zu ethischen Implikationen von besonderer
Aktualität.
Im folgenden Beitrag beschäftigen sich MANFRED BRUHN und MARCOLIVER BLOCKUS mit dem Thema externer und interner Komplexität aus Sicht
des Anbieters von Dienstleistungen („Komplexität bei Dienstleistungen“). Diese
bisher vernachlässigte Sicht schließt eine wichtige Lücke in der Beschäftigung
mit Komplexität, denn die Charakteristika der Dienstleistung wie Immaterialität
und Kundenintegration implizieren besondere komplexitätsrelevante Herausforderungen. Die Autoren konkretisieren den durchaus vagen Sprachgebrauch im
Zusammenhang mit Komplexität und zeigen deren verschiedene Formen und
Wirkungen auf, ehe sie auf die entsprechenden Besonderheiten bei Dienstleistungsanbietern eingehen und daraus Ansatzpunkte für ein DienstleistungsKomplexitätsmanagement entwickeln.
JOACHIM ZENTES und JULIANE KREBS gehen näher auf Fragen des Innovationsmanagements, und zwar speziell im Handel und in der Konsumgüterindustrie,
ein („Strategische Orientierungen des Innovationsmanagements in Handel und
Konsumgüterindustrie“). Sie unterscheiden in diesem Kontext Produkt- / Service- / Sortimentsinnovationen, Prozessinnovationen sowie Geschäftsmodellinnovationen und analysieren Treiber und Prozessabläufe solcher Innovationen. Als
Kern einer dabei herangezogenen empirischen Studie werden vier strategische
Ausrichtungen identifiziert, die sich in unterschiedlichen Innovationstypen –
„Kulturgetriebene“, „Unternehmungsführungsgetriebene“, „Prozessgetriebene“,
Netzwerkgetriebene“ – niederschlagen. Die beiden erstgenannten sind stark
durch kulturell-personelle Dimensionen geprägt, die beiden letztgenannten durch
prozessual-organisatorische Maßnahmen. Die Autoren stellen fest, dass trotz der
großen evidenten Bedeutung von Innovationen ein Defizit in der Umsetzung zu
konstatieren ist.
Ein spezieller Bereich der Prozessinnovation, die RFID-Technologie, wird
von ELGAR FLEISCH und GÜNTER MÜLLER-STEWENS behandelt („Der Einfluss
der RFID-Technologie auf die Unternehmensführung“). Sie sehen die Ergänzung von Alltagsgegenständen durch ein „Stück digitaler Logik“ als einen
Schritt in die „3. IT-Revolution“, die ein „High-Resolution Management“ ermöglicht und erfordert. Das Innovationspotential der RFID-Technologie wird
grundsätzlich und an praktischen Fallbeispielen aufgezeigt. Daraus lassen sich
für diese Innovation vier strategische Wertschöpfungs- und vier strategische
Positionierungsprinzipien ableiten. Sie demonstrieren Risiken und Chancen, wie
sie bei jeder Innovation auftreten, und die gerade bei Prozessinnovationen häufig
Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen
5
intendierte Unterstützung / Beeinflussung der Unternehmensführung, allerdings
bei gleichzeitiger Notwendigkeit, neue Ansätze und Rahmenbedingungen, z.B.
gesetzlicher Art, zu entwickeln.
RAINER LASCH und MARCO GIEßMANN verknüpfen das Komplexitätsmanagement mit dem Qualitätsmanagement („Qualitäts- und Komplexitätsmanagement – Parallelitäten und Interaktionen zweier Managementdisziplinen“). Sie
zeigen insbesondere am Beispiel der Logistik auf, dass Qualitätsdefizite sowohl
(eine) Ursache als auch Resultat von Komplexität sein können. Gleichzeitig
lassen sich analoge Entwicklungsstufen im Rahmen beider Managementkonzepte
aufzeigen. Die Autoren diskutieren Methoden des Qualitäts- und Ansätze des
Komplexitätsmanagements und fordern die gemeinsame Wissensnutzung für
beide Aufgabenbereiche. Als eine Anwendungsmöglichkeit wird die Übertragung des Deming-Zyklus aus dem Qualitätsmanagement – Verknüpfung von
Qualitätsplanung, Qualitätslenkung, Qualitätssicherung, Qualitätsverbesserung –
auf den Prozess des Komplexitätsmanagements diskutiert.
WOLFGANG PFAU und STEPHAN MANGLIERS thematisieren die Bedeutung
von Wissensmanagement für „innovative Fit-Lösungen“ zwischen externer
Komplexität (Nachfrage am Markt) und Ergebnis des Ressourceneinsatzes (unternehmerisches Angebot) („Human- und technologieorientiertes Wissensmanagement als Basis für Innovationen – Ein Vergleich zwischen KMU und Großunternehmen“). Sie differenzieren zwischen technologieorientiertem und humanorientiertem Wissensmanagement, je nachdem ob der Fokus auf materiellen oder
personellen Wissensträgern liegt. Eine empirische Studie zeigt, dass Innovationskraft von allen untersuchten Unternehmen als wesentliche interne Stärke
angesehen wird. Dabei wird auch die Bedeutung humanorientierten (impliziten)
Wissens für deren Realisierung erkannt. Allerdings gibt es sowohl in KMU als
auch in Großunternehmen, wie zuvor bei ZENTES / KREBS konstatiert, Defizite
bei der Umsetzung in konkretes unternehmerisches Handeln.
SÖREN DRESSLER und THOMAS RACHFALL diskutieren die abschließende
Implementierung von Innovationen durch Controllingprozesse („Innovationscontrolling von Technologieprojekten in der regenerativen Energiebranche“).
Am Beispiel erneuerbarer Energieträger wird die Rolle eines InnovationsControlling aufgezeigt und im Rahmen einer Fallstudie aus dem Solarenergiesektor im Einzelnen demonstriert.
Der erste Teil zum Komplexitäts- und Innovationsmanagement wird abgeschlossen durch einen Beitrag von REINHARD HÜNERBERG zur Neukonzipierung
des Marketing-Mix („Zur Komplexität von Marketinginstrumenten – Konzeptionelle Überlegungen zu einer innovativen Integration von Kommunikation und
Distribution als Herausforderung an eine marktorientierte Unternehmensführung“). Es handelt sich um Grundsatzüberlegungen zum traditionellen Marke-
6
Reinhard Hünerberg / Andreas Mann
ting-Mix, speziell zu den Bereichen der Kommunikation und Distribution, und
zu Einflüssen von Umfeldentwicklungen, die in diesem Kontext eine Komplexitätssteigerung bedeuten und innovative Ansätze erfordern. Sie manifestieren sich
in einzusetzenden, teilweise neuartigen Kommunikations- und Distributionsinstrumenten. Gleichzeitig führen sie zu einer Verschmelzung von Kommunikations- und Distributionspolitik innerhalb einer integrierten Kontaktpolitik über
zahlreiche und zunehmend fragmentierte Kanäle hinweg. Damit ergeben sich
zahlreiche neue Herausforderungen für Marktforschung, Planung und Kontrolle,
Organisation, Personal und Führung. Diese Veränderungen sollten ihren Niederschlag auch in der Darstellung des Marketing, z. B. in Lehrbüchern, finden.
3
Unternehmens- und Mitarbeiterführung
Unternehmensführung lässt sich verstehen als Planung und Realisierung von
Verhaltensweisen, die das Unternehmen als Ganzes, speziell seine Wahrnehmung bei Stakeholdern und seine zentralen Erfolgsgrößen, betreffen. 13 Hinter
der Unternehmensführung stehen insbesondere die obersten Entscheidungsträger,
die aber nur im Gleichklang mit dem gesamten dispositiven Faktor und darüber
hinaus letztlich mit allen Mitarbeitern im Unternehmen das angezielte Ergebnis
verwirklichen können.
Für die Unternehmensführung wird häufig ein integriertes bzw. ganzheitliches Konzept gefordert; 14 denn das Unternehmen besteht aus so vielen miteinander interdependent verwobenen Elementen, dass nur ein übergeordnetes allgemeines Prinzip oder eine aus allgemeinen und abgestimmten Grundsätzen hergeleitete Ausrichtung eine eindeutige Positionierung gewährleistet. Hierzu wird
häufig aus Teilaspekten des Unternehmens ein generelles Führungsprinzip isoliert, insbesondere aus dem Marketing und seinen Bereiche, z.B. der Angebotspolitik, da sich hierin das Grundprinzip der Marktorientierung, eine durchaus
generelle Unternehmensphilosophie, widerspiegelt.
Unternehmensführung ist in besonderer Weise mit Human-Ressourcen verbunden; denn Unternehmensführung ist zum einen in der Durchführung an Personen gebunden und bezieht sich zum anderen zu einem Großteil auf Individuen
und Gruppen im Unternehmen. 15 Geht man trotz ganzheitlicher Sichtweise von
Teilaufgaben der Unternehmensführung aus, so steht Mitarbeiterführung daher in
13
14
15
Vgl. Macharzina 1999, S. 24
Vgl. Bleicher 1991, S. 56 ff.
Vgl. ähnlich Steinmann / Schreyögg 2005, S. 7 f.
Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen
7
der Prioritätenliste ganz oben. Mitarbeiter sind im Sinne der Unternehmensführungskonzeption auszuwählen, einzusetzen und zu entwickeln, damit sie ihrerseits adäquat an deren Realisierung mitwirken. Dabei spielt das Zusammenwirken von Individuen eine besondere Rolle.
RONALD BOGASCHEWSKY diskutiert ein ganzheitliches Unternehmensführungskonzept aus Sicht der internationalen Beschaffung („Ganzheitliches Supply
Management in international agierenden Unternehmen“). Er definiert ‚Supply
Management’ als integriertes Ganzes aus Einkauf, Materialwirtschaft, Beschaffungslogistik und Supply Chain Management, das wiederum interdependent die
anderen Wertschöpfungsbereiche wie Absatz, Produktion usw. einbezieht. Eine
darauf aufbauende Form der Unternehmensführung ist zunehmend international
geprägt – und von hoher Komplexität! –, da einige oder alle beteiligten Komponenten auf Auslandsmärkte ausgerichtet sind, und es dann um das Management
globaler Wertschöpfungsnetzwerke geht. Unter dem Primat der Wettbewerbsfähigkeit unterliegen mehr und mehr Einzelaufgaben diesem Zwang zur weltweiten Planung und Steuerung. BOGASCHEWSKY weist anhand empirischer Daten
konkrete globale Standortveränderungen in der Wertschöpfungskette nach.
WOLFGANG BECKER und CHRISTIAN KUNZ erörtern ein ganzheitliches Produktmanagement („Ganzheitliches Produktmanagement – Architektur, Betrachtungsperspektiven und Methoden“). Sie beschreiben eine performanceorientierte
Unternehmensführung, die auf das Management von Leistungsbündeln fokussiert ist. Auf Basis des Lebenszklus-Konzepts wird ein Referenzmodell ganzheitlicher, vom Produktmanagement ausgehender Unternehmensführung entwickelt.
Ein Charakteristikum ist ein ‚Stage-Gate-Prozess’, der an Übergängen zwischen
Teilphasen des Angebotsmanagementprozesses bzw. an dessen Ende Entscheidungs- / Evaluationspunkte vorsieht, an denen diverse Prozessaktivitäten ausgelöst werden. Hinzu tritt eine Gesamtbetrachtung aus mehreren Perspektiven,
unter anderem als leistungs- und wertgrößenbezogene Analyse. Die Koordination eines solchen mehrphasigen und mehrperspektivischen Planungs-, Realisierungs-und Controllingprozesses kann als zentrale Herausforderung für eine
ganzheitliche Unternehmensführung verstanden werden.
SHAMSEY OLOKO und INGO BALDERJAHN thematisieren Unternehmensführung auf Grundlage gesellschaftlicher Verantwortung („Cause related Marketing
als Instrument zur strategischen Unternehmensführung“). Sie greifen dabei insbesondere das Konzept auf, dass mit dem Kauf eines Markenprodukts Spenden
des Anbieters für wohltätige Zwecke verknüpft sind. Daraus resultiert ein symbolischer Zusatznutzen, der für die Markenführung und die Unternehmensführung insgesamt eingesetzt werden kann. Die Verfasser unterscheiden zwischen
taktischem Einsatz als Verkaufsförderungsinstrument und strategischem Füh-
8
Reinhard Hünerberg / Andreas Mann
rungsansatz. Letzterer erfordert die Beachtung bestimmter Gestaltungsgrundsätze und kann dann ökonomische Zielsetzungen „synergetisch“ verstärken.
DIETRICH VON DER OELSNITZ und MICHAEL W. BUSCH gehen auf eine spezielle Fragestellung der Mitarbeiterführung mit Blick auf das Lernverhalten in
Teams ein („Teamlernen: Ansatzpunkte und Erfolgsvoraussetzungen“). Sie stellen das eigene kritische Hinterfragen und das bewusste Ingangsetzen von Lernprozessen (‚Teamreflexivität’) mit Blick auf konkrete Aufgaben sowie das soziale Teamverhalten in den Mittelpunkt und untersuchen, wie ein möglichst hohes
Niveau solcher Reflexivität erreicht werden kann. Als drei zentrale Einflussgrößen hierauf identifizieren sie die Qualität der Teamführung (‚transformationale
Führung’), Wahrnehmungsfähigkeit und Erkennen von Zusammenhängen bei
den Teammitgliedern (‚Mindfulness’), gemeinsame mentale Modelle (‚Metawissen’). Auf dieser Basis werden praktische Ansätze des Teamlernens – Qualitätszirkel, Action Learning, After Action Review, Mikrowelten – auch mit Blick auf
potenzielle Barrieren analysiert.
Möglichkeiten und Bedeutung von Führungsunterstützung für Projektteams
unter besonderer Berücksichtigung von Zeitdruck werden von ROLF BÜHNER
und CARINA N. GEBHART untersucht („Die Führungs-Paradox-These: Führungsunterstützung bei zeitkritischen Projektteams und Auswirkungen auf den
Projekterfolg“). Zu dieser Thematik wird eine empirische Untersuchung referiert, die sich auf Desinvestitionsentscheidungen bezieht, und 127 Fälle bei 50
(Groß-)Unternehmen einbezieht. Sie dient der Überprüfung von Hypothesen als
Implikationen aus theoretischen Überlegungen zur Führung, insbesondere der
Führungsunterstützung von Projektteams durch (relativ starre) Handlungsstrukturen (Ziel- und Verantwortlichkeitsvorgaben) einerseits und (Freiräume eröffnende) Ressourcenunterstützung andererseits; wobei der Gegensatz zwischen
diesen beiden Unterstützungsrichtungen als ‚Führungs-Paradox-These’ bezeichnet wird. Insgesamt zeigt sich, dass Führungsunterstützung auf mittlerem Niveau
sowie ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen klaren Zielen / Verantwortlichkeiten und interaktiver Ressourcenunterstützung angestrebt werden sollten, wobei
Zeitdruck unterschiedliche Konsequenzen bewirken kann und dadurch eine besondere Herausforderung für Führungskräfte darstellt.
TORSTEN TOMCZAK, SVEN HENKEL und BENJAMIN VON WALTER gehen auf
eine spezifische Personalführungsaufgabe ein, die Motivation von Mitarbeitern
im Zusammenhang mit der Markenführung („Roadmap to Brand Behavior –
Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen“). Sie zeigen die Bedeutung des
Behavioral Branding, des synergetischen Einsatzes von massenmedialen Branding-Maßnahmen und persönlicher (verbaler und non-verbaler) Mitarbeiterkommunikation (Brand Behavior), auf und formulieren für das Brand Behavior
Ziele, Strategien, konkrete Soll-Verhaltensweisen und Analyse-Aufgaben vor der
Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen
9
Umsetzung. Die Implementierung wird über eine markenorientierte Mitarbeiterführung, speziell mittels konkreter Verhaltensstandards und die im Beitrag von
VON DER OELSNITZ / BUSCH bereits thematisierte transformationale Führung
sowie einen Katalog von Maßnahmen, die auf die individuelle Förderung des
Mitarbeiters oder die Schaffung von relevanten Strukturen ausgerichtet sind
(Markenschulungen, Empowerment, Anreiz- und Belohnungssysteme usw.),
realisiert. Auf diese Weise lassen sich Wissen, Commitment, Fähigkeiten und
Verhalten der Mitarbeiter im Sinne gewünschter Markenwahrnehmung durch
(potenzielle) Kunden ausrichten.
FRED G. BECKER stellt die betriebliche Personalwirtschaft unter das Primat
der Demografieorientierung („Demografieorientierte Personalarbeit“). Er versteht Demografieorientierung als Marktorientierung und fordert die Ausrichtung
der Personalarbeit (externe Personalbeschaffung und interne Mitarbeiterbindung / -entwicklung) an Konzepten, die mit den Ursachen einer – zumindest
längerfristig – schwierigen Arbeitsmarktsituation, z.B. begründet durch die ungünstige demografische und bildungsmäßige Entwicklung, umgehen kann. Hierzu werden demografieorientierte Ansätze wie Zielgruppenanalysen und entsprechende Instrumente der Personalarbeit erläutert.
4
CRM und Qualität
Customer Relationship Management ist in den letzten Jahren zwar zu einem
überall gehörten Schlagwort geworden. Das Konzept des Aufbaus von positiven
längerfristigen Kundenbeziehungen ist dennoch ein anerkanntes strategisches
Unternehmensziel geblieben. 16 CRM ist mit Qualität verbunden; denn die dadurch zu erreichende Marktorientierung soll sowohl die strategische Ausrichtung
des Unternehmens und seiner Teilbereiche als auch die operative Umsetzung,
zum Beispiel in Form kundenoptimierter Marketinginstrumente, auf ein zielkonformeres Performance-Niveau heben.
Die Marktorientierung im Sinne einer Ausrichtung an den Marktgegebenheiten, speziell an den Marktpartnern (existierenden und potenziellen Kunden,
Konkurrenten, Kooperationspartnern u. a.) führt zu einer besonderen Thematisierung der Zufriedenheit der jeweiligen Zielgruppe und der daraus unter Umständen folgenden Bindung an das eigene Unternehmen. 17 Beide Konstrukte sind
allerdings durchaus interpretationsbedürftig und ihr Zusammenhang bedarf –
16
17
Vgl. Töpfer 2008c, S. 629 ff.
Vgl. derselbe 2008d, S. 82 ff.
10
Reinhard Hünerberg / Andreas Mann
trotz Bestätigung in vielen Untersuchungen – genauerer Analyse, denn zahlreiche weitere Variable können im Einzelfall Einfluss ausüben.
Die Qualität praktischen unternehmerischen Handelns ist auf jeden Fall mit
der CRM-Perspektive verbunden, wenngleich jede Branche und jede Situation
spezielle Reaktionen erfordert. Die bis heute zusammen getragenen konzeptionellen Überlegungen, methodischen Weiterentwicklungen und zahlreichen empirischen Studien bilden eine gute Grundlage für einen entsprechenden Qualitätsfortschritt.
ANTON MEYER, ANDREAS MUNZEL und CHRISTOPH ULLMER gehen auf
Grundfragen des Beziehungsmanagement ein („Beziehungswert und Beziehungsintelligenz – Integration und Interdependenz der kunden- und unternehmensseitigen Perspektive durch intelligentes Beziehungsmanagement“). Sie differenzieren zwischen kundenseitigem Nutzen und unternehmensseitigem Kundenwert
und den daraus folgenden Wertdimensionen. Im Mittelpunkt stehen die aus der
gegenseitigen Beziehung resultierenden Vorteile, die durch das auf Rosier zurückgehende Konzept der Beziehungsintelligenz gestaltbar werden. Es beinhaltet
reaktive und proaktive Anpassung, Ausrichtung auf beiderseitige Ziele im Rahmen von Effektivitäts- und Effizienzgesichtspunkten sowie organisationale und
Interaktions-Fähigkeiten. Dabei kommt insbesondere wieder die zentrale Rolle
von (Kundenkontakt-)Mitarbeitern zum Tragen.
FRANK LASOGGA analysiert ebenfalls generelle Aspekte des CRM („Erfolgsparameter exzellenter Customer Relationship Managemen-Ansätze“). Er
stellt Prinzip und Bedeutung des Beziehungsmanagement in Kontrast zum traditionellen transaktionsorientierten Marketing dar und analysiert erfolgskritische
Parameter. Hierzu zählt er u. a. die Wertesteuerung im Unternehmen, Mitarbeiterpolitik, ganzheitliche Unternehmensführung in strategischer und operativer
Sicht, Qualität von Angebot und Prozessen. Dabei geht es eindeutig um die Generierung profitabler Beziehungsgeflechte durch Beachtung individueller Bedürfnisse und Fähigkeiten.
STEFAN MÜLLER, SUSAN MEIXNER und STEFAN WÜNSCHMANN stellen den
CRM-Aspekt der Zufriedenheit in den Vordergrund ihrer Überlegungen („Kundenzufriedenheit, Beschwerdeverhalten und Beschwerdezufriedenheit: Ein
Überblick“). Sie gehen speziell auf die Konsequenzen von Unzufriedenheit in
Form von Beschwerden ein und referieren diverse Studien zu diesem Fragenkreis. So werden unterschiedliche Formen des Beschwerdeverhaltens und Einflussfaktoren auf diese analysiert. Im Mittelpunkt stehen neben psychographischen, insbesondere persönlichkeitsbezogenen, und situativen Merkmalen landeskulturelle Einflüsse. Hier wird ein weites Untersuchungsfeld aufgezeigt; denn
offensichtlich gehen mit Kulturunterschieden differierende Ausprägungen der
Beschwerdeneigung und abweichende Formen des Beschwerdeverhaltens einher.
Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen
11
Abschließend gehen die Autoren auf die Bedeutung eines aktiven Beschwerdemanagements ein und zeigen auf, dass es positive vor-ökonomische Wirkungen
zeitigt.
Auch VOLKER KURFESS widmet sich der Frage der Marktorientierung, und
zwar am Beispiel einer spezifischen Branche („Der Weg zur Marktorientierung –
Fallbeispiel aus dem Automotive Aftermarket“). Er zeigt aus praktischer Sicht
anhand eines Fallbeispiels aus dem Automobil-Ersatzteilmarkt auf, wie Marktorientierung implementiert werden kann. Die Situation in diesem Markt ist wegen zahlreicher Marktakteure auf mehreren Distributionsstufen und großer Teilevielfalt komplex, wegen des Volumens und (möglicherweise erzielbarer) Margen jedoch attraktiv. Der konkrete Fall demonstriert, dass trotz schwacher
Marktstellung eine an Kundenbedürfnissen und zentralen Erfolgsfaktoren ausgerichtete Handlungsanalyse mit einem klaren Geschäftsplan als Ergebnis die Realisierung von Erfolg versprechenden Maßnahmen selbst in krisenhaften Situationen ermöglicht.
KLAUS BODENSTEINER, REINHARD HÜNERBERG und ANDREAS MANN widmen sich ebenfalls der Automobilbranche mit besonderer Betonung des Ersatzteilgeschäfts („Partnerbindung in Hersteller-Händler-Kooperationen – Das
Beispiel der Automobilwirtschaft“). Sie untersuchen jedoch das grundsätzliche
Problem der Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern und den zugehörigen Händlerbetrieben als Beispiel eines spezifischen Kontraktmarketing. Die
Thematik hat zunehmend an Aktualität gewonnen, weil durch das europäische
Wettbewerbsrecht, speziell die so genannten Gruppenfreistellungsverordnungen
für die Automobilwirtschaft, zunehmend Entscheidungsspielräume für Vertragshändler geschaffen worden sind, die anstelle von herstellerinduzierten Bindungen durch (freiwilliges) Kooperationsverhalten ausgefüllt werden können. Die
Autoren formulieren auf Basis genereller Überlegungen aus den Verhaltenswissenschaften, der Neuen Institutionenökonomie und empirischer Studien eine
Reihe von Hypothesen im Zusammenhang mit Einflussfaktoren auf die Händlerbindung (im Ersatzteilgeschäft) der Automobilwirtschaft. Deren kausalanalytische Überprüfung mittels Kovarianzstrukturanalyse führte zu einer weitgehenden
Bestätigung der direkten und indirekten Effekte des formulierten Strukturmodells. Hieraus ergeben sich primär für die Automobilindustrie, durchaus aber
auch für generelle Hersteller-Händler-Beziehungen eine Reihe praktischer Implikationen zu Marktorientierung und Kundenbindung.
DIETER KÖSTER zieht das Baugeschäft als Beispiel für praktische Erörterungen zur Marktorientierung heran („Marktorientierung und Prozessgestaltung
im langfristigen Bauprojektgeschäft“). Er stellt die besonderen Diskrepanzen
zwischen Bauunternehmen und Kunden mit ihren Konsequenzen für Zufriedenheiten und Beschwerden heraus und interpretiert diese im Lichte der Neuen Insti-
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Reinhard Hünerberg / Andreas Mann
tutionenökonomie. Qualitätsverbesserungen durch stärkere Marktorientierung
sollten bestimmte Werttreiber in den Vordergrund stellen. Dazu zählen insbesondere ein am Kunden ausgerichtetes Leistungsprogramm und die Prozessoptimierung in der Bauunternehmung.
Ein weiteres Beispiel für die Beeinflussung von Kundenzufriedenheit bzw.
die Erzielung von Kundenbindung durch marktorientierte Maßnahmen diskutieren MANFRED SCHWAIGER und MARKO SARSTEDT („Treiber der Fußballfanzufriedenheit – Eine kausalanalytische Untersuchung“). Die beiden Autoren zeigen, dass die Zufriedenheit der speziellen Zielgruppe Fußballfans ein strategischer Erfolgsfaktor für zunehmend professionalisierte Vereine ist. Es wird diskutiert, wie die Zufriedenheit in diesem Fall gemessen werden kann. Schwaiger
und Sarstedt definieren sie als formatives Konstrukt und interpretieren diesen
Fall im Sinne von Rossiter’s C-OAR-SE-Ansatz als Beschreibung eines „concrete single object“ durch ein „formed attribute“. Letztlich werden im Rahmen einer
Vorstudie 108 Items als Komponenten erster und zweiter Ordnung identifiziert
und später auf 17 Faktoren mit 99 Items reduziert. Eine Hauptstudie auf Basis
von 600 Datensätzen wurde mit PLS ausgewertet und ermittelte sieben Einflussgrößen der Zufriedenheit, z. B. die Zufriedenheit mit dem Stadion. Als Basis für
die Ableitung von Handlungsempfehlungen werden mit den jeweiligen Zufriedenheiten Wichtigkeiten verknüpft und auf diese Weise Impact-PerformanceMaps gebildet.
DANIELA LEHR untersucht einen speziellen Aspekt der Kundenbindung
(„Mithilfe von Kundenbindungsmanagement zum Sanierungserfolg von Unternehmen“). Sie gibt praktische Hinweise, wie in verschiedenen schweren Krisensituationen eines Unternehmens – Erfolgskrisen mit schneller und mit langsamer
Restrukturierung, Liquiditätskrisen, Insolvenz – neben Sanierungsmaßnahmen in
engerem Sinne auch Kundenzufriedenheits- und Kundenbindungsmaßnahmen
implementiert werden können. Auf diese Weise lassen sich trotz notwendiger
Kosteneinsparungen Umsätze sicherstellen. Allerdings wird mit zunehmender
Schwere der Krise der Spielraum für derartige Maßnahmen tendenziell geringer,
und man wird dann ihren Anteil an den gesamten Sanierungsaktivitäten einschränken und auf die wichtigsten Bestandskunden konzentrieren müssen.
JÜRGEN MOORMANN und MICHAEL LEYER widmen sich in ihrem Beitrag
dem Six-Sigma-Konzept zur Steigerung der Qualität von Versicherungs- und
Bankdienstleistungen („Qualitätssteigerung durch Six Sigma am Beispiel der
Finanzindustrie“) Auf Grundlage konzeptioneller Überlegungen und anhand von
Beispielen aus der Unternehmenspraxis zeigen die Autoren die Potenziale von
Six Sigma-Anwendungen zur Qualitäts- und Effizienzsteigerung auf. Außerdem
werden neben generellen Anforderungen zum erfolgreichen Einsatz von Six-
Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen
13
Sigma im Finanzdienstleistungsbereich auch die Grenzen des Ansatzes diskutiert.
ANDREAS MANN schließlich untersucht die Qualität von Kommunikationsmaßnahmen, speziell die Dialogkommunikation („Dialogmarketing-Excellence:
Qualitäts- und Wertorientierung in der direkten Kundenansprache“). Er entwickelt auf Basis des EFQM-Modells einen Ansatz zur ganzheitlichen Steuerung
und Gestaltung von Dialogmarketing-Maßnahmen. Durch die Verknüpfung des
Dialogmarketing mit Vorsteuergrößen des Unternehmenswerts zeigt er den strategischen Nutzen der direkten Kundenansprache auf, der in der Unternehmenspraxis häufig nicht oder nur ansatzweise realisiert wird. Bei der Erläuterung des
Dialogmarketing-Excellence-Ansatzes wird zudem deutlich, dass die Faktoren
erfolgreicher Dialogmarketing-Kampagnen vor allem in der Dialogbereitschaft
und in der Dialogmarketing-Infrastruktur liegen und nur teilweise im Kampagnen-Management selbst begründet sind.
5
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Wiesbaden
Erster Teil
Komplexitäts- und
Innovationsmanagement
„Jedes Geschäft ist ‚global-lokal‘: Die Zukunft der
Automobilindustrie“
Rüdiger Grube
1
2
3
4
5
6
Einleitung
Globalisierungsanforderungen in der Automobilindustrie
Globalisierungsängste als Hemmschuh
Globalisierungs- und Lokalisierungsstrategien von DAIMLER
Globalisierung und Ethik
Ausblick
R. Hünerberg, A. Mann (Hrsg.), Ganzheitliche Unternehmensführungin dynamischen Märkten,
DOI 10.1007/978-3-8349-8787-7_2, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009
18
1
Rüdiger Grube
Einleitung
Im vorliegenden Beitrag geht es um einen Kunstbegriff im Rahmen der internationalen Unternehmensführung, der die beiden Adjektive ,global' und ,lokal'
miteinander verbindet. Diese Wortkonstruktion weist auf die Wechselwirkung
zwischen globalen und lokalen Handlungen und Entwicklungen, Ideen und Entscheidungen hin. In diesem Zusammenhang sind drei Aspekte relevant. Zum
ersten wird daran erinnert, wie globalisiert und vernetzt unsere Welt inzwischen
ist – vor allem die Automobilindustrie. Der zweite Aspekt zeigt die Grenzen der
Globalisierung in Form von regionaler Fragmentierung und kontinuierlicher oder
sogar neuer Diversität auf. Der dritte Aspekt handelt von einem Bereich, dem
wir nicht an „lokale“ Gewohnheiten anpassen können bzw. sollen, und zwar der
Bereich der globalen Ethik.
2
Globalisierungsanforderungen in der
Automobilindustrie
Historisch gesehen ist nicht die Tatsache der Globalisierung neu, sondern deren
heutiges Ausmaß. Möglich gemacht wurde es durch technologische Quantensprünge. So hat sich die Leistungsfähigkeit der elektronischen Datenverarbeitung
und -speicherung in den letzen Jahren erheblich erhöht. Zusammen mit einem
langfristigen Rückgang der Abwicklungskosten haben diese Entwicklungen zum
„Tod der Entfernung“ geführt. Die Weltwirtschaft ist hierdurch näher zusammengerückt. Dies wird z. B. deutlich, wenn man den globalen Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen betrachtet, der von 1990 bis heute um das Siebenfache gestiegen ist. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von ca. 13
Prozent. Das Volumen der grenzüberschreitenden Fusionen und Übernahmen hat
sich seit 1995 versechsfacht. Ein weiteres Beispiel für die zunehmende globale
Verknüpfung der Weltwirtschaft liefert die Hypothekenkrise in den USA, die
sich sehr schnell dramatisch in der ganzen Welt ausgewirkt hat. Sie hat in nahezu
jedem Land einen erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden verursacht. Tatsächlich war eines der ersten Finanzinstitute, das infolge des Kaufs von amerikanischen forderungsbesicherten Wertpapieren unterging, nicht einmal eine amerikanische Bank, sondern die britische Northern Rock Bank.
Was den Industriebereich betrifft, ist die Automobilindustrie die wahrscheinlich am stärksten globalisierte Branche. Die „deutsche“ Automobilindustrie fertigt heute 49 Prozent ihrer gesamten Fahrzeuge im Ausland. Von 1981 bis
„Jedes Geschäft ist ‚global-lokal‘: Die Zukunft der Automobilindustrie“
19
heute ist „deutsche“ Fahrzeugproduktion im Ausland um ca. 350 Prozent gestiegen. Ein Grund für diese Entwicklung ist die Tatsache, dass ausländische Absatzmärkte viel stärker als die Inlandsmärkte gewachsen sind: Zwischen 1991
und 2007 sind die Inlandsumsätze von deutschen OEMs um 55 Prozent gestiegen, während die Auslandsumsätze ein Wachstum von 250 Prozent verzeichneten. Deutsche Automobilunternehmen hatten daher keine andere Wahl als in
diese Auslandsmärkte vorzudringen, wenn sie von den Wachstumschancen profitierten wollten. Daimler ist seit Langem ein Teilnehmer ebenso wie ein Befürworter und Nutznießer der Globalisierung: Bereits im Jahr 1980 erwirtschaftete
das Unternehmen 55 Prozent seiner Umsätze im Ausland. Heute liegt dieser
Anteil bei 77 Prozent mit steigender Tendenz.
Was die Globalisierung und das beeindruckende Wachstum der internationalen Märkte betrifft, stehen zwei Aspekte tendenziell eng miteinander in Beziehung: Zum einen die Erschließung neuer Absatzmärkte und zum anderen der
Aufbau lokaler Montage-, Fertigungs- oder sonstiger Aktivitäten. Häufig ist ein
erfolgreicher Markteintritt und ein langfristiges Marktengagement ohne Direktinvestitionen nicht möglich. So lassen es einige Länder ganz einfach nicht zu,
dass man an ihrem Markt partizipiert, ohne dort Wert zu schaffen. Aber noch
wichtiger ist, dass die Kunden keine schlechtere Qualität oder einen höheren
Preis akzeptieren, nur weil die globale Optimierung der Wertschöpfungskette
eines Anbieters nicht gut und nachhaltig erfolgt. Ein aktuelles Beispiel aus der
Praxis hierzu kommt von Daimler Trucks, dem Geschäftsfeld für Nutzfahrzeuge,
das Fahrzeuge an 28 Standorten außerhalb von Europa herstellt. 2002 hat Daimler erkannt, dass eine globale Lösung nötig ist, um neue und strengere Abgasnormen für die schweren Motoren, von denen unsere Lastwagen angetrieben
werden, zu erfüllen. Man hat sich dazu entschieden, eine Motorenplattform für
schwere Lkw für alle Märkte weltweit aufzubauen. Intern wird diese Plattform
als „HDEP“ (Heavy-Duty Engine Platform) bezeichnet. Bevor die ersten Entwürfe angefertigt wurden, wurde das strategische Ziel festgelegt, das Potenzial,
die Größe und den Umfang von Daimler Trucks weltweit voll auszuschöpfen.
Daimler nutzte die Ressourcen der Konstruktionsteams in Europa, Asien und
Nordamerika, um eine flexible Motorenplattform zu entwickeln, die die weltweiten Kundenanforderungen an Qualität, Leistung und Beständigkeit erfüllen bzw.
übertreffen würde. Darüber hinaus wurde sichergestellt, dass der Motor an die
unterschiedlichen Anforderungen unterschiedlicher Märkte, einschließlich sehr
unterschiedlicher rechtlicher Anforderungen, angepasst werden konnte. Er wurde
„global-lokalisiert“. Dabei waren enorme technische Herausforderungen zu bewältigen. In ihrer Endversion hatte die Heavy-Duty Engine Platform markenübergreifend 90 Prozent Gleichteile in allen Absatzregionen und 50 Prozent
Gleichteile bei vier Hubräumen von 10,6 bis 15,6 Litern. Zu den HDEP-
20
Rüdiger Grube
Produktionsstandorten zählen Kawasaki in Japan, Redford in Michigan und
Mannheim in Baden-Württemberg. Das Ziel ist weiterhin ein Maximum an globaler Standardisierung, die noch den erforderlichen Grad an lokaler Anpassung
zulässt.
3
Globalisierungsängste als Hemmschuh
Vor 10 oder 15 Jahren war die öffentliche Diskussion über die Globalisierung
vor allem durch die „Angst“ geprägt, dass Globalisierung zu einem zu hohen
Grand an Standardisierung, wenn nicht sogar Uniformität, führen könnte. Bei
manchen Personen hatte sich gar die Vorstellung einer sogenannten „McWorld“,
in der alles überall gleich ist, verfestigt. Allerdings hat sich diese Vorstellung bis
heute nicht bewahrheitet. Wenn man irgendeine Millionenstadt in Asien heute
betrachtet, dann sieht man zwar auf den ersten Blick die Fassade westlicher Kultur. Ein Blick in die Fassade zeigt jedoch, wie stark die Welt nach wie vor noch
fragmentiert ist. Und das gilt natürlich nicht nur für die unglaubliche Vielfalt von
Steckdosen, die uns auf Reisen das Leben schwer machen, sondern für zahlreiche andere Dinge. Man könnte sogar meinen, die Globalisierung hätte eine Art
kulturellen „Rückschritt“ ausgelöst: Denn sie hat das menschliche Bedürfnis
nach Differenzierung zwischen und in Nationen, Regionen, Kulturen und Religionen eher verstärkt. Ohne die indische Gewürzmischung Masala könnte McDonald’s seine Burger in Indien kaum verkaufen. Und natürlich müssen diese Burger vegetarisch oder mit Hühnerfleisch sein, um für Hindus in Frage zu kommen.
Eine weitere Herausforderung ist nach wie vor die Sprache. So erscheinen
die lateinbasierten Sprachen den Chinesen angesichts der Komplexität des Chinesischen wie enge Verwandte. Aber auch den Europäern kommen asiatische
Sprachen sehr ähnlich vor. Vor allem mit Markennamen geht man leicht im
Sprachendschungel verloren. So steht der urheberechtlich geschützte Begriff
„ben-chi“ in China für Mercedes-Benz. Er bedeutet wörtlich „schnell galoppierendes Pferd“. Die chinesischen Kollegen von Daimler schlugen den Bergiff
„ben-chi“ vor, weil sie der Ansicht waren, dass es die Eigenschaften, für die
Mercedes-Benz weltweit steht, am besten widerspiegelt: Tradition und Innovation, Spitzentechnologie, Prestige und Komfort, kurzum: „der neueste Stand der
Automobiltechnik“.
„Jedes Geschäft ist ‚global-lokal‘: Die Zukunft der Automobilindustrie“
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21
Globalisierungs- und Lokalisierungsstrategien von
DAIMLER
Im Jahr 2007 verkaufte Daimler einen Mehrheitsanteil, den das Unternehmen an
Chrysler hielt, und beendeten die neun Jahre zuvor eingegangene Fusion. Das
DaimlerChrysler-Modell war das eines global integrierten Unternehmens, das
den gesamten Markt abdeckte – von Volumen- bis Premium-Segmenten. In der
Theorie war dies ein perfekter Ansatz. Die Realität sah jedoch so aus, dass wir
eine globale Integration nicht erreichen konnten, da die beiden Unternehmen
nicht kompatibel war im Hinblick auf das Image der Marken, den Vorlieben der
bedienten Kundensegmente und bei vielen anderen Erfolgsfaktoren, die alle sehr
unterschiedlich und fragmentiert waren. In den DaimlerChrysler-Jahren wurde
hart daran gearbeitet, die Wettbewerbsposition von Chrysler zu verbessern. In
Anbetracht der sehr unterschiedlichen Märkte und Segmente, in denen Daimler
und Chrysler agierten, war der Grad der Zusammenarbeit jedoch – trotz allen
Engagements – geringer als wir erwartet hatten. Rückblickend muss man feststellen, dass das Potenzial, Spitzentechnologie von Mercedes-Benz an Chrysler
weiterzugeben, überschätzt wurde. Im Gegensatz zu Kunden von PremiumMarken sind amerikanische Kunden von Volumenmarken viel zu preisbewusst,
um diese Kosten zu tragen. Der Lerneffekt über die Grenzen der Globalisierung
war für Daimler sehr hoch.
Ein weiteres Beispiel für die Notwendigkeit, eine Ausgewogenheit zwischen globalen und lokalen Anforderungen zu schaffen, ist der Wettlauf um
nachhaltige Mobilität. Seit mehr als einem Jahrhundert sind die Industrienationen und die globale Automobilbranche vom Erdöl abhängig. Dies ist – im Gegensatz zu gewissen Klischees – nicht darauf zurückzuführen, dass die Branchengrößen sich in privater Runde getroffen und entschieden haben, dass das
Verbrennen von fossilen Brennstoffen eine gute Möglichkeit wäre, „die Umwelt
zu schädigen“. Benzin machte das Rennen, da es relativ günstig und reichlich
vorhanden war und, was am wichtigsten ist, eine hohe Energiedichte aufweist.
Kurzum, es eignete sich bestens als Treibstoff für unsere Mobilität. Dampf-,
batterieelektrische und sogar erste Hybridfahrzeuge gab es bereits in den frühen
Jahrzehnten des „ersten“ Jahrhunderts des Automobils. Aber bereits in den
1920er Jahren gerieten sie aufgrund ihrer Unzweckmäßigkeit ins Hintertreffen.
Heutzutage sind globale Themen die Hauptantriebsfaktoren für eine möglicherweise langfristige Abkehr vom Erdöl: der steigende Ölpreis – aufgrund einer
Kombination aus steigender Nachfrage, schwindenden Reserven, Rohstoffspekulationen und den Unsicherheiten bei Öllieferungen im Zusammenhang mit politischen Krisen, nicht zu vergessen unser Umweltbewusstsein und die Herausforde-
22
Rüdiger Grube
rungen der globalen Erwärmung –, auch wenn gemäß den Informationen des
IPCC nur 10 % des weltweiten CO2-Ausstoßes auf die Verbrennung fossiler
Brennstoffe in Fahrzeugen zurückzuführen sind. Die richtige Herangehensweise
an diese globalen Fragen ist oftmals eine komplexe lokale Herausforderung, da
jede Region hier ihren eigenen Weg beschreitet, um dabei zu „helfen“, die Anstrengungen der Industrie voranzutreiben. So musste für den oben angesprochenen Heavy-Duty Engine der Daimler Trucks drei verschiedene Abgasnormen
erfüllt werden; die amerikanische EPA ’07-, Euro VI- und japanische JP 09Bestimmungen. Damit wird nachvollziehbar, warum bei der „GlobalLokalisierung“ die Ingenieure manchmal das Gefühl haben, dass sie gezwungen
sind, europäischen Fußball auf einem amerikanischen Baseballfeld nach den
Regeln des japanischen Sumo-Ringens zu spielen. Sogar in einem Land existieren verschiedene Ansätze. Betrachten wir als Beispiel die USA: Im Dezember
2007 verabschiedete der amerikanische Kongress einen neuen Average Fuel
Economy Standard für Autos und Kleinlastkraftwagen. Ende April 2008 schlug
das U.S. Transportation Department eine strengere Norm vor. Inzwischen wollen
Kalifornien und 16 andere Bundesstaaten eine Genehmigung der US-Regierung,
um noch strengere Normen festzulegen. Die Situation in Europa stellt sich ähnlich dar.
Die Automobilindustrie stellt dies jedoch vor die Herausforderung von sich
verändernden Zielanforderungen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Identifizierungsmerkmale für die Fahrzeugklassifizierung – die Kriterien für die Unterscheidung zwischen Kompakt- und Mittelklassewagen oder Autos und Kleinlastwagen – immer noch nicht festgelegt sind.
Man kann davon ausgehen, dass die US-Bundesbehörden das Fahrzeuggewicht als Identifizierungsmerkmal für die Klassifizierung festlegen werden, wie
dies in Japan und in der EU bereits geschehen ist.
Ein weiteres Beispiel für den Dualismus von globalen und lokalen Faktoren
sind die unterschiedlichen Vorlieben der Kunden. Es ist kein Zufall, dass amerikanische Autos üblicherweise Namen wie „Thunderbird“, „Mustang“ oder „Viper“ haben, während europäische Klassiker Namen wie „Käfer“ oder „Ente“
tragen. „Größer“ war in den USA eindeutig ein Synonym für „besser“, doch hier
findet allmählich ein Wandel statt. Aus diesem Grund hat Daimler im vergangenen Jahr den smart als intelligentes Stadtauto in den USA eingeführt. Die Verkaufszahlen, die der smart heute verzeichnet, wären für die meisten „Experten“
vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen.
Ein weiterer wichtiger Unterscheidungspunkt ist die Wahl des Kraftstoffs:
In Deutschland entscheiden sich 48 Prozent der Kunden für Diesel. In den USA
sind es nur 3 Prozent, aber es werden mehr. Wenig hilfreich jedoch ist es, dass
Diesel in den USA derzeit ca. 10 Prozent teurer als Premium-Benzin ist. Dies ist
„Jedes Geschäft ist ‚global-lokal‘: Die Zukunft der Automobilindustrie“
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bedauerlich, da ein höherer Dieselanteil die Abhängigkeit der USA vom Öl verringern könnte. Wenn nur ein Drittel aller PKWs in den USA mit moderner Dieseltechnologie ausgestattet wären, müsste das Land keinen Tropfen Öl mehr aus
Saudi-Arabien importieren. Diese Angaben basieren auf Berechnungen der U.S.
Environmental Protection Agency.
Die Unterschiede bei den Kundenwünschen beschränken sich natürlich
nicht nur auf Amerika und Europa. Für chinesische Kunden beispielsweise ist
das Prestige ungeheuer wichtig, weshalb Mercedes Benz genau das Richtige für
sie ist. 2008 sind die Absatzzahlen in China um 39 % gestiegen. Und nicht alle
der mehr als 350.000 chinesischen Dollar-Millionäre haben sich eine S-Klasse
gekauft. Mercedes Benz hat die Produktpalette auf die besonderen Wünsche der
chinesischen Kunden zugeschnitten. Zum Beispiel beschäftigen viele der Oberklassenkunden einen Fahrer, weshalb die E-Klasse ab 2010 als verlängerte Variante angeboten wird, um so mehr Beinfreiheit im Rücksitzbereich zu schaffen.
Andererseits sind die Volumenmärkte für Autos und Nutzfahrzeuge in China und Indien hauptsächlich durch weniger prestigeträchtige Produkte gekennzeichnet. Sowohl China als auch Indien zählen zu den Ländern, die so groß und
facettenreich sind, dass unterschiedliche Marktstrategien für die sehr unterschiedlichen Regionen dieser Länder anwendet werden.
In Fällen wie diesen wird klar, dass die Ausbreitung der Globalisierung von
den Mauern der Lokalisierung aufgehalten wird. Für Unternehmen, denen Kundennähe wichtig ist, bedeutet dies, dass man sich den örtlichen Gepflogenheiten
anpassen muss, getreu dem Motto: „Andere Länder, andere Sitten“.
Trotzdem gibt es auch Ausnahmen: In bestimmten Regionen muss man,
wenn man die Mauern der Lokalisierung nicht durchbrechen konnte, entweder
zurücksetzen, Gas geben und erneut versuchen, diese Mauern aufzubrechen –
oder auch die Geschäftstätigkeit aufgeben. Das ist zweifellos der Fall, wenn es
um Ethik geht.
5
Globalisierung und Ethik
Von Land zu Land und von Kultur zu Kultur kann es sehr unterschiedlich sein,
was als „rechtmäßige“ und „übliche“ Geschäftsgepflogenheiten angesehen wird.
Leider zählen hierzu auch Praktiken, die man als verantwortungsbewusster Unternehmer oder Manager inakzeptabel findet. Beispielsweise werden laut Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation immer noch 218 Millionen Kinder
durch Kinderarbeit ausgebeutet. Mehr als die Hälfte von ihnen müssen gefährliche Arbeiten verrichten. Der Begriff „Kinderarbeit“ kann beliebig durch Diskri-
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