Posttraumatische Belastungsstörung

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PTB, R. Steil, Version 1
Posttraumatische Belastungsstörung
R. Steil
1. Problemstellung
1980 wurde die Diagnose der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTB) als eigenständiges
Störungsbild, welches sich nach extrem belastenden Erfahrungen wie z.B. interpersoneller
(sexueller oder nicht-sexueller) Gewalt, Unfällen, Naturkatastrophen, Kriegserlebnissen.
Folter und Verfolgung ausbilden kann, in das DSM aufgenommen (American Psychiatric
Association, 1980). Ausschlaggebend waren dabei die psychischen Folgen der Erfahrungen
von Veteranen des Vietnamkrieges und der erstarkende Feminismus im Amerika der 70er
Jahre, welche die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Folgen interpersoneller Gewalt
lenkten. Seither hat eine Fülle von Studien gezeigt, dass solche Ereignisse eine PTB auslösen
können, bei welchen der oder die Betroffene mit großer Furcht und Entsetzen direkt oder
indirekt eine Situation erlebt, die eine Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit ihrer selbst
oder eines anderen Menschen beinhaltet. Als eine der wenigen Störungen, die das DSM
beschreibt, beinhaltet sie eine ätiologische Annahme: die des traumatischen Stressors als
Auslöser der Symptome.
Grundlegende Dimensionen der PTB-Symptomatik sind - empirischen Untersuchungen
zufolge – bei Erwachsenen wie bei Kindern und Jugendlichen drei Symptomgruppen: (1)
belastendes Wiedererleben der traumatischen Ereignisse im Wachen (Intrusionen) oder im
Schlaf und dessen aktive Vermeidung, (2) emotionale Taubheit und passive Vermeidung
emotional negativer Aktivitäten sowie (3) Symptome einer autonomen Übererregung wie
z.B. Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit oder erhöhte Schreckhaftigkeit
(Anthony, Lonigan & Hecht, 1999). Die PTB führt zu erheblicher Beeinträchtigung in
Sozialkontakten, Familie oder Beruf. Häufig folgen auch sekundäre und andauernde
Stressoren (wie der Verlust von Angehörigen, schmerzhafte medizinische Behandlungen,
körperliche Entstellung, Umzug und Verlust der vertrauten Umgebung). Häufig kommt es in
der Folge einer PTB zur Entwicklung sekundärer psychischer Störungen wie Depression oder
Substanzabhängigkeit, welche ihrerseits erhebliches Leiden verursachen. Die typischen
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PTB, R. Steil, Version 1
Symptome der PTB sowie Symptome der Dissoziation können schon in den ersten Stunden
und Tagen nach einem Trauma auftreten. DSMIV (American Psychiatric Association, 1994;
deutsche Übersetzung von Saß, Wittchen & Zaudig, 1994) und ICD10 (World Health
Organization, 1991, deutsche Übersetzung von Dilling, Mombour & Schmidt, 1993) sehen
hierfür die Diagnose der akuten Belastungsstörung (AB) vor. Neben der Behandlung der
Störung ist der Bereich der sekundären Prävention, d.h. der Verhinderung einer langfristigen
psychischen Erkrankung traumatisierter Menschen, von besonderem psychotherapeutischen
bzw. gesellschaftlichem Interesse.
Fallbeispiel:
Biographisches
Frau A. ist 27 Jahre alt, sie studiert in einer großen Stadt Philosophie und lebt alleine.
Finanziell unterstützt wird sie von ihrer Familie. Sie hat zwei Schwestern, die jünger sind als
sie.
Frau A. beschreibt ihre Kindheit und Jugend als negativ beeinflusst durch den ehelichen Zwist
ihrer Eltern, der da gewesen sei solange sie sich erinnern könne. Sie habe sehr selbständig
sein müssen und viele Pflichten im Haushalt schon früh übernehmen müssen. Sie habe schon
mit 15 gewusst, dass sie sobald als möglich ausziehen und selbständig leben wolle. Die
Beziehung zur Mutter sei im ganzen o.k., die zum Vater heute sehr konflikthaft. Mit den
beiden Schwestern verstehe sie sich gut, sie seien jedoch noch zu jung, um echte
Gesprächspartnerinnen zu sein.
Frau A. hatte mehrere kurze intime Beziehungen zu Männern, eine längere Partnerschaft
bisher noch nicht. Nach dem Abitur, das sie mit Bravour bestand, absolvierte sie ein
Praktikum bei einem Fernsehsender, danach begann ihr Studium an einem Ort möglichst weit
von den Eltern entfernt. Ihr Studium machte ihr immer großen Spaß, sie war sehr erfolgreich.
Ihr Berufswunsch ist Journalistin.
Ihre Freizeit verbrachte sie früher meist mit Freundinnen oder Freunden oder in einer Clique.
Sie ging häufig aus, zu Partys und zum Tanzen, hatte vielfältige Interessen. Mit ihren
Kommilitonen verstand sie sich prächtig.
Beschreibung der Störung
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PTB, R. Steil, Version 1
Frau A. wendet sich nach einem Zeitungsbericht über die Folgen sexueller Traumatisierung
an die Psychotherapeutin. Sie berichtet von einem schrecklichen Erlebnis bei einem
Auslandsaufenthalt in einem moslemischen Land. Sie hatte sich dort an einer Universität in
einer großen Stadt um einen Studienplatz bemüht und ihn bekommen. Ein halbes Jahr lang
wollte sie die Kultur, die sie sehr interessierte, kennen lernen und dort Philosophie studieren.
Frau A. genoss die erste Zeit in M. sehr und fand sich schnell an der Universität zurecht.
Im ersten Monat ihres Aufenthaltes lernte sie den Manager G., 7 Jahre älter als sie, kennen. Er
wirkte auf sie sehr westlich orientiert, hatte in Europa studiert und gelebt. Sie verliebte sich
und zog zu ihm. Nach einer sehr schönen Zeit zu Beginn habe er ihr mehr und mehr
vorgeschrieben, was sie tun solle oder nicht, wann sie zu Hause sein solle etc. Er wurde
immer eifersüchtiger, wenn sie sich mit Freunden traf, es sei dann immer häufiger zum Streit
gekommen. Nach 3 Monaten, nach einem besonders schlimmen Streit, bei dem er ihr
vorgeworfen habe, sie habe ihn betrogen, habe sie beschlossen, sich von ihm zu trennen. Sie
habe ein Flugticket besorgt. Die wenigen Nächte bis zum Heimflug habe sie in einem
Hotelzimmer verbringen wollen.
In diesem Hotelzimmer hielt sie sich auf, als es plötzlich an ihre Tür klopfte. Obwohl sie ihm
keine Adresse hinterlassen habe, habe er vor der Tür gestanden. Er schrie auf sie ein und
beschimpfte sie als Hure, die Bestrafung verdient habe. Er schlug sie und trat auf sie ein. Sie
blutete und hatte starke Schmerzen aufgrund mehrere Rippenbrüche. Er verbrannte alle ihre
Kleidungsstücke und Besitztümer, einschließlich der, die sie trug, samt ihrem Flugticket. Er
fügte ihr Verbrennungen an den Händen zu und drohte ihr, sie so lange zu quälen, bis sie ihre
Untreue zugäbe. Er vergewaltigte sie. Nach mehreren solcher Stunden zwang er sie, mit ihm
in seine Wohnung zurück zu kommen. Von dort gelang der Patientin eine Woche später die
Flucht.
Symptome auf der Verhaltensebene: Frau A. vermeidet Situationen und Dinge, die sie an das
traumatische Erlebnis erinnern könnten. Sie hat alle Dinge, die mit ihrem Aufenthalt zu tun
haben, verbannt. Sie spricht nicht mit anderen über das, was ihr geschehen ist. Sie vermeidet
Kontakte zu Menschen, die sie nicht kennt, ganz besonders zu Männern. Während sie früher
auch abends problemlos alleine das Haus verließ, tut sie dies nun nicht mehr. Mit einem Mann
alleine in einem Zimmer zu sein ist für sie eine unerträgliche Vorstellung. Ins Ausland reiste
sie nicht mehr. Wie könne sie verhindern, dass ihr das gleiche passiere?
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PTB, R. Steil, Version 1
Symptome auf kognitiv-emotionaler Ebene: Bereits kurz nach dem Trauma hatte Frau A.
belastende Erinnerungen und Gedanken an das Erlebte, die sich ihr gegen ihren Willen
aufdrängten und bewirkten, dass sie sich elend fühlte. Sie hatte das Gefühl, dass sie eine
solche Behandlung verdient hat. Sie hätte sich eben anders verhalten müssen, sie hat ihren
Partner dazu gereizt. Sie ist fassungslos darüber und wirft sich vor, dass sie diesen Mann so
falsch eingeschätzt hat. Sie hat das Gefühl, nie mehr jemandem trauen zu können, wenn sie
einen solchen Fehler begangen habe. Sie hätte es doch vorhersehen müssen. Wenn ihr das mit
diesem Mann passiert sei, könne es ihr mit jedem geschehen. Ihrer Einschätzung anderer
Menschen, so sagt sie, könne sie einfach nicht mehr trauen.
Sie hat das Gefühl ihre Würde verloren zu haben, weil sei so völlig außer Kontrolle geraten
sei in der Situation. Sie habe alles gestanden was er wollte. Sie habe geschrieen und
gewimmert, obwohl sie doch sonst ein so starker Mensch sei! Sie glaubt, dass sich eine
anderen Frau besser verhalten habe. Frau A. berichtet über starke Konzentrationsprobleme,
quält sich aber dennoch zur Zeit durch Prüfungen. Sie sagt, sie fühle sich wie ein Roboter, sie
funktioniere zwar, aber ohne richtig zu leben. Sie grübelt darüber nach, wie sie das Trauma
habe verhindern können, wie sie sich in der Situation anders habe verhalten können.
Symptome auf körperlicher Ebene: Frau P. berichtet, dass sie bei der Konfrontation mit
Reizen, die sie an das Trauma erinnern, und beim Auftreten von intrusiven Erinnerungen und
Gedanken eine große körperliche Belastung verspürt.
Verhalten der Freunde und Angehörigen: Frau A. spricht nicht mit anderen über das
Trauma, und weder ihre Freundinnen noch ihre Familienmitglieder schneiden das Thema an.
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PTB, R. Steil, Version 1
2. Klassifikation und Klinische Beschreibung (Symptomatologie)
PTB und AB werden im DSMIV den Angststörungen zugerechnet, in der ICD10 bilden PTB
und AB zusammen mit der Anpassungsstörung eine eigene Störungsgruppe. Eine weitere
Diagnose nach Traumatisierung, die der andauernden Persönlichkeitsveränderung nach
Extrembelastung (APE), sieht nur die ICD10 vor, diese wird der Gruppe der Persönlichkeitsund Verhaltensstörungen zugeordnet. Die Kriterien der PTB nach ICD10 werden von vielen
Seiten kritisiert. Eine Orientierung an den im Vergleich eindeutiger operationalisierten
Kriterien nach DSMIV wird empfohlen. Unterschiede bei der Diagnose von PTB und AB
sowie Probleme werden im folgenden erläutert.
Diagnosekriterien der PTB
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Symptomkriterien der beiden großen
Diagnosesysteme.
Traumakriterien: Laut ICD10 entsteht die PTB als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion
auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder
katastrophenartigen Ausmaßes. Bedingung ist, dass das Ereignis bei fast jedem eine tiefe
Verzweiflung hervorrufen würde. Dieses Kriterium wird kritisiert, da die subjektiven
Reaktionen auf eine vergleichbare Traumatisierung durchaus unterschiedlich sein können.
Das DSMIV (American Psychiatric Association, 1994) beschreibt als Trauma ein Ereignis,
das schwere körperliche Verletzung, tatsächlichen oder möglichen Tod oder eine Bedrohung
der physischen Integrität der eigenen Person oder anderer Personen beinhaltet. Entscheidend
ist dabei die subjektive Reaktion mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen, bei
Kindern auch aufgelöstes oder agitiertes Verhalten. Dies basiert auf Befunden, dass vor allem
die subjektiv wahrgenommene Bedrohung die spätere posttraumatische Symptombelastung
vorhersagt. Dem Entwicklungsstand unangemessene sexuelle Erfahrungen bei Kindern ohne
angedrohte oder tatsächliche Gewalt oder Verletzung gelten laut DSMIV generell und auch
unabhängig vom subjektivem Erleben des Kindes als Trauma.
Symptomkriterien: Wiederholte, unausweichliche Erinnerungen oder Wiederinszenierung des
Ereignisses in Gedächtnis, Tagträumen oder Träumen ist im Zusammenhang mit einem
traumatischen Ereignis laut ICD10 hinreichend für die Diagnose einer PTB. Nach DSMIV
dagegen wird das Vorliegen von Symptomen aus den drei Symptombereichen Intrusion,
Vermeidung / emotionale Taubheit und autonome Übererregung verlangt sowie eine durch die
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PTB, R. Steil, Version 1
Symptomatik bedingte klinisch bedeutsame Beeinträchtigung im sozialen, beruflichen oder in
anderen wichtigen Lebensbereichen.
Beginn und Dauer: Nach ICD10 soll eine PTB nur dann diagnostiziert werden, wenn sie
innerhalb von 6 Monaten nach dem Trauma aufgetreten ist, danach wird eine wahrscheinliche
Diagnose PTB vergeben. Diese Beschränkung steht im Kontrast zum DSMIV, welches gerade
eine Form der PTB mit verzögertem Beginn (ab 6 Monate nach dem Trauma) spezifiziert. Die
ICD10 spezifiziert kein Kriterium der Dauer der Symptomatik, laut DSMIV muss sie seit
mindestens 4 Wochen bestehen. Das DSMIV unterscheidet zwischen einem akuten (weniger als
3 Monate andauernden) und einem chronischen (länger als 3 Monate andauernden) Verlauf der
Störung.
Diagnosekriterien der AB
Bei der Diagnose der AB gelten laut DSMIV die entsprechenden Traumakriterien, laut ICD10
sind die auslösenden Ereignisse definiert als ein überwältigendes traumatisches Erlebnis mit
einer ernsthaften Bedrohung für die Sicherheit oder körperliche Unversehrtheit des Betroffenen
bzw. eine ungewöhnlich plötzliche und bedrohliche Änderung der sozialen Stellung und / oder
des Beziehungsnetzes.
Symptomkriterien: Ein Gefühl der Betäubung, Depression, Angst, Ärger, Verzweiflung, sowie
Symptome wie Überaktivität, Rückzug oder Symptome der Dissoziation wechseln sich Stunden
bis Tage nach der Traumatisierung in rascher Folge ab. Zwischen deren Auftreten und der
Traumatisierung muss dabei ein klarer und unmittelbarer Zusammenhang gegeben sein.
Abzugrenzen sind die Symptome einer AB laut ICD10 von der Verschlimmerung einer schon
vor dem Trauma bestehenden psychischen Störung, laut DSMIV darüber hinaus von psychischen
Symptomen, die auf die direkte Wirkung einer Droge oder eines Medikamentes bzw. eine
Krankheit
oder
eine
während
des
Traumas
erlittene
Verletzung
zurückgehen.
Ausschlusskriterium ist in beiden Diagnosesystemen, dass die Symptome besser durch eine
andere psychische Störung erklärt werden können. Das DSMIV beschreibt die Symptombereiche
der Dissoziation (Depersonalisation, Derealisation), der Intrusion, der Vermeidung und des
erhöhten Erregungsniveaus, aus denen drei (Dissoziation) bzw. je ein Symptom vorliegen sollen.
Zusätzlich wird zur Vergabe der Diagnose verlangt, dass die Symptome mit einer
Beeinträchtigung in verschiedenen Lebensbereichen bzw. der Erfüllung wichtiger Aufgaben
einhergehen.
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Beginn und Dauer: Dauert die posttraumatische Symptomatik kürzer als 2-3 Tage (laut ICD10)
bzw. als vier Wochen (laut DSM-IV) an, so wird die Diagnose einer akuten Belastungsstörung
vergeben. Das DSM verlangt eine Mindestdauer der Symptomatik von 2 Tagen und einen
Beginn innerhalb der ersten vier Wochen nach der Traumatisierung, die ICD10 verlangt einen
Beginn innerhalb weniger Minuten.
Diagnosekriterien der APE
Hierunter fasst die ICD10 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, welche sich bei
prätraumatisch in ihrer Persönlichkeit unauffälligen Personen nach extremer oder übermäßig
anhaltender Belastung oder nach einer schweren Krankheit entwickelt haben. Eine Definition der
Belastungsfaktoren erfolgt als tiefgreifende, existentiell extreme (meist - jedoch nicht
notwendigerweise - traumatische) Erfahrungen. Bei der Person sollten Hinweise auf eine
eindeutige und anhaltende Veränderung im Wahrnehmen, Denken und Verhalten bezüglich der
Umwelt und der eigenen Person vorliegen sowie unflexibles und unangepasstes Verhalten,
welches vor der belastenden Erfahrung nicht bestand. Ausgeschlossen wird die Diagnose, wenn
das Verhalten durch eine andere psychische Störung erklärt werden kann.
Klinische Beschreibung (Symptomatologie)
Die Beschreibung der Symptomatologie erfolgt gegliedert nach deren empirisch gefundenen
Dimensionen.
Symptome des Wiedererlebens und Strategien zu deren aktiver Vermeidung: Der Betroffene
erlebt im Wachen (oder im Schlaf als Alpträume) das Geschehene auf belastende Weise als
Bilder, Filmszenen, Gerüche, Geräusche oder andere Sinnesempfindungen wieder. Bisweilen
bestehen die Intrusionen aus nicht real erlebten, sondern z.B. gefürchteten Ereignissen
(immer wieder kommt dem Patienten ein noch katastrophalerer Ausgang des Ereignisses in
den Sinn). Die Intrusionen können an Intensität stark variieren bis hin zu dem subjektiven
Eindruck, das Trauma aktuell wieder zu durchleben (Flashbacks). Die Konfrontation mit
Dingen oder Situationen, die an das Trauma erinnern (externale Trigger wie z.B. Sirenen
oder dem Trauma ähnliche Fernsehsendungen, internale Trigger wie z.B. ein Gefühl der
Hilflosigkeit, das Auftreten von durch Verletzungsfolgen bedingtem Schmerz oder
physiologische Erregungserhöhung durch Ärger etc.), wird als sehr belastend erlebt, der
Betroffene reagiert mit körperlichen Symptomen der Erregung wie z.B. Zittern, Übelkeit,
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PTB, R. Steil, Version 1
Herzrasen oder Atemnot, welche das Bild einer Panikattacke bieten können. Begleitet
werden kann die Konfrontation mit Erinnerungen von einer Reihe weiterer körperlicher
Beschwerden wie z.B. Kopfschmerzen. Um dieser Belastung zu entgehen, wendet der
Betroffene Strategien zur Vermeidung oder Kontrolle der Intrusionen an: Auf der
behavioralen Ebene vermeidet er mögliche Auslöser der Erinnerungen (Meiden des Ortes der
Traumatisierung oder anderer Personen, die ebenfalls zugegen waren etc.), auf kognitiver
Ebene wird das spontane Auftreten von Intrusionen mit Flucht beantwortet: der Patient lenkt
sich ab durch eine andere Tätigkeit, er beginnt zu ruminieren, um den aufdringlichen Bildern
und Sensationen zu entkommen, er versucht, Gedanken an das Trauma zu unterdrücken.
Meist wird vermieden, mit anderen über das traumatische Geschehen zu sprechen. Die
Betroffenen haben katastrophisierende Befürchtungen darüber, was bei einer ungehinderten
Konfrontation mit den traumatischen Erinnerungen geschehen würde (im Sinne von “Ich
werde verrückt werden.”, “Ich werde völlig die Kontrolle verlieren.”, “Ich werde anfangen zu
weinen und nie mehr aufhören können.”). Besonders diese Befürchtungen wie die aktive
Vermeidung traumabezogener Stimuli machen den Beginn einer Behandlung bzw. die
Teilnahme an präventiver Intervention für die Betroffenen zu Beginn sehr schwer. Grundlage
einer Berufsunfähigkeit bei PTB-Patienten sind häufig Symptome der Vermeidung (eine
Bankangestellte kann nach einem bewaffneten Raubüberfall, bei dem sie Opfer wurde, nicht
mehr in ihrem Beruf arbeiten).
Symptome der emotionalen Taubheit bzw. der passiven Vermeidung traumarelevanter
Stimuli: Der Betroffene hat ein deutlich vermindertes Interesse an Dingen, die vor der
Traumatisierung von Bedeutung waren (Hobbies, Freizeitaktivitäten etc.). Er fühlt sich
außerhalb der Gemeinschaft der anderen Menschen und unfähig, starke Emotionen (Liebe,
Hass) zu empfinden. Bisweilen verändert sich die Zukunftsplanung im Sinne einer
Hoffnungslosigkeit (“Es hat keinen Sinn, mich beruflich etc. anzustrengen, das Böse kann
jederzeit wieder über mich hereinbrechen.”).
Symptome der autonomen Übererregung: Eine allgemeine Übererregtheit kann sich äußern in
Konzentrations-
und
Gedächtnisproblemen,
übermäßiger
Wachsamkeit,
großer
Schreckhaftigkeit oder auch Aggressivität (unter der häufig auch die Familienmitglieder stark
leiden und die bisweilen zu gewalttätigem Verhalten des Betroffenen führt). Meist treten
Schwierigkeiten ein- oder durchzuschlafen auf. Vor dem Trauma schon vorhandene
Leistungsstörungen können sich verstärken.
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3. Epidemiologie, Verlauf, Komorbidität
Epidemiologie:
Untersuchungen
an
großen
Stichproben
der
amerikanischen
Allgemeinbevölkerung zeigen, dass die PTB mit einer Lebenszeitprävalenz von ca. 1 bis 9%
zu den häufigeren psychischen Störungen zählt (vgl. Kessler, Sonnega, Bromet, Hughes &
Nelson, 1995; eine Übersicht bieten de Girolamo & McFarlane, 1997). Kessler und Kollegen
(Kessler et al., 1995) untersuchten eine große repräsentative Gruppe (N = 5877) mit hoher
Rücklaufquote (82%), die so ermittelte Lebenszeitprävalenz von ca. 8% kann als fundierteste
Schätzung gelten. Zu den häufigsten Symptomen der PTB gehören das Wiedererleben des
Traumas im Wachen oder Schlafen sowie eine erhöhte Schreckhaftigkeit (Kessler et al.,
1995). Die häufigsten Formen der Traumatisierung waren bei Männern die Zeugenschaft bei
einer Traumatisierung, Unfall oder Naturkatastrohphen (Kessler et al., 1995). Zur AB bzw.
zur andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung liegen bislang keine Daten
aus großen epidemiologischen Studien vor. Studien an Risikopersonen zeigen je nach
Traumaart sehr unterschiedliche Prävalenzen. So entwickelten z.B. nach einem Amoklauf
33% der Zeugen eine AB, nach dem Erleben krimineller Gewalt 19%, nach einem
Verkehrsunfall 13% und nach einer industriellen Katastrophe 6% (vgl. Brewin, Andrews,
Rose & Kirk, 1999; Classen, Koopman, Hales & Spiegel, 1998; Creamer & Manning, 1999;
Harvey & Bryant, 1998).
Folgende Aspekte der Traumatisierung bzw. der Person zeigen einen Zusammenhang mit
dem Erkrankungsrisiko:
Art der Traumatisierung: Das Erleben sexueller Gewalt birgt generell ein gegenüber anderen
Formen der Traumatisierung 6-7fach höheres Risiko, an PTB zu erkranken: 46% der Frauen
und 65% der Männer erkrankten in der Studie von Kessler und Kollegen nach dem Erleben
sexueller Gewalt an PTB (Kessler et al., 1995), ähnliche Befunde bzw. noch höhere
Inzidenzraten fanden sich bei jungen Erwachsenen (Breslau, Davis, Andreski & Peterson,
1991; Giaconia et al., 1995). Traumata, die ebenfalls ein vergleichsweise hohes
Erkrankungsrisiko bergen, sind Kampfeinsatz im Krieg, physischer Angriff oder Sehen wie
jemand getötet oder verletzt wird. Naturkatastrophen, Unfälle oder Brände führen dagegen in
weitaus geringerem Maße zur Entwicklung einer PTB (bei Kessler et al., 1995, in weniger als
10% der Fälle). Mit der Intensität der Traumatisierung steigt für Erwachsene wie Kinder das
Risiko, an PTB zu erkranken.
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Lebensalter bei Traumatisierung: Das Risiko der Ausbildung einer PTB sinkt mit
steigendem Lebensalter zum Zeitpunkt der Traumatisierung – dieser Befund wurde in vielen
Studien repliziert (vgl. Essau, Conradt & Petermann, 1999; Kessler et al., 1995; Norris,
1992). Besonders vulnerabel sind demnach Kinder und Jugendliche (vgl. Steil & Straube, im
Druck).
Geschlecht: In den meisten epidemiologischen Studien fand man ein höheres Risiko für
Frauen als für Männer, nach einer Traumatisierung eine PTB zu entwickeln (z.B. 20,4% vs.
8,2% bei Kessler et al., 1995; vgl. auch Breslau et al., 1991; Norris, 1992). Insgesamt lag bei
Kessler und Kollegen die Lebenszeitprävalenz der PTB für Frauen mit 10,4% zweifach höher
als für Männer mit 5,0%. Männer haben zwar im Laufe ihre Lebens ein deutlich höheres
Risiko als Frauen, eine Traumatisierung zu erleben (vgl. Kessler et al., 1995: 61% vs. 51%;
Stein, Walker, Hazen & Forde, 1997: 81% vs. 74%), Frauen scheinen jedoch allgemein
vulnerabler zu sein für die Ausbildung einer PTB und haben zudem ein hohes Risiko,
Traumata wie z.B. sexuelle Übergriffe zu erleben, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit zur
Ausbildung einer PTB führen. Ein vergleichbares Muster der Geschlechterunterschiede
findet sich auch bei Kindern und Jugendlichen (Giaconia et al., 1995; Essau et al., 1999). Im
frühen Lebensalter zeigt sich bei Traumatisierung der Geschlechterunterschied noch
deutlicher als im Erwachsenenalter (vgl. Breslau, Davis, Andreski, Peterson & Schultz,
1997).
Verlauf: In circa 40 bis 50 % der Fälle nimmt die PTB einen chronischen Verlauf (vgl.
Kessler et al., 1995). Die initiale, akute Symptomatik (AB, darunter möglicherweise
besonders Symptome der emotionalen Taubheit, der Intrusion und der Depersonalisation)
prädizieren dabei den Grad späterer Symptombelastung (vgl. z.B. Brewin et al., 1999; Classen
et al., 1998; Harvey & Bryant, 1998). Ohne Behandlung dauert die Symptomatik mitunter
über Dekaden an. Folgt der Traumatisierung ein Aufenthalt im Krankenhaus oder einer
Rehabilitationseinrichtung, so tritt bisweilen das volle Symptombild erst nach der Rückkehr
in den Alltag zutage. In einigen Fällen beginnt die Störung länger als 6 Monate nach dem
Trauma. Epidemiologische Befunde zur Häufigkeit des verzögerten Beginns fehlen bislang.
Der Grund kann z.B. neue Information über die Gefährlichkeit der traumatischen Situation
sein (Beispiel: ein Vergewaltigungsopfer erfährt, dass der Täter das nächste Opfer ermordet
hat). Man vermutet, dass Kinder ab einem Alter von ca. 4 Jahren von der Störung betroffen
sein können, wobei die Symptomatik sich in diesem frühen Lebensalter bzw. bei Kindern
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PTB, R. Steil, Version 1
allgemein in einem etwas anderen Symptommuster äußert (vgl. Steil & Straube, im Druck).
So stehen bei Kindern z.T. neu erworbene Ängste (Trennungsangst, Angst im Dunkeln),
externalisierende Verhaltensprobleme oder der Verlust von schon erworbenen Fähigkeiten im
Vordergrund.
Besonderer Beachtung bedürfen bei der PTB sogenannte “recovered memories” – d.h.
Ereignisse aus der Kindheit (z.B. ein unangemessener sexueller Kontakt), für die es – nach
Angaben der Patienten - eine teilweise oder gänzliche Amnesie gab und welche nach Jahren
oder Dekaden zum ersten Mal erinnert werden. Pillemer (1998) sieht sie als Ergebnis einer
Reinterpretation früher emotionaler oder behavioraler Erinnerungen, welche das Kind
während und kurz nach den Ereignissen nicht deuten und in exsistierende Schemata
einordnen konnte. Der Prozess der Reinterpretation früher Erinnerungen ist jedoch weitaus
anfälliger für Verzerrungen, Fehlinterpretationen oder gar Suggestion als der des Erinnerns
lebensgeschichtlich späterer Erlebnisse (vgl. Schacter, 1995, Hyman & Loftus, 1998), daher
sollte im Rahmen einer Behandlung diesbezüglich besondere diagnostische Vorsicht walten
(vgl. auch Zola, 1998).
Komorbidität: Bei ca. 88% aller Männer und 79% aller Frauen mit einer PTB findet sich in
der Lebensgeschichte eine komorbide andere psychische Störungen (Kessler et al., 1995; vgl.
auch Brady, 1997; Keane & Kaloupek, 1997). Am häufigsten geht sie mit affektiven
Störungen, anderen Angststörungen, Substanzmissbrauch und Somatisierungsstörung einher.
Zudem ist sie mit einem erhöhten Risiko körperlicher Erkrankungen, hier besonders mit
Infektionen, aber auch musculo-skeletalen oder neurologischen Störungen, verbunden
(Boscarino, 1997, Beckham et al., 1997, McFarlane, Atchison, Rafalowicz. & Papay, 1994).
Bei Kindern und Jugendlichen tritt eine PTB häufig komorbide auf mit internalisierenden und
externalisierenden Verhaltensproblemen, schlechterer schulischer Leistung, Suizidgedanken
und Suizidversuchen, interpersonellen Schwierigkeiten und körperliche Beschwerden
(Giaconia et al., 1995) oder auch Trennungsangst (vgl. Goenjian et al., 1995). Hinzuweisen ist
darauf, dass die Symptome der PTB zum Teil mit denen affektiver Störungen und anderer
Angsterkrankungen überlappen. Darauf könnte unter Umständen die hohe Komorbidität in
diesen Fällen basieren.
Wenige empirische Befunde gibt es bislang zu der Frage, welche psychische Störung der
anderen vorausgeht, bzw. ob das prätraumatische Vorliegen einer psychischen Störung das
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PTB, R. Steil, Version 1
Risiko der Erkrankung an einer PTB erhöht. Die Befunde hierzu sind widersprüchlich.
Verschiedene Autorengruppen (Kessler et al., 1995; Breslau et al., 1997) fanden retrospektiv,
dass affektive Störungen und Substanzmissbrauch meist einer PTB folgten. Zum Missbrauch
von Alkohol oder Anxiolytika kommt es z.B. häufig als Folge einer anxiolytischen
Selbstmedikation bzw. pharmakologischen Behandlung der Patienten. Einige Befunde
implizieren jedoch, dass Drogenmissbrauch bei jungen Erwachsenen auch eine
Risikovariable für Traumatisierung und Entwicklung einer PTB darstellt (Giaconia et al.,
1995). Komorbide Angststörungen gingen in der Hälfte der Fälle der PTB voraus. In einer
prospektiven Studie erhöhte eine PTB das Risiko von Schmerzen, Konversionssymptomen
und Somatisierung (Andreski, Chilcoat & Breslau, 1998). Man fand jedoch auch, dass eine
prätraumatisch bereits bestehende psychische Störung (insbesondere eine affektive Störung)
das Risiko, nach Traumatisierung eine PTB zu entwickeln, steigerte (Breslau et al., 1991;
Breslau et al., 1997; Smith, North, McCool & Shea, 1990). Breslau und Kollegen (1997)
fanden darüber hinaus, dass eine bereits bestehende affektive Störung auch das Risiko einer
Traumatisierung erhöhte.
4. Erklärungsmodelle
Es konkurrieren eine Fülle von Erklärungsmodellen zur Entstehung und Aufrechterhaltung
der PTB. Sie umfassen psychobiologische wie rein psychologische Theorien. Für alle diese
Theorien existieren empirische Befunde, welche sich in ihrem Sinne deuten lassen. Die
kognitiv-behaviorale Behandlung basiert vorwiegend auf psychologischen Konzepten der
PTB, sie sollen hier vorgestellt werden. Einen guten Überblick über psychobiologische
Modelle liefern Yehuda und McFarlane (1997).
Lerntheoretische Modelle stellen eine Anwendung der Zwei-Faktoren-Theorie von Mowrer
(1947) auf die psychischen Folgen einer Traumatisierung dar (Foa & Kozak, 1986; Keane,
Zimering & Caddell, 1985). Sie erklären die PTB als konditionierte emotionale Reaktion,
welche schwer löschbar ist, mit Hilfe der Prinzipien der klassischen Konditionierung
(während des Traumas werden Merkmale der traumatischen Situation verknüpft mit den
emotionalen und physiologischen Reaktionen, in der Folge lösen ähnliche Merkmale
vergleichbare Reaktionen aus) und der operanten Konditionierung (eine Löschung wird durch
die Vermeidung traumarelevanter Stimuli verhindert, letztere bleibt operant im Sinne einer
negativen Verstärkung aufrechterhalten). Möglicherweise werden auch aggressives Verhalten,
Rumination, das Empfinden von Wut und Ärger und Substanzmissbrauch durch negative
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PTB, R. Steil, Version 1
Verstärkung aufrechterhalten, da sie ebenfalls die mit der Erinnerung verbundenen
belastenden Emotionen beenden (Steil, Ehlers & Clark, 1997).
In sogenannten Netzwerkmodellen wird die Symptomatik der PTB auf die Ausbildung eines
spezifischen Traumagedächtnisnetzwerkes zurückgeführt, welches die Wahrnehmung und
Verarbeitung von Reizen in selektiver Weise lenkt (Chemtob, Roitblat, Hamada, Carlson &
Twentyman, 1988; Foa, Steketee & Rothbaum, 1989). Hierbei wird das Modell
pathologischer Furchtstrukturen von Lang (1979) auf die Ätiologie der PTB angewandt. Die
Gedächtnisrepräsentation traumatischer Geschehnisse, so die Annahme, ist umfassend und
leicht aktivierbar, die Aktivierung zeigt sich in intrusivem Wiedererleben, Angst und
Erregung, sowie in der chronischen Erwartung erneuter Bedrohung und der aktiven Suche
nach Gefahrensignalen. Eine Veränderung des spezifischen Furchtnetzwerkes ist nur durch
dessen direkte Aktivation (d.h. über Konfrontation mit traumatrelevanten Reizen) möglich.
In Modellen kognitiver Schemata wird postuliert, dass eine Traumatisierung grundlegende
Überzeugungen und Erwartungen (von persönlicher Sicherheit, von der Welt als
bedeutungsvoll und sinnhaft und von sich selbst als kompetent und zur Kontrolle fähig)
grundlegend erschüttert und dysfunktional verändert, bzw. dass sie prätraumatisch latent
vorhandene dysfunktionale Schemata und Überzeugungen (z.B. von sich selbst als wertloser
Person, die Bestrafung verdient hat) validiert (Beck, Rush, Shaw & Emery, 1986; Brewin,
Dagleish & Joseph, 1996; Foa & Riggs, 1993; Horowitz, 1976, 1986; Janoff-Bulman, 1992).
Schon während der Traumatisierung wird die Informationsverarbeitung durch präexistierende
Schemata gelenkt (z.B.: Wer sich selbst für wertlos hält, beschuldigt sich danach in
unangemessener Weise selbst). Die traumatische Information bleibt solange in einem aktiven
Teil des Gedächtnisses, bis das Geschehen in das persönliche Weltbild integriert ist. Die
Vermeidung traumarelevanter Stimuli verhindert generell eine Veränderung dysfunktionaler
Einstellungen, z.B. durch neue, korrigierende Erfahrungen.
In einer Synthese und Erweiterung der Netzwerkmodelle und Modelle kognitiver Schemata
postulieren Brewin und seine Arbeitsgruppe (Brewin, 1989; Brewin, Dagleish & Joseph,
1996), dass während der Traumatisierung sensorischer Input sowohl mit als auch ohne
Beteiligung kortikaler Strukturen verarbeitet wird. Sie nehmen hierbei Bezug auf Teasdale
und Barnards (1993) Theorie interagierender kognitiver Systeme. Der Output dieser beiden
Formen der Verarbeitung wird als verbal zugängliches Wissen und als (nicht willentlich
13
PTB, R. Steil, Version 1
abrufbares, sondern nur in der traumatischen Erfahrung ähnlichen Situationen verfügbares)
situational zugängliches Wissen gespeichert. Während das verbal zugängliche Wissen
Veränderungen durch Verarbeitungsprozesse unterworfen ist (Vergessen vs. Fokussierung auf
bestimmte Aspekte des Traumas) und mit der Zeit weniger detailliert wird, bleibt das
situational zugängliche Wissen im Detail erhalten. Verändert werden kann die situational
zugängliche Form der Repräsentation des Traumas sowohl durch Habituation als auch durch
Veränderung der Bedeutung des Traumas.
Autoren neuerer kognitiver Modelle betonen die Rolle der idiosynkratischen Bedeutung der
Traumatisierung
und
ihrer
Folgen
sowie
der
kognitiven
Vermeidung
bei
der
Aufrechterhaltung der Symptomatik (Ehlers & Clark, 2000; Steil, Ehlers & Clark, 1997; Steil
& Ehlers, 2000). So ist von großer Bedeutung, ob eine Person ihre posttraumatischen
Symptome als Teil eines normalen Genesungsprozesses wertet oder sie katastrophisierend
interpretiert. Dysfunktionale Kognitionen, die mit den Intrusionen zusammen auftreten, wie
”Diese starken Erinnerungen bedeuten, ich werde verrückt”, ”Mir wird nie mehr etwas
Schönes passieren können” oder ”Es ist passiert, weil ich so bin, wie ich bin” determinieren
die subjektive Belastung, die mit dem Auftreten von Intrusionen einhergeht. Sie vermitteln
Symptome eines erhöhten Erregungsniveaus. Sie motivieren Betroffene, Strategien zur
Kontrolle der intrusiven Erinnerungen und Gedanken einzusetzen, die ihrerseits die
Symptome entweder direkt verschlimmern (so z. B. führt Gedankenunterdrückung zum
vermehrten Auftreten intrusiver Erinnerungen) oder eine adäquate Auseinandersetzung mit
dem Trauma unterbinden (z. B. durch Rumination oder den Gebrauch von Anxiolytika). In
prospektiven Studien wurde die aufrechterhaltende Rolle einer negativen Bedeutung des
Traumas und seiner Folgen sowie der beschriebenen kognitiven Strategien bei Opfern von
Verkehrsunfällen sowie Opfern sexueller und nichtsexueller Gewalt belegt (Dunmore, Clark
& Ehlers, 1997; Ehlers, Mayou & Bryant, 1998).
Überlegungen zur Entwicklung des episodischen bzw. des autobiographischen Gedächtnisses
sind ebenfalls wichtiger Teil neuer kognitiver Theorien der PTB: so vermuten Ehlers und
Clark (2000), dass eine persistierende PTB dann entsteht, wenn die traumatische Erinnerung
nur ungenügend elaboriert und in einen autobiographischen Kontext eingeordnet wird. Damit
können, so die Autoren, die besonderen Merkmale traumatischer Erinnerungen bei der PTB
erklärt werden: die Schwierigkeit, traumatische Erinnerungen gewollt abzurufen, deren “hier
und jetzt”-Qualität, mit der ein Gefühl akuter Bedrohung einhergeht, sowie die Tatsache,
14
PTB, R. Steil, Version 1
dass die traumatischen Erinnerungen sehr leicht durch Stimuli, die einem Merkmal der
Traumatisierung ähneln, aktivierbar sind. Postuliert wird, dass eine daten-gesteuerte
Enkodierung traumatischer Informationen (d.h. primär die Verarbeitung sensorischer Reize)
im Gegensatz zu einer konzeptuell gesteuerten Enkodierung (d.h. eine Verarbeitung der
Bedeutung der Situation und ihres Kontextes in einer geordneten und organisierten Weise)
das Risiko der Ausbildung einer PTB erhöht, da sie die willentliche Abrufbarkeit der
Erinnerung erschwert und zu einem starken Priming für traumarelevante Stimuli führt. Mit
Hilfe dieser Annahmen liesse sich z.B. die negative Assoziation zwischen Alter und Risiko
der Entwicklung einer PTB nach Traumatisierung erklären (Kinder neigen aufgrund ihrer
eingeschränkten
kognitiven
Fähigkeiten
zu
einer
eher
datengesteuerten
Informationsverarbeitung bei Traumatisierung). In diesem Sinne deuten läßt sich z.B., dass
das prätraumatische Intelligenzniveau das Risiko der Entwicklung einer PTB bei
Vietnamsoldaten prädizierte (McNally & Shin 1995).
Die Theorien zur erlernten Hilflosigkeit und zum Attributionsstil (Abramson, Metalsky &
Alloy, 1989; Abramson, Seligman & Teasdale, 1978; Seligman, 1975) wurden ebenfalls auf
die PTB übertragen. Empirische Belege dafür, dass Attributionsprozesse Bedeutung haben für
die Entwicklung posttraumatischer Symptomatik, liegen vor (Flannery, 1987; Flannery &
Harvey, 1991; Joseph, Yule & Williams, 1993; Peterson & Seligman, 1983). Auf diese Weise
lassen sich vor allem die Symptome der PTB erklären, die denen der Depression ähneln (wie
z. B. die emotionale Taubheit oder Passivität), wenig Erklärungswert besitzen die Theorien
jedoch für die anderen Symptome der PTB wie das Wiedererleben. Joseph, Williams und
Yule (1995) betonen die Notwendigkeit, zwischen der Attribution bezüglich dessen, warum
das Trauma geschah, bezüglich des Geschehens während der Traumatisierung und bezüglich
der nachfolgenden emotionalen Reaktionen zu unterscheiden. Wie diese Aspekte attribuiert
werden, ergibt sich aus den Merkmalen des Traumas selbst und dem Attributionsstil des
Betroffenen. Über Formen der unterschiedlichen Attribuierung lassen sich, so die Autoren,
Gefühle wie Schuld, Scham, Wut und Ärger, die in der Folge des Traumas auftreten, erklären.
In integrativen Modellen der PTB werden die unterschiedlichen Wirkmechanismen, die bei
der Entstehung der Störung diskutiert werden, in umfassenden Rahmenkonzepten vereint.
Green, Wilson & Lindy (1985), Peterson, Prout & Schwartz (1991), Maercker (1999) sowie
Joseph, et al. (1995) führen übersichtlich gegliedert Einflußfaktoren aus unterschiedlichster
Perspektive zusammen.
15
PTB, R. Steil, Version 1
Die verschiedenen psychologischen Modelle der PTB ähneln sich -- trotz unterschiedlichster
theoretischer Basis-- in einigen Punkten in erstaunlicher Weise:
1) Meist werden Vermeidung, emotionale Taubheit und sozialer Rückzug als sekundäre
Symptome der PTB bewertet, die als Reaktion des Individuums auf das Auftreten
belastender Intrusionen und damit einhergehender Übererregung folgen (vgl. auch Everly,
1995).
2) Alle Autoren weisen der Vermeidung traumabezogener Stimuli eine Schlüsselrolle bei
der Aufrechterhaltung der Störung zu: das aktive Bemühen, sich nicht zu erinnern, verhindert eine hilfreiche und adäquate Konfrontation mit den traumatischen Erlebnissen.
3) In den meisten Modellen wird die Bedeutung einer dysfunktionalen Bewertung des
Traumas und seiner Folgen für die Pathogenese der PTB hervorgehoben.
4) Fast alle aus den Modellen abgeleiteten Interventionsvorschläge enthalten daher als
Kernelemente a) die Konfrontation mit den traumabezogenen Reizen sowie b) die
Identifikation und Veränderung negativer Kognitionen.
Die oben dargestellten Modelle legen weiterhin nahe, dass Interventionen dann besonders
erfolgversprechend sein sollten, wenn sie sowohl auf eine Konfrontation mit traumarelevanten
Stimuli
und
eine
Verringerung
des
Vermeidungsverhaltens
als
auch
auf
eine
Umstrukturierung dysfunktionaler Kognitionen zu Trauma und Symptomatik abzielen.
Befunde zur Wirksamkeit kognitiv-behavioraler Behandlung bestätigen dies (vgl. das
entsprechende Unterkapitel). In den neueren kognitiven Modellen wird die dysfunktionale
Rolle kognitiver Strategien zur Vermeidung oder Kontrolle der Intrusionen betont – dies
schlägt sich therapeutisch nieder in dem Ziel der Verminderung von Gedankenunterdrückung
und Rumination.
Für in der Behandlung und Prävention der PTB tätige Psychotherapeutinnen und -therapeuten
ist die Kenntnis der Modelle der PTB die Grundlage der Psychoedukation der Patienten.
Psychologische Modelle werden herangezogen, um subjektive posttraumatische Reaktionen
(Intrusionen, Vermeidung etc.) als Teil der normalen Anpassung nach Traumatisierung
verständlich zu machen. Auch bei der Vermittlung der Therapierationale bei konfrontativer
oder kognitiver Intervention sind Modelle der Ätiologie und Aufrechterhaltung der Störung
von zentraler Bedeutung (vgl. Ehlers, 1999; Foa & Rothbaum, 1998; Resick & Schnicke,
1992, Steil et al., 1997). Sie werden genutzt, um zu erklären, wieso Konfrontation mit den
16
PTB, R. Steil, Version 1
belastenden Erinnerungen an das Trauma und die Bearbeitung kritischer Einstellungen und
Überzeugungen zum Trauma und seinen Folgen notwendig und hilfreich ist.
5. Diagnostik und Erfolgskontrolle (Evaluation)
Diagnostik
Tabelle
2
zeigt
eine
Aufstellung
Selbstbeurteilungsinstrumenten,
welche
von
zur
deutschsprachigen
Diagnostik
der
Interviews
PTB
bzw.
und
zur
Schweregradbestimmung posttraumatischer Symptomatik herangezogen werden können.
Diagnosestellung: Zur Diagnosestellung wird die Anwendung eines strukturierten oder
standardisierten klinischen Interviews empfohlen. Genutzt werden können das Diagnostische
Interview bei psychischen Störungen (DIPS, Margraf, Schneider & Ehlers, 1994), für das
eine Anpassung an die DSMIV-Kriterien jedoch erst in Vorbereitung ist, sowie das
Strukturierte Klinische Interview bei psychischen Störungen (SKID, Wittchen, Zaudig &
Fydrich, 1997), welches eine valide Diagnosestellung sowohl nach DSMIV wie nach ICD10
erlaubt. Besonders günstig erscheint hier, dass der Befragte zunächst nur anhand einer Liste
das Vorliegen irgendeiner Form von Traumatisierung angeben muss, ohne diese schon zu
benennen. Dies erlaubt eine vorsichtige Diagnosestellung zu einem Zeitpunkt, zu dem der
Betroffene die näheren Umstände der Traumatisierung noch nicht preisgeben möchte.
Für ein Screening zur PTB-Diagnose eignet sich die an den DSMIV-Kriterien der Störung
orientierte Posttraumatische Diagnose Skala (PDS, Steil & Ehlers, in Vorbereitung). Sie
erfasst alle Symptome und Kriterien der PTB laut DSMIV, einschließlich des Vorliegens
einer Traumatisierung. Befunde zur Übereinstimmung der Diagnosestellung mit Hilfe der
Skala und mit Hilfe eines klinischen Interviews sind in Vorbereitung, liegen jedoch noch
nicht vor. Die amerikanische Originalversion zeigte hierfür eine gute Validität (Foa,
Cashman, Jaycox & Perry, 1997).
Da die Symptomatik bei Kindern und Jugendlichen von der Erwachsener abweichen kann,
empfiehlt sich zur Diagnosestellung in diesem Lebensalter die Anwendung eines spezifisch
zugeschnittenen Interviews. Angewendet werden können als Interview mit dem Kind die
Clinician Administered PTSD Scale for Children and Adolescents (CAPS-CA, Nader, Blake &
Kriegler, 1994, deutsche Übersetzung von Steil et al, in Vorbereitung), als Interview mit dem
Kind und einem Elternteil das Diagnostische Interview bei psychischen Störungen für Kinder
17
PTB, R. Steil, Version 1
und Eltern (Kinder-DIPS, Unnewehr, Schneider & Margraf, 1995). Die CAPS-CA gilt im
angelsächsischen Sprachraum als diagnostisches Instrument der Wahl (vgl. March, AmayaJackson & Pynoos, 1997). Eine sorgfältige psychometrische Untersuchung hinsichtlich der
PTB-Diagnosestellung steht für beide deutschsprachigen Instrumente jedoch noch aus, die
Reliabilität der CAPS-CA erwies sich als sehr gut (Steil et al., in Vorbereitung). Empfohlen
wird soweit möglich ein Interview mit dem Kind selbst, da Eltern und Lehrer in empirischen
Studien dazu neigten, die Belastung der Kinder im Vergleich zu deren eigenen Angaben grob
zu unterschätzen (Korol, Green & Gleser, 1999; Martini, Ryan, Nakayama & Ramenofsky,
1990).
Schweregradbestimmung der PTB-Symptomatik: Der Schweregrad der Symptomatik kann
mit Hilfe von Selbstbeurteilungsinstrumenten geschehen. Für die beiden international
gebräuchlichsten Fragebögen – die Impact of Event Scale – Revised (IES-R, Maercker &
Schützwohl, 1998) sowie die PDS - liegen auf ihre Gütekriterien hin untersuchte
deutschsprachige Übersetzungen vor. Sie erlauben jeweils die Bestimmung eines
Gesamtschweregrades wie die von Werten für die Subskalen der Intrusion, Vermeidung und
der Übererregung. Zur Schweregradbestimmung der PTB im Kindesalter liegt kein
deutschsprachiges Selbstbeurteilungsinstrument vor – hier kann die CAPS-CA(Steil,
Gundlach & Müller, in Vorbereitung) herangezogen werden, welche Werte sowohl zur
Intensität wie zur Häufigkeit der Symptome liefert. Eine hohe Effizienz des Einsatzes von
PDS und CAPS-CR ist darin begründet, dass neben der Schweregradbestimmung der
Symptomatik auch eine Diagnosestellung möglich ist.
Therapiebezogene weitere Diagnostik: Neben der Erfassung der Symptomatik ist eine
therapiebezogene Diagnostik der Schwere und Art der Instrusionssymptomatik und
kognitiver wie behavioraler Vermeidung sowie möglicher dysfunktionaler Kognitionen und
Interpretationen zu empfehlen. Die Intrusionssymptomatik kann erfasst werden mit Hilfe
eines Tagebuches (Steil et al., 1997), welches der Patient über jeweils 7 Tage hinweg führt,
und in welchem das Auftreten von Intrusionen anhand folgender Aspekte erfasst wird: der
Zeitpunkt des Auftretens der Erinnerung, deren Inhalt, mit der Intrusion verbundene
Kognitionen, ein Rating des Ausmaßes der Belastung durch die Intrusion, mögliche Auslöser
und die Reaktion des Patienten (evtl. Flucht aus der Situation, Gedankenunterdrückung,
Rumination, Einsatz von Anxiolytika etc.). Anhand eines solchen Tagebuches können die
Belastung durch Intrusionen, kritische Kognitionen und dysfunktionale Strategien zum
18
PTB, R. Steil, Version 1
Umgang mit Intrusionen im Alltag des Patienten erfasst werden, welche sonst im
Behandlungssetting unberücksichtigt bleiben könnten. Zur Erfassung der Intensität möglicher
dysfunktionaler
Kognitionen
zur
Traumatisierung
und
ihrer
Folgen
kann
im
Deutschsprachigen der Fragebogen zu dysfunktionalen Kognitionen (Steil, 1997)
herangezogen werden, welcher eine sehr gute Reliabilität und diskriminante Validität
aufweist, oder der Fragebogen zu Gedanken nach traumatischen Erlebnissen (vgl. Ehlers,
1999). Zur Erfassung von Strategien zur Kontrolle oder Vermeidung von Intrusionen eignet
sich der Fragebogen zum Umgang mit traumatischen Erlebnissen (vgl. Ehlers, 1999).
Differentialdiagnose: Differentialdiagnostisch muss die PTB unterschieden werden von
affektiven Störungen, von anderen Angststörungen oder psychotischen Störungen wie von
der Borderline-Persönlichkeitsstörung, die ebenfalls in der Folge eines Traumas auftreten
können, sowie von der Anpassungsstörung und den Folgen von Kopfverletzungen (hiernach
lang anhaltende Symptome wie Irritabilität, Angst etc. sollten jedoch auf eine psychische
Verursachung hin überprüft werden).
19
PTB, R. Steil, Version 1
Evaluation des Therapieerfolges
Zur Evaluation des Therapieerfolges können die in Tabelle 2 dargestellten diagnostischen
Interviews bzw. Fragebogenverfahren herangezogen werden. PDS und IES-R können
mehrfach im Verlauf der Therapie eingesetzt werden. Beachtet werden sollte jedoch jeweils
das Zeitfenster (die 7 vorausgegangenen Tage bei IES-R, die 4 vorausgegangenen Wochen
bei PDS). Sehr gut eignet sich ebenfalls ein zu Beginn jeder Sitzung vom Patienten
erhobenes Rating auf einer Skala von 0 bis 100 zu der Frage, als wie belastend der Patient in
der vergangenen Woche Erinnerungen und Gedanken an das Trauma erlebt hat (vgl. Steil et
al., 1997). Patient und Therapeut können hierzu gemeinsam eine graphische Darstellung
vornehmen, die sehr anschaulich den Verlauf der Kernsymptomatik zeigen kann.
Diagnostische Interviews sollten zu Beginn und zum Ende der Behandlung angewandt
werden, um die klinische Signifikanz der Intervention zu erfassen. Ebenfalls sehr
empfehlenswert ist der mehrfache Einsatz des oben beschriebenen Tagebuches (mehrmals
über 7 Tage) und der der spezifischen Instrumente zur Erfassung dysfunktionaler
Kognitionen und Strategien wie kognitiver Vermeidung.
Zur Kontrolle der Therapieerfolges in Bezug auf komorbide Symptomatik wird darüber
hinaus die mehrfache Anwendung von Selbstbeurteilungsinstrumenten bzw. Fremdratings zu
den Bereichen Depression (z.B. Beck-Depressions-Inventar, Hautzinger, Bailer, Worall &
Keller, 1995 etc.) und allgemeiner Ängstlichkeit (z.B. Beck Angst Inventar, Margraf &
Ehlers, in Vorbereitung etc.) bzw. Instrumenten zur Erfassung der spezifischen komorbiden
Störung empfohlen.
6. Indikation
Evaluationsstudien zur kognitiven Verhaltenstherapie der PTB bei unterschiedlichsten
Formen von Traumatisierung zeigen eine gute Wirksamkeit (vgl. Sherman, 1998). Folgende
Punkte sind dabei jedoch zu beachten:
 Die Diagnose einer PTB sollte gesichert sein. Ist das Vorliegen einer
Traumatisierung nicht verifizierbar (so z.B. vermutet eine Patientin, im Alter von
2 Jahren sexuell missbraucht worden zu sein, Indikatoren dafür finden sich nicht),
so ist keine Behandlung einer PTB indiziert, vielmehr sollte ein gezielt auf die
Beschwerden der Patientin zugeschnittenes Vorgehen gewählt werden.
20
PTB, R. Steil, Version 1
 Die PTB sollte die primäre psychische Störung sein. Für diese Patientengruppe
gilt die Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapie als gesichert.
 Falls schon prätraumatisch andere psychische Störungen vorlagen, so sollten
diese unter Umständen zuerst Mittelpunkt therapeutischer Aufmerksamkeit sein.
 Liegt eine komorbide Störung vor, welche die Behandlung der PTB stark
behindern könnte, so wird empfohlen, mit einem entsprechenden vorgeschalteten
Behandlungsmodul zunächst eine Besserung dieser Symptomatik anzustreben
(z.B.
Bearbeitung
der
interpersonellen
Probleme
bei
der
Borderline-
Persönlichkeitsstörung). Häufig setzen PTB-Patienten Alkohol oder andere
Anxiolytika zur Selbstmedikation ein. Liegt ein komorbider Substanzabusus vor,
so sollte diesem zunächst die therapeutische Aufmerksamkeit zukommen
(Meisler, 1999; Triffleman, Carroll & Kellogg, 1999).Auch beim Vorliegen
akuter Suizidalität und psychotischer Symptomatik sollte der therapeutische
Fokus zunächst auf dieser Symptomatik liegen.
 Die kognitive Verhaltenstherapie der PTB ist geeignet zur Behandlung
chronischer PTB, auch Jahrzehnte nach Ende der Traumatisierung. Zur
Behandlung akuter Symptomatik bzw. Prävention einer chronischen PTB bei
Patienten mit AB ist sie in den ersten Wochen nach dem Trauma ebenfalls
geeignet.
 Der Patient sollte sich jedoch nicht mehr in akuter Gefahr befinden,
gegebenenfalls muss zunächst die Situation akuter Bedrohung beendet werden.
Bisweilen, so z.B. bei Folteropfern mit noch ungeklärtem Asylstatus, kann dies
jedoch sehr lange dauern. Ein Beginn der Behandlung ist hier zwar möglich, die
Behandlung gestaltet sich in der Regel jedoch sehr viel schwieriger.
 Eine Behandlung kann sowohl im Gruppensetting (bei vergleichbarer
Traumatisierungsform) wie auch individuell durchgeführt werden. Für beide
Formen liegen Wirksamkeitsnachweise vor (vgl. Sherman, 1998), Studien zum
direkten Vergleich der Wirksamkeit der beiden Settings existieren jedoch noch
nicht. Bei einer Behandlung in der Gruppe muss die Möglichkeit der individuellen
Bearbeitung
kritischer
Kognitionen
bzw.
individueller
Konfrontation
gewährleistet sein.
 Falls der Patient zunächst zu große Bedenken gegen die gezielte Behandlung der
posttraumatischen Symptomatik hat (er befürchtet vielleicht katastophisierende
Konsequenzen, falls er über das Erlebte spricht), so sollte am Beginn das Angebot
21
PTB, R. Steil, Version 1
stehen, durch andere Formen der Intervention eine Verbesserung der
Lebensqualität zu erreichen (z.B. Unterstützung bei Belastung durch juristische
oder medizinische Komplikationen, Linderung der Schmerzsymptomatik etc.).
Darüber kann das Vertrauen des Patienten meist auch für die gezieltere
Behandlung der PTB gewonnen werden.
 Falls
beim
Patienten
zunächst
eine
andere
Symptomatik
(z.B.
eine
Schmerzsymptomatik) im Vordergrund steht, so kann mit einer erfolgreichen
Intervention zur Linderung des Leidens oder Verbesserung der Lebensqualität der
Boden für eine gezieltere Behandlung der PTB bereitet werden. Gleiches gilt für
Patienten, welche sich allein von juristischen oder medizinischen Maßnahmen
Besserung versprechen und keine Erfolgsaussichten für eine psychologische
Behandlung der PTB sehen.
7. Behandlung
Beschrieben wird das Vorgehen bei einer Kombination von behavioraler und kognitiver
Intervention.
Behandlungsziel
Ziel der Behandlung ist die Veränderung dysfunktionaler Einstellungen und Interpretationen
zum Trauma und seinen Folgen hin zu einer realistischeren bzw. hilfreicheren Einstellung zu
dem Erlebten sowie der Abbau der Vermeidung traumatrelevanter Stimuli bzw. von
Strategien zur Vermeidung oder Kontrolle von Intrusionen.
Therapeutisches Setting
Die kognitiv-behaviorale Behandlung der PTB kann ambulant oder stationär durchgeführt
werden. Eine stationäre Form ist vorzuziehen bei einem Schweregrad der PTB oder
komorbider Störungen, der die Bewältigung des Alltages stark beeinträchtigt. Für die
ambulante Intervention spricht, dass Hausaufgaben zur selbstgeleiteten Exposition mit
traumarelevanten Stimuli sowie Verhaltensexperimente zur Überprüfung dysfunktonaler
Annahmen meist einfacher zu organisieren sind und die Generalisierung des neu Erlernten auf
den Alltag des Patienten erleichtert wird. Patienten mit einer PTB haben während der
Traumatisierung einen maximalen Kontrollverlust erlebt - im Rahmen der Behandlung ist es
daher günstig, ihnen ein großes Maß an Kontrolle über die Bedingungen der Behandlung
(z.B. ihren Sitzplatz und ihre Sitzposition und die Lichtverhältnisse während der Sitzungen
22
PTB, R. Steil, Version 1
aber auch die Abfolge und den Beginn einzelner Interventionselemente etc.) zu geben. So
z.B. war es für einen Patienten, der während erlittener Folterungen in einem dunklen Raum
war und monatelang ohne Tageslicht leben musste, unmöglich, ein Erstgespräch an einem
düsteren Wintertag in einem nur schwach erleuchteten Raum zu führen, ein Wechsel des
Raumes hin zu einem mit mehr Tageslicht erleichterte dem Patienten das Gespräch erheblich.
Um gerade zu Beginn der Behandlung genügend Zeit zu haben für die Komponenten der
Exposition und der kognitiven Intervention haben sich Sitzungen von 90 Minuten Dauer sehr
bewährt. Hausaufgaben sind obligatorisch und bieten Gelegenheit, z.B. Informationen aus
dem Alltag einzuholen, Verhaltensexperimente und (gegen Therapieende) selbstgeleitete
Konfrontationsübungen durchzuführen
Am Ende jeder Sitzung sollte die Frage stehen nach den Aspekten, die heute für den
Patienten von größter Bedeutung waren und die Frage, ob ihn etwas gestört hat, ob etwas an
der Behandlung verändert werden sollte bzw. ob etwas ihn daran hindern könnte,
wiederzukommen. Nach Ende einer Sitzung sollte für den Patienten Gelegenheit sein, in
einem geschützten Raum so lange zu verweilen, bis er sich in der Lage fühlt, in den Alltag
zurückzukehren. Tabelle 3 zeigt den Ablauf einer typischen Therapiesitzung.
Sehr hilfreich ist der Einsatz einer Tafel oder eines Flipcharts während der Sitzungen.
Therapeut und Patient können diese Hilfmittel nutzen, um z.B. therapiespezifische
diagnostische Informationen zusammenzutragen, um z.B. ein idiosynkratisches Modell der
Symptomatik zu entwerfen und graphisch darzustellen oder um im Rahmen kognitiver
Interventionen das Für und Wider kritischer Interpretationen einander gegenüberzustellen.
Jede Sitzung wird audiographiert, eine Version der Aufnahme erhält der Patient. Als
obligatorische Hausaufgabe hört er sich jeweils jede Sitzung an und hat so die Gelegenheit,
das Erarbeitete zu wiederholen oder Feedback zu geben, falls er z.B. etwas nicht verstanden
hat oder sich falsch verstanden fühlte. Die Aufnahmen ermöglichen dem Patienten darüber
hinaus, die Inhalte der Sitzungen zu sammeln und seine Einstellungen zu Beginn und im
Verlauf der Behandlung zu vergleichen, um z.B. eigene Fortschritte würdigen zu können.
Wird der Beginn einer Behandlung immer wieder hinausgeschoben, so sollten geduldig neue
Termine angeboten werden – die Vermeidung ist nun einmal Bestandteil der Symptomatik.
23
PTB, R. Steil, Version 1
Therapeutische Beziehung
Eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung ist die Basis der Behandlung der PTB. Eine
Standarddiagnostik mit Hilfe z.B. eines klinischen Interviews sollte daher nicht während des
Erstgespräches geschehen, dieses sollte vorwiegend dem Beziehungsaufbau dienen. Folgende
Verhaltensweisen der Therapeutin haben sich hierfür als hilfreich erwiesen:
Durch detailliertes Nachfragen während des Berichtens des Patienten kann die Therapeutin
signalisieren, dass sie belastbar ist und den Bericht über schreckliche Dinge (oft im
Gegensatz zu Angehörigen und Bekannten) ertragen kann. Die Therapeutin sollte sich nicht
scheuen, Teile des Berichtes zu wiederholen und kritische Begriffe (z.B. bei der Exploration
sexueller Traumatisierung) selbst zu gebrauchen. Kritische Situationen auf Seiten des
Patienten (wie Weinen, lange Pausen, körperliche Reaktionen, Zeichen von Misstrauen etc.)
sollte die Therapeutin immer ansprechen. Sie kann damit dem Patienten signalisieren, dass
sie seine Schwierigkeiten realisiert und er bei ihr gut aufgehoben ist. Das Verhalten der
Therapeutin sollte durch Echtheit gekennzeichnet sein. Bisweilen ruft z.B. die Schilderung
der Patienten sehr viel Mitgefühl oder Entsetzen auch bei der Therapeutin hervor, so dass ihr
vielleicht Tränen in die Augen steigen. Eine mögliche Reaktion wäre, zu sagen „Ich merke,
wie sehr mich Ihre Schilderung bewegt. Um wie viel schwerer muss es für Sie sein, die Sie
all das erlebt haben.“.
Manche Patienten „testen“ die Belastbarkeit der Therapeutin zunächst, bevor sie sich ganz
anvertrauen. So z.B. brachte ein Patient Schrauben mit in die Sitzung, die während einer
extrem schmerzhaften, auf einen Verkehrsunfall folgenden medizinischen Intervention
immer wieder an seinem Schädelknochen fixiert worden waren, und beobachtete die
Reaktion der Therapeutin genau. Wichtig war ihm, dass die Therapeutin sich nicht scheute,
die Schrauben anzufassen, zu „begreifen“.
24
PTB, R. Steil, Version 1
Das Erstgespräch
Neben dem Beziehungsaufbau beinhaltet das Erstgespräch eine Exploration zur
Traumatisierung und die Psychoedukation über die üblichen Folgen einer Traumatisierung
zur Entlastung des Patienten und zur Depathologisierung der Symptomatik („Die Symptome
bedeuten nicht, dass Sie verrückt werden oder einen schwachen Charakter haben, xx% aller
Menschen mit einem ähnlichen Erlebnis geht es wie Ihnen. Die üblichen psychischen Folgen
solch eines Ereignisses sind....“).
Es folgt eine störungsspezifische Diagnostik und daraus abgeleitet die Entwicklung eines
individuellen Modells der Aufrechterhaltung der Störung. Hierzu werden die am meisten
belastenden Intrusionen aktiviert, die mit ihnen verknüpften primären und sekundären
Emotionen und Kognitionen wie die Reaktion auf ihr Auftreten wird erfragt und in ein
graphisches Schema der Aufrechterhaltung integriert. Diese Teilintervention beinhaltet
bereits eine erste, kurze Expositionsphase: Der Patient wird gebeten, die am meisten
belastende Erinnerung kurz in der Gegenwarts- und Ich-Form zu schildern (vgl. auch den
Abschnitt zu den Expositionselementen). Befürchtet der Patient starke negative
Konsequenzen einer solchen kurzen Exposition, so wird an dieser Stelle zunächst mit Hilfe
kognitiver Methoden über seine Befürchtungen debattiert (vgl. den entsprechenden Abschnitt
bei den kognitiven Interventionen bzw. Tabelle 4). Abbildung 1 zeigt einen Leitfaden zur
therapiespezifischen Diagnostik, Abbildung 2 ein Beispiel für solch eine graphische
Darstellung. Bei diesem Interventionsschritt besteht schon die Möglichkeit, den Patienten
immer wieder auf den Zusammenhang zwischen seinen Gefühlen, seinen Gedanken, seinen
körperlichen Reaktionen und Reaktionen der Vermeidung aufmerksam zu machen (Was Sie
denken, beeinflusst, wie Sie sich fühlen...“). Meist wirkt es sich sehr positiv auf die
Compliance und die Therapiemotivation des Patienten auf, wenn schon in der ersten Sitzung
durch die kurze Exposition zentrale Befürchtungen entkräftet werden können bzw. der
Patient erlebt, dass er sich auf kontrollierte Weise an Elemente der Traumatisierung erinnern
konnte.
Falls die Zeit es erlaubt wird im Erstgespräch (ansonsten in der zweiten Sitzung) des
Rational der Behandlung erarbeitet. Es ist von größter Wichtigkeit, dass der Patient den Sinn
des Einsatzes der Exposition und des Überprüfens von Einstellungen versteht. Hierzu stehen
der Therapeutin mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:
25
PTB, R. Steil, Version 1

ein direktives, psychoedukatives Vorgehen („Leider hilft es bei sehr schlimmen
Erlebnissen nicht, die Gedanken und Gefühle zu unterdrücken. Wir wollen Ihnen
helfen, die Erfahrungen besser zu verarbeiten, indem Sie sich an das erinnern, was
geschehen ist, und wir dann Ihre Gefühle und Gedanken genau besprechen.“, vgl. Foa
& Rothbaum, 1998).

das
Zurückgreifen
auf Erfahrungen, die
der Patient
bereits
in anderen
Lebensbereichen mit der Habituation an negative Emotionen oder der Veränderung
von Einstellungen gemacht hat („Haben Sie schon einmal erlebt, dass etwas, was
Ihnen zu Beginn sehr schwer gefallen ist, mit der Zeit für Sie leichter geworden
ist?“).

das Benutzen von Analogien und Bildern („Manchmal kann eine Wunde nur heilen,
wenn man sie noch einmal öffnet und dann behandelt.“, vgl. Maercker, 1997; „Ihre
Erinnerungen sind vergleichbar mit einem Mosaik, das in seine Teile zerfallen ist.
Wir wollen alles wieder zu einem Ganzen zusammensetzen, dazu müssen wir uns
jedoch jedes Teil genau anschauen.“, vgl. Ehlers, 1999).

der Einsatz kognitiver Methoden, um die bisherigen Strategien zur Bewältigung der
Symptomatik (behaviorale und kognitive Vermeidung) gemeinsam auf ihre
Wirksamkeit zu prüfen und alternative Bewältigungsmöglicheiten zu sammeln („Wie
sind Sie bislang mit den Erinnerungen umgegangen? Wie hilfreich war diese
Strategie? Was waren die kurzfristigen, was die langfristigen Konsequenzen? Welche
anderen Möglichkeiten haben wir noch?“). Hilfreich ist hier der Einsatz eines
Experimentes zu den paradoxen Konsequenzen der Gedankenunterdrückung (vgl. den
Abschnitt zu kognitiven Interventionen).
Der Patient wird über eine mögliche initiale (aber nicht andauernde) Verschlechterung
seiner Symptomatik durch die intensive Beschäftigung mit den Erinnerungen informiert.
Gegen Ende der ersten Sitzung wird ein möglichst realistisches Therapieziel (z.B. „Ich
möchte mich erinnern können, ohne so sehr leiden zu müssen.“) festgelegt. Den Abschluss
der Sitzung bildet die Besprechung der Ressourcen des Patienten (unterstützende Personen,
gesunde Bereiche des Lebens, Hobbys, Dinge, die der Patient genießen kann).
Die Elemente der Exposition
Wichtiger Bestandteil der Behandlung der PTB ist das imaginative Nacherleben der
Traumatisierung (Exposition in sensu). Der Patient imaginiert (möglichst bei geschlossenen
26
PTB, R. Steil, Version 1
Augen) Teile des traumatischen Geschehens so als würden sie wieder stattfinden, und
berichtet dabei über sein Erleben. Dabei soll er die auftretenden Kognitionen und Emotionen
nicht bekämpfen.
Zu Beginn jeder Sitzung wird der Patient gebeten, die jeweils am meisten belastenden Teile
der Erinnerung an die Traumatisierung auf diese Weise nachzuerleben (so erfolgt die
Exposition immer mit den Teilen der Erinnerung, die für den Patienten aktuell von größter
Bedeutung sind). Im Rahmen eines kognitiv-behavioralen Vorgehens wird die Exposition als
eine therapeutische Strategie unter anderen und vorwiegend zur Exploration des
traumatischen Geschehens, zur Elaboration der traumatischen Erinnerungen und zur
Identifizierung kritischer Kognitionen genutzt. Bei einem schwerpunktmäßig behavioralen
Vorgehen stellt sie das zentrale Element dar und erfolgt zeitlich sehr viel ausgedehnter (bis
zu 45 Minuten pro Sitzung z.B. bei Foa und Rothbaum, 1998, vs. 5 bis 10 Minuten beim hier
beschriebenen Vorgehen).
Exposition in sensu ist auch Teil der Hausaufgaben. Weitere Techniken sind das Schreiben
über die Traumatisierung oder das Anhören eines eigenen Berichtes über die
Traumatisierung (dies erfolgt als Hausaufgabe obligatorisch in Form des Anhörens des
Mitschnittes der Sitzung). Bedeutsam ist, für die Durchführung dieser Hausaufgaben
günstige Bedingungen (der Patient ist alleine und ungestört etc.) zu vereinbaren.
Während der Exposition in sensu wie in vivo sollte die Therapeutin ein zugewandtes
Verhalten zeigen, Hörersignale geben, Lob spenden (bei Exposition in sensu auf die
Einhaltung des Präsens und der Ich-Form achten) und bei längeren Pausen etc. Fragen stellen
(„Was fühlen Sie jetzt? Was sehen Sie?“ etc.). Verliert der Patient den Kontakt zur
Gegenwart indem er z.B. dissoziative Symptome zeigt, so fokussiert die Therapeutin auf sein
gegenwärtiges körperliches Befinden („Sie fühlen, wie Sie im Sessel sitzen / sich
bewegen...“, sogenanntes Grounding). Nach Beendigung der Exposition erfolgt eine
Einschätzung des Patienten zur Belastung durch die Exposition wie eine Analyse der
befürchteten im Vergleich zu den eingetretenen emotionalen, kognitiven und physischen
(bzw. bei der Exposition in vivo möglicherweise auch sozialen) Konsequenzen. Die vorher
geäußerten Befürchtungen werden so einer Realitätstestung unterzogen. Geschah das
Wiedererleben ohne starke emotionale Beteiligung, so fehlen möglicherweise wichtige
Faktoren (so z.B. berichtete ein Folteropfer vergleichsweise gelassen in englischer Sprache,
27
PTB, R. Steil, Version 1
der Wechsel zur Muttersprache erst führte zu starkem Angsterleben) oder der Patient setzt
weiterhin Strategien der kognitiven Vermeidung ein.
Der Patient muss zur Exposition angeleitet werden, es wird aber vereinbart, dass die
Kontrolle über deren Durchführung (z.B. über Beginn, Ausstieg, Tempo etc.) beim Patienten
bleibt. Bricht er ab, so kann dies als beispielhafte Situation zur weiteren Diagnostik
besonders kritischer Emotionen und Kognitionen genutzt werden („Was hat es Ihnen eben so
schwer gemacht, sich weiter zu erinnern? Was haben Sie gedacht, gefühlt? Was ging Ihnen
durch den Kopf“).
Die Exposition in vivo gewinnt im Verlauf der Behandlung an Bedeutung. Typische Inhalte
sind das Aufsuchen des Ortes der Traumatisierung bzw. einer ähnlichen (natürlich immer
objektiv ungefährlichen) Situation, Treffen mit Menschen, die ebenfalls während der
Traumatisierung anwesend waren, das Anschauen von Bildern oder Filmszenen mit
ähnlichem Inhalt etc.. Je nach dem Ausmaß der Belastung beim Patienten kann ein
hierarchisches Vorgehen gewählt oder mit stark angstauslösenden Situationen begonnen
werden. Zu Beginn begleitet die Therapeutin den Patienten, danach erfolgt die Konfrontation
in vivo selbstgesteuert in Form von Hausaufgaben. Sie kann die Möglichkeiten der
Überprüfung
von
katastrophisierenden
Befürchtungen
und
der
Beschaffung
von
Informationen sehr sinnvoll ergänzen.
Hilfreich kann die Veränderung der traumatischen Erinnerungen in der Imagination hin zum
Positiven oder weniger Bedrohlichen sein (vgl. Ehlers, 1999). Eingesetzt werden dabei z.B.
Techniken, die das Trauma zu einem erträglicheren Ende führen (z.B. setzt ein Soldat
imaginativ die durch eine Landmine zerstückelte Leiche seines Kameraden zu einem heilen
aber toten Körper zusammen). Persistierende Alpträume können ebenfalls auf diese Weise
gelindert und die Schlafqualität verbessert werden (Krakow, Kellner, Pathak & Lambert
1995, 1996).
Kognitive Intervention
Die Basis kognitiver Intervention ist der sokratische Dialog und das geleitete Entdecken. Am
Anfang steht jeweils die Identifikation zentraler dysfunktionaler Kognitionen mit Hilfe der
therapiespezifischen Diagnostik, welche über den gesamten Verlauf der Behandlung (jeweils
zu Beginn der Sitzung) anhand des imaginativen Wiedererlebens der aktuell am meisten
28
PTB, R. Steil, Version 1
belastenden Intrusion durchgeführt wird. Im Mittelpunkt einer Sitzung stehen jeweils eine bis
zwei bedeutsame maladaptive Kognitionen. Die subjektive Gültigkeit dieser Kognitionen
wird zunächst mit Hilfe von Ratingskalen erfasst (z.B. „Wie sehr sind Sie davon überzeugt
auf einer Skala von 0 = überhaupt nicht bis 100 = voll und ganz?“). Geduldig lässt die
Therapeutin den Patienten mit ihrer Unterstützung prüfen, ob seine Einstellungen,
Überzeugungen und Interpretationen zum Trauma und seinen Folgen angemessen und
hilfreich oder wenig angemessen und dysfunktional sind. Welche Belege hat der Patient
dafür, dass seine Auffassung zutreffend ist? Sind auch andere Auffassungen denkbar? Von
zentraler Bedeutung ist es, den Patienten nicht zu überreden, sondern gemeinsam mit ihm
Argumente für und wider seine Auffassung abzuwägen und den Patienten zu eigenen
Schlußfolgerungen kommen zu lassen. Zum Ende der Debatte über die Kognition schätzt der
Patient erneut deren Gültigkeit ein. In einem zweiten Schritt werden im Sinne der
Spaltentechnik hilfreiche Kognitionen gesucht, mit denen der Patient die maladaptiven in
kritischen Situationen ersetzten kann. In der Imagination kann die Implementierung der
neuen, hilfreichen Kognition geübt werden. In Tabelle 4 findet sich eine Beschreibung
zentraler kognitiver Techniken mit Beispielen.
Zur Überprüfung bestimmter Annahmen oder Befürchtungen werden Verhaltensexperimente
eingesetzt. So kann man z.B. mit Hilfe eines Experimentes zu den Folgen von
Gedankenunterdrückung den Patienten erleben lassen, ob man tatsächlich seine Gedanken
steuern kann oder nicht: Man bittet den Patienten, in der nächsten Minute an alles Mögliche
zu denken, bloß nicht an weiße Bären (oder einen anderen festgelegten Reiz). Der Patient
wird erleben, dass er nicht vermeiden kann, an den festgelegten Reiz zu denken. Die Rolle der
Gedankenunterdrückung bei der Aufrechterhaltung seiner belastenden Erinnerungen an das
Trauma kann dann besprochen werden. Der Patient erhält die Hausaufgabe, für einige Tage
die belastenden Erinnerungen nicht zu bekämpfen und zu beobachten, ob sie dann häufiger
oder weniger häufig auftreten bzw. ob sich am Grad der Belastung etwas verändert.
In die Informationssammlung zur Überprüfung der Überzeugungen werden unter Umständen
auch Angehörige oder Experten mit einbezogen (so z.B. erfährt ein Patient, Opfer einer
Geiselnahme in einer Bank, der sich in der Situation völlig alleine gelassen fühlte, dass sehr
viele Polizisten und Experten anwesend waren, die aber von den Tätern (und damit auch vom
Opfer) nicht wahrgenommen werden sollten / eine Patientin, Opfer eines sexuellen
Missbrauches, erfährt, dass ihre Schwester sich an seiner Stelle nicht anders verhalten hätte).
29
PTB, R. Steil, Version 1
Häufig schreiben sich PTB-Patienten in sehr unangemessener Weise selbst die
Verantwortung für weite Teile des traumatischen Geschehens zu (so z.B. sind Opfer
sexuellen Missbrauchs häufig der Ansicht, durch ihr Verhalten / ihre Persönlichkeit die
sexuelle Gewalt verursacht zu haben). Am Beispiel kognitiver Umstrukturierung bezüglich
Schuld und Scham lassen sich kognitive Techniken sehr gut illustrieren.
Zunächst sollte das Ausmaß der eigenen Verantwortungszuschreibung erfasst werden. Hierzu
sammeln Patient und Therapeut, wer bzw. welche Umstände Anteil an der Verantwortung für
die Taumatisierung bzw. für bedeutende Elemente daraus tragen könnten. Hernach zeichnet
der Therapeut einen "Verantwortungskuchen" (einen leeren Kreis), in dem der Patient den
Anteil der Verantwortung für jede beteiligte Person / jeden Umstand markiert. Überschätzt
der Patient den eigenen Anteil, so wird in der Folge debattiert, auf welche Weise er zu dem
Geschehen
beigetragen
hat.
Die
folgenden
kognitiven
Fehler
bzw.
falschen
Schlussfogerungen können dabei zutage treten (vgl. Kubany, 1998):

Das Wissen über den Ausgang beeinflusst die Erinnerung daran, was man vor oder
während der Traumatisierung wusste ("Ich hätte wissen müssen, dass ich mit einer
Erkältung und bei Nebel als Autofahrer einen Unfall verursachen würde...").

Entscheidungen, welche unter Zeitdruck gefällt wurden, werden auf der Grundlage
ausführlicher Kontemplation im Nachhinein bewertet.

Der Patient glaubt, er hätte Lösungsmöglichkeiten nutzen müssen, die erst in der
Retrospektive sichtbar wurden. Einflussfaktoren außerhalb der eigenen Person (wie z.B.
der auch Einfluss eines Schocks) werden nicht bedacht.

Positive Auswirkungen der tatsächlichen Handlungen („Mich nicht zu wehren hat mir
möglicherweise das Leben gerettet.“) bzw. Geschehnisse, welche während der
Traumatisierung wahrscheinlich erschienen (z.B. „Ich dachte, er bringt mich um, wenn
ich mich stärker wehre.“, vs. „Ich hätte mich körperlich stärker wehren müssen.“),
werden übersehen.

Der Patient setzt die Möglichkeit, ein Ereignis verhindern zu können, mit dessen
Verursachung gleich. Er misst sein Verhalten an dessen Konsequenzen, nicht an seiner
Intention.

Das Gefühl, das mit einer Überzeugung verbunden ist, wird zu deren Validierung
herangezogen.
30
PTB, R. Steil, Version 1
Die Bearbeitung der dysfunktionalen Einstellungen zum Bereich Schuld erfolgt in mehreren
Phasen: Zunächst analysieren Therapeut und Patient gemeinsam die Vorgänge und
Handlungen während des traumatischen Geschehens wie auch die wahrscheinlichen
Konsequenzen alternativer Verhaltensweisen. Möglicherweise ist es hilfreich, das Geschehen
in einzelne Teile zu teilen und die Verantwortung dafür getrennt zu bearbeiten. Die Frage,
warum der Patient sich in der Situation so und nicht anders verhalten hat, erlaubt ihm, noch
einmal detailliert die Gründe für sein Handeln zusammenzutragen („Wie genau haben Sie
ihren Vater als 8jährige dazu gebracht, Sie zu missbrauchen?“ oder „Warum haben Sie sich
nicht gewehrt?“).
Wichtig ist, dem Patienten die kognitiven Techniken zur Überprüfung von Annahmen und
Überzeugungen so zu vermitteln, dass er lernt, sie mehr und mehr auch selbständig
anzuwenden. Übungen hierzu werden in Form von Hausaufgaben gegen Ende der
Behandlung durchgeführt.
Neben der Veränderung dysfunktionaler Annahmen stellt die Verminderung der Strategien
zur Kontrolle oder Beendigung des intrusiven Wiedererlebens bzw. des Einsatzes von
Sicherheitsverhalten eine tragende Säule der kognitiven
Interventionen dar. Die
aufrechterhaltende Bedeutung der Gedankenunterdrückung, des Grübelns oder anderer
Strategien wird mit dem Patienten erarbeitet, im Rahmen von Hausaufgaben wird die
Reduktion dieses Verhaltens geübt.
Ärger und Wut sind als sekundäre Emotionen häufig präsent bei PTB-Patienten.
Möglicherweise werden sie über den Mechanismus der sekundären Verstärkung als subtile
Strategie der Beendigung der mit Intrusionen aktivierten belastenderen primären Emotionen
Angst und Furcht aufrechterhalten: der Patient verändert die Qualität der Emotion (vgl. Steil
et al., 1997) und vermindert damit das Erleben von Angst. Damit konsistent ist der Befund,
dass das Ausmaß an Wut in einem umgekehrten Zusammenhang zum Therapieerfolg bei
einer Konfrontationsbehandlung der PTB stand (Foa, Riggs, Massier & Yarczower, 1995).
Hat Ärger und Wut solch eine Bedeutung als Vermeidungsstrategie, so sollte dies mit dem
Patienten erarbeitet und wirkungsvolle Strategien der Ärgerreduktion eingesetzt werden.
Diese sind ebenfalls angezeigt, wenn Ärger und Wut zu Gewaltanwendung in der Familie
oder zur Beeinträchtigung im Beruf oder Privatleben führen. Zur Ärgerreduktion hat sich bei
hochärgerlichen und zu interpersoneller Gewalt neigenden PTB-Patienten ein kognitiv31
PTB, R. Steil, Version 1
behaviorales Programm als effektiv erwiesen, bei dem das Training angemessener
Kommunikation, von Ärgerkontroll- und Problemlösetechniken im Mittelpunkt stehen (vgl.
Chemtob, Novaco, Hamada & Gross, 1997; Novaco & Chemtob, 1998; vgl. auch Reilly et
al., 1994).
Einbeziehen der Angehörigen
Angehörige können auf vielfältige Weise den Erfolg der Behandlung fördern (indem sie den
Patienten bei der Konfrontation mit Erinnerungen und der Veränderung dysfunktionaler
Einstellungen unterstützen) oder behindern (indem sie den Angehörigen weiterhin schützen
wollen vor der Belastung durch das Erinnern und zur Aufrechterhaltung ungünstiger
Einstellungen beitragen). Im letzten Fall kann es sehr nützlich sein, Angehörige in die
Behandlung mit einzubinden, ihnen Informationen über das Störungsbild, die Behandlung,
hilfreiches und nicht hilfreiches Verhalten zukommen zu lassen. Die kann geschehen, indem
Angehörige zu einer gemeinsamen Sitzung eingeladen werden, oder über die Hausaufgabe an
den Patienten, den Angehörigen über vereinbarte Inhalte der Sitzungen zu informieren
(bisweilen auch mit Hilfe vom Patienten ausgewählter Passagen des Mitschnittes der
Sitzung).
Den exemplarischen Ablauf einer Behandlung der PTB mit der Abfolge der verschiedenen
Elemente zeigt Tabelle 5. Zusätzlich können entsprechend der Symptomatik des Patienten
Interventionsstrategien wie Kommunikationstraining, Interventionen zur Schlafhygiene,
Elemente der Paartherapie etc. zum Einsatz kommen.
Behandlung der AB / Prävention der PTB
Auch zur Behandlung der AB bzw. zur Prävention der AB kurz nach einer Traumatisierung
kann das oben beschriebene kognitiv-behaviorale Vorgehen eingesetzt werden (vgl. Bryant,
Harvey, Dang, Sackville & Basten, 1998; Bryant, Sackville, Dang, Moulds & Guthrie, 1999).
Hier wäre eine Zahl von 4-5 Sitzungen empfehlenswert.
8. Wirksamkeit
Wirksamkeit der Behandlung mit behavioralem Schwerpunkt: Als wirksam erwiesen hat sich
in kontrollierten Studien sowohl ein graduelles Vorgehen im Sinne der systematischen
Desensibilisierung (z.B. Brom, Kleber & Defares, 1989), als auch ein massiertes Vorgehen
(Keane, Fairbank, Caddell & Zimering, 1989; Foa, Rothbaum, Riggs & Murdock, 1991; Foa,
32
PTB, R. Steil, Version 1
Dancu, Hembree, Jaycox, Meadows & Street, 1999; Marks, Lovell, Noshirvani, Livanou &
Thrasher, 1998, Tarrier, Pilgrim, Sommerfiled, Faragher, Reynolds, Graham &
Barrowglough, 1999; Vaughan, Armstrong, Gold, O´Connor, Jenneke & Tarrier, 1994). Die
Adaptation einer behavioralen Intervention zur Behandlung der AB bzw. zur Prävention der
Entwicklung einer chronischen PTB zeigte bei Opfern von Verkehrs- und Arbeitsunfällen in
einer randomisierten und kontrollierten Studie eine gute Wirksamkeit (Bryant et al., 1999).
Dies steht im Kontrast zu den widersprüchlichen und teilweise negativen (d.h. in Bezug auf
die posttraumatische Symptomatik schädigenden) Ergebnissen zur Wirksamkeit des bislang
häufig angewandten Critical Incident Stress Debriefings (vgl. Rose & Bisson, 1998).
Zur differentiellen Wirksamkeit liegen bereits Befunde vor: So fanden Foa und Kolleginnen
(Foa et al., 1995) bei Patientinnen, die nach einer Vergewaltigung an einer PTB litten, dass
diejenigen am besten von der Konfrontationsbehandlung profitierten, welche a) eine schwere
Symptomatik zu Beginn der Behandlung zeigten, und welche zu Beginn der Konfrontation b)
eine große subjektive Belastung angaben und c) einen starken mimischen Furchtausdruck
zeigten
(eingeschätzt
von
unabhängigen
Ratern
anhand
eines
Videobandes
der
Konfrontation). Zeigte sich im mimischen Ausdruck zu Beginn der Konfrontation starke Wut
und Ärger, so profitierten die Patientinnen nur wenig von der Konfrontationsbehandlung. Die
Befunde implizieren, dass die Aktivation der ursprünglich beim Trauma vorhandenen,
primären Emotionen (im Gegensatz zur Aktivation eher sekundär sich einstellender
Emotionen wie Wut) von zentraler Bedeutung für den Erfolg der Konfrontationsbehandlung
ist.
Tarrier, Sommerfield, Pilgrim & Faragher (2000) fanden für eine behaviorale oder kognitive
Intervention (sie fassten für diese Analyse die zwei Behandlungsformen zusammen), dass
eine unregelmäßige Teilnahme an der Behandlung der beste Prädiktor für einen Misserfolg
der Behandlung war. Frauen profitierten besser als Männer: sie waren motivierter, hielten die
Behandlung für glaubwürdiger und fehlten seltener. Suizidalität zu Beginn der Behandlung
war mit einem schlechteren Therapieerfolg zum Ende der Behandlung verknüpft. Langfristig
(in der 6-Monats-Katamnese) erwiesen sich eine komorbide generalisierte Angststörung zu
Beginn der Behandlung und unregelmäßige Teilnahme als ungünstig, allein Lebende
profitierten weniger als Patienten, die mit anderen zusammen lebten. Tarrier, Sommerfiled
und Pilgrim (1999) fanden darüber hinaus im Rahmen der gleichen Evaluationsstudie, dass
das Kommunikationsverhalten zwischen Patient und Angehörigen (im Sinne der Expressed
33
PTB, R. Steil, Version 1
Emotion) den Therapieerfolg prädizierte: Patienten mit Angehörigen, welche in hohem Maße
ihnen gegenüber Kritik und Feindseligkeit äußerten, profitierten weniger.
Wirksamkeit der Behandlung mit kognitivem Schwerpunkt: Auch die Wirksamkeit einer
vorwiegend kognitiven Intervention bei PTB wurde in kontrollierten und randomisierten
Studien belegt (Marks et al., 1998; Tarrier et al, 1999). Die Anzahl der Evaluationsstudien ist
jedoch bislang geringer als die zur schwerpunktmäßig behavioralen Intervention.
Wirksamkeit einer Kombination kognitiv-behavioraler Intervention: Die Kombination
kognitiver und behavioraler Intervention erwies sich als ebenfalls als wirksam (Devilly &
Spence, 1999; Fecteau & Nicki, 1999; Glynn et al., 1999; Marks et al., 1998; Resick &
Schnicke, 1992). Im Vergleich mit nur einer der Behandlungskomponenten alleine ergaben
sich in einer ersten Studie jedoch keine Effektivitätsvorteile (Marks et al., 1998). Auch bei
der Behandlung der akuten Belastungsstörung bzw. Prävention der PTB hat sich ein
kognitiv-behaviorales Vorgehen als effektiv erwiesen (vgl. Bryant et al., 1999).
Vergleich der Wirksamkeit kognitiver und behavioraler Strategien: Der Vergleich einer
schwerpunktmäßig behavioralen mit einer schwerpunktmäßig kognitiven Behandlung bz.w
Prävention der PTB erbrachte keine Unterschiede in der Effektivität beider Strategien
(Bryant et al., 1999; Marks et al., 1998; Tarrier et al., 1999). Allerdings ist unklar, ob die
Evaluation neuerer kognitiver Behandlungsansätze (vgl. Steil et al., 1997; Ehlers, 1999),
welche
gerade
im
kognitiven
Bereich
detaillierter
als
die
bislang überprüften
Vorgehensweisen auf die Symptomatik der PTB zugeschnitten sind, nicht vielleicht einen
Behandlungsvorteil für kognitive Intervention ergeben werden. Ergebnisse stehen hier
bislang noch aus.
Wirksamkeit
zusätzlicher
Behandlungselemente:
Eine
additive
Wirksamkeit
von
verhaltenstherapeutisch ausgerichteter Paar- bzw. Familienintervention (Inhalte waren
Komminikationstraining, Psychoedukation über die Störung, Ärgermanagement und
Problemlösetraining) zusätzlich zur einer kognitiv-behavioralen Intervention konnte in einer
ersten Studie nicht bestätigt werden (Glynn et al., 1999). Allerdings waren die Patienten hier
Vietnamveteranen mit einer über Dekanden andauernden Chronizität der Störung (trotz
mehrfacher
vorausgehender
Behandlungsversuche)
und
hoher
Komorbidität.
Die
Überprüfung dieser zusätzlichen Komponente der Behandlung bei anderen Formen der
34
PTB, R. Steil, Version 1
Traumatisierung bzw. zu einem früheren Zeitpunkt nach der Traumatisierung steht aus. Gute
Ergebnisse wurden erzielt mit dem zusätzlichen Einsatz kognitiv-behavioraler Methoden des
Ärgermanagements bei hochärgerlichen Vietnam-Veteranen mit PTB (Chemtob et al., 1997;
Novaco & Chemtob, 1998). In einer randomisierten und kontrollierten Studie erzielte die
Kombination einer behavioralen Routinebehandlung und dieser Intervention Vorteile
bezüglich der Ärgerintensität und –kontrolle, bezüglich allgemeiner Ängstlichkeit und
intrusiver Symptomatik (Chemtob et al., 1998). Zur Wirksamkeit einer Kombination der
Behandlung der PTB mit der eines Substanzabusus bei entsprechender Komorbidität liegen
noch keine kontrollierten und randomisierten Studien vor.
Wirksamkeit kognitiv-behavioraler Intervention bei Kindern und Jugendlichen: Es existieren
Hinweise darauf, dass eine kognitiv-behaviorale Behandlung bei Kindern und Jugendlichen
erfolgreich ist (Deblinger, McLeer & Henry, 1990; Farrell, Hains & Davies, 1998; March et
al., 1998; Saigh, 1992; Saigh, Yule & Inamdar, 1996, Yule & Canterbury, 1994). March und
Kollegen (March et al., 1998) behandelten 14 PTB-Patienten zwischen 10 und 15 Jahren mit
einem kognitiv-behavioralen Gruppenprogramm (die Exposition wurde im Einzelsetting
durchgeführt). Im Rahmen eines Multiple-Baseline-Designs zeigte sich, dass diese Form der
Behandlung zu einer Besserung der Posttraumatischen Symptomatik führte, die auch ein
halbes Jahr nach Ende der Behandlung weiter bestand. Allerdings waren in dieser Studie
Kinder, die nach multipler Traumatisierung eine sehr schwere PTB entwickelt hatten,
ausgeschlossen, die Ergebnisse sind daher nicht auf diese Gruppe von Kindern und
Jugendlichen generalisierbar. Kontrollierte und randomisierte Evaluationsstudien zur
Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit PTB stehen noch aus.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wirksamkeit behavioraler und kognitiver
Intervention als sehr gut belegt und bislang als vergleichbar gelten kann (vgl. auch Sherman,
1998). Erste Studien zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen zeigen die Wirksamkeit
auch in dieser Altersgruppe. Zur Behandlung der akuten Belastungsstörung ist ein kognitivbehaviorales Vorgehen ebenfalls zu empfehlen.
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PTB, R. Steil, Version 1
Tabelle 3: Ablauf einer typischen Sitzung
___________________________________________________________________________
 Besprechen der Hausaufgabe. Lob für Exposition bzw. Aufgabe von Vermeidung
 Einschätzung zur Belastung durch Intrusionen seit der letzten Sitzung (Eintrag des
Wertes in eine Graphik)
 Wachrufen der aktuell am meisten belastenden Erinnerung plus Einschätzung zur
Belastung durch diese Exposition in sensu
 Bearbeitung und Überprüfung mit der Erinnerung aktivierter dysfunktionaler
Einstellungen und Überzeugungen mit Hilfe von Techniken der kognitiven Therapie
 Erarbeiten der neuen Hausaufgabe (Obligatorisch: Tonbandaufnahme der Sitzung
zuhause anhören)
 Frage: Gibt es etwas an der heutigen Sitzung, was Ihnen unangenehm war, was wir
ändern sollten bzw. was Sie daran hindern könnte, wiederzukommen?
 Frage: Was war für Sie an der heutigen Sitzung das Wichtigste?
 Zeit für die Patientin, in einem geschützten Raum so lange zu verweilen, bis sie
wieder in den Alltag gehen möchte
__________________________________________________
45
PTB, R. Steil, Version 1
Tabelle 4: Kognitive Techniken in der Behandlung der PTB
 Demonstrationen zum Zusammenhang zwischen Gedanken und Gefühlen
„Immer, wenn ich denke, dass ich es hätte verhindern können, fühle ich mich noch trauriger und
schlechter.“
„Wenn ich in Situationen, die mich an den Unfall erinnern, solche starken körperlichen Symptome
bekomme, dann denke ich, dass ich doch nicht normal bin, dass ich vielleicht verrückt werde. Diese
Gedanken ängstigen mich dann sehr.“
 die Betrachtung von Befürchtungen und Erwartungen als Hypothesen, die man testen kann
sowie der Gebrauch von Wahrscheinlichkeitsschätzungen, Beweissammlung und
Verhaltensexperimenten, um Überzeugungen und Erwartungen zu überprüfen
„Sie nehmen an, dass Ihre Frau sich von Ihnen abwenden und Sie weniger lieben wird, wenn Sie Ihr
erzählen, wie hilflos und ängstlich Sie sich während des Überfalles gefühlt haben. Woher kommt
diese Erwartung? Haben Sie schon einmal erlebt, dass sie in einer ähnlichen Situation so auf Sie
reagiert hat? Welche Dinge sprechen dafür, dass sie sich so verhalten wird, welche Dinge
sprechen dagegen?“
„Sie befürchten, dass Sie nicht mehr aufhören können zu weinen, wenn Sie mir genau erzählen, was
vorgefallen ist. Haben Sie schon einmal einen Menschen erlebt, der bei einer traurigen Erinnerung
nie mehr aufhören konnte, zu weinen? Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie drei Stunden lang weinen
werden?“
 die logische Analyse von Gedanken und Überzeugungen
„Wenn Sie sich an das Ereignis erinnern, dann denken Sie, Ihr Leben sei ruiniert. Was meinen Sie
genau damit? Bedeutet das, dass in Ihrem Leben nie mehr etwas Positives wird passieren können?
Welche Bereiche in Ihrem Leben sind Ihnen wichtig? Welche Dinge genießen Sie in Ihrem Leben?
Auf welche Dinge in der Zukunft könnten Sie sich sogar freuen?“
 Advocatus diaboli Technik
„Sie werfen sich vor, dass Sie sich als Kind nicht gegen die sexuellen Übergriffe Ihres Vaters gewehrt
haben. Ich würde gerne genau wissen, warum Sie sich nicht gewehrt haben. Wie kam es dazu?“.
 Dem Patienten helfen, sich mit den Augen des Menschen zu sehen und zu beurteilen, der er
vor der Traumatisierung oder währenddessen war, bzw. sein Handeln auf der Grundlage der
Informationen zu beurteilen, die ihm vor oder während des Traumas zur Verfügung standen
„Sie grübeln darüber nach, warum Sie an diesem Tag trotz Nebel und ihrer Erkältung mit dem Auto
gefahren sind. Sie haben, so sagen Sie, den Radfahrer, der vom Radweg abkam, einfach nicht
gesehen, und Sie meinen, Sie hätten seinen Tod verhindern können, wenn Sie das Auto nicht benützt
hätten. Was dachten Sie an jenem Morgen, bevor Sie losfuhren? Als wie groß schätzten Sie das
Risiko an diesem Morgen, dass Sie eventuell den Tod eines anderen Menschen mit herbeiführen
könnten, wenn Sie sich in das Auto setzen und losfahren?“
 die Entwicklung alternativer und hilfreicher Gedanken und Erwartungen
„Wenn ich anderen von den belastenden Erinnerungen erzähle, werde ich vielleicht recht traurig
werden und weinen müssen, aber das wird vorüber gehen. Ich werde nicht die Kontrolle über mich
verlieren, und die anderen werden wahrscheinlich gut verstehen können, warum ich so traurig bin.
Ich werde mich vielleicht nicht mehr so isoliert fühlen, wenn ich über meine Erinnerungen
sprechen kann.“
„Dass ich so starkes Herzklopfen und bekomme und dass mir übel wird, wenn ich an der Stelle
vorübergehe, an der es passiert ist, ist ganz normal. Es ist kein Zeichen dafür, dass etwas mit mir
nicht stimmt. Anderen geht es genauso.“
Tabelle 5: Exemplarischer Therapieplan für eine kognitiv-behaviorale Behandlung der PTB
Dauer einer Sitzung: 90 Minuten, 1 bis 2 mal wöchentlich, individuelles Setting
46
PTB, R. Steil, Version 1
Sitzung 1: Erstgespräch
 Informationen gewinnen über Traumatisierung und Symptomatik
 Beziehungsaufbau!!
 Psychoedukation über Folgen einer Traumatisierung / Entlastung d. Patienten /
Normalisierung der Symptome („Es wäre verwunderlich, wenn Sie nicht diese Symptome
entwickelt hätten!)
 Störungsspezifische Diagnostik / individuelles Modell erarbeiten
 Rational erarbeiten, evtl. Experiment zur Gedankenunterdrückung, wenn möglich kurze
Exposition
 Festlegen eines realistischen Therapiezieles
 Einstieg in kognitive Intervention
 Ressourcen und gesunde Bereiche des Lebens besprechen
Hausaufgabe: Tagebuch zu Intrusionen führen (7 Tage lang), Selbstbeurteilungsinstrumente
ausfüllen, Intrusionen für limitierte Zeiträume nicht bekämpfen / nicht als Reaktion ruminieren
Sitzung 2: Diagnostik / Beginn kognitiver Intervention
 Diagnostik mit Hilfe eines klinischen Interviews
 Nacherleben des Traumas, weitere Exploration der Interpretationen / Bedeutungen
 Beginn der Umstrukturierung bei einem zentralen dysfunktionalen Gedanken, welcher sich
aus dem Nacherleben ergab
 Aufrechterhaltende Verhaltensweisen aufgeben (Gedankenunterdrückung, Grübeln etc.)
Hausaufgabe: Konfrontation in sensu, evtl. spezifische Hausaufgabe passend zur kognitiven
Umstrukturierung (z.B. Verhaltensexperiment)
Sitzung 3 und 4: Kognitive Intervention
 Nacherleben des Traumas, weitere Exploration der Interpretationen / Bedeutungen
 Fortsetzen der kognitiven Intervention bei gleichem bzw. anderen dysfunktionalen Gedanken
 Möglicherweise Angehörige mit einladen zu Psychoedukation und Planung der Unterstützung
der Behandlung
Hausaufgabe: Imaginatives Nacherleben, evtl. Verhaltensexperimente
Sitzung 5: Kognitive Intervention, Rekonstruktion des Traumas
 Möglicherweise Konfrontation in vivo. Nie reale Gefahr!!
 Genaue Rekonstruktion des Geschehenen, Unterscheiden zwischen damals und heute, bewusst
47
PTB, R. Steil, Version 1
auf Unterschiede achten
 Überprüfen der Interpretationen / Befürchtungen / Erwartungen
Hausaufgabe: Konfrontation in sensu, evtl. Verhaltensexperimente, evtl. selbstgesteuerte in vivoExposition, Übungen zur Implementierung neuer, hilfreicher Gedanken
Sitzung 6-xx: Kognitive Intervention
 Fortsetzung kognitive Intervention
 Evtl. neue Sicht in das Nacherleben integrieren, evtl. mit Imaginationsteckniken
 Aufrechterhaltendes Verhalten weiter modifizieren
 Wenn nötig / hilfreich Angehörig mit einladen zu Informationssitzung und Planung
Hausaufgabe: je nach Themen der Sitzungen
Abschlusssitzung der Behandlung: Rückfallprophylaxe
 Zusammenfassen aller gelernten hilfreichen Techniken
 Wiederholen des idiosynkratischen Modells der Aufrechterhaltung der Symptomatik
 Plan für den zukünftigen Umgang mit Intrusionen, belastenden Gedanken, Vermeidung etc.
 Vorwegnahme möglicher kritischer Situationen in der Zukunft und deren Bearbeitung
Kriterien für Beendigung der Behandlung: Belastung unter 30 bei Konfrontation mit den vorher
belastendsten Erinnerungen, Intrusionen werden nicht mehr als belastend erlebt, kaum behaviorale
bzw. kognitive Vermeidung mehr (Tagebuch abermals über 7 Tage einsetzen)
Booster Sessions / Katamnesen
 Analyse kritischer Situationen, Auffrischung der Techniken zur Bewältigung
48
PTB, R. Steil, Version 1
Abbildung 1: Leitfaden zur therapiespezifischen Diagnostik (nach Steil et al., 1997)
(Beispiele für Instruktionen etc. sind kursiv gedruckt.)
a) Gefühle und Gedanken während und kurz nach dem Trauma
Der Patient wird gebeten, eine der am meisten belastenden Intrusionen zu schildern, wenn möglich mit
geschlossenen Augen und in der Gegenwart und Ich-Form..
 „Damit wir zusammen daran arbeiten können, dass Sie in Zukunft weniger unter den
Erinnerungen leiden, ist es zunächst notwendig, dass wir uns ein genaues Bild von ihren
belastenden Erinnerungen und Gedanken machen.
 Dazu ist es wichtig, genau zu wissen, was während und nach dem Trauma passierte, welche
Gefühle und Gedanken mit ihren Erinnerungen verknüpft sind und wie Sie dann üblicherweise auf
diese Gefühle und Gedanken reagieren.
 Wir haben festgestellt, dass Menschen, die ein sehr belastendes Erlebnis hatten, bestimmte Gefühle
und Gedanken, die durch die Erinnerungen daran ausgelöst werden, als besonders belastend
empfinden. Deshalb versuchen sie, nicht mehr an das Erlebte zu denken und können sich den
Erinnerungen nicht stellen. Wenn wir genau wissen, welche Gedanken und Gefühle bei Ihnen
durch die Erinnerung ausgelöst werden, können wir daran gehen, sie genau zu betrachten und zu
besprechen. Oft werden sie dadurch weniger belastend.
 Ich bitte Sie zunächst, mir kurz eine der belastenden Erinnerungen zu schildern. Das kann für Sie
vielleicht sehr belastend sein. Ich werde Sie dabei unterstützen. Sind Sie bereit dazu? Haben Sie
Bedenken oder Befürchtungen?“
b) Wachrufen der am meisten belastenden Erinnerung
Der Patient wird gebeten, die am meisten belastenden Erinnerungen an das Trauma wachzurufen und
zu verbalisieren. Er soll die am meisten belastenden Erinnerungen in der Ich-Form detailliert
schildern, so, wie er die Erinnerung im Alltag auch erlebt. Der Therapeut instruiert hierzu den
Patienten, die Augen zu schließen und in seiner Vorstellung zurückzugehen bis zu einem Zeitpunkt
kurz vor dem traumatischen Geschehen.
 „Es ist völlig normal, wenn man belastende Erinnerungen oder Gedanken an ein solch schlimmes
Ereignis hat. Das beschreiben alle Menschen, die einmal in einer ähnlichen Situation waren.
 Nun ist es hilfreich, wenn wir uns die Erinnerungen, die Sie als am meisten belastend empfinden,
etwas genauer anschauen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein guter Weg dazu ist, die
Augen zu schließen und sich so lebhaft wie möglich zu erinnern.
 Ich bitte Sie, dass Sie die Augen schließen und in Gedanken zu dem Zeitpunkt zurückzugehen, an
dem das passierte, was Sie heute noch am meisten quält. Bitte schildern Sie mir diese Ereignisse so,
wie Sie sie im Alltag üblicherweise auch erleben.“
c) Mit den Intrusionen verbundene Kognitionen und Emotionen
Kognitionen und Emotionen, die durch die traumatischen Erinnerungen hervorgerufen werden, werden
exploriert. Die Frage lautet dabei jeweils, was der Patient denkt, wenn er Erinnerungen an das Trauma
hat und wie er sich infolge dieser Gedanken fühlt. Dabei hat der Therapeut die Chance, Verbindungen
zwischen bestimmten mit den Erinnerungen auftretenden Gedanken und Gefühlen genau
herauszuarbeiten und graphisch zu verdeutlichen.





„Wenn Sie diese Erinnerung haben, was denken Sie dann, was ist dann in Ihrem Kopf?
In welcher Weise beeinflusst dieser Gedanke, wie sie sich dann fühlen?
Bewirkt dieser Gedanke, dass es Ihnen dann besser oder schlechter geht?
Denken Sie manchmal auch etwas anderes? Fühlen Sie sich dann auch anders?
Was sind die schlimmsten Gedanken, was sind die, die bewirken, dass Sie sich sehr schlecht fühlen?
49
PTB, R. Steil, Version 1
 Gibt es auch Gedanken, die bewirken, dass Sie sich ein wenig besser fühlen?“
Erfasst werden sollte, ob der Patient bestimmte Befürchtungen damit verbindet, sich den Erinnerungen
an das Trauma auszusetzen. Häufig fürchten Patienten z.B., sie könnten völlig die Kontrolle über ihre
Gefühle verlieren und nicht mehr aufhören können zu weinen oder so wütend werden, dass sie den
Therapeuten oder andere Menschen gefährden würden. Diese Befürchtungen sind insofern von großer
Wichtigkeit, als sie die notwendige Exposition an die traumatischen Erinnerungen behindern können.
Sie sollten daher vorrangig Gegenstand der Diskussion sein, der Abwägung der Argumente dafür und
dagegen, dass die Befürchtung sich bewahrheiten wird.
Ebenfalls von Bedeutung sind Befürchtungen zu negativen und ablehnenden Reaktionen anderer
Personen, wenn der Patient über seine Erlebnisse offen spräche (im Sinne von „Wenn ich offen
berichte, was ich erlebt habe, werden die anderen mich als abstoßend empfinden, sich von mir
zurückziehen.“). Solche negativen Erwartungen können auch im Zusammenhang mit einer
katastrophisierenden oder selbstbeschuldigenden Interpretation der PTB-Symptome auftreten („Etwas
stimmt ernsthaft nicht mit mir, was denken die anderen, wenn sie erfahren, dass ich immer noch so
sehr leide?“). Sie beeinträchtigen die Bereitschaft des Betroffenen, mit anderen über seine
traumatischen Erinnerungen zu sprechen. Daher sollten Kognitionen, die sich auf die Reaktionen
anderer beziehen, sehr sorgfältig erhoben und bearbeitet werden. Der Partner oder Familienmitglieder
können an solchen Punkten in die Behandlung mit einbezogen werden.
d) Erfassung kognitiver Vermeidung
Im nächsten Schritt werden alle Verhaltensweisen erhoben, die der Patient bisher zur Bewältigung
belastender Situationen beim Auftreten von Intrusionen angewandt hat, wie z.B.
Gedankenunterdrückung, Grübeln, Alkohol trinken etc. Möglicherweise empfindet der Patient es als
beschämend, über bestimmte Bewältigungsversuche zu sprechen. Wenn dieser Eindruck im
therapeutischen Gespräch entsteht, kann der Therapeut bestimmte, möglicherweise mit Scham
verbundene Reaktionen vorgeben und versichern, dass diese sehr verständlich sind (im Sinne von
„Wir hatten viele Patienten, die ...). Der Patient wird zu jeder Reaktion auf das Auftreten von
Intrusionen dazu befragt, ob der betreffende Bewältigungsversuch in seinen Augen sich bisher als
hilfreich oder weniger hilfreich erwiesen hat. Bei der Gedankenunterdrückung und dem Grübeln z.B.
kann der Patient herausfinden, dass diese Reaktionen die Häufigkeit der Intrusionen weniger gesenkt
als vielmehr erhöht haben. Eine solche Erkenntnis des Patienten läßt sich als rückkoppelnder Pfeil im
in Abbildung 2 dargestellten Schema graphisch verdeutlichen und festhalten.
 „Normalerweise versuchen Menschen, etwas gegen Gedanken und Erinnerungen, die sie belasten,
zu tun. Das ist völlig normal so.
 Mich interessiert, wie Sie persönlich bisher versucht haben, mit diesen Erinnerungen und
Gedanken umzugehen.
 Wenn Sie diese Erinnerungen, Gedanken und Gefühle haben, über die wir eben gesprochen haben,
was tun Sie dann üblicherweise?
 Tun Sie bestimmte Dinge, damit die Erinnerungen aufhören? (Falls der Patient es schwierig
findet, diese Fragen zu beantworten, kann man genauer nachfragen: Tun Sie etwas, um sich
abzulenken? Versuchen Sie, an etwas anderes zu denken? Tun Sie bestimmte Dinge, um die
Gedanken aus Ihrem Kopf zu vertreiben? Grübeln Sie über bestimmte Dinge dann nach? Über was
genau?).
 Was ist Ihr Ziel, wenn Sie dies tun? Haben Sie den Eindruck, dass dies Ihnen hilft, die Erinnerung
oder den Gedanken loszuwerden? Bewirkt dies, dass Sie die Erinnerung als weniger belastend
erleben? Hilft es, dass die Erinnerung seltener auftritt?
 Haben Sie den Eindruck, dass dies Ihnen auf Dauer hilft, besser mit den Erinnerungen
zurechtzukommen?
 Was passiert, wenn Sie versuchen, sich abzulenken/wenn Sie dann über .... nachgrübeln?“
e) Erfassung der Vermeidung intrusionsauslösender Situationen und Verhaltensweisen
50
PTB, R. Steil, Version 1
Erhoben wird auch die Vermeidung von Auslösern von Intrusionen. Wenn der Patient es schwer
findet, entsprechende Informationen zu geben, kann man fragen, welche Bereiche des Lebens sich seit
dem Trauma verändert haben. Der Patient wird dazu befragt, ob er die Vermeidung dieser Situationen
oder Dinge bisher als langfristig hilfreich oder weniger hilfreich erlebt hat.
Bezogen auf das spezifische Trauma kann man dem Patienten auch Listen mit Situationen oder
Verhaltensweisen vorgeben, die PTB-Patienten nach einem solchen Trauma üblicherweise vermeiden.
Ein beispielhafter Fragebogen für Personen, die einen Verkehrsunfall erlebten, kann bei der
Erstautorin angefordert werden.




„Gibt es Dinge, die Sie vermeiden, weil sie Sie an das Trauma erinnern?
Vermeiden Sie sie immer oder nur unter bestimmten Umständen?
Warum glauben Sie, umgehen Sie diese Situationen?
Ist Ihr Eindruck, dass das Vermeiden auf Dauer hilfreich ist oder weniger hilfreich?
 Hat die Anzahl der Dinge, die Sie umgehen oder vermeiden, mit der Zeit zu- oder abgenommen?“
f) Auslöser von Intrusionen
Typische Auslöser von Erinnerungen und Gedanken an das Trauma werden gesammelt.
 „Was kann bei Ihnen Erinnerungen und Gedanken an das belastende Ereignis auslösen?
 Haben Sie schon einmal bemerkt, dass sie in bestimmten Situationen häufiger auftreten als in
anderen? Welche Situationen sind das genau?“
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PTB, R. Steil, Version 1
Abbildung 2: Beispiel eines graphischen Schemas zur Darstellung des individuellen
Modells der Symptomatik (am Beispiel einer Patientin mit PTB nach sexuellem Missbrauch
in der Kindheit)
Auslöser traumatischer Erinnerungen und Gedanken
Ehemann drängt zu sexueller Interaktion
Empfundener Druck, Sex mit dem Ehemann haben zu müssen
Fernsehsendungen bzw. Artikel über das Thema sexueller Missbrauch
sich selbst an der Scheide berühren (auch z.B. beim Duschen)
Untersuchung durch Gynäkologen
Traumatische Erinnerungen
damit verbundene (primäre) Gefühle
nackt mit dem Vater auf Bett liegen
den erigierten Penis des Vaters
berühren müssen
Vater führt Finger in Scheide ein
Hilflosigkeit, ich kann nichts tun
Ekel, große Unsicherheit
Aktivierte Kognitionen
Angst, Furcht, Hilflosigkeit
damit verbundene (sekundäre) Gefühle
Ich bin schuld daran.
Ich hätte es verhindern können.
Mein Leben ist ruiniert.
Ich muss meinen Vater dazu
provoziert haben.
Schuldgefühl, Verzweiflung
Schuldgefühl, Verzweiflung
Hoffnungslosigkeit, tiefe Traurigkeit
Selbsthass
Reaktion auf diese Gedanken
mich ablenken, indem ich ganz fest an etwas anderes denke
darüber nachdenken, wie ich den Mißbrauch hätte verhindern können
Ärger und Wut auf den Vater
Befürchtungen, was geschieht, wenn ich mich nicht vor den Erinnerungen schütze
oder darüber berichte:
Ich werde verrückt, ich verliere die Kontrolle über mich / andere werden mich ablehnen.
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PTB, R. Steil, Version 1
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PTB, R. Steil, Version 1
Tabelle 1: Diagnostische Kriterien der PTB nach DSMIV und ICD10
Kriterien zu
Traumatisierung
ICD10
(WHO, 1991)
DSMIV


(American Psychiatric Association, 1994)
Ereignis, das schwere körperliche Verletzung, 
tatsächlichen oder möglichen Tod oder eine
Bedrohung der physischen Integrität der eigenen
Person oder anderer Personen beinhaltet

Subj. Reaktion mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit
belastendes
Ereignis
oder
eine
Situation
außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes
Bedingung ist, dass das Ereignis bei fast jedem eine
tiefe Verstörung hervorrufen würde
oder Entsetzen
Hinreichenden Symptomen
Beginn der Störung
Dauer der Störung
Beeinträchtigung durch
Störung
Vorliegen von Symptomen aus den Bereichen
 Intrusion (mind. 1)
 Vermeidung / emot. Taubheit (mind. 3)
 Autonome Übererregung (mind. 2)
 Keine Beschränkung
Spezifikation des verzögerten Beginns, wenn die
Symptomatik ab 6 Monate nach dem Trauma einsetzt
 mindestens 4 Wochen
 durch Symptomatik bedingte klinisch bedeutsame
Beeinträchtigung in wichtigen Lebensbereichen


Wiederholte, unausweichliche Erinnerungen oder
Wiederinszenierung des Ereignisses in Gedächtnis,
Tagträumen oder Träumen in Zusammenhang mit
einem traumatischen Ereignis
innerhalb von 6 Monaten nach dem Trauma


keine Angaben
keine Angaben
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PTB, R. Steil, Version 1
Tabelle 3: Differentialdiagnostik der PTB
Abzugrenzen sind die Symptome der PTB von







Symptomen der Vermeidung, Empfindungslosigkeit und erhöhtem Arousal, die schon vor der Traumatisierung vorhanden waren
der Verschlimmerung einer schon prätraumatisch bestehenden psychischen Störung
psychotischer Symptomatik
den psychischen Folgen einer Kopfverletzung oder anderer Verletzungen
den Symptomen substanzinduzierter Störungen
der Anpassungsstörung als Folge von psychosozialen Stressoren wie Scheidung der Eltern bzw. als Reaktion auf eine Traumatisierung, die nicht die
Symptomkritierien einer PTB erfüllen
anderen psychiatrischen Störungsbildern, die infolge einer Traumatisierung auftreten können, wie z.B. affektive Störungen oder andere Angststörungen
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