Reinhard Hünerberg / Andreas Mann (Hrsg.) Ganzheitliche Unternehmensführung in dynamischen Märkten GABLER RESEARCH Forum Marketing Herausgegeben von Professor Dr. Reinhard Hünerberg, Universität Kassel, Professor Dr. Andreas Mann, Universität Kassel, Professor Dr. Stefan Müller, Technische Universität Dresden und Professor Dr. Armin Töpfer, Technische Universität Dresden Die zunehmende Globalisierung führt zu einem verschärften Wettbewerb, vor allem in den Bereichen Qualität, Zeit und Kosten. Vor diesem Hintergrund werden in der Schriftenreihe aktuelle Forschungsergebnisse sowohl zu strategischen Fragen der marktorientierten Unternehmensführung als auch zur operativen Unsetzung durch konsequente Kundenorientierung präsentiert. Dazu werden innovative Konzeptionen entwickelt, theoretische Ursache-Wirkungs-Beziehungen analysiert und pragmatische Gestaltungsempfehlungen gegeben. Reinhard Hünerberg Andreas Mann (Hrsg.) Ganzheitliche Unternehmensführung in dynamischen Märkten Festschrift für Univ.-Prof. Dr. Armin Töpfer Mit Beiträgen von: Ingo Balderjahn, Fred G. Becker, Wolfgang Becker, Marc-Oliver Blockus, Klaus Bodensteiner, Ronald Bogaschewsky, Manfred Bruhn, Rolf Bühner, Michael W. Busch, Sören Dressler, Elgar Fleisch, Carina Gebhart, Marco Gießmann, Rüdiger Grube, Sven Henkel, Reinhard Hünerberg, Dieter Köster, Juliane Krebs, Christian Kunz, Volker Kurfess, Rainer Lasch, Frank Lasogga, Daniela Lehr, Michael Leyer, Stephan Mangliers, Andreas Mann, Susan Meixner, Anton Meyer, Jürgen Moormann, Stefan Müller, Günter Müller-Stewens, Andreas Munzel, Shamsey Oloko, Wolfgang Pfau, Thomas Rachfall, Marko Sarstedt, Manfred Schwaiger, Torsten Tomczak, Christoph Ullmer, Dietrich von der Oelsnitz, Benjamin von Walter, Stefan Wünschmann, Joachim Zentes RESEARCH Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Claudia Jeske | Britta Göhrisch-Radmacher Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1244-2 Vorwort Am 1. April 2009 hat der Mitbegründer der Schriftenreihe „Forum Marketing“ im Gabler-Verlag, Herr Professor Dr. Armin Töpfer, seinen 65. Geburtstag gefeiert. Ein Grund für uns, die Mitherausgeber der Schriftenreihe, den Jubilar mit einer Festschrift für sein wissenschaftliches Lebenswerk zu ehren. Kollegen, Weggefährten und Schüler von Armin Töpfer präsentieren im vorliegenden Sammelband aktuelle Forschungsergebnisse zu den Arbeits- und Forschungsbereichen, in denen Armin Töpfer schwerpunktmäßig tätig war und ist. Zur Erstellung der Festschrift haben neben den Autoren auch einige Mitarbeiter des Fachgebiets Marketing und des SVI-Stiftungslehrstuhls für Dialogmarketing an der Universität Kassel wertvolle Unterstützung geleistet. Namentlich zu erwähnen sind Frau Dipl.-Oec. Andrea Liese, Frau Dipl.-Oec. Elina Saida und Frau Martina Tisafalvi, die an den Vorbereitungen zur Drucklegung des Manuskripts tatkräftig mitgearbeitet haben. Ihnen und den Autoren gilt unser herzlicher Dank für ihre Beteiligung an der Erstellung des Sammelbandes. Ein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Rüdiger Grube und der M+M Management + Marketing Consulting GmbH in Kassel, die den Druck der Festschrift ermöglicht haben. Wir hoffen, dass die vorliegende Festschrift Beachtung in Wissenschaft und Unternehmenspraxis erfährt und zu weiterer Forschung sowie praktischen Umsetzungen anregt. Dem Jubilar wünschen wir auch weiterhin Schaffenskraft und wissenschaftliche Neugierde in seinem neuen Lebensabschnitt. Prof. Dr. Reinhard Hünerberg Fachgebiet Marketing, Universität Kassel Prof. Dr. Andreas Mann SVI-Stiftungslehrstuhl für Dialogmarketing, Universität Kassel Kassel, im Mai 2009 Inhaltsverzeichnis Vorwort .............................................................................................................V Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen an die Unternehmensführung ........................................................................................1 Reinhard Hünerberg / Andreas Mann Erster Teil: Komplexitäts- und Innovationsmanagement „Jedes Geschäft ist ‚global-lokal‘: Die Zukunft der Automobilindustrie“ .........17 Rüdiger Grube Komplexität bei Dienstleistungen .....................................................................27 Manfred Bruhn / Marc-Oliver Blockus Strategische Orientierungen des Innovationsmanagements in Handel und Konsumgüterindustrie .......................................................................................49 Joachim Zentes / Juliane Krebs Der Einfluss der RFID-Technologie auf die Unternehmensführung ................69 Elgar Fleisch / Günter Müller-Stewens Qualitäts- und Komplexitätsmanagement - Parallelitäten und Interaktionen zweier Managementdisziplinen ........................................................................93 Rainer Lasch / Marco Gießmann Human- und technologieorientiertes Wissensmanagement als Basis für Innovationen – Ein Vergleich zwischen KMU und Großunternehmen ..........125 Wolfgang Pfau / Stephan Mangliers Innovationscontrolling von Technologieprojekten in der regenerativen Energiebranche ...............................................................................................143 Sören Dressler / Thomas Rachfall VIII Inhaltsverzeichnis Zur Komplexität von Marketinginstrumenten – Konzeptionelle Überlegungen zu einer innovativen Integration von Kommunikation und Distribution als Herausforderung an eine marktorientierte Unternehmensführung ..................165 Reinhard Hünerberg Zweiter Teil: Unternehmens- und Mitarbeiterführung Ganzheitliches Supply Management in international agierenden Unternehmen ................................................................................187 Ronald Bogaschewsky Ganzheitliches Produktmanagement – Architektur, Betrachtungsperspektiven und Methoden .......................................................205 Wolfgang Becker / Christian Kunz Cause related Marketing als Instrument zur strategischen Unternehmensführung ....................................................................................233 Shamsey Oloko / Ingo Balderjahn Teamlernen: Ansatzpunkte und Erfolgsvoraussetzungen ...............................249 Dietrich von der Oelsnitz / Michael W. Busch Die Führungs-Paradox-These: Führungsunterstützung bei zeitkritischen Projektteams und Auswirkungen auf den Projekterfolg .................................273 Rolf Bühner / Carina N. Gebhart Roadmap to Brand Behavior - Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen ...307 Torsten Tomczak / Sven Henkel / Benjamin von Walter Demografieorientierte (= marktorientierte) Personalarbeit .............................327 Fred G. Becker Dritter Teil: CRM und Qualität Beziehungswert und Beziehungsintelligenz – Integration und Interdependenz der kunden- und unternehmensseitigen Perspektive durch intelligentes Beziehungsmanagement .................................................................................353 Anton Meyer / Andreas Munzel / Christoph Ullmer Inhaltsverzeichnis IX Erfolgsparameter exzellenter Customer Relationship ManagementAnsätze ............................................................................................................375 Frank Lasogga Kundenzufriedenheit, Beschwerdeverhalten und Beschwerdezufriedenheit: Ein Überblick ..................................................................................................395 Stefan Müller / Susan Meixner / Stefan Wünschmann Der Weg zur Marktorientierung - Fallbeispiel aus dem Automotive Aftermarket .....................................................................................................417 Volker Kurfess Partnerbindung in Hersteller-Händler-Kooperationen – Das Beispiel der Automobilwirtschaft .......................................................................................435 Klaus Bodensteiner / Reinhard Hünerberg / Andreas Mann Marktorientierung und Prozessgestaltung im langfristigen Bauprojektgeschäft .........................................................................................465 Dieter Köster Treiber der Fußballfanzufriedenheit - Eine kausalanalytische Untersuchung ..................................................................................................491 Manfred Schwaiger / Marko Sarstedt Mithilfe von Kundenbindungsmanagement zum Sanierungserfolg von Unternehmen ...................................................................................................515 Daniela Lehr Qualitätssteigerung durch Six Sigma am Beispiel der Finanzindustrie ..........527 Jürgen Moormann / Michael Leyer Dialogmarketing-Excellence: Qualitäts- und Wertorientierung in der direkten Kundenansprache ..............................................................................551 Andreas Mann Autorenverzeichnis .......................................................................................587 Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen an die Unternehmensführung Reinhard Hünerberg / Andreas Mann 1 2 3 4 5 Grundfunktionen der Unternehmensführung Komplexitäts- und Innovationsmanagement Unternehmens- und Mitarbeiterführung CRM und Qualität Literatur R. Hünerberg, A. Mann (Hrsg.), Ganzheitliche Unternehmensführungin dynamischen Märkten, DOI 10.1007/978-3-8349-8787-7_1, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 2 1 Reinhard Hünerberg / Andreas Mann Grundfunktionen der Unternehmensführung Im weiteren Sinne bewegt sich Unternehmensführung im Spannungsfeld zwischen externen Marktentwicklungen und den Kompetenzen eines Unternehmens. Erstere beinhalten Aktionen und Reaktionen von Marktteilnehmern ((potenziellen) Kunden, Wettbewerbern, (horizontalen und vertikalen) Marktpartnern) sowie sonstige Rahmenbedingungen (gesamtwirtschaftlicher, politischer, gesetzlicher Art usw.). Letztere umfassen die in der Unternehmung vorhandenen bzw. einsetzbaren Ressourcen und Potenziale physischer und intangibler Art. 1 Unternehmensführung lässt sich dann verstehen als die vorausschauende Berücksichtigung der Marktentwicklung im Lichte eigener Einflussmöglichkeiten mit entsprechender Handlungsrealisierung. 2 Letztlich ist die Kombination eines marketbased und eines resource-based view gefordert, die eine marktorientierte Unternehmensführung ermöglicht, indem externe und interne Situationen komplexer Natur durch adäquaten Ressourceneinsatz im Sinne unternehmerischer Zielvorstellungen bewältigt werden. 3 ARMIN TÖPFER hat in Forschung, Lehre und Praxisbeiträgen aus der damit aufgespannten großen Bandbreite an Fragestellungen zahlreiche Problemkreise aufgegriffen und teilweise intensiv behandelt. Genannt seien hier beispielhaft seine Erörterungen zu Wertorientierung 4 und Business Excellence von Unternehmen, 5 zum Geschäftsprozessmanagement 6 oder zum Kundenmanagement. 7 In der vorliegenden Festschrift zu seinem 65. Geburtstag werden einige dieser Bereiche grundsätzlich oder aus spezieller Perspektive, auch anhand konkreter Beispiele, diskutiert. Die Komplexität sowohl der externen Marktumwelt als auch der dadurch bedingten Unternehmenssituation sowie mögliche unternehmerische Reaktionen hierauf durch entsprechende Managementansätze, speziell durch Entwicklung und Einsatz von Innovationen, stehen im Mittelpunkt des ersten Teils dieser Festschrift („Marktorientierung durch Komplexitäts- und Innovationsmanagement“). Es folgt die Diskussion von Ausprägungen der Unternehmens-, in Sonderheit der Mitarbeiterführung, und ihrer Bedeutung für eine marktorientierte Unternehmensführung („Marktorientierung durch Unternehmens- und Mitarbeiterführung“). Der dritte Teil ist dem Beziehungsmanagement und dem hierauf 1 Vgl. Welge / Al-Laham 2008, S. 88 Vgl. Macharzina 1999, S. 6 / S. 23 ff. Vgl. Meffert / Burmann / Kirchgeorg 2008, S.13 ff. / S. 97; Töpfer 2007, S. 547 f. 4 Siehe Töpfer / Duchmann 2006 5 Siehe Töpfer 2002 6 Siehe derselbe 1996 7 Siehe derselbe 2008a und 2008b 2 3 Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen 3 abzielenden Einsatz marketingpolitischer Instrumente aus einer generellen Qualitätsperspektive gewidmet („Marktorientierung durch CRM und Qualität“). 2 Komplexitäts- und Innovationsmanagement Komplexitäts- und Innovationsmanagement lässt sich als ein interdependent verbundener Maßnahmenansatz der Unternehmensführung verstehen, 8 der für Konsumgüter-, Industriegüter- und Dienstleistungsanbieter gleichermaßen gilt. Zwar bezieht sich Komplexität generell auf das externe Unternehmensumfeld sowie auf komplizierte unternehmensinterne Zusammenhänge 9 und Innovation auf ganz bestimmte neuartige Maßnahmen unternehmerischen Handelns, 10 aus der Verbindung mit dem Management-Begriff ergibt sich jedoch die gegenseitige Verknüpfung beider Konzepte. Soll Komplexität handhabbar werden, so sind Ansätze zu ihrer kognitiven Durchdringung, Vereinfachung, Umwandlung, Berechnung o. ä. vonnöten. Zentrale Managementansätze in diesem Sinne werden häufig zu innovativen Ergebnissen führen, indem neuartige Prozesse und Angebotsformen realisiert werden. Technologieinnovationen wie etwa die ITRevolutionen spielen dabei eine besondere Rolle. Innovationen können auch als Qualitätsverbesserungen oder sogar -sprünge interpretiert werden 11 und erfordern häufig besondere Formen des Wissensmanagement. 12 Zumindest tendenziell tragen sie damit aber wiederum zu einer Komplexitätszunahme bei, so dass abzuwägen ist, ob sie insgesamt eher komplexitätsreduzierend oder -steigernd sind. Auf jeden Fall ist der Erfolg von Innovationen, etwa im Zusammenhang mit einem Innovationscontrolling, kritisch zu hinterfragen. RÜDIGER GRUBE trägt einen ersten einführenden Praxis-Beitrag zur Thematik bei, indem er die Globalisierung als generelle Rahmenbedingung der heutigen Unternehmensführung beschreibt („Jedes Geschäft ist ‚global-lokal‘: Die Zukunft der Automobilindustrie“). Alle weiteren Kapitel des vorliegenden Sammelbandes beruhen auf dieser Komplexitätsdeterminante, und alle Aspekte der Unternehmensführung sind von ihr mehr oder minder geprägt. Globalisierung wird jedoch erst zur besonderen Herausforderung durch die weiterhin notwendige Beachtung lokaler Gegebenheiten. Diese klassische Polarität zwischen „think globally, act locally“, welche die Konzeption eines „localized global marketing“ 8 Vgl. Garybadze 2004, S. 74 f. Vgl. Trommsdorff / Steinhoff 2007, S. 51 10 Vgl. Hauschildt / Salomon 2007, S. 3ff. 11 Vgl. Töpfer / Mehdorn 1993, S. 46 f. 12 Vgl. Hauschildt / Salomon 2997, S. 428 ff. 9 4 Reinhard Hünerberg / Andreas Mann erfordert, existiert in allen Branchen. Allerdings stellt sich die Aufgabe von Unternehmen zu Unternehmen ganz unterschiedlich. Der Autor geht auf das Beispiel Daimler ein. Gerade mit Blick auf die gegenwärtige Wirtschaftskrise sind seine zusätzlichen Anmerkungen zu ethischen Implikationen von besonderer Aktualität. Im folgenden Beitrag beschäftigen sich MANFRED BRUHN und MARCOLIVER BLOCKUS mit dem Thema externer und interner Komplexität aus Sicht des Anbieters von Dienstleistungen („Komplexität bei Dienstleistungen“). Diese bisher vernachlässigte Sicht schließt eine wichtige Lücke in der Beschäftigung mit Komplexität, denn die Charakteristika der Dienstleistung wie Immaterialität und Kundenintegration implizieren besondere komplexitätsrelevante Herausforderungen. Die Autoren konkretisieren den durchaus vagen Sprachgebrauch im Zusammenhang mit Komplexität und zeigen deren verschiedene Formen und Wirkungen auf, ehe sie auf die entsprechenden Besonderheiten bei Dienstleistungsanbietern eingehen und daraus Ansatzpunkte für ein DienstleistungsKomplexitätsmanagement entwickeln. JOACHIM ZENTES und JULIANE KREBS gehen näher auf Fragen des Innovationsmanagements, und zwar speziell im Handel und in der Konsumgüterindustrie, ein („Strategische Orientierungen des Innovationsmanagements in Handel und Konsumgüterindustrie“). Sie unterscheiden in diesem Kontext Produkt- / Service- / Sortimentsinnovationen, Prozessinnovationen sowie Geschäftsmodellinnovationen und analysieren Treiber und Prozessabläufe solcher Innovationen. Als Kern einer dabei herangezogenen empirischen Studie werden vier strategische Ausrichtungen identifiziert, die sich in unterschiedlichen Innovationstypen – „Kulturgetriebene“, „Unternehmungsführungsgetriebene“, „Prozessgetriebene“, Netzwerkgetriebene“ – niederschlagen. Die beiden erstgenannten sind stark durch kulturell-personelle Dimensionen geprägt, die beiden letztgenannten durch prozessual-organisatorische Maßnahmen. Die Autoren stellen fest, dass trotz der großen evidenten Bedeutung von Innovationen ein Defizit in der Umsetzung zu konstatieren ist. Ein spezieller Bereich der Prozessinnovation, die RFID-Technologie, wird von ELGAR FLEISCH und GÜNTER MÜLLER-STEWENS behandelt („Der Einfluss der RFID-Technologie auf die Unternehmensführung“). Sie sehen die Ergänzung von Alltagsgegenständen durch ein „Stück digitaler Logik“ als einen Schritt in die „3. IT-Revolution“, die ein „High-Resolution Management“ ermöglicht und erfordert. Das Innovationspotential der RFID-Technologie wird grundsätzlich und an praktischen Fallbeispielen aufgezeigt. Daraus lassen sich für diese Innovation vier strategische Wertschöpfungs- und vier strategische Positionierungsprinzipien ableiten. Sie demonstrieren Risiken und Chancen, wie sie bei jeder Innovation auftreten, und die gerade bei Prozessinnovationen häufig Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen 5 intendierte Unterstützung / Beeinflussung der Unternehmensführung, allerdings bei gleichzeitiger Notwendigkeit, neue Ansätze und Rahmenbedingungen, z.B. gesetzlicher Art, zu entwickeln. RAINER LASCH und MARCO GIEßMANN verknüpfen das Komplexitätsmanagement mit dem Qualitätsmanagement („Qualitäts- und Komplexitätsmanagement – Parallelitäten und Interaktionen zweier Managementdisziplinen“). Sie zeigen insbesondere am Beispiel der Logistik auf, dass Qualitätsdefizite sowohl (eine) Ursache als auch Resultat von Komplexität sein können. Gleichzeitig lassen sich analoge Entwicklungsstufen im Rahmen beider Managementkonzepte aufzeigen. Die Autoren diskutieren Methoden des Qualitäts- und Ansätze des Komplexitätsmanagements und fordern die gemeinsame Wissensnutzung für beide Aufgabenbereiche. Als eine Anwendungsmöglichkeit wird die Übertragung des Deming-Zyklus aus dem Qualitätsmanagement – Verknüpfung von Qualitätsplanung, Qualitätslenkung, Qualitätssicherung, Qualitätsverbesserung – auf den Prozess des Komplexitätsmanagements diskutiert. WOLFGANG PFAU und STEPHAN MANGLIERS thematisieren die Bedeutung von Wissensmanagement für „innovative Fit-Lösungen“ zwischen externer Komplexität (Nachfrage am Markt) und Ergebnis des Ressourceneinsatzes (unternehmerisches Angebot) („Human- und technologieorientiertes Wissensmanagement als Basis für Innovationen – Ein Vergleich zwischen KMU und Großunternehmen“). Sie differenzieren zwischen technologieorientiertem und humanorientiertem Wissensmanagement, je nachdem ob der Fokus auf materiellen oder personellen Wissensträgern liegt. Eine empirische Studie zeigt, dass Innovationskraft von allen untersuchten Unternehmen als wesentliche interne Stärke angesehen wird. Dabei wird auch die Bedeutung humanorientierten (impliziten) Wissens für deren Realisierung erkannt. Allerdings gibt es sowohl in KMU als auch in Großunternehmen, wie zuvor bei ZENTES / KREBS konstatiert, Defizite bei der Umsetzung in konkretes unternehmerisches Handeln. SÖREN DRESSLER und THOMAS RACHFALL diskutieren die abschließende Implementierung von Innovationen durch Controllingprozesse („Innovationscontrolling von Technologieprojekten in der regenerativen Energiebranche“). Am Beispiel erneuerbarer Energieträger wird die Rolle eines InnovationsControlling aufgezeigt und im Rahmen einer Fallstudie aus dem Solarenergiesektor im Einzelnen demonstriert. Der erste Teil zum Komplexitäts- und Innovationsmanagement wird abgeschlossen durch einen Beitrag von REINHARD HÜNERBERG zur Neukonzipierung des Marketing-Mix („Zur Komplexität von Marketinginstrumenten – Konzeptionelle Überlegungen zu einer innovativen Integration von Kommunikation und Distribution als Herausforderung an eine marktorientierte Unternehmensführung“). Es handelt sich um Grundsatzüberlegungen zum traditionellen Marke- 6 Reinhard Hünerberg / Andreas Mann ting-Mix, speziell zu den Bereichen der Kommunikation und Distribution, und zu Einflüssen von Umfeldentwicklungen, die in diesem Kontext eine Komplexitätssteigerung bedeuten und innovative Ansätze erfordern. Sie manifestieren sich in einzusetzenden, teilweise neuartigen Kommunikations- und Distributionsinstrumenten. Gleichzeitig führen sie zu einer Verschmelzung von Kommunikations- und Distributionspolitik innerhalb einer integrierten Kontaktpolitik über zahlreiche und zunehmend fragmentierte Kanäle hinweg. Damit ergeben sich zahlreiche neue Herausforderungen für Marktforschung, Planung und Kontrolle, Organisation, Personal und Führung. Diese Veränderungen sollten ihren Niederschlag auch in der Darstellung des Marketing, z. B. in Lehrbüchern, finden. 3 Unternehmens- und Mitarbeiterführung Unternehmensführung lässt sich verstehen als Planung und Realisierung von Verhaltensweisen, die das Unternehmen als Ganzes, speziell seine Wahrnehmung bei Stakeholdern und seine zentralen Erfolgsgrößen, betreffen. 13 Hinter der Unternehmensführung stehen insbesondere die obersten Entscheidungsträger, die aber nur im Gleichklang mit dem gesamten dispositiven Faktor und darüber hinaus letztlich mit allen Mitarbeitern im Unternehmen das angezielte Ergebnis verwirklichen können. Für die Unternehmensführung wird häufig ein integriertes bzw. ganzheitliches Konzept gefordert; 14 denn das Unternehmen besteht aus so vielen miteinander interdependent verwobenen Elementen, dass nur ein übergeordnetes allgemeines Prinzip oder eine aus allgemeinen und abgestimmten Grundsätzen hergeleitete Ausrichtung eine eindeutige Positionierung gewährleistet. Hierzu wird häufig aus Teilaspekten des Unternehmens ein generelles Führungsprinzip isoliert, insbesondere aus dem Marketing und seinen Bereiche, z.B. der Angebotspolitik, da sich hierin das Grundprinzip der Marktorientierung, eine durchaus generelle Unternehmensphilosophie, widerspiegelt. Unternehmensführung ist in besonderer Weise mit Human-Ressourcen verbunden; denn Unternehmensführung ist zum einen in der Durchführung an Personen gebunden und bezieht sich zum anderen zu einem Großteil auf Individuen und Gruppen im Unternehmen. 15 Geht man trotz ganzheitlicher Sichtweise von Teilaufgaben der Unternehmensführung aus, so steht Mitarbeiterführung daher in 13 14 15 Vgl. Macharzina 1999, S. 24 Vgl. Bleicher 1991, S. 56 ff. Vgl. ähnlich Steinmann / Schreyögg 2005, S. 7 f. Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen 7 der Prioritätenliste ganz oben. Mitarbeiter sind im Sinne der Unternehmensführungskonzeption auszuwählen, einzusetzen und zu entwickeln, damit sie ihrerseits adäquat an deren Realisierung mitwirken. Dabei spielt das Zusammenwirken von Individuen eine besondere Rolle. RONALD BOGASCHEWSKY diskutiert ein ganzheitliches Unternehmensführungskonzept aus Sicht der internationalen Beschaffung („Ganzheitliches Supply Management in international agierenden Unternehmen“). Er definiert ‚Supply Management’ als integriertes Ganzes aus Einkauf, Materialwirtschaft, Beschaffungslogistik und Supply Chain Management, das wiederum interdependent die anderen Wertschöpfungsbereiche wie Absatz, Produktion usw. einbezieht. Eine darauf aufbauende Form der Unternehmensführung ist zunehmend international geprägt – und von hoher Komplexität! –, da einige oder alle beteiligten Komponenten auf Auslandsmärkte ausgerichtet sind, und es dann um das Management globaler Wertschöpfungsnetzwerke geht. Unter dem Primat der Wettbewerbsfähigkeit unterliegen mehr und mehr Einzelaufgaben diesem Zwang zur weltweiten Planung und Steuerung. BOGASCHEWSKY weist anhand empirischer Daten konkrete globale Standortveränderungen in der Wertschöpfungskette nach. WOLFGANG BECKER und CHRISTIAN KUNZ erörtern ein ganzheitliches Produktmanagement („Ganzheitliches Produktmanagement – Architektur, Betrachtungsperspektiven und Methoden“). Sie beschreiben eine performanceorientierte Unternehmensführung, die auf das Management von Leistungsbündeln fokussiert ist. Auf Basis des Lebenszklus-Konzepts wird ein Referenzmodell ganzheitlicher, vom Produktmanagement ausgehender Unternehmensführung entwickelt. Ein Charakteristikum ist ein ‚Stage-Gate-Prozess’, der an Übergängen zwischen Teilphasen des Angebotsmanagementprozesses bzw. an dessen Ende Entscheidungs- / Evaluationspunkte vorsieht, an denen diverse Prozessaktivitäten ausgelöst werden. Hinzu tritt eine Gesamtbetrachtung aus mehreren Perspektiven, unter anderem als leistungs- und wertgrößenbezogene Analyse. Die Koordination eines solchen mehrphasigen und mehrperspektivischen Planungs-, Realisierungs-und Controllingprozesses kann als zentrale Herausforderung für eine ganzheitliche Unternehmensführung verstanden werden. SHAMSEY OLOKO und INGO BALDERJAHN thematisieren Unternehmensführung auf Grundlage gesellschaftlicher Verantwortung („Cause related Marketing als Instrument zur strategischen Unternehmensführung“). Sie greifen dabei insbesondere das Konzept auf, dass mit dem Kauf eines Markenprodukts Spenden des Anbieters für wohltätige Zwecke verknüpft sind. Daraus resultiert ein symbolischer Zusatznutzen, der für die Markenführung und die Unternehmensführung insgesamt eingesetzt werden kann. Die Verfasser unterscheiden zwischen taktischem Einsatz als Verkaufsförderungsinstrument und strategischem Füh- 8 Reinhard Hünerberg / Andreas Mann rungsansatz. Letzterer erfordert die Beachtung bestimmter Gestaltungsgrundsätze und kann dann ökonomische Zielsetzungen „synergetisch“ verstärken. DIETRICH VON DER OELSNITZ und MICHAEL W. BUSCH gehen auf eine spezielle Fragestellung der Mitarbeiterführung mit Blick auf das Lernverhalten in Teams ein („Teamlernen: Ansatzpunkte und Erfolgsvoraussetzungen“). Sie stellen das eigene kritische Hinterfragen und das bewusste Ingangsetzen von Lernprozessen (‚Teamreflexivität’) mit Blick auf konkrete Aufgaben sowie das soziale Teamverhalten in den Mittelpunkt und untersuchen, wie ein möglichst hohes Niveau solcher Reflexivität erreicht werden kann. Als drei zentrale Einflussgrößen hierauf identifizieren sie die Qualität der Teamführung (‚transformationale Führung’), Wahrnehmungsfähigkeit und Erkennen von Zusammenhängen bei den Teammitgliedern (‚Mindfulness’), gemeinsame mentale Modelle (‚Metawissen’). Auf dieser Basis werden praktische Ansätze des Teamlernens – Qualitätszirkel, Action Learning, After Action Review, Mikrowelten – auch mit Blick auf potenzielle Barrieren analysiert. Möglichkeiten und Bedeutung von Führungsunterstützung für Projektteams unter besonderer Berücksichtigung von Zeitdruck werden von ROLF BÜHNER und CARINA N. GEBHART untersucht („Die Führungs-Paradox-These: Führungsunterstützung bei zeitkritischen Projektteams und Auswirkungen auf den Projekterfolg“). Zu dieser Thematik wird eine empirische Untersuchung referiert, die sich auf Desinvestitionsentscheidungen bezieht, und 127 Fälle bei 50 (Groß-)Unternehmen einbezieht. Sie dient der Überprüfung von Hypothesen als Implikationen aus theoretischen Überlegungen zur Führung, insbesondere der Führungsunterstützung von Projektteams durch (relativ starre) Handlungsstrukturen (Ziel- und Verantwortlichkeitsvorgaben) einerseits und (Freiräume eröffnende) Ressourcenunterstützung andererseits; wobei der Gegensatz zwischen diesen beiden Unterstützungsrichtungen als ‚Führungs-Paradox-These’ bezeichnet wird. Insgesamt zeigt sich, dass Führungsunterstützung auf mittlerem Niveau sowie ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen klaren Zielen / Verantwortlichkeiten und interaktiver Ressourcenunterstützung angestrebt werden sollten, wobei Zeitdruck unterschiedliche Konsequenzen bewirken kann und dadurch eine besondere Herausforderung für Führungskräfte darstellt. TORSTEN TOMCZAK, SVEN HENKEL und BENJAMIN VON WALTER gehen auf eine spezifische Personalführungsaufgabe ein, die Motivation von Mitarbeitern im Zusammenhang mit der Markenführung („Roadmap to Brand Behavior – Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen“). Sie zeigen die Bedeutung des Behavioral Branding, des synergetischen Einsatzes von massenmedialen Branding-Maßnahmen und persönlicher (verbaler und non-verbaler) Mitarbeiterkommunikation (Brand Behavior), auf und formulieren für das Brand Behavior Ziele, Strategien, konkrete Soll-Verhaltensweisen und Analyse-Aufgaben vor der Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen 9 Umsetzung. Die Implementierung wird über eine markenorientierte Mitarbeiterführung, speziell mittels konkreter Verhaltensstandards und die im Beitrag von VON DER OELSNITZ / BUSCH bereits thematisierte transformationale Führung sowie einen Katalog von Maßnahmen, die auf die individuelle Förderung des Mitarbeiters oder die Schaffung von relevanten Strukturen ausgerichtet sind (Markenschulungen, Empowerment, Anreiz- und Belohnungssysteme usw.), realisiert. Auf diese Weise lassen sich Wissen, Commitment, Fähigkeiten und Verhalten der Mitarbeiter im Sinne gewünschter Markenwahrnehmung durch (potenzielle) Kunden ausrichten. FRED G. BECKER stellt die betriebliche Personalwirtschaft unter das Primat der Demografieorientierung („Demografieorientierte Personalarbeit“). Er versteht Demografieorientierung als Marktorientierung und fordert die Ausrichtung der Personalarbeit (externe Personalbeschaffung und interne Mitarbeiterbindung / -entwicklung) an Konzepten, die mit den Ursachen einer – zumindest längerfristig – schwierigen Arbeitsmarktsituation, z.B. begründet durch die ungünstige demografische und bildungsmäßige Entwicklung, umgehen kann. Hierzu werden demografieorientierte Ansätze wie Zielgruppenanalysen und entsprechende Instrumente der Personalarbeit erläutert. 4 CRM und Qualität Customer Relationship Management ist in den letzten Jahren zwar zu einem überall gehörten Schlagwort geworden. Das Konzept des Aufbaus von positiven längerfristigen Kundenbeziehungen ist dennoch ein anerkanntes strategisches Unternehmensziel geblieben. 16 CRM ist mit Qualität verbunden; denn die dadurch zu erreichende Marktorientierung soll sowohl die strategische Ausrichtung des Unternehmens und seiner Teilbereiche als auch die operative Umsetzung, zum Beispiel in Form kundenoptimierter Marketinginstrumente, auf ein zielkonformeres Performance-Niveau heben. Die Marktorientierung im Sinne einer Ausrichtung an den Marktgegebenheiten, speziell an den Marktpartnern (existierenden und potenziellen Kunden, Konkurrenten, Kooperationspartnern u. a.) führt zu einer besonderen Thematisierung der Zufriedenheit der jeweiligen Zielgruppe und der daraus unter Umständen folgenden Bindung an das eigene Unternehmen. 17 Beide Konstrukte sind allerdings durchaus interpretationsbedürftig und ihr Zusammenhang bedarf – 16 17 Vgl. Töpfer 2008c, S. 629 ff. Vgl. derselbe 2008d, S. 82 ff. 10 Reinhard Hünerberg / Andreas Mann trotz Bestätigung in vielen Untersuchungen – genauerer Analyse, denn zahlreiche weitere Variable können im Einzelfall Einfluss ausüben. Die Qualität praktischen unternehmerischen Handelns ist auf jeden Fall mit der CRM-Perspektive verbunden, wenngleich jede Branche und jede Situation spezielle Reaktionen erfordert. Die bis heute zusammen getragenen konzeptionellen Überlegungen, methodischen Weiterentwicklungen und zahlreichen empirischen Studien bilden eine gute Grundlage für einen entsprechenden Qualitätsfortschritt. ANTON MEYER, ANDREAS MUNZEL und CHRISTOPH ULLMER gehen auf Grundfragen des Beziehungsmanagement ein („Beziehungswert und Beziehungsintelligenz – Integration und Interdependenz der kunden- und unternehmensseitigen Perspektive durch intelligentes Beziehungsmanagement“). Sie differenzieren zwischen kundenseitigem Nutzen und unternehmensseitigem Kundenwert und den daraus folgenden Wertdimensionen. Im Mittelpunkt stehen die aus der gegenseitigen Beziehung resultierenden Vorteile, die durch das auf Rosier zurückgehende Konzept der Beziehungsintelligenz gestaltbar werden. Es beinhaltet reaktive und proaktive Anpassung, Ausrichtung auf beiderseitige Ziele im Rahmen von Effektivitäts- und Effizienzgesichtspunkten sowie organisationale und Interaktions-Fähigkeiten. Dabei kommt insbesondere wieder die zentrale Rolle von (Kundenkontakt-)Mitarbeitern zum Tragen. FRANK LASOGGA analysiert ebenfalls generelle Aspekte des CRM („Erfolgsparameter exzellenter Customer Relationship Managemen-Ansätze“). Er stellt Prinzip und Bedeutung des Beziehungsmanagement in Kontrast zum traditionellen transaktionsorientierten Marketing dar und analysiert erfolgskritische Parameter. Hierzu zählt er u. a. die Wertesteuerung im Unternehmen, Mitarbeiterpolitik, ganzheitliche Unternehmensführung in strategischer und operativer Sicht, Qualität von Angebot und Prozessen. Dabei geht es eindeutig um die Generierung profitabler Beziehungsgeflechte durch Beachtung individueller Bedürfnisse und Fähigkeiten. STEFAN MÜLLER, SUSAN MEIXNER und STEFAN WÜNSCHMANN stellen den CRM-Aspekt der Zufriedenheit in den Vordergrund ihrer Überlegungen („Kundenzufriedenheit, Beschwerdeverhalten und Beschwerdezufriedenheit: Ein Überblick“). Sie gehen speziell auf die Konsequenzen von Unzufriedenheit in Form von Beschwerden ein und referieren diverse Studien zu diesem Fragenkreis. So werden unterschiedliche Formen des Beschwerdeverhaltens und Einflussfaktoren auf diese analysiert. Im Mittelpunkt stehen neben psychographischen, insbesondere persönlichkeitsbezogenen, und situativen Merkmalen landeskulturelle Einflüsse. Hier wird ein weites Untersuchungsfeld aufgezeigt; denn offensichtlich gehen mit Kulturunterschieden differierende Ausprägungen der Beschwerdeneigung und abweichende Formen des Beschwerdeverhaltens einher. Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen 11 Abschließend gehen die Autoren auf die Bedeutung eines aktiven Beschwerdemanagements ein und zeigen auf, dass es positive vor-ökonomische Wirkungen zeitigt. Auch VOLKER KURFESS widmet sich der Frage der Marktorientierung, und zwar am Beispiel einer spezifischen Branche („Der Weg zur Marktorientierung – Fallbeispiel aus dem Automotive Aftermarket“). Er zeigt aus praktischer Sicht anhand eines Fallbeispiels aus dem Automobil-Ersatzteilmarkt auf, wie Marktorientierung implementiert werden kann. Die Situation in diesem Markt ist wegen zahlreicher Marktakteure auf mehreren Distributionsstufen und großer Teilevielfalt komplex, wegen des Volumens und (möglicherweise erzielbarer) Margen jedoch attraktiv. Der konkrete Fall demonstriert, dass trotz schwacher Marktstellung eine an Kundenbedürfnissen und zentralen Erfolgsfaktoren ausgerichtete Handlungsanalyse mit einem klaren Geschäftsplan als Ergebnis die Realisierung von Erfolg versprechenden Maßnahmen selbst in krisenhaften Situationen ermöglicht. KLAUS BODENSTEINER, REINHARD HÜNERBERG und ANDREAS MANN widmen sich ebenfalls der Automobilbranche mit besonderer Betonung des Ersatzteilgeschäfts („Partnerbindung in Hersteller-Händler-Kooperationen – Das Beispiel der Automobilwirtschaft“). Sie untersuchen jedoch das grundsätzliche Problem der Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern und den zugehörigen Händlerbetrieben als Beispiel eines spezifischen Kontraktmarketing. Die Thematik hat zunehmend an Aktualität gewonnen, weil durch das europäische Wettbewerbsrecht, speziell die so genannten Gruppenfreistellungsverordnungen für die Automobilwirtschaft, zunehmend Entscheidungsspielräume für Vertragshändler geschaffen worden sind, die anstelle von herstellerinduzierten Bindungen durch (freiwilliges) Kooperationsverhalten ausgefüllt werden können. Die Autoren formulieren auf Basis genereller Überlegungen aus den Verhaltenswissenschaften, der Neuen Institutionenökonomie und empirischer Studien eine Reihe von Hypothesen im Zusammenhang mit Einflussfaktoren auf die Händlerbindung (im Ersatzteilgeschäft) der Automobilwirtschaft. Deren kausalanalytische Überprüfung mittels Kovarianzstrukturanalyse führte zu einer weitgehenden Bestätigung der direkten und indirekten Effekte des formulierten Strukturmodells. Hieraus ergeben sich primär für die Automobilindustrie, durchaus aber auch für generelle Hersteller-Händler-Beziehungen eine Reihe praktischer Implikationen zu Marktorientierung und Kundenbindung. DIETER KÖSTER zieht das Baugeschäft als Beispiel für praktische Erörterungen zur Marktorientierung heran („Marktorientierung und Prozessgestaltung im langfristigen Bauprojektgeschäft“). Er stellt die besonderen Diskrepanzen zwischen Bauunternehmen und Kunden mit ihren Konsequenzen für Zufriedenheiten und Beschwerden heraus und interpretiert diese im Lichte der Neuen Insti- 12 Reinhard Hünerberg / Andreas Mann tutionenökonomie. Qualitätsverbesserungen durch stärkere Marktorientierung sollten bestimmte Werttreiber in den Vordergrund stellen. Dazu zählen insbesondere ein am Kunden ausgerichtetes Leistungsprogramm und die Prozessoptimierung in der Bauunternehmung. Ein weiteres Beispiel für die Beeinflussung von Kundenzufriedenheit bzw. die Erzielung von Kundenbindung durch marktorientierte Maßnahmen diskutieren MANFRED SCHWAIGER und MARKO SARSTEDT („Treiber der Fußballfanzufriedenheit – Eine kausalanalytische Untersuchung“). Die beiden Autoren zeigen, dass die Zufriedenheit der speziellen Zielgruppe Fußballfans ein strategischer Erfolgsfaktor für zunehmend professionalisierte Vereine ist. Es wird diskutiert, wie die Zufriedenheit in diesem Fall gemessen werden kann. Schwaiger und Sarstedt definieren sie als formatives Konstrukt und interpretieren diesen Fall im Sinne von Rossiter’s C-OAR-SE-Ansatz als Beschreibung eines „concrete single object“ durch ein „formed attribute“. Letztlich werden im Rahmen einer Vorstudie 108 Items als Komponenten erster und zweiter Ordnung identifiziert und später auf 17 Faktoren mit 99 Items reduziert. Eine Hauptstudie auf Basis von 600 Datensätzen wurde mit PLS ausgewertet und ermittelte sieben Einflussgrößen der Zufriedenheit, z. B. die Zufriedenheit mit dem Stadion. Als Basis für die Ableitung von Handlungsempfehlungen werden mit den jeweiligen Zufriedenheiten Wichtigkeiten verknüpft und auf diese Weise Impact-PerformanceMaps gebildet. DANIELA LEHR untersucht einen speziellen Aspekt der Kundenbindung („Mithilfe von Kundenbindungsmanagement zum Sanierungserfolg von Unternehmen“). Sie gibt praktische Hinweise, wie in verschiedenen schweren Krisensituationen eines Unternehmens – Erfolgskrisen mit schneller und mit langsamer Restrukturierung, Liquiditätskrisen, Insolvenz – neben Sanierungsmaßnahmen in engerem Sinne auch Kundenzufriedenheits- und Kundenbindungsmaßnahmen implementiert werden können. Auf diese Weise lassen sich trotz notwendiger Kosteneinsparungen Umsätze sicherstellen. Allerdings wird mit zunehmender Schwere der Krise der Spielraum für derartige Maßnahmen tendenziell geringer, und man wird dann ihren Anteil an den gesamten Sanierungsaktivitäten einschränken und auf die wichtigsten Bestandskunden konzentrieren müssen. JÜRGEN MOORMANN und MICHAEL LEYER widmen sich in ihrem Beitrag dem Six-Sigma-Konzept zur Steigerung der Qualität von Versicherungs- und Bankdienstleistungen („Qualitätssteigerung durch Six Sigma am Beispiel der Finanzindustrie“) Auf Grundlage konzeptioneller Überlegungen und anhand von Beispielen aus der Unternehmenspraxis zeigen die Autoren die Potenziale von Six Sigma-Anwendungen zur Qualitäts- und Effizienzsteigerung auf. Außerdem werden neben generellen Anforderungen zum erfolgreichen Einsatz von Six- Komplexität und Ressourceneinsatz als Herausforderungen 13 Sigma im Finanzdienstleistungsbereich auch die Grenzen des Ansatzes diskutiert. ANDREAS MANN schließlich untersucht die Qualität von Kommunikationsmaßnahmen, speziell die Dialogkommunikation („Dialogmarketing-Excellence: Qualitäts- und Wertorientierung in der direkten Kundenansprache“). Er entwickelt auf Basis des EFQM-Modells einen Ansatz zur ganzheitlichen Steuerung und Gestaltung von Dialogmarketing-Maßnahmen. Durch die Verknüpfung des Dialogmarketing mit Vorsteuergrößen des Unternehmenswerts zeigt er den strategischen Nutzen der direkten Kundenansprache auf, der in der Unternehmenspraxis häufig nicht oder nur ansatzweise realisiert wird. Bei der Erläuterung des Dialogmarketing-Excellence-Ansatzes wird zudem deutlich, dass die Faktoren erfolgreicher Dialogmarketing-Kampagnen vor allem in der Dialogbereitschaft und in der Dialogmarketing-Infrastruktur liegen und nur teilweise im Kampagnen-Management selbst begründet sind. 5 Literatur: BLEICHER, K. (1991): Das Konzept Integriertes Management, Frankfurt / New York GARYBADZE, A. (2004): Technologie- und Innovationsmanagement, München HAUSCHILDT, J. / SALOMON, S. (2007): Innovationsmanagement, 4. Aufl., München MACHARZINA, K. (1999): Unternehmensführung, 3. Aufl., Wiesbaden MEFFERT, H. / BURMANN, C. / KIRCHGEORG, M. (2008): Marketing – Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, 10. Aufl., Wiesbaden STEINMANN, H. / SCHREYÖGG, G. (2005): Management, 6. Aufl., Wiesbaden TÖPFER, A. (1996): Das neue Denken in Geschäftsprozessen, in: TÖPFER, A. (Hrsg.), Geschäftsprozesse analysieren und optimieren, Neuwied / Kriftel / Berlin, S. 1-22 TÖPFER, A. (2002): Entwicklungsstufen, Ergebnisse und Erfolge umgesetzter Business Excellence, in: TÖPFER, A. (Hrsg.), Business Excellence, Frankfurt / Main TÖPFER, A. (2007): Betriebswirtschaftslehre, 2. Aufl., Berlin / Heidelberg 14 Reinhard Hünerberg / Andreas Mann TÖPFER, A. (2008a): Phasen und Inhalte des Kundenmanagements – Prozess und Schwerpunkte für kundenorientiertes Handeln und Verhalten, in: TÖPFER, A. (Hrsg.), Handbuch Kundenmanagement, 3. Aufl., Berlin / Heidelberg, S. 336 TÖPFER, A. (2008b): Analyse der Anforderungen und Prozesse wertvoller Kunden als Basis für die Segmentierung und Steuerungskriterien, in: TÖPFER, A. (Hrsg.), Handbuch Kundenmanagement, 3. Aufl., Berlin / Heidelberg, S. 336 TÖPFER, A. (2008c): Erfolgsfaktoren, Stolpersteine und Entwicklungsstufen des CRM, in: TÖPFER, A. (Hrsg.), Handbuch Kundenmanagement, 3. Aufl., Berlin / Heidelberg, S. 627-650 TÖPFER, A. (2008d): Ursachen-Wirkungs-Konzepte für Kundenloyalität und Kundenbindung, in: TÖPFER, A. (Hrsg.), Handbuch Kundenmanagement, 3. Aufl., Berlin / Heidelberg, S. 81-103 TÖPFER, A. / DUCHMANN, C. (2006): Das Dresdner Modell des Wertorientierten Managements: Konzeption, Ziele und integrierte Sicht, in: SCHWEICKART, N. / TÖPFER, A. (Hrsg.), Wertorientiertes Management, Berlin / Heidelberg / New York, S. 3-63 TÖPFER, A. / MEHDORN, H. (1993): Total Quality Management, Neuwied / Kriftel / Berlin TROMMSDORFF, V. / STEINHOFF, F. (2007): Innovationsmarketing, München WELGE, M. K. / AL-LAHAM, A. (2008): Strategisches Management, 5. Aufl., Wiesbaden Erster Teil Komplexitäts- und Innovationsmanagement „Jedes Geschäft ist ‚global-lokal‘: Die Zukunft der Automobilindustrie“ Rüdiger Grube 1 2 3 4 5 6 Einleitung Globalisierungsanforderungen in der Automobilindustrie Globalisierungsängste als Hemmschuh Globalisierungs- und Lokalisierungsstrategien von DAIMLER Globalisierung und Ethik Ausblick R. Hünerberg, A. Mann (Hrsg.), Ganzheitliche Unternehmensführungin dynamischen Märkten, DOI 10.1007/978-3-8349-8787-7_2, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 18 1 Rüdiger Grube Einleitung Im vorliegenden Beitrag geht es um einen Kunstbegriff im Rahmen der internationalen Unternehmensführung, der die beiden Adjektive ,global' und ,lokal' miteinander verbindet. Diese Wortkonstruktion weist auf die Wechselwirkung zwischen globalen und lokalen Handlungen und Entwicklungen, Ideen und Entscheidungen hin. In diesem Zusammenhang sind drei Aspekte relevant. Zum ersten wird daran erinnert, wie globalisiert und vernetzt unsere Welt inzwischen ist – vor allem die Automobilindustrie. Der zweite Aspekt zeigt die Grenzen der Globalisierung in Form von regionaler Fragmentierung und kontinuierlicher oder sogar neuer Diversität auf. Der dritte Aspekt handelt von einem Bereich, dem wir nicht an „lokale“ Gewohnheiten anpassen können bzw. sollen, und zwar der Bereich der globalen Ethik. 2 Globalisierungsanforderungen in der Automobilindustrie Historisch gesehen ist nicht die Tatsache der Globalisierung neu, sondern deren heutiges Ausmaß. Möglich gemacht wurde es durch technologische Quantensprünge. So hat sich die Leistungsfähigkeit der elektronischen Datenverarbeitung und -speicherung in den letzen Jahren erheblich erhöht. Zusammen mit einem langfristigen Rückgang der Abwicklungskosten haben diese Entwicklungen zum „Tod der Entfernung“ geführt. Die Weltwirtschaft ist hierdurch näher zusammengerückt. Dies wird z. B. deutlich, wenn man den globalen Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen betrachtet, der von 1990 bis heute um das Siebenfache gestiegen ist. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von ca. 13 Prozent. Das Volumen der grenzüberschreitenden Fusionen und Übernahmen hat sich seit 1995 versechsfacht. Ein weiteres Beispiel für die zunehmende globale Verknüpfung der Weltwirtschaft liefert die Hypothekenkrise in den USA, die sich sehr schnell dramatisch in der ganzen Welt ausgewirkt hat. Sie hat in nahezu jedem Land einen erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden verursacht. Tatsächlich war eines der ersten Finanzinstitute, das infolge des Kaufs von amerikanischen forderungsbesicherten Wertpapieren unterging, nicht einmal eine amerikanische Bank, sondern die britische Northern Rock Bank. Was den Industriebereich betrifft, ist die Automobilindustrie die wahrscheinlich am stärksten globalisierte Branche. Die „deutsche“ Automobilindustrie fertigt heute 49 Prozent ihrer gesamten Fahrzeuge im Ausland. Von 1981 bis „Jedes Geschäft ist ‚global-lokal‘: Die Zukunft der Automobilindustrie“ 19 heute ist „deutsche“ Fahrzeugproduktion im Ausland um ca. 350 Prozent gestiegen. Ein Grund für diese Entwicklung ist die Tatsache, dass ausländische Absatzmärkte viel stärker als die Inlandsmärkte gewachsen sind: Zwischen 1991 und 2007 sind die Inlandsumsätze von deutschen OEMs um 55 Prozent gestiegen, während die Auslandsumsätze ein Wachstum von 250 Prozent verzeichneten. Deutsche Automobilunternehmen hatten daher keine andere Wahl als in diese Auslandsmärkte vorzudringen, wenn sie von den Wachstumschancen profitierten wollten. Daimler ist seit Langem ein Teilnehmer ebenso wie ein Befürworter und Nutznießer der Globalisierung: Bereits im Jahr 1980 erwirtschaftete das Unternehmen 55 Prozent seiner Umsätze im Ausland. Heute liegt dieser Anteil bei 77 Prozent mit steigender Tendenz. Was die Globalisierung und das beeindruckende Wachstum der internationalen Märkte betrifft, stehen zwei Aspekte tendenziell eng miteinander in Beziehung: Zum einen die Erschließung neuer Absatzmärkte und zum anderen der Aufbau lokaler Montage-, Fertigungs- oder sonstiger Aktivitäten. Häufig ist ein erfolgreicher Markteintritt und ein langfristiges Marktengagement ohne Direktinvestitionen nicht möglich. So lassen es einige Länder ganz einfach nicht zu, dass man an ihrem Markt partizipiert, ohne dort Wert zu schaffen. Aber noch wichtiger ist, dass die Kunden keine schlechtere Qualität oder einen höheren Preis akzeptieren, nur weil die globale Optimierung der Wertschöpfungskette eines Anbieters nicht gut und nachhaltig erfolgt. Ein aktuelles Beispiel aus der Praxis hierzu kommt von Daimler Trucks, dem Geschäftsfeld für Nutzfahrzeuge, das Fahrzeuge an 28 Standorten außerhalb von Europa herstellt. 2002 hat Daimler erkannt, dass eine globale Lösung nötig ist, um neue und strengere Abgasnormen für die schweren Motoren, von denen unsere Lastwagen angetrieben werden, zu erfüllen. Man hat sich dazu entschieden, eine Motorenplattform für schwere Lkw für alle Märkte weltweit aufzubauen. Intern wird diese Plattform als „HDEP“ (Heavy-Duty Engine Platform) bezeichnet. Bevor die ersten Entwürfe angefertigt wurden, wurde das strategische Ziel festgelegt, das Potenzial, die Größe und den Umfang von Daimler Trucks weltweit voll auszuschöpfen. Daimler nutzte die Ressourcen der Konstruktionsteams in Europa, Asien und Nordamerika, um eine flexible Motorenplattform zu entwickeln, die die weltweiten Kundenanforderungen an Qualität, Leistung und Beständigkeit erfüllen bzw. übertreffen würde. Darüber hinaus wurde sichergestellt, dass der Motor an die unterschiedlichen Anforderungen unterschiedlicher Märkte, einschließlich sehr unterschiedlicher rechtlicher Anforderungen, angepasst werden konnte. Er wurde „global-lokalisiert“. Dabei waren enorme technische Herausforderungen zu bewältigen. In ihrer Endversion hatte die Heavy-Duty Engine Platform markenübergreifend 90 Prozent Gleichteile in allen Absatzregionen und 50 Prozent Gleichteile bei vier Hubräumen von 10,6 bis 15,6 Litern. Zu den HDEP- 20 Rüdiger Grube Produktionsstandorten zählen Kawasaki in Japan, Redford in Michigan und Mannheim in Baden-Württemberg. Das Ziel ist weiterhin ein Maximum an globaler Standardisierung, die noch den erforderlichen Grad an lokaler Anpassung zulässt. 3 Globalisierungsängste als Hemmschuh Vor 10 oder 15 Jahren war die öffentliche Diskussion über die Globalisierung vor allem durch die „Angst“ geprägt, dass Globalisierung zu einem zu hohen Grand an Standardisierung, wenn nicht sogar Uniformität, führen könnte. Bei manchen Personen hatte sich gar die Vorstellung einer sogenannten „McWorld“, in der alles überall gleich ist, verfestigt. Allerdings hat sich diese Vorstellung bis heute nicht bewahrheitet. Wenn man irgendeine Millionenstadt in Asien heute betrachtet, dann sieht man zwar auf den ersten Blick die Fassade westlicher Kultur. Ein Blick in die Fassade zeigt jedoch, wie stark die Welt nach wie vor noch fragmentiert ist. Und das gilt natürlich nicht nur für die unglaubliche Vielfalt von Steckdosen, die uns auf Reisen das Leben schwer machen, sondern für zahlreiche andere Dinge. Man könnte sogar meinen, die Globalisierung hätte eine Art kulturellen „Rückschritt“ ausgelöst: Denn sie hat das menschliche Bedürfnis nach Differenzierung zwischen und in Nationen, Regionen, Kulturen und Religionen eher verstärkt. Ohne die indische Gewürzmischung Masala könnte McDonald’s seine Burger in Indien kaum verkaufen. Und natürlich müssen diese Burger vegetarisch oder mit Hühnerfleisch sein, um für Hindus in Frage zu kommen. Eine weitere Herausforderung ist nach wie vor die Sprache. So erscheinen die lateinbasierten Sprachen den Chinesen angesichts der Komplexität des Chinesischen wie enge Verwandte. Aber auch den Europäern kommen asiatische Sprachen sehr ähnlich vor. Vor allem mit Markennamen geht man leicht im Sprachendschungel verloren. So steht der urheberechtlich geschützte Begriff „ben-chi“ in China für Mercedes-Benz. Er bedeutet wörtlich „schnell galoppierendes Pferd“. Die chinesischen Kollegen von Daimler schlugen den Bergiff „ben-chi“ vor, weil sie der Ansicht waren, dass es die Eigenschaften, für die Mercedes-Benz weltweit steht, am besten widerspiegelt: Tradition und Innovation, Spitzentechnologie, Prestige und Komfort, kurzum: „der neueste Stand der Automobiltechnik“. „Jedes Geschäft ist ‚global-lokal‘: Die Zukunft der Automobilindustrie“ 4 21 Globalisierungs- und Lokalisierungsstrategien von DAIMLER Im Jahr 2007 verkaufte Daimler einen Mehrheitsanteil, den das Unternehmen an Chrysler hielt, und beendeten die neun Jahre zuvor eingegangene Fusion. Das DaimlerChrysler-Modell war das eines global integrierten Unternehmens, das den gesamten Markt abdeckte – von Volumen- bis Premium-Segmenten. In der Theorie war dies ein perfekter Ansatz. Die Realität sah jedoch so aus, dass wir eine globale Integration nicht erreichen konnten, da die beiden Unternehmen nicht kompatibel war im Hinblick auf das Image der Marken, den Vorlieben der bedienten Kundensegmente und bei vielen anderen Erfolgsfaktoren, die alle sehr unterschiedlich und fragmentiert waren. In den DaimlerChrysler-Jahren wurde hart daran gearbeitet, die Wettbewerbsposition von Chrysler zu verbessern. In Anbetracht der sehr unterschiedlichen Märkte und Segmente, in denen Daimler und Chrysler agierten, war der Grad der Zusammenarbeit jedoch – trotz allen Engagements – geringer als wir erwartet hatten. Rückblickend muss man feststellen, dass das Potenzial, Spitzentechnologie von Mercedes-Benz an Chrysler weiterzugeben, überschätzt wurde. Im Gegensatz zu Kunden von PremiumMarken sind amerikanische Kunden von Volumenmarken viel zu preisbewusst, um diese Kosten zu tragen. Der Lerneffekt über die Grenzen der Globalisierung war für Daimler sehr hoch. Ein weiteres Beispiel für die Notwendigkeit, eine Ausgewogenheit zwischen globalen und lokalen Anforderungen zu schaffen, ist der Wettlauf um nachhaltige Mobilität. Seit mehr als einem Jahrhundert sind die Industrienationen und die globale Automobilbranche vom Erdöl abhängig. Dies ist – im Gegensatz zu gewissen Klischees – nicht darauf zurückzuführen, dass die Branchengrößen sich in privater Runde getroffen und entschieden haben, dass das Verbrennen von fossilen Brennstoffen eine gute Möglichkeit wäre, „die Umwelt zu schädigen“. Benzin machte das Rennen, da es relativ günstig und reichlich vorhanden war und, was am wichtigsten ist, eine hohe Energiedichte aufweist. Kurzum, es eignete sich bestens als Treibstoff für unsere Mobilität. Dampf-, batterieelektrische und sogar erste Hybridfahrzeuge gab es bereits in den frühen Jahrzehnten des „ersten“ Jahrhunderts des Automobils. Aber bereits in den 1920er Jahren gerieten sie aufgrund ihrer Unzweckmäßigkeit ins Hintertreffen. Heutzutage sind globale Themen die Hauptantriebsfaktoren für eine möglicherweise langfristige Abkehr vom Erdöl: der steigende Ölpreis – aufgrund einer Kombination aus steigender Nachfrage, schwindenden Reserven, Rohstoffspekulationen und den Unsicherheiten bei Öllieferungen im Zusammenhang mit politischen Krisen, nicht zu vergessen unser Umweltbewusstsein und die Herausforde- 22 Rüdiger Grube rungen der globalen Erwärmung –, auch wenn gemäß den Informationen des IPCC nur 10 % des weltweiten CO2-Ausstoßes auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe in Fahrzeugen zurückzuführen sind. Die richtige Herangehensweise an diese globalen Fragen ist oftmals eine komplexe lokale Herausforderung, da jede Region hier ihren eigenen Weg beschreitet, um dabei zu „helfen“, die Anstrengungen der Industrie voranzutreiben. So musste für den oben angesprochenen Heavy-Duty Engine der Daimler Trucks drei verschiedene Abgasnormen erfüllt werden; die amerikanische EPA ’07-, Euro VI- und japanische JP 09Bestimmungen. Damit wird nachvollziehbar, warum bei der „GlobalLokalisierung“ die Ingenieure manchmal das Gefühl haben, dass sie gezwungen sind, europäischen Fußball auf einem amerikanischen Baseballfeld nach den Regeln des japanischen Sumo-Ringens zu spielen. Sogar in einem Land existieren verschiedene Ansätze. Betrachten wir als Beispiel die USA: Im Dezember 2007 verabschiedete der amerikanische Kongress einen neuen Average Fuel Economy Standard für Autos und Kleinlastkraftwagen. Ende April 2008 schlug das U.S. Transportation Department eine strengere Norm vor. Inzwischen wollen Kalifornien und 16 andere Bundesstaaten eine Genehmigung der US-Regierung, um noch strengere Normen festzulegen. Die Situation in Europa stellt sich ähnlich dar. Die Automobilindustrie stellt dies jedoch vor die Herausforderung von sich verändernden Zielanforderungen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Identifizierungsmerkmale für die Fahrzeugklassifizierung – die Kriterien für die Unterscheidung zwischen Kompakt- und Mittelklassewagen oder Autos und Kleinlastwagen – immer noch nicht festgelegt sind. Man kann davon ausgehen, dass die US-Bundesbehörden das Fahrzeuggewicht als Identifizierungsmerkmal für die Klassifizierung festlegen werden, wie dies in Japan und in der EU bereits geschehen ist. Ein weiteres Beispiel für den Dualismus von globalen und lokalen Faktoren sind die unterschiedlichen Vorlieben der Kunden. Es ist kein Zufall, dass amerikanische Autos üblicherweise Namen wie „Thunderbird“, „Mustang“ oder „Viper“ haben, während europäische Klassiker Namen wie „Käfer“ oder „Ente“ tragen. „Größer“ war in den USA eindeutig ein Synonym für „besser“, doch hier findet allmählich ein Wandel statt. Aus diesem Grund hat Daimler im vergangenen Jahr den smart als intelligentes Stadtauto in den USA eingeführt. Die Verkaufszahlen, die der smart heute verzeichnet, wären für die meisten „Experten“ vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen. Ein weiterer wichtiger Unterscheidungspunkt ist die Wahl des Kraftstoffs: In Deutschland entscheiden sich 48 Prozent der Kunden für Diesel. In den USA sind es nur 3 Prozent, aber es werden mehr. Wenig hilfreich jedoch ist es, dass Diesel in den USA derzeit ca. 10 Prozent teurer als Premium-Benzin ist. Dies ist „Jedes Geschäft ist ‚global-lokal‘: Die Zukunft der Automobilindustrie“ 23 bedauerlich, da ein höherer Dieselanteil die Abhängigkeit der USA vom Öl verringern könnte. Wenn nur ein Drittel aller PKWs in den USA mit moderner Dieseltechnologie ausgestattet wären, müsste das Land keinen Tropfen Öl mehr aus Saudi-Arabien importieren. Diese Angaben basieren auf Berechnungen der U.S. Environmental Protection Agency. Die Unterschiede bei den Kundenwünschen beschränken sich natürlich nicht nur auf Amerika und Europa. Für chinesische Kunden beispielsweise ist das Prestige ungeheuer wichtig, weshalb Mercedes Benz genau das Richtige für sie ist. 2008 sind die Absatzzahlen in China um 39 % gestiegen. Und nicht alle der mehr als 350.000 chinesischen Dollar-Millionäre haben sich eine S-Klasse gekauft. Mercedes Benz hat die Produktpalette auf die besonderen Wünsche der chinesischen Kunden zugeschnitten. Zum Beispiel beschäftigen viele der Oberklassenkunden einen Fahrer, weshalb die E-Klasse ab 2010 als verlängerte Variante angeboten wird, um so mehr Beinfreiheit im Rücksitzbereich zu schaffen. Andererseits sind die Volumenmärkte für Autos und Nutzfahrzeuge in China und Indien hauptsächlich durch weniger prestigeträchtige Produkte gekennzeichnet. Sowohl China als auch Indien zählen zu den Ländern, die so groß und facettenreich sind, dass unterschiedliche Marktstrategien für die sehr unterschiedlichen Regionen dieser Länder anwendet werden. In Fällen wie diesen wird klar, dass die Ausbreitung der Globalisierung von den Mauern der Lokalisierung aufgehalten wird. Für Unternehmen, denen Kundennähe wichtig ist, bedeutet dies, dass man sich den örtlichen Gepflogenheiten anpassen muss, getreu dem Motto: „Andere Länder, andere Sitten“. Trotzdem gibt es auch Ausnahmen: In bestimmten Regionen muss man, wenn man die Mauern der Lokalisierung nicht durchbrechen konnte, entweder zurücksetzen, Gas geben und erneut versuchen, diese Mauern aufzubrechen – oder auch die Geschäftstätigkeit aufgeben. Das ist zweifellos der Fall, wenn es um Ethik geht. 5 Globalisierung und Ethik Von Land zu Land und von Kultur zu Kultur kann es sehr unterschiedlich sein, was als „rechtmäßige“ und „übliche“ Geschäftsgepflogenheiten angesehen wird. Leider zählen hierzu auch Praktiken, die man als verantwortungsbewusster Unternehmer oder Manager inakzeptabel findet. Beispielsweise werden laut Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation immer noch 218 Millionen Kinder durch Kinderarbeit ausgebeutet. Mehr als die Hälfte von ihnen müssen gefährliche Arbeiten verrichten. Der Begriff „Kinderarbeit“ kann beliebig durch Diskri-