Spiel, Spielbeobachtung und Spieltherapie Seminar: Diagnostische Informationsermittlung, Beobachtung und Anamnese Wintersemester 2008/2009 Leitung: Prof. Dr. Reinhard Burtscher Referentinnen: Jana Fenner und Jana Schäfer Datum: Dienstag, den 09.12.2008 Gliederung: 1. Spiel 1.1. Definition Spiel 1.2. Grundzüge und Merkmale des Spiels 1.3. Bedeutung des Spiels 2. Spielbeobachtung 2.1. Spielbeobachtung 2.2. Durchführung 2.3. Beobachtungsmöglichkeiten 3. Spielförderung 3.1. Definition Spielförderung 3.2. Spiel fördert Entwicklung 3.3. Grundzüge und Prinzipien der Spielförderung 4. Spieltherapie 4.1. Was ist Spieltherapie? 4.2. Sceno – Test 5. Fazit 1. Spiel 1. 1. Definitionen: „Im Spiel bilden die Kinder das Leben nach. Deshalb ist das Spiel - genauso wie das Leben - so schwer zu definieren.“ (Baer, 2003, S.18) Der Begriff „Spiel“ beinhaltet sehr viele Bedeutungen und lässt daher keine konkrete Definition zu. Doch trotz scheinbar ungeklärter definitorischer Ausgangslage versuchen sich viele Wissenschaftler und Autoren daran das Spiel als eine Tätigkeit oder einen Bewegungsablauf zu beschreiben. Zwei mögliche Definitionen dazu sind: Die ursprüngliche Wortbedeutung von „Spiel“ beinhaltet „eine Tätigkeit, die man nicht um des Resultats oder eines praktischen Zweckes willen, sondern zum Zeitvertreib, zur Unterhaltung und zum vergnügen übt.“ (Heimlich, 2001, S.18) „Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selbst hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Anderssein‘ als das gewöhnliche Leben.“ (Huizinga, 1944, in: Kreuzer, 1983, S. 8) 1. 2. Grundzüge und Merkmale des Spiels Das als kaum klar umrissenes Konzept „Spiel“ lässt sich am besten durch seine Grundzüge und besonderen Merkmale beschreiben. Dazu gehört die Intrinsische Motivation und der Selbstzweck des Spiels. Dieses Merkmal beschreibt, dass das Spiel aus eigenem Antrieb und ohne Zwang entsteht und, dass es eine freiwillige Handlung ist, dessen Sinn und Zweck in der Spielaktivität selbst liegt. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist die Loslösung vom Alltag und das Ausleben der Fantasie. Hierbei ist es wichtig, dass der Spielende sich geborgen und in seiner Existenz gesichert fühlt. Dann kann derjenige sich im Spiel verlieren und so einen Ausgleich zu funktionalen Alltagstätigkeiten finden. Zeit- und Raumempfinden werden ausgeblendet und die Realität wird im phantasiereichen Spiel umkonstruiert, umgewandelt und damit verarbeitet. Dabei erleben Kinder und Jugendliche oft eine wichtige Erfahrung. Im Spiel können sie Kontrolle über die Wirklichkeit ausüben, die ihnen im Alltag noch nicht gelingt oder noch nicht gewährt werden kann. Das hat eine große Bedeutung für die Selbstbestimmung und Selbstkontrolle der Spielenden und ist gerade für beeinträchtigte Menschen sehr wichtig, da es ihnen in einem strukturierten Rahmen mit festgelegten Spielregeln besser gelingt sich selbst zu regulieren. Als Spielender kann man Emotionen zeigen, die man im Alltag nicht ausleben darf oder will. 2 Die Beteiligung der Emotionalität macht Spaß und ruft angenehme Gefühle hervor. Zu dem kommt es zur Aktivitätsregulierung, denn je nach Art des Spiels kann Spielen sowohl beruhigen als auch entspannen. Eher ruhige Kinder können sich austoben und sich somit zu aktiven Mitspielern verwandeln und eher unruhige und unkonzentrierte Kinder können entspannen und sich ruhig und beherrscht verhalten. Das Spiel ist außerdem gekennzeichnet durch den vorher nicht bestimmten Ausgang. Je offener die Bewältigung der Spielaufgabe ist, desto größer ist der Reiz beim Spielen und somit auch die Lustvolle Spannung. Sinkt der Spannungsgrad, werden Spiele rasch langweilig und können nur durch Abwandlungen ihren Reiz wieder erlangen. Auch Ordnung und Regeln sind sehr wichtig um die Spannung und den Reiz aufrecht zu erhalten, denn obwohl Spielhandlungen als frei erlebt werden, ist Spiel auf zeitliche und räumliche Begrenzung angewiesen, da es sonst ohne Ordnung ist und somit langweilig und reizlos. Sehr auffällig ist die Wiederholung und das Ritual im Spiel. Dieses kann, wenn es nicht in exzessiver Form ausgeübt wird, sehr förderlich für ein Kind sein, da es damit Fertigkeiten üben kann und ausreichend Sicherheiten erwirbt. Als letztes Merkmal kann das Erleben von Gemeinsamkeit nennen. Im Spiel werden soziale Verhaltensweisen, wie zum Beispiel Empathie, Gemeinschaftsgefühl, Rollenverständnis, gefordert und gefördert. Kinder lernen andere Sichtweisen kennen und können sich auf diese einstellen und sich dementsprechend verhalten. (vgl. Bunk, 2008, S.10-12) 1. 3. Bedeutung des Spiels Das Spiel hat für die gesamte Pädagogik eine zentrale Bedeutung, denn nur im Spiel kann ein Kind seine Kräfte und Fähigkeiten entwickeln und entfalten. Was als spielerisch bezeichnet wird, ist für die Kinder eine Aneignung verschiedenster Erfahrungen, die Voraussetzung für Bildung und Denken. „Durch spielerisches Erforschen entwickeln und trainieren Kinder ihre Denkfähigkeiten. Sie erwerben Wissen und Fähigkeiten im Umgang mit Gegenständen, lernen sie zu unterscheiden und entdecken viele Gebrauchsmöglichkeiten. Beim Spielen mit Bauklötzen z.B. können mechanische und statische Gesetze entdeckt und Raumvorstellungen erworben werden. Deshalb brauchen Kinder auch Möglichkeiten zum Entdecken ihrer Umwelt. Sie brauchen Erwachsene, die ihre Neugier geduldig begleiten und für Sicherheit sorgen, wo Kinder Gefahren noch nicht einschätzen können. Wer mit Kindern lebt, weiß mit welcher Begeisterung sie Schubladen ausräumen, wenn man sie lässt und Schätze am Straßenrand finden.“ (Aus: Online-Familienhandbuch: “Nur ein Kinderspiel? - oder: Wie Spielen bildet, HEDI FRIEDRICH). Spielen kann auch als lernende Auseinandersetzung mit der Umwelt betrachtet werden und somit als optimale Vorbereitung auf das Erwachsenenleben. Das zeigt auch das folgende Zitat: 3 „Von Aristoteles über die Pädagogen der Renaissance und Aufklärung bis heute, lässt sich die Absicht verfolgen, über das Spiel das Kind zum Lernen bestimmter Inhalte und Fähigkeiten zu überlisten, es dazu zu bringen, sich die Wirklichkeit so anzueignen, wie die Erwachsenen sie verstehen. (Fritz, 1993, S. 14) Die folgende Abbildung stellt die Mehrdimensionalität des Spiels dar, und zeigt somit auf, dass Spiel mit seiner Vielschichtigkeit eine große Bedeutung für alle Fähigkeitsbereiche des Menschen hat. Abb. S.88 (vgl. Bunk, 2008, S.88) 2. Spielbeobachtung 2. 1. Spielbeobachtung Die Spielbeobachtung ist eine Form der Diagnostik, die dann angebracht ist, wenn Behinderungen, Beeinträchtigungen und Störungen das Verhalten und deren Auswirkungen auf die Spiel- und Entwicklungsfähigkeit dieser Menschen festgestellt und interpretiert werden soll. 4 Das Spiel ist eine natürliche Ausdrucksform des Kindes und kann zum Zwecke der pädagogischen Diagnostik genutzt werden. Kinder agieren im Spiel nicht nur ihre Wünsche und Bedürfnisse aus, sondern auch unangenehme, leidvolle und belastende Erlebnisse (z.B. Trennung, Tod, Krankheit, Versagen, Schuld, etc.) Durch Spielhandlung und Spielverhalten werden Entwicklungsstand und Fähigkeitsbereiche des Kindes erkannt. Daraus werden Fördermaßnahmen entwickelt. Sie soll die Entscheidungsgrundlage für die Anwendung von heilpädagogischen und anderen therapeutischen Arbeitsformen geben. Bestimmte Aufgaben kann man mit dem einfachen Beobachten ohne direkt drauf hinzuweisen, nicht beobachten. Im inszenierten Spiel werden Durchführungsaufgaben gestellt, um bei dem Kind Fertigkeiten und Kompetenzen zu beobachten, welche in der Alltagsbeobachtung normalerweise nicht sicher beurteilt werden können. (z.B. FingerDaumen-Test) Durch Beobachtungsbögen (z.B. DESK 3-6, LES-K) können Kinder frühzeitig erkannt werden, die in ihrer Entwicklung gefährdet sind. Objektivität, Reliabilität [Zuverlässigkeit] und Validität [Gültigkeit] sind bei der Durchführung eines systematischen Testverfahrens die wichtigsten Kriterien. 2. 2. Durchführung 1. Einfach Beobachten und eine Spielstörung, Spielbeeinträchtigung, Spielhemmung oder Spielbehinderung erkennen (Objektivität, Offenheit, Genauigkeit, Gleichwertigkeit, Vollständigkeit) 2. Interpersonales Verständnis der Spielerproblematik (Vernetzung der beobachteten Spielstörung mit den verschiedenen Ebenen des lebensweltlichen – ökologischen Systems, um Bedeutungs- und Sinnhaftigkeit des problematischen Spielverhaltens zu verstehen.) 3. Verstehen und Deuten werden auf gemeinsame Sinnebene gestellt Was bedeutet ein Screening Befund und was ist zu tun? Entwicklungsscreening, Spielbeobachtung auffällige Kinder unauffällige Kinder Entwicklungsdiagnostik entwicklungsverzögert altersgemäß entwickelt 5 Ist der Screening - Befund unauffällig, liegen keine Anzeichen für eine Entwicklungsgefährdung des Kindes vor. Es sollte trotzdem ein Elterngespräch geführt werden, aber es besteht kein Anlass für besondere Maßnahmen. Bei einem fraglich auffälligen Screening – Befund sind die Anzeichen für eine Entwicklungsgefährdung des Kindes nicht eindeutig. Es ist wichtig in einem Elterngespräch dies zu erklären und das Kind in den fraglichen Entwicklungsbereichen weiter Beobachten. Nach einiger Zeit sollte der Beobachtungsbogen noch mal durchgeführt werden. Ist der Screening – Befund auffällig, besteht der Verdacht auf Entwicklungsgefährdung des Kindes. Im Elterngespräch sollten Sie das gemeinsame Vorgehen abklären. Es ist empfohlen eine Entwicklungsdiagnostische Abklärung durch einen Fachabschnitt (Logopäde, Psychiater, Ergotherapeut…) 2. 3. Beobachtungsmöglichkeiten 1. Selbstkompetenz Bewertungsverhalten (Welche grobmotorischen Bewegungsabläufe beherrscht das Kind? Bei welchen braucht es noch Übung? Was sollte es dabei lernen?) Wahrnehmungsverhalten (Welche Sinne bevorzugt das Kind? Welche setzt es differenziert ein? Welche Erfahrungen sollte das Kind noch machen? Was sollte es dabei lernen?) Ausdrucksfähigkeit (Wie differenziert kann das Kind seinen Körper als Ausdrucksmittel einsetzten? Wie gebraucht es Mimik und Gestik? Wo braucht es weitere Förderung?) Selbstständigkeit und Selbstvertrauen (Wie verhält sich das Kind, wenn es darum geht, etwas Neues auszuprobieren? Wie geschickt ergreift es Initiativen? Auf welche Weise bringt es eigene Ideen und Meinungen ein? Wo braucht es noch Unterstützung?) Entscheidungsfähigkeit (Wie kann das Kind seine Bedürfnisse einbringen? Wie kann es sich als Individuum mit eigener Meinung artikulieren? Wie geht es Kompromisse ein? Wo braucht es weitere Anleitung und Förderung?) Umgang mit Erfolg und Misserfolg Wie geht das Kind mit Erfolgen um? Wie reagiert das Kind auf Lob der Lehrperson oder auf das Lob von anderen Kindern? Wie lobt und ermuntert es andere Kinder? Wie geht es mit Misserfolgen um? Wie reagiert es auf Kritik? Wie kann es sich selber nach einem Misserfolg zur Weiterarbeit motivieren? Welche Hilfen braucht es? Wo braucht es weiter Unterstützung?) Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit (Über wie lange Zeit kann sich das Kind in eine Aktivität vertiefen? Bei welchen Tätigkeiten ist seine Konzentration groß, bei welchen gering? In welcher Hinsicht brauch seine Konzentrationsfähigkeit weitere Förderung?) 1. Sozialkompetenz Einfühlungsvermögen und Rücksichtsnahme (In welchen Situationen zeigt das Kind Einfühlungsvermögen in die Gefühle, Bedürfnisse und Situationen der anderen Kinder? Wo braucht es Unterstützung, um sich besser einfühlen zu können?) Verhalten in der Gemeinschaft (Auf welche Weise spielt das Kind mit anderen zusammen? In welcher Form braucht es Unterstützung?) Kommunikationsfähigkeit (Auf welche Weise teil das Kind seine Anliegen und Meinungen den anderen Kindern mit? Hält es sich an die vereinbarten Gesprächsregeln? Braucht es Unterstützung?) Umgang mit Konflikten (Wie geht das Kind mit Enttäuschungen, Ärger und Wut um? Kann es Gefühle ausdrücken? Kann es dabei auch auf andere Kinder Rücksicht nehmen?) Umgang mit Werten (Auf welche Weise setzt sich das Kind für die im Kindergarten geltenden Werte ein? Wie reagiert es auf die Missachtung geltender Werte durch andere Kinder?) Verständnis für die Verschiedenartigkeit von Menschen (Wie zeigt das Kind sein Interesse an Menschen? In welchen Situationen zeigt es besonders große Offenheit für andere, wo nicht? Welche Erfahrungsmöglichkeiten könnten seine Entwicklung fördern?) 6 2. Sachkompetenz Umgang mit Materialien (Wie zeigt das Kind seine Motivation und Freude beim Experimentieren mit verschiedenen Materialien? Welche Materialien bevorzugt es? Welche meidet es? Wo braucht es Impulse?) Umgang mit Werkzeugen, Geräten und Musikinstrumenten (Wo zeigt das Kind im Umgang besondere motorische Geschicklichkeit? Was sollte es üben?) Kulturelle Erfahrungen (Aus welche Weise zeigt das Kind Interesse an für Bräuche und Traditionen? Welche Erfahrungen und Kenntnisse hat es mit Angeboten in seiner näheren Umgebung gemacht? Welche zusätzlichen kulturellen Erfahrungen würden es bereichern?) Wahrnehmung von Naturvorgängen (In welchen Situationen zeigt das Kind Interesse für Tiere und Pflanzen? Welche Kenntnisse über die Namen und die Lebensgewohnheiten von Tieren und Pflanzen hat es? Welche Erfahrungen sollte es in der nächsten Zeit machen können?) Entwicklung von Begriffen (In welchen Lebensbereichen kann das Kind Lebewesen, Gegenstände, Sachverhalte und Abläufe korrekt benennen und beschreiben? In welchen Bereichen fehlen ihm Begriffe? Welches sind die nächsten Lernschritte?) Sprachverhalten (Wie zeigt das Kind Freude an der Sprache? In welchen Situationen ist die Sprache gut, wann eher schlecht verständlich? Ist der Satzbau korrekt? Was sollte es üben?) Problemlösungsverhalten (In welchen Bereichen zeigt das Kind Neugier und stellt Fragen? Wo braucht es Impulse, um Neugier und Fragehaltung zu differenzieren?) Erfassen von Beziehungen und Gesetzmäßigkeiten (Bei welchen Tätigkeiten und welchen Materialien zeigt das Kind Interesse an Gesetzmäßigkeiten und Beziehungen? Welche Arten von Beziehungen und Gesetzmäßigkeiten erkennt es? Welches sind die nächsten Lernziele? Merk- und Wiedergabefähigkeit (In welchen Situationen nimmt das Kind neue Informationen aufmerksam bzw. wenig aufmerksam auf? Gibt es Situationen, in welchen das Kind sich bewusst etwas einprägt? Wie kann seine Merkfähigkeit gefördert werden? Diese Beobachtungsmöglichkeiten und Beurteilungsgesichtpunkte dienen zu einer: Unterstützung beim Beobachten und Beurteilen Unterstützung einer differenzierten Planung Erkennung von Stärken und Schwächen Grundlage für Gespräche 3. Spielförderung 3. 1. Definition Spielförderung „Von Spielförderung sollte dann gesprochen werden, wenn Umweltbedingungen zielgerecht so organisiert werden, dass auch Kinder und Jugendliche mit besonderen Erziehungsbedürfnissen (seien sie vorübergehender oder längerfristiger Natur) das Entwicklungspotenzial von selbstbestimmten, selbst kontrollierten und phantasievollen Tätigkeiten erschließen können.“ (Heimlich, 2001, S.238) Spielförderung kann verstanden werden als: Förderung zum Spiel, d.h., grundlegende Kompetenzen zur Spielfähigkeit anregen Förderung im Spiel, d.h., Spielsituationen gestalten und Spieltätigkeit anregen, um vorhandene Spielkompetenzen zu vervollkommnen Förderung durch Spiel, indem die Spielfähigkeit für die Anregung von Lernprozessen in anderen Fähigkeits- und Lebensbereichen genutzt wird (vgl. Köhn, 2002, S.172) 7 Die Merkmale des Spiels verweisen bereits auf gezielte Förder- und Einflussmöglichkeiten durch das pädagogische Mittel des Spiels auf bestimmte Beeinträchtigungen im Erlebens- und Verhaltensbereich. (Abb. S.85 aus Bunk, 2008) Zusammenfassend kann man sagen, dass Spielförderung dann angebracht ist, wenn Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen das Spiel nicht gelingt, ständig abgebrochen wird oder nicht ausgeführt werden kann. Dann besteht die Förderung in einem kompetenten Spielpartner der mit einer direkten Hilfestellung Spielfähigkeit erlangt oder Spielintensität und Spielniveau verbessert. 3. 2. Spiel fördert Entwicklung „Die Entwicklung eines Menschen kann durch das Angebot gezielter, gut organisierter und überschaubarer Spielsituationen mit ausgewähltem Spielmaterial und unter Berücksichtigung der Lebensweltbedingungen bzw. unter Einbeziehung des sozialen Umfelds lebenslang erheblich beeinflusst werden.“ (Bunk, 2008, S.71) 8 Damit Spielförderung aber entwicklungsförderlich wirkt, müssen zunächst bestimmte Merkmale des Spiels angesprochen werden. Eine besondere Bedeutung haben dabei die Intrinsische Motivation und der Selbstzweck des Spiels, die Realitätstransformation (Fantasie und Loslösung vom Alltag) und die Wiederholung und das Ritual. Der Selbstzweck und die intrinsische Motivation sind sehr wichtig, damit Lernspiele nicht als Arbeit oder Lerntätigkeit betrachtet werden. Wenn die Förderung als Spiel interpretiert wird, kann der Betroffene sich mit Spaß und Freude erfolgreich weiterentwickeln. Wiederholung und Ritual sind für Spielende sehr wichtig, damit sie durch ständige Wiederholungen ihr Geschick üben und damit ihre Fertigkeiten erweitern. Der Sinn der ständigen Übung und Wiederholung liegt offenbar auch darin, im Gehirn stabile „Erinnerungsbilder“ von Bewegungsabläufen und Empfindungen („skills“) zu schaffen, damit diese später als gelernte und automatisierte Muster im Alltag rasch abgerufen werden können. (vgl. Zinke-Wolter, 2000, S.39 f.) 3. 3. Grundzüge und Prinzipien der Spielförderung Spiel unterstützen und Neugierde wecken Da insbesondere geistig Behinderten Menschen die Ideen zum Spiel fehlen, sollte man ihnen, angeknüpft an ihre aktuelle Lebens- und Erfahrungswelt, Spielmöglichkeiten bereitgestellt werden. Sie sollten ermutigt werden sich auf spielerische Weise auszudrücken und auseinanderzusetzen. Spielsituation schaffen Die Gestaltung von Räumen und dessen Spielausstattung sollte Spiel möglich machen. So können zum Beispiel Spielecken oder Spielflächen in Wohngruppen bereitgestellt werden. Auch Spielzeiten sollten in den Tages- und Wochenplan eingegliedert werden (z.B. Spielabend) und dennoch ist es auch wichtig Spiele in pädagogische Alltagshandlungen, wie zum Beispiel Pflegehandlungen, einzubinden und spontan entstehen zu lassen. Es sollten vielfältige Spielmöglichkeiten und Spielmittel bereitgestellt werden, die zur Selbsttätigkeit ermuntern und unbeaufsichtigte Spielprozesse in Gruppen entstehen lassen können. Spielerische Einkleidung Lernprozesse, wie z.B. Wahrnehmungs- und Sprachförderung, können für die Beteiligten durch spielerische Einkleidung sehr spaßig und belebend sein. Spielbeispiel: Küche oder Bad? Spieltempo: ruhig Material: verschiedene geruchsintensive Dinge aus der Küche (Essig, Kaffee, Spülmittel) und aus dem Bad (Duschgel, WC-Reiniger, Zahnpasta) möglichst in Filmdosen, Augenbinde Spielverlauf: Ein Spieler verbindet sich die Augen. Aus dem verdeckt gehaltenem Geruchssortiment werden verschiedene Düfte angeboten. Der Mitspieler soll erraten, ob der Geruch in der Küche oder im Bad vorkommt. Orientierung an den Fähigkeiten, Vorlieben und Bedürfnissen Im Rahmen eines förderdiagnostischen Dialogs werden zunächst die Lebenswelt, die Interessen und die Bedürfnisse des Menschen ermittelt und darauf aufbauend die geeigneten 9 Spiele und Spielformen den Bedingungen angepasst. Es ist sehr wichtig sich an den Ressourcen zu orientieren, sie zu würdigen und zu nutzen, damit Selbstgestaltungskräfte und Eigenaktivität des Menschen sich entwickeln können. Dialog, Akzeptanz, Gelassenheit und Spaß „Ich bin ein Fuchs“, sagte der Fuchs. „Komm und spiel mit mir“, schlug ihm der kleine Prinz vor... „Ich kann nicht mit dir spielen“, sagte der Fuchs. „Ich bin noch nicht gezähmt! ... „Was bedeutet das ‚gezähmt‘?“ „Es bedeutet sich vertraut machen!“ (Antoine de Saint-Exupéry, 1956, 65f.) Ausgangspunkt einer Spielförderung ist eine gute zwischenmenschliche Beziehung zwischen dem betreuten Menschen und dem Pädagogen/Therapeuten. Wie in jeder gelungenen Beziehung sind bestimmte Haltungen, wie Respekt, Partnerschaftlichkeit, Offenheit, Eindeutigkeit, Transparenz, Gleichwertigkeit, Bescheidenheit, Vertrauen, Annahme und auch Humor, zu nennen. Beide Spielenden müssen auch Dialogbereitschaft mitbringen denn: „ Nur der Austausch, der Dialog, der auf Gegenseitigkeit beruht, gibt Möglichkeiten zu einer wirklichen Entwicklung“ (Doering, 2001, 25) Mehrdimensionalität beachten Spielen vollzieht sich immer unter der Beteiligung des ganzen Menschen, deshalb ist es nicht angemessen Einzelaspekte herauszulösen und Störungen innerhalb der Spielförderung eindimensional zu behandeln. Die Vielschichtigkeit des Spiels sollte aufrechterhalten werden um möglichst alle Fähigkeitsbereiche anzusprechen. Entwicklungsgerecht Herangehen, erreichbare Schritte gestalten und Erfolge würdigen In der Spielförderung soll einerseits Raum für die selbstbestimmte Ausgestaltung des Spiels gegeben werden und gleichzeitig zu neuen Fähigkeiten aus dem nächsten Entwicklungsschritt angeregt werden. Der Pädagoge als kompetenter Spielpartner sollte stets kleine Veränderungen in das Spiel einbringen um das Spielniveau nach und nach zu erhöhen. Der beeinträchtigte Mensch sollte dabei weder unter- noch überfordert sein damit die Spielspannung erhalten bleibt. Wird etwas Neues geschafft oder etwas Schwieriges gewagt, sollte das mit Lob gewürdigt werden, um das Selbstwertgefühl zu stärken und neue Handlungsmuster zu festigen. Wiederholen und verändern, Spannung und Spaß Um den Reiz, Spaß und Spannung beim Spielen zu erhalten gibt es einige Regeln die eingehalten werden müssen. Zunächst sollte durch Wiederholungen, Rituale, Ruhe und entwicklungsgemäßen Anforderung die Voraussetzung für neue Herausforderungen geschaffen werden. Damit das Spiel nicht langweilig wird sollte jedoch immer wieder Veränderungen und Neuordnungen eingebracht werden um Kreativität zu fördern und das Spiel spannungsreich und anregend für alle Beteiligten zu gestalten. Eigenaktivität anregen und Lösungen finden lassen Alle Spielhandlungen sollten so gewählt werden, dass der beeinträchtigte Mensch sich aktiv verhalten kann. Das kann bei der Planung, dem Auf- und Abbau von Spielgeräten und dem Entwickeln von Lösungsstrategien passieren. Spielprozesse planen Anhand der bekannten Spielmerkmalen ist es zwar sehr fragwürdig, ob man das Spiel planen kann oder sollte, jedoch ist es auch bekannt, das gerade behinderte Menschen bei spontanem Spiel oft durch mangelnde Spielkompetenz Erfahrungen machen, die nicht mit ihren 10 gewünschten Zielen übereinstimmen. Das führt nicht selten dazu, dass sie sich dieser Erfahrung zukünftig verweigern. Um das zu vermeiden, ist eine gelungene Planung der richtige Schritt, Menschen mit Beeinträchtigungen die Möglichkeit zu geben sich weiter zu entwickeln und ihr Leben selbst bestimmt in sozialer Gemeinschaft zu bewältigen. 4. Spieltherapie: 4. 1. Was ist Spieltherapie? Spieltherapie ist eine Form und Technik der Kinder- und Jugendpsychotherapie für Kinder im Alter von ca. drei bis zwölf Jahren mit psychischen oder psychisch körperlichen Störungen (z.B. Ängste, Zwänge, Befindlichkeitsstörungen, Somatisierungen [Somatisches Syndrom = Depression, die ein körperlich(somatisch) betontes Bild annimmt]usw.) Eine Spieltherapie ist in der Regel eine sehr strukturierte, kindzentrierte Einzelbehandlung mit begleitender Eltern-, Familien-, Bezugspersonenberatung oder Behandlung. Sie wird von ausgebildeten Spiel- oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in besonderen eingerichteten Spielräumen, z.B. in einer Praxis für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, oder auch stationär, z.B. in der Kinder- und Jugendpsychiatrie durchgeführt. Ziele einer Spieltherapie ergeben sich im Konsens aller beteiligten Bezugspersonen und betreffen den Aufbau einen Störungsersetzenden und Entwicklungsfördernden Verhaltens des Kindes. Durch die Förderung von psychischen Wachstumsprozessen und zunehmender Selbstverwirklichung soll ein gesundes seelisches Verhalten des Kindes erreicht werden. Im geschichtlichen Überblick wird deutlich, dass es eine Vielzahl psychologischer Strömungen und Ideen zur Therapeutischen Wirkung des Spiels auf Kinder gibt. Es werden „Schulen der Kinderpsychotherapie“ unterschieden. Allerdings zeigt sich ein Trend der Integration der unterschiedlichen Therapieansätze, da einseitige Behandlungskonzepte den mulitkausalen [von vielen Faktoren verursacht] Ursachen von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen nicht gerecht werden. Im Rahmen der Spieltherapie wird dem Kind in therapeutischen Grundhaltungen spielerische begegnet. Die Entwicklung des Kindes wird durch die Bereitstellung bestimmter Beziehungsqualitäten, wie z.B. Empathie, Wertschätzung, Kongruenz, Solidarität, Halt und Unterstützung, gefördert. Im Rahmen von tiefenpsychologischer Spieltherapien ist das prozesshafte Aufarbeiten und Bewusstmachen von Widerständen, Abwehrmechanismen, Projektionen, Übertragungen und Gegenübertragungen zentraler Bestandteil der Behandlung. In der tiefenpsychologischen Spieltherapie dient das Spiel dazu, psychischen Tendenzen für eine Deutung und Bewusstmachung zugänglich zu machen. Es wird zwischen analoger und verbaler Deutetechnik unterschieden. Neben einer differenzierten Spielbeobachtung sowie diversen psychometrischen Diagnostikverfahren und einer Ressourcendiagnostik kommen projektive Testverfahren wie z.B. der Sceno-Test zum Einsatz. Auf der Grundlage einer diagnostischen Abklärung werden differentielle Spielangebote zur Erlebnisaktivierung und Persönlichkeitsentwicklung des Kindes bereitgestellt 11 4. 2. Sceno – Test Der Sceno-Test (nach Staabs) Gerdhild von Staabs entwickelte als Nervenärztin und Kindertherapeutin diesen Test, der 1944 erstmal veröffentlich wurde. Standardisiertes Material, das aus biegbaren Puppen besteht, die alle möglichen Alltagsfiguren gut unterscheidbar darstellen, ermöglicht den Kindern, in Spielfiguren Erlebtes und Erfahrenes zu dramatisieren. Die Figuren werden durch Material ergänzt, das verschiedene Antriebsbereiche ansprechen soll, wie z.B. Schnuller, Toilette etc. Für die qualitative Auswertung wurden Beobachtungsbogen entworfen, deren Ergebnisse meist durch die Anamnese zusätzlich abgesichert wurden. Der Test ist hauptsächlich tiefenpsychologisch orientiert und dient der Erfassung des Unterbewussten. Er wird jedoch auch häufig eingesetzt, wenn sich Erstkontakte zu Kindern problematisch gestalten und Befragungen und Tests anderer Art nicht durchgeführt werden können. (Staabs 1964). 5. Fazit „ … In Wirklichkeit kann man keine Spieltherapie treiben, ohne gleichzeitig diagnostische Beobachtungen zu machen, und jede diagnostische Spielbeobachtung kann auf das Kind therapeutische Wirkung haben, weshalb sich keine ganz scharfe Grenze zwischen diesen Gebieten ziehen lässt“ (Harding 1972:41) „Beim Spiel kann man einen Menschen in einer Stunde besser kennenlernen als im Gespräch in einem Jahr.“ (Platon 427 – 347v.Chr.) 12 Literaturverzeichnis: Axeline, Virginia Mae: Kinder – Spieltherapie im nicht – direktiven Verfahren, 7. Auflage, übersetzt von Ruth Bang, München 1999 Baer Ulrich: Spielpraxis, Eine Einführung in die Spielpädagogik, 4. Auflage, Seelze 1999 Bunk Ulrich: Hrsg: Greving, Heinrich und Niehoff Dieter: Spiel und spieltherapeutische Methoden, Methoden in Heilpädagogik und Heilerziehungspflege, 2. Auflage Troisdorf 2008 Handbuch der Spielpädagogik, Band 1, Hrsg: Karl Josef Kreuzer, Düsseldorf 2983 Heimlich, Ulrich: Einführung in die Spielpädagogik, 2. Auflage Bad Heilbrunn, 2000 Renner, Michael: Spieltheorie und Spielpraxis. Eine Einführung für pädagogische Berufe, 2. Auflage, Freiburg, 1997 Von Staabs, Gerdhild: Der Scenotest. Beitrag zur Erfassung unbewußter Problematik und charakterologischer Struktur in Diagnostik und Therapie, 8. unveränderter Auflage, Bern u.a., 2001 Zinke-Wolter, Petra: Spüren – Bewegen – Lernen, Handbuch der mehrdimensionalen Förderung bei kindlichen Entwicklungsstörungen, 4. Auflage, Dortmund, 2000 Quellenverzeichnis: Cárdenas, Barbara: Diagnostik mit Pfiffigunde. Ein kindgemäßes Verfahren zur Beobachtung von Wahrnehmung und Motorik (5-8 Jahre) Laevers, Ferre (Hrsg.): Die Levener Engagiertheist-Skala für Kinder (LES-K), Deutsche Fassung der Leuven Involvement Scale for Young Children, Erkelenz, Deutsche Ausgabe 1997 Tröster Heinrich; Flender, Judith; Reineke, Dirk: Dortmunder Entwicklungscreening für den Kindergarten (DESK 3-6), Göttingen u.a., 2004 http://www.zebis.ch/zebis6_region/doku_kiga_03/a_lu/5_anhang/1_17_beobachtungsm_beurt.pdf 13