Kolumbien-aktuell No. 393 29. September 2004 1.Soziale Bewegungen: Gemeinschaftsaktion der indigenen Völker 2.Meinung: Zwischenbühnen des Krieges 3.Wirtschaft: Steuerreform 2004 - noch gleich weit auch beim 3. Anlauf 4.Politik: EMCALI im Blickfeld Leitungsequipe: Alejandro Angulo S.J., CINEP Gabriel Izquierdo S.J., Instituto PENSAR - Red Colombiana de Universidades por la Paz Rafael Marroquin, CEPECS; Carlos Salgado, PLANETA PAZ Camilo Castellanos, ILSA Redaktion: Reina Lucia Valencia, Leitung Jorge Carvajal, Diana Rodriguez, David Martinez, Clemencia Rueda, Teofilo Vasquez Administration: ILSA, Calle 38 No. 16-45, Bogota, Tel. 288 04 16 / 288 36 78, e-mail: [email protected] Internet: www.actualidadcolombiana.org Übersetzung ins Deutsche und Versand in Europa: Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien, Postfach 7004, CH-6000 Luzern 7 / Schweiz, e-mail: [email protected]; Internet: www.kolumbien-aktuell.ch 1.Soziale Bewegungen: Gemeinschaftsaktion der indigenen Völker Die kritische Situation, welche die Ausgegrenzten erleben, ist mit einem Grundsatzproblem verknüpft, das mit der neoliberalen Strategie und der Globalisierung zu tun hat. Darum hat jede Aktion, die wir jetzt machen, Teil eines mittelfristigen und langfristigen Kampfes zu sein. Dieses Land gehört uns und es ist Zeit, dies einzufordern! Artikel für die Zeitschrift ila, Krisálida Aufgerufen durch diese Worte mobilisierten sich mehr als 60'000 Männer und Frauen, Indigenas, Bauern, Vertriebene und andere soziale Kreise vom 12. bis 18. September 04, und drückten damit ihre Ablehnung der Regierungspolitik von Alvaro Uribe Vélez aus. Konkret äusserten sie ihre Ablehnung gegen das Freihandelsabkommen mit den USA, die dauernden Menschenrechtsverletzungen und des Rechtes auf Leben, die willkürlichen Verfassungsreformen und die repressive Politik der demokratischen Sicherheit. Weder die Müdigkeit, noch die Sonne, noch die im Freien verbrachten Nächte konnten die Schritte der Bauern, AfrokolumbianerInnen, Indigenas, Vertriebenen, von würdigen Männern und Frauen aufhalten, die diesem neoliberalen Projekt des Todes ein Projekt des Lebens, der Autonomie, des Volkes, gegenüber setzen, welches die Souveränität der Völker über ihr Territorium garantiert. Die Stimme eines Volkes, welche dem Land und der Welt klar macht, dass es existiert und voller Würde und Leben ist, um Lebensalternativen aufzubauen, konnte auch nicht durch die Besuche der Regierung, angeführt vom Präsidenten und seinen Ministern, in den indigenen Territorien aufhalten, welche das Ziel hatten, von der Mobilisierung abzuhalten. Und sie konnten auch nicht durch die Festhaltung und spätere Freilassung eines indigenen Bürgermeisters und seiner drei Begleiter durch die FARC aufgehalten werden, noch durch die willkürliche und ohne umfassende Beweise erfolgte Verhaftung des indigenen Führers Alcibíades Sescué, Direktor eines indigenen Gesundheitsunternehmens. Sescué wurde später der Korruption angeklagt und Gelder der indigenen Organisation an paramilitärische Gruppen überwiesen zu haben. Zum Schluss der Mobilisierung für das Leben und in der Präsenz von 400 indigenen Ordnungsleuten (A.d.Ü die Guardia indígena sind von der Gemeinschaft ausgewählte Personen, welche einen Ordnungsdienst versehen. Sie sind unbewaffnet und nur mit einem Holzstock - bastón de mando - ausgerüstet, welcher Symbol ihrer Befehlskraft ist) in der Hauptstadt Bogotá wurde Sescué wieder freigelassen. Warum ein Protestmarsch und eine indigene- und Basismobilisierung? Seit mehreren Monaten haben sich die indigenen Organisationen Kolumbiens und insbesondere die Indigenas der Region Cauca auf diese Aktion vorbereitet, um ihre Stimme und ihre bastones de mando gegen die Folgen der Politik der demokratischen Sicherheit von Alvaro Uribe Vélez zu erheben. Eine Politik, welche mit dem Argument, die Sicherheit für das kolumbianische Volk zu garantieren, die Bevölkerung in den bewaffneten Konflikt involviert, mittels der Strategie der Anheuerung von Jugendlichen als Bauernsoldaten, der Schaffung von Informantennetzen, der Installierung von Hochgebirgsbataillons in Territorien der Bauern und Indigenas. Die schwere Menschenrechtssituation, welche die BewohnerInnen von Stadt und Land erleiden, das Fehlen von Garantien und des Schutzes der Grundrechte, die willkürlichen Massenverhaftungen, die Eröffnung von Prozessen gegen Führungsleute von Basisorganisationen, die Zunahme von Massakern, Morden, Drohungen und Einschüchterungen, Verschwindenlassen und gewaltsamen Vertreibungen - dies alles war Grund zur Einberufung dieses Treffens der Völker für das Leben, die Freude, die Würde und die Autonomie. Männer und Frauen, Betagte, Jugendliche und Kinder aus verschiedenen Ecken des Landes entschieden sich, da sie von Seiten des Staates keine Antwort auf ihre gerechten Forderungen erhielten, ihre Schritte, ihre Anklagen und ihre Hoffnungen zu vereinen und gemeinsam von La Maria Piendamo - Territorium des Zusammenlebens, des Friedens und der Verhandlung - über Santander de Quilichao, Villa Rica-Cauca und Jamundí nach Cali zu marschieren. Auf ihrem Weg hinterliess der Marsch das Echo der Sprechchöre, die Nächte rund ums Feuer, die langen Stunden auf dem Weg und die Fragen in jenen, die am Wegrand bewundernd dem immensen menschlichen Strom applaudierten und in ihre Forderungen einstimmten: Wir fordern das Recht auf Leben. Schluss mit der Straflosigkeit. Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung! Im Rhythmus der Chivas (A.d.Ü. wörtlich übersetzt Ziegen, d.h. zu Bussen umgebaute Lastwagen; das traditionelle Verkehrsmittel in die abgelegenen Dörfer und Weiler in Kolumbien), welche die Verpflegung, die mobilen Küchen und die Plastikbehausungen transportierten, bewegte die Minga für das Territorium und ein Leben in Würde (A.d.Ü. Minga ist der indigene Ausdruck für Gemeinschaftsarbeit) auch die Völker, um die Unterzeichnung des bilateralen Freihandelsabkommens mit den USA und des Gesamtamerikanischen Freihandelsabkommens ALCA abzulehnen. Diese Abkommen gefährden die territorialen Rechte, das Recht auf Ernährungssicherheit und das traditionelle Wissen durch den Verkauf der natürlichen Ressourcen, der öffentlichen Dienstleistungen, dem Recht auf Gesundheit und Bildung, womit gegen die Souveränität der Völker verstossen wird: Tenemos Chicha, tenemos maíz, multinacionales fuera del país - Wir haben Chicha, wir haben Mais, Multinationale aus dem Land! Sowohl die Freihandelsabkommen wie die Einschränkung der sozialen Rechte werden durch die Verfassungsreform legalisiert, welche die Garantien der Gemeinschaften über ihr Gemeinschaftsland einschränkt und die Mechanismen zur Verteidigung der Grundrechte zum Schaden des sozialen Rechtsstaates abschafft: Verfassungsreform, Straflosgikeit, Ausgrenzung und Korruption! Der mobile Kongress der Völker Mit müden Gesichtern nach vier Tagen auf dem Weg, doch mit der Überzeugung, für den Aufbau von Vorschlägen für den Frieden marschiert zu sein und zu kämpfen, welche das Empfinden der anwesenden Gemeinschaften und Völker vereinigt, versammelten sich die Marschierenden in einem grossen Kongress im Coliseo des Volkes in Cali. Dort diskutierten sie in Kommissionen die Forderungen und Initiativen in Bezug auf die zentralen Themen der Mobilisierung. Einige Schlussfolgerungen waren: Ein nationales und internationales Meinungstribunal zu konsolidieren, welches die Aufgabe hat, alle Fälle von Menschenrechtsverletzungen zu behandeln und von grossen, weltweit bekannten Persönlichkeiten begleitet werden soll. Mechanismen des Widerstandes zu verlangen und zu entwerfen, um so die Respektierung der Zivilbevölkerung, unserer Autonomie und der Organisationen zu erreichen, so dass sie nicht weiter in den Krieg hineingezogen werden. Die Organisationen und das Volk Kolumbiens zu einem Referendum aufzurufen, um über das bilaterale Freihandelsabkommen und das ALCA zu entscheiden. Die Verfassungsreformen zu stoppen, welche gegen die Rechte verstossen. Jedwelche Verfassungsreform muss einer Volksabstimmung unterworfen werden. Zu diesen Punkten kamen noch viele weitere Vorschläge, um diesen Kongress fortzusetzen, welcher nicht in Cali zu Ende ging, sondern durch die Arbeit der sozialen Organisationen und die gemeinsamen Aktionen der sozialen Sektoren weiter gehen wird, welche in diesen Tagen und Nächten der Minga für das Leben, die Würde und das Territorium zusammen fanden. Wir werden hartnäckig auf dem Weg der Integration und des Treffens aller sozialen- und Basisorganisationen insistieren und beharren, damit wir weiterhin an grösseren Möglichkeiten und Lebenskraft, Würde und Hoffnung weben - hoffentlich für alle KolumbianerInnen. (Aus dem Kommunique des Integrationskomitees des Macizo Colombiano CIMA, 18. Sept. 04) 2. Meinung: Zwischenbühnen des Krieges Von Alejandro Angulo, Direktor des Cinep Von den 1098 Gemeinden Kolumbiens sind 382, also mehr als ein Drittel, unter der politischmilitärischen und sozialen Kontrolle des Paramilitarismus. Dies sind nur die offiziellen Zahlen, die zur Publikation freigegeben wurden. Die paramilitärische Politik ist eine Angelegenheit, die viel breiter und viel verwurzelter in sämtlichen Institutionen des kolumbianischen Staates ist. Und diese Daten sind nicht genau bekannt, ebenso wenig wie die Angaben zur Korruption, zur der dies alles führt. Obwohl die Unterstützung, welche die 13'500 Männer der AUC (Zusammenschluss der Paramilitärs) aufgeteilt in 49 Fronten in einigen Regionen erhalten, ein Sieg der AUC scheinen kann, gibt es gewichtige Gründe daran zu zweifeln, ob dies ein Einverständnis mit deren militärischem Projekt bedeutet. In vielen Regionen erlebten die Leute nach den totalitären Übergriffen der Guerilla die Paramilitärs als Befreier. Doch der Segen war von kurzer Dauer, da die fälschlicherweise Selbstverteidigungsgruppen genannten Paramilitärs die gleichen totalitären Übergriffe wie die Guerilla verübten. Der Grund, weshalb sich die neuen Herren in vielen Region festsetzen konnten, liegt im Terror, welcher von deren Kommandanten ausging, nach 20 Jahren von Folter und Massakern, die mit einer einstudierten Grausamkeit zur Einschüchterung der Bevölkerung verübt wurden. Das Symbol dieses Terrorregimes war die Vierteilung der Opfer bei lebendigem Leib mit Motorsägen, die eigentlich zum Fällen von Bäumen bestimmt sind. Das Symbol ihres sozialen und wirtschaftlichen Projektes ist die Plantage mit ihren Lagern für die billigen Arbeitskräfte und den Bungalows mit allem Luxus für die Herren. Das politische Projekt des Paramilitarismus ist hinterlistig, da es als demokratische Mitbestimmung verkleidet daher kommt. Immer mehr wird dann klar, dass diese Demokratie sehr eingeschränkt ist. Deren Grenzen sind klar: Flexible und unterwürfige Arbeitskräfte, keinerlei Basisorganisationen, Korruption auf allen Ebenen, mafiöse soziale Strukturen (wirtschaftliche und soziale Beziehungen werden von den Mächtigen bestimmt, Gerechtigkeit auf der Grundlage des Gesetzes des Schweigens und der Todesstrafe). Die bevorzugten Gebiete sind jene, welche zu einer schnellen Bereicherung führen. Diese Hegemonie ist nicht zufällig entstanden. Der kolumbianische Paramilitarismus entstand auf dem Hintergrund der politischen Ambivalenz, welche von den Privilegierten sorgfältig gehütet wird und welche dazu geführt hat, dass im Land ein moderner politischer Apparat mit einem Feudalsystem von regionalen Fürsten zusammenlebt. Die regionalen Fürsten handeln mittels der traditionellen politischen Parteien, auf der Basis des Klientelismus, während die Zentralregierung sich vergeblich bemüht, ihre Bürokratie zu modernisieren. So erklärt sich, was von einigen die Absenz des Staates in breiten Regionen des Landes genannt wird. Einige dieser Feudalherren haben in einem bestimmten Moment einen Pakt mit dem Drogenhandel eingegangen, so dass es heute praktisch unmöglich ist, den Drogenhandel von der Politik und der kolumbianischen Wirtschaft zu trennen. Die gleiche Ambivalenz hat sämtliche Friedensverhandlungen geprägt. Der aktuelle Fall ist Santa Fe de Ralito, wo geheime und undurchsichtige Verhandlungen stattfinden, von denen manchmal Echos durchdringen, welche um die Gerechtigkeit, die Wahrheit und die Wiedergutmachung für die Unmenge von Opfern fürchten lassen. Das Resultat dieser Sage von Terror und Blut ist die Agrarreform, welche mittels dieser Gewaltmassnahmen vollstreckt wurde: Millionen von Hektaren sind in die Hände dieser Unternehmer des Terrors gefallen. Jeder Quadratmeter dieses Landes hat eine direkte Beziehung zu den mehr als 3 Mio. vertriebenen Bauern, welche seit 1985 von ihren Höfen fliehen mussten. Auf diese Weise haben die Finanzgeber dieser Söldnerheere, während sie die Guerilla wegen deren Anschläge auf den Privatbesitz verabscheuten, einen systematischen Raub an armen, indigenen, schwarzen und mestizischen Bauern durchgeführt. In diesem Moment wird versucht, mit ihnen zu verhandeln: Nicht mit den Herren des Bodens und des Krieges, sondern mit deren Söldnern (von denen einige bereits auch Grossgrundbesitzer sind). Es ist klar, dass es zu einer Entwaffnung Abkommen braucht, denn man kann nicht mit einem Schlag wegschaffen, was in so langer Zeit der Zusammenarbeit geschaffen wurde. Doch wenn die Opfer vergessen werden, welche bis heute völlig ignoriert wurden, wird auch die Entwaffnung nicht lange dauern. Es bleibt die Frage nach der Möglichkeit und den Kriterien der Versöhnung. Ohne diese beiden Fragen zu beantworten, wird es keinen Frieden geben. 3. Wirtschaft: Steuerreform 2004 - noch gleich weit auch beim 3. Anlauf Von Jairo Bautista, Buchhalter der Nationaluniversität und Kongressberater Das Versprechen ist erneut nicht gehalten worden. Der Kandidat Uribe betonte bei seiner ersten Steuerreform, welche er bei seiner Amtseinsetzung präsentierte, dass neue Steuern nicht notwendig seien, um die Ausgaben des Staates zu decken. Doch jetzt wird ein Projekt mit grösseren Folgen präsentiert, welches hauptsächlich darauf abzielt, die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer zu erhöhen. Die versprochene Strukturreform wird auf später verschoben. Es geht jetzt darum, mehr Geld einzunehmen, damit Uribe - wiederum Kandidat - kurz vor der Annahme des Gesetzes, welches die unmittelbare Wiederwahl des Präsidenten zulassen soll, einen vollen Geldbeutel hat, mit dem er seine unermüdliche Kampagne an allen Orten des Landes finanzieren kann. Das für das kommende Jahr verabschiedete Budget ist ein Beispiel dafür und die Mittel für diese Mega-Kampagne werden aus den Taschen der Ärmsten genommen. Und erneut wird die Steuerreform mit wohltönenden Reden über soziale Investition und die Notwendigkeit von neuen Mitteln für die Ärmsten gerechtfertigt. Doch zum Voraus weiss man, dass die neuen Steuern nebst der Finanzierung der Wahlkampagne des Präsidenten-Kandidaten zur Zahlung des kostspieligen Schuldendienstes, zur Erhöhung der Militärausgaben (bereits heute machen diese mehr als 5% des BIP aus) und zur Zahlung der Pensionsschuld bestimmt sein werden. Für die Pensionsschuld sind nicht übertriebene Pensionsleistungen verantwortlich, sondern die ungleiche Konkurrenz, welche das Gesetz 100 zwischen den öffentlichen und privaten Pensionskassen errichtete. Überraschend ist aber, dass die Regierung einen Vorschlag macht, der nicht nur politisch und wirtschaftlich undurchführbar ist, sondern auch höchst ineffizient und antitechnisch: Die teuren Privilegien auf den Vermögenssteuern werden beibehalten, welche etwas unter 14% des BIP ausmachen und welche jenen zugute kommen, welche höhere Einkünfte und Besitz haben, insbesondere den grossen Produktions- und Finanzverbänden. Dagegen werden neue Tarife für die Mehrwertsteuer geschaffen, die nicht nur administrativ schwieriger zu bewältigen sind, sondern auch den Konsum des Grundverbrauchs der Ärmsten verteuern, d.h. von 64,3% der Bevölkerung. Dies ist die grosse Schwäche dieser Reform: Ihre Rückschrittlichkeit und ihre negativen Folgen auf den Konsum und das Wohlbefinden der Bevölkerungsmehrheit. Dieser wird - nach dem von der Regierung präsentierten Gesetzestext - als Trost eine Rückerstattung von 1% der Mehrwertsteuer bleiben, für jene Güter, auf denen neu eine Mehrwertsteuer von 3% erhoben wird. Wie soll diese Rückerstattung erfolgen? Ganz einfach, man muss eine Kreditkarte haben und mit dieser einkaufen gehen. Und wie viele Menschen verfügen in Kolumbien über eine Kreditkarte? Bloss 11% der Bevölkerung. Kurzum, Uribe und seine Wirtschaftsequipe haben sich auf den Weg begeben, den Reichsten mehr Privilegien zu geben und den Unterhalt des Staates den Ärmsten aufzuhalsen. Während die Gewinne der Privatbanken im Juni 2004 1,5 Billionen Pesos betrugen, ging der Konsum der unteren Einkommensschichten um 15% zurück, das sind etwas mehr als 3 Billionen Pesos pro Jahr, welche die einfachen KolumbianerInnen nicht mehr für Essen, Gesundheit und Kleidung ausgeben können. Und dabei spricht der Präsident-Kandidat immer noch von einer sozial engagierten Regierung. 4. Politik: EMCALI im Blickfeld Hinter der Operation Drachen steckt die Privatisierungspolitik. Von der Vereinigung für soziale Forschung und Aktion, NOMADESC In diesen Tagen mussten hohe Kreise der kolumbianischen Regierung Antwort geben auf die Existenz eines parallelen Geheimdienstnetzes, dem aktive und ehemalige Mitglieder der Armee angehören, welches mit Unterstützung von Regierungsinstanzen und privaten Unternehmen einen minutiösen Überwachungsplan gegen oppositionelle politische Führungsleute, Menschenrechtsaktivisten und insbesondere gegen Arbeiter von EMCALI E.I.C.E. E.S.P., dem zweitwichtigsten Dienstleistungsunternehmen des Landes, erstellt und umgesetzt hatten. Dieses Geheimdienstnetz hat Operationszentren in Bogotá, Cali, Medellín, Ibagué und Barranquilla und ist direkt in die Liquidierungsprozesse mehrerer öffentlicher Unternehmen des Landes involviert. Was zuerst als eine Warnung an mehrere Personen aussah, welche von diesem Geheimdienstnetz mit dem Ziel, sie umzubringen, überwacht und beschattet wurden, wurde von der Generalstaatsanwaltschaft bestätigt. Am 25. August 04 führten Untersuchungseinheiten der Staatsanwaltschaft zwei simultane Hausdurchsuchungen in Medellin und Cali durch. Oberstleutnant Julián Villate Leal, führende Person des Geheimdienstnetzes, welcher für die Sicherheitsberatungsfirma Consultoría Integral Latinoamericana und eine Tochtergesellschaft mit dem Namen Serasys arbeitete, bestätigte, dass sie mit diesen Firmen Informationen über Liquidierungsprozesse mehrerer öffentlicher Unternehmen austauschten, so u.a. über das öffentliche Telefonunternehmen in Barranquilla, das öffentliche Elektrizitätsunternehmen des Tolima und das öffentliche Dienstleistungsunternehmen EMCALI in Cali. Im Besitz von Oberstleutnant Villate befand sich ein Dokument der Geheimdienstzentrale der 3. Armeebrigade, in dem eine minutiöse Analyse der städtischen Werke von Cali EMCALI seit 1994 enthalten ist. Zudem werden in dem Dokument genaue Angaben über politische Positionen, Gewohnheiten, Aktivitäten und vor allem über die Verwundbarkeit bei ihren täglichen Arbeitswegen von Mitgliedern des Führungskomitees der Gewerkschaft von EMCALI, Sintraemcali, von Oppositionspolitikern, von Gewerkschaftsführern, sozialen Führungsleuten und Menschenrechtsaktivisten gemacht, die alle mit dem Tode bedroht wurden. Villate rechtfertigte sich vor der Staatsanwaltschaft damit, dass diese Informationen ihm offiziell von den Behörden und Führungsleuten von EMCALI, darunter befindet sich Oberst Germán Huertas, der Sicherheitschef von EMCALI, übergeben worden waren. Zudem meinte Villate, dass seine Aktivitäten dem Sicherheitsdienst der Polizei SIPOL bekannt waren und unterstützt wurden, desgleichen auch vom Nationalen Elektrizitätsfinanzinstitut FEN, dem Innenministerium, dem Sicherheitsdienst DAS und dem Kommandanten der Stadtpolizei von Cali, General Mario Gutiérrez. EMCALI, eines der ersten Opfer Es ist wie in der Sage von Damokles: Ein Schwert hängt an einem Faden und bedroht das Leben von Männern und Frauen, welche sich dafür einsetzen, dass EMCALI ein öffentliches Unternehmen bleibt. Die ersten Empfehlungen der Operation Drachen lauten: Detaillierte Überprüfung der Lebensläufe der Arbeiter von EMCALI; Erarbeitung von Studien der persönlichen Sicherheit des Personals, Beweise für die Verwundbarkeit und den Grad an Vertrauen gegenüber den Arbeitern, dem Führungskomitee und den Beratern der Gewerkschaft Sintraemcali; Schaffung eines Informantennetzes im Innern des Unternehmens zur täglichen Überwachung der gewerkschaftlichen Aktivitäten und der Einordnung der Gewerkschaft und deren Führung. In der Karwoche, am 11. April 2004, versuchte der Sicherheitschef von EMCALI, Oberst Germán Huertas, unbemerkt die Lebensläufe der Arbeiter von EMCALI zu entwenden und nach Bogotá zu senden. Dabei wurde Oberst Huertas von mehreren Arbeitern überrascht, welche die Irregularität anzeigten. Nebst diesem Vorkommnis wurden auch dauernde Beschattungen der Gewerkschaftsaktivisten von Sintraemcali von der Menschenrechtsabteilung der Gewerkschaft angeklagt. Diese Übereinstimmung ist nicht die einzige. In den im Dokument der Operation Drachen angeordneten Empfehlungen heisst es auch, die Gewerkschaftsführung durch eine wohlgesinntere auszuwechseln. Wohlgesinnter gegenüber wem? Wir erinnern daran, dass am 14. Juli 04 vom Direktor von EMCALI, Alfonso Potes Victoria, 51 Arbeiter entlassen wurden. Unter den Entlassenen befinden sich auch sechs Mitglieder des Führungskomitees der Gewerkschaft Sintraemcali: Der Präsident Luis Hernández, der Vizepräsident Luis Imbachi, der Kassenführer Carlos Ocampo, der Aufsichtsrat Oscar Figueroa, der Generalsekretär Fabio Bejarano und das Vorstandsmitglied Carlos Marmolejo. Seit dem 24. Mai 2003, als die 3. Armeebrigade das Dokument der Geheimdienstzentrale in Bogotá zustellte, haben sich die technischen Massnahmen in Bezug auf passive Sicherheit verschärft: Es wurden Kameras und elektronische Zugangskontrollen erstellt und ein internes Informationsnetz eingerichtet. Zudem sind in jenem Dokument die Fotos der Arbeiter und der Mitglieder des Führungskomitees der Gewerkschaft Sintraemcali, wie auch von Alexander López, einem Abgeordneten des Repräsentantenhauses, enthalten. Die Arbeiter wurden mehrmals geheim gefilmt und fotografiert. Das jüngste Ereignis geschah bei der kürzlichen Permanenten Versammlung, zu der sich Sintraemcali aufgrund der Unverträglichkeit zwischen dem von der Regierung mit nationalen und internationalen Banken unterzeichneten Abkommen gezwungen sah. Dieses Abkommen ist unvereinbar mit Abmachungen, welche die Regierung gegenüber Sintraemcali eingegangen war. Wie Präsident Uribe diese Situation in Bezug auf die Permanente Versammlung handhabte, könnte die schlimmsten Diktaturen Lateinamerikas mit Neid erfüllen. Er machte einen Staatsstreich gegen den Gouverneur des Dep. Valle del Cauca, Angelino Garzón, und den Bürgermeister von Cali, Apolinar Salcedo, beide durch das Volk gewählt. Beide hatten versucht, eine Verhandlungslösung zu erreichen. General Castro reiste von Bogotá nach Cali und erklärte: Herr Bürgermeister, Herr Gouverneur, ich empfange keine Befehle von Ihnen. Ich nehme nur Befehle des Präsidenten entgegen. Die Vermittlung von Aufsichts- und Menschenrechtsinstitutionen und von internationalen Institutionen konnte verhindern, dass die Armee gewaltsam und schiessend in das Hochhaus von EMCALI eindrang, in dem sich die Arbeiter befanden. Warum dieses Interesse an EMCALI? EMCALI ist das zweitwichtigste öffentliche Dienstleistungsunternehmen des Landes und verfügt über eines der grössten Infrastrukturnetze Lateinamerikas, welches in den 70 Jahren seit Bestehen des Unternehmens aufgebaut worden ist: Ein Vermögen von rund 5 Billionen Pesos; 3'000 Hektaren Quellgebiete der Flüsse Cauca, Cali, Meléndez, Pichinde, Pance, Cañaveralejo und Lilí; vier Trinkwasseraufbereitungsanlagen; 2600 km Wasserleitungen und 2400 km Abwasserkanäle; 2 Abwasserreinigungsanlagen; 30 Telefonzentralen; 527 km Glasfaserkabel und 18 Elektrizitätsversorgungszentralen. Sintraemcali: Verteidigung des öffentlichen Erbes Von Cali aus wurden viele Anstrengungen unternommen, damit das Wasser, die Energie und die Kommunikation weiterhin staatlich bleiben. Der Kampf begann, als Arbeiter mittels der Gewerkschaft Sintraemcali die andauernden Korruptionspraktiken der Bürgermeister von Cali und der Direktoren von EMCALI aufdeckten. Von 1995 bis 2001 hatten sie sich unrechtmässig mehr als eine Billion Pesos angeeignet, rund 3,3 Mrd. US-Dollar. Doch was die Arbeiter und Gewerkschaftsführer von Sintraemcali am meisten schockierte, war die Beharrlichkeit der Absicht der verschiedenen Regierungen, EMCALI an das internationale Kapital zu verkaufen. Aufgrund dieser Situation wurden Nachforschungen, Anklagen und Prozesse gegen die Verantwortlichen angestrengt. So kamen aufgrund dieser Untersuchungen die Interessen mehrerer multinationaler Firmen ans Tageslicht: So u.a. von Unión Fenosa, Aguas de Barcelona (beide Spanien); Lyonnaies des Eaux, General de Eaux (beide Frankreich); Intergen, Siemens, Erikson Houston Energiesi (alle USA); Bell South Degremond, Safege, Nihon Suido, Tokio Engineering, Ute, Odebrech. Multinationale Unternehmen, welche zur Zeit Gläubiger von EMCALI und einer der grössten Aggressoren darstellen, welchem sich EMCALI gegenüber sieht, dies aufgrund der hohen Schuldzinsen. Zu Beginn bildeten die Arbeiter der verschiedenen Bereiche Equipen nach Bereichen und Themen, wobei sie von externen Beratern begleitet wurden. Es wurde ein Anti-Korruptions-Komitee gebildet und es wurden Vorschläge für die Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung, die Elektrizitätsversorgung und die Kommunikation ausgearbeitet und Machbarkeitsstudien erstellt. Diese Anstrengungen wurden durch wöchentliche und zweiwöchentliche Sitzungen der verschiedenen Bereiche konsolidiert. Bei diesen Untersuchungen wurde festgestellt, dass EMCALI nicht nur ein gangbares, sondern ein rentables Unternehmen ist, die angekündigten Konkurse falsch waren und das Ziel hatten, das Unternehmen aufzulösen. Die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter von Sintraemcali haben von den verfassungsmässigen und gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht und Klagen und Forderungen an die Behörden gerichtet und interne, legale Schritte eingeleitet. Doch es kam nie zu Urteilen oder unparteiischen Schiedssprüchen, immer waren diese manipuliert und das einzige Resultat, das damit erreicht wurde, ist die Straflosgikeit jener, welche während Jahrzehnten das Vermögen des Unternehmens verschwendet haben. Später haben die Arbeiter von EMCALI verschiedene Widerstandsformen gegen die Ernennung von Direktoren, welche die Liquidierung des Unternehmens anstrebten, gegen die Militarisierung der Arbeitsbereiche und Liquidierungsresolutionen unternommen. Die friedlichen Besetzungen der Werkgebäude und der staatlichen Installationen, darunter das Hochhaus von EMCALI, und die Blockierung von Strassen waren die einzigen Formen, um die von der Direktion getroffenen Entscheide rückgängig zu machen und die Liquidierung oder Privatisierung zu stoppen. Uribe und die Privatisierung von EMCALI Präsident Uribe hat mehrere Versuche zur Liquidierung und Privatisierung von EMCALI unternommen, dies mit dem Slogan Todos ponen (alle tragen etwas bei). Den ersten Versuch machte er während seiner Präsidentschaftskampagne, als Vizepräsident Santos erklärte: Die Zentralregierung hat keinen Peso für EMCALI und das Unternehmen muss auf eine andere Weise gerettet werden. Man muss Optionen anschauen und eine davon ist die Privatisierung. (Zeitung El País, Cali, 12. April 2002) Den zweiten Versuch äusserte Uribe am 9. August 2002 in Cali, nur zwei Tage nach seiner Amtseinsetzung. Im EMCALI-Hochhaus meinte Uribe: Die einzige Art, EMCALI EICE zu retten, ist die Bildung einer Aktiengesellschaft. Bei dieser Versammlung entgegnete der Präsident der Gewerkschaft Sintraemcali, Luis Hernández, welcher nicht zum Treffen eingeladen, aber trotzdem hingegangen war, dass diese Lösung nicht durchführbar sei, weil die Arbeiter und das Volk von Cali keine Privatisierung des Unternehmens zulassen würden. Präsident Uribe meinte darauf zu den Versammelten: Sie wissen, dass die Lage der Nation sehr schwierig ist. Die BürgerInnen von Cali sollen uns mit einer Erhöhung der Tarife für die Dienstleistungen unterstützen, damit das Unternehmen kapitalisiert werden kann. Darauf antwortete Hernández: Die Kapitalisierung bedeutet dem Prozess der Privatisierung die Tür zu öffnen. Die Gemeinschaft, Herr Präsident, ich wiederhole, erwartete viel mehr von ihrem Besuch! So z.B. einen tatsächlichen Beitrag des Staates durch die Kostenübernahme der Abwasserreinigung. Danach ernannte die Regierung eine neue Verwaltung von EMCALI, angeführt von Carlos Alfonso Potes, gegen welchen eine Untersuchung wegen Korruption geführt wurde, als er Direktor der Gemeindewerke von Tulua EMTULUA war und welcher sich von diesem Posten, sechs Monate vor der Liquidierung des Unternehmens, zurückgezogen hatte, um danach als Generaldirektor des neuen, bereits privatisierten Unternehmens Centroaguas aufzutauchen. Am 23. Januar 2003 erliess die Oberaufsichtsrätin für öffentliche Dienstleistungen, Eva Maria Uribe, die Resolution 00014, worin sie die Übernahme mit dem Zweck der Liquidierung der Stadtwerke von Cali, EMCALI EICE anordnete. Diese Resolution wurde am 27. Januar 03 durch die Massenmedien bekannt gemacht. Am 14. Februar 2003 präsentierte Consuelo Ospina, vom Oberaufsichtsrat bei EMCALI eingesetzte Buchführerin, gefälschte Bilanzen, dies mit der Absicht, den technischen Konkurs zu rechtfertigen. Anfänglich behauptete sie gegenüber Sintraemcali, dass sie zur Präsentation des Berichtes gezwungen worden sei, doch aufgrund der Einschüchterung durch die Regierung änderte sie später diese Version. Am 21. Februar 2003 wurde bekannt, dass die Direktion von EMCALI am 13. Februar 03 eine Geldüberweisung an das Nationale Elektrizitätsfinanzinstitut FEN angeordnet hatte, was bedeutet, dass der Prozess der Liquidierung bereits begonnen hatte. Zudem wurde ein technisches Komitee gebildet, welches die Schritte des definitiven Liquidierungs- und Privatisierungsprozesses definieren sollte, wobei dem Vertrag mit FEN ein vertraulicher Status eingeräumt wurde, was vom Gesetz her verboten ist. Am 10. März 2003 hatte der Gewerkschaftspräsident von Sintraemcali eine heftige, verbale Auseinandersetzung mit Präsident Uribe während einer Anhörung über EMCALI. Hernández sagte zu Uribe: Ich sehe keinen Beitrag der Nation, wenn die Essenz Ihres Vorschlags vom 9. August davon sprach, dass alle etwas beitragen und darauf hingewiesen wurde, dass mit der Kapitalisierung der Kredite, miteingeschlossen jenen der Nation, diese später mit Dividenden zurückerstattet werden müssen. (Zeitung El Tiempo, 12. März 03) Uribe widersprach und bezeichnete Hernández als Winkeladvokaten, worauf dieser in energischem Ton vom Präsidenten Respekt forderte. Am 24. März 03 und 25. Mai 03 gingen die Sitzungen weiter, doch diesmal verlangte Präsident Uribe, dass die Verhandlungen mit Sintraemcali auf der Luftwaffenbasis Marco Fidel Suarez in Cali stattfanden. Am 4. Mai 2004 hinterlegte Sintraemcali ihren Gesamtarbeitsvertrag, womit Rechte aufgegeben wurden und das Monate zuvor mit der Regierung ausgehandelte Abkommen erfüllt wurde. Doch die Regierung hielt ihren Teil nicht ein und handelte mit nationalen und internationalen Banken ein Abkommen aus, welches für EMCALI nachteilig ist und Cali für die nächsten 20 Jahre zu Zahlungen verpflichtet. EMCALI versus internationale Banken Die Verschuldung von EMCALI gegenüber den nationalen und internationalen Banken entstand durch den Bau von Abwasserreinigungsanlagen und das Thermoelektrische Kraftwerk, durch welche sich die traditionellen Politiker bereicherten, welche hohe Funktionen bei EMCALI und der Stadtverwaltung von Cali einnahmen. Zudem wurde EMCALI wie eine Nebenkasse der Stadt gehandhabt, aus der die Mittel für die politischen Kampagnen der traditionellen Parteien finanziert wurden. Das Abkommen über finanzielle, operative und arbeitsrechtliche Umstrukturierungen der Gläubiger von EMCALI, welches von der Regierung mit nationalen und internationalen Banken geschlossen wurde, übergibt die administrative-, finanzielle-, rechtliche- und die Führungsautonomie von EMCALI an die multinationalen Unternehmen. Zudem werden dadurch die nationalen und internationalen Banken begünstigt, da ihnen mittel- und langfristig die Führung und die Nutzung des Besitzes von EMCALI übergeben wird, wodurch verfassungsmässige Rechte, Gesetze der Bürgermeisterschaft von Cali und Rechte der Bevölkerung verletzt werden. Es ist ein illegales Abkommen, welches die zukünftige Privatisierung des Unternehmens beabsichtigt. Von der Intoleranz zum Despotismus Aufgrund der Nichteinhaltung der Abkommen zwischen der Regierung und den Arbeitern von EMCALI, welche vom 26. bis 29. Mai 2004 ausgehandelt und unterzeichnet worden waren, durch die Regierung, haben die Arbeiter eine Permanente Versammlung einberufen, was eine brutale Reaktion der Zentralregierung gegenüber der Stadt- und Departementsregierung auslöste. Es kam zu einer Zurschaustellung von Macht durch folgende Aspekte: Befehl an die Streitkräfte zur Umzingelung der Arbeiter von EMCALI. Dies wurde tatsächlich umgesetzt und einige Arbeiter wurden geschlagen und verhaftet. Befehl zur Isolierung. Jegliche humanitäre Hilfe wurde untersagt. Weder die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser und Medizin an die im Hochhaus von EMCALI konzentrierten Arbeiter wurde gestattet. Ebenso wurde der Verhandlungskommission der Zugang verweigert und die Arbeit des Ombudsmannes, des Menschenrechtsbeauftragten der Stadt Cali und der Regionalen Aufsichtsbehörde, wie auch der Menschenrechtsorganisationen erschwert. Befehl zur Sicherheitshaft. Dieser Befehl wurde an das Antiterror-Sonderkommando gesandt, welches mit Gewehren und Maschinenpistolen anrückte. Dieses Überfallkommando umstellte das Administrationsgebäude - das EMCALI Hochhaus CAM - in einem Umkreis von 700 Metern. Befehl der Erstürmung. Den Arbeitern wurde gedroht, schiessend ins Gebäude einzudringen, wenn sie ihre Permanente Versammlung nicht auflösen. Diese Aktion, welche Druck ausübte und auf gewaltsame Weise die Permanente Versammlung der Arbeiter zu beenden drohte, welche später als illegal erklärt wurde, bildete die Grundlage zur Entlassung von 51 Arbeitern. Erstaunlicherweise sind alle Entlassenen Ziel der Operation Drachen. Die Arbeit mit der Bevölkerung Die volle Respektierung der zivilen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, also ein umfassendes Konzept der Verteidigung der Menschenrechte, welches von den Arbeitern von EMCALI vertreten wird, bedeutet für die Regierung ein Delikt. Die Aufdeckung der Korruption war einer der ersten Schritte, um der Bevölkerung die wirklichen Interessen einiger implizierter Politiker aufzuzeigen und die Manipulierung und Untergrabung der historischen Unterstützung der ärmsten Schichten der Stadt gegenüber Sintraemcali zu verhindern. Im Dep. Valle del Cauca gibt es aufgrund des sozialen und wirtschaftlichen Konfliktes, verschärft durch den internen bewaffneten Konflikt, Phänomene wie die gewaltsame Vertreibung von Bauern-, Indigena- und Schwarzengemeinschaften, welche nicht die geringsten Möglichkeiten eines Zugangs zu Bildung und Gesundheit und in vielen Fällen nicht einmal zu Trinkwasser haben. Dies brachte Sintraemcali dazu, mingas comunitarias - Gemeinschaftsarbeiten - durchzuführen, bei denen Schulter an Schulter Anschlüsse an die Grundversorgung erstellt wurden, Rechtshilfe erteilt, Bildungsseminare durchgeführt und Informationen über die Konflikte bei EMCALI weiter gegeben wurden. Auch Spieltage für Kinder und medizinische und zahnärztliche Versorgung wurde durch Beiträge der Arbeiter von Sintraemcali möglich gemacht. Zudem förderte die Bewegung gegen die Privatisierung die Schaffung einer städtischen Bewegung zur Rettung des Öffentlichen, in der die verschiedenen Probleme der Obdachlosen, der Vertriebenen, der Kinderkrippenleiterinnen, der GewerkschaftlerInnen, StudentInnen, KünstlerInnen, fliegenden VerkäuferInnen und Fuhrleute zusammen fliessen. Diese Bewegung ging auch auf die Strasse und in einem Akt zivilen Ungehorsams wurden die Zahlungsanweisungen der öffentlichen Dienstleistungen verbrannt und der Zentralregierung zugeschrien, dass die Diebstähle der Politiqueros gegenüber EMCALI nicht bezahlt würden. Ein sehr hoher Preis Während dieses Prozesses der Verteidigung von EMCALI wurden 16 Arbeiter und aktive Mitglieder von Sintraemcali ermordet, rund Hundert willkürlich verhaftet, fünf ins Exil verbannt, zehn wurden Opfer von Anschlägen, zwei davon erlitten Anschläge mit Sprengkörpern - dies nach der letzten Permanenten Versammlung - wobei sie schwer verletzt wurden, aber trotzdem wegen Terrorismus Anklage erhoben und sie vier Monate inhaftiert wurden. Am 24. September 04 kamen sie wieder frei. Sintraemcali hat sich stets dafür eingesetzt, dass die Grundversorgung - wie schon im Ausdruck selber enthalten -vom Staat gegenüber den ärmsten Schichten subventioniert werden muss und notwendigerweise öffentlich sein muss. Wasser und Licht zu privatisieren, ist mit der Privatisierung der Luft vergleichbar. Die Multis haben diese Grundversorgung zur Ware gemacht, wie auch die Bildung und die Gesundheit. Diese gewerkschaftliche Organisation, welche sich im Blickfeld der Operation Drachen befindet, wird weiterhin mit der Bevölkerung und den demokratischen Männern und Frauen arbeiten, die bereit sind, ihr Leben dafür herzugeben. Sintraemcali führt heute weltweit die Erklärung eines Rechts auf öffentliche Grundversorgung an. Darin wird den Multis verboten, die Grundgüter der Nationen aufzukaufen und den Staaten wird untersagt, für die Grundversorgung Geld zu verlangen, insbesondere von den Armen. Doch die Operation Drachen schwebt heute wie eine der schrecklichsten Drohungen über den 2800 Arbeitenden, welche bei Sintraemcali gewerkschaftlich organisiert sind.