Kolumbien-aktuell No. 398 10. Dezember 2004 1.Politik: Ein antidemokratisches Wiederwahlprojekt 2.Meinung: Alles zählt 3.Frieden und bewaffneter Konflikt: Land und Paramilitarismus im Projekt von Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung Die offenen Fragen in Santa Fe de Ralito Leitungsequipe: Alejandro Angulo S.J., CINEP Gabriel Izquierdo S.J., Instituto PENSAR - Red Colombiana de Universidades por la Paz Rafael Marroquin, CEPECS; Carlos Salgado, PLANETA PAZ Camilo Castellanos, ILSA Redaktion: Reina Lucia Valencia, Leitung Jorge Carvajal, Diana Rodriguez, David Martinez, Clemencia Rueda, Teofilo Vasquez Administration: ILSA, Calle 38 No. 16-45, Bogota, Tel. 288 04 16 / 288 36 78, e-mail: [email protected] Internet: www.actualidadcolombiana.org Übersetzung ins Deutsche und Versand in Europa: Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien, Postfach 7004, CH-6000 Luzern 7 / Schweiz, e-mail: [email protected]; Internet: www.kolumbien-aktuell.ch 1. Politik: Ein antidemokratisches Wiederwahlprojekt Von Ricardo de Lima, Kolumnist und Universitätsprofessor Am Dienstag, den 30. November 04, nahm das Repräsentantenhaus Kolumbiens eine Verfassungsreform an, welche die unmittelbare Wiederwahl des Präsidenten der Republik erlaubt und auch die Wiederwahl des jetzigen Präsidenten Alvaro Uribe Vélez zulässt. Alvaro Uribe Vélez hatte in seiner Wahlkampagne im Jahr 2001 und 2002 stets seine Opposition gegenüber der Möglichkeit einer unmittelbaren Wiederwahl zum Ausdruck gebracht. Doch einmal im Präsidentenamt, hat er alles gemacht, um sich selber zu widerlegen und gegen seine eigenen Slogans gegen die Politiquería und Korruption einen Legislativakt voran zu treiben, wobei er Parlamentarier mit öffentlichen Gelder kaufte, wie es von Mitgliedern der Opposition im Kongress im Verlaufe des letzten Jahres angeklagt worden war. 1 Die ursprünglichen Argumente waren wenig intelligent und reduzierten sich praktisch auf ein einziges: Präsident Uribe macht es gut und er braucht mehr Zeit, um den Krieg gegen die Gewalttätigen zu gewinnen. Darum wäre es sehr gut, wenn er weiter regieren könnte, meinte sein Innenminister Sabas Pretelt de la Vega. 2 Die von der Opposition angestrengte Debatte zwang die Verfechter der Wiederwahl, ihre Argumente zu verfeinern. Diese Argumente könnten wie folgt zusammen gefasst werden: a) um den Krieg zu gewinnen, braucht es eine Weiterführung der Politik der demokratischen Sicherheit, was nur erreicht werden kann, wenn Uribe sein Mandat um vier Jahre ausdehnen kann; b) wir haben in Kolumbien in Bezug auf die politisch1 Die Anklagen gegen die Parlamentarierin Yidis Medina waren bezeichnend. Gegen sie wurde von dem Höchsten Gerichtshof Anklage erhoben und der Staatsrat eröffnete ein Administrativverfahren. Eine Klage verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen suchte die Amtsenthebung als Parlamentarierin zu erreichen, da sie gegen staatliche Investitionen in ihrer Herkunftsregion, dem Magdalena Medio, ihre Stimme verkaufte. Diese Klage wurde jedoch vom Staatsrat abgewiesen, der jedoch gegenüber der Regierung sehr nachsichtig und ein Gegner der Verfassung von 1991 ist. Ebenso bedeutsam war das Fehlen von Teodolindo Avendaño bei der 3. Abstimmung im Repräsentantenhaus. Mit dem Gewinn der Stimme von Yidis Medina und dem Fehlen von Teodolindo Avendaño wurde die Wiederwahl mit einer Stimme Vorsprung in der 1. Kommission des Repräsentantenhauses angenommen. Die Schlussabstimmung in der 3. Debatte des ersten Durchgangs ging mit 18 gegen 16 Stimmen für die Wiederwahl aus. 2 Sabas Pretelt de la Vega in Lecturas Dominicale, El Tiempo, 29. Februar 04 demokratische Kultur Fortschritte gemacht, was dazu führen wird, dass es in der Wahlkampagne ein Gegengewicht geben wird; c) es gibt ein System von Gegengewichten und Garantien für die Opposition; d) die Kontrollorgane werden garantieren, dass es keinen Machtmissbrauch durch die Regierung gibt. Dies sind zusammengefasst die Argumente für eine Wiederwahl. Die Macht des Klientelismus Diese Argumente sind Sophisma der Macht, denn bei der gleichen Abstimmung über den Legislativakt kam es zu Übergriffen gegen die Opposition und das Prinzip der Gleichbehandlung wurde offen verletzt. So wurden die jetzt amtierenden Bürgermeister und Gouverneure nicht ermächtigt, ohne ihr jetziges Amt aufzugeben, ebenfalls für das Präsidentenamt kandidieren zu können. Dieser Vorschlag wurde ausdrücklich in der Plenarversammlung des Senats in der 6. Debatte und in der 8. Debatte des Repräsentantenhauses abgelehnt. Der Machtmissbrauch und der Einsatz von öffentlichen Geldern hinterlässt klare Spuren bei der Behandlung des Legislativprojektes durch den Kauf von Stimmen von Parlamentariern, damit diese dem Wiederwahlprojekt zustimmen. Gegenüber diesen Anklagen gab es keine Argumente der Ideologen der Wiederwahl. Die Justiz hat bis jetzt durch ihre Absenz brilliert (Urteil des Staatsrates, welcher Yidis Medina freisprach) und auch die Aufsichtsbehörde (Procuraduría) hat in keiner Weise einen Handlungsrahmen erstellt, wo doch in der Verfassung von 1991 den öffentlichen Funktionären ausdrücklich die politische Intervention untersagt wird. Die Aufsichtsbehörde wahrt ein sehr eigenartiges Schweigen. Der Schlussstreich, welcher eine schüchterne Reaktion von Seiten der konservativen Parlamentarier auslöste, geschah in der gleichen Woche, als das Projekt des Legislativaktes angenommen wurde. Die Uribisten im Senat und im Repräsentantenhaus weigerten sich, das Statut zu diskutieren und anzunehmen, mit welchem die Opposition zu erreichen versuchte, dass es Garantien für die Opposition bei einer Wiederwahl des Präsidenten-Kandidaten gibt, welcher die Gemeinderäte offen für seine Wahlkampagne benutzt. Senator Antonio Navarro klagte an, dass Präsident Uribe in seiner bisherigen Amtszeit während mehr als 290 Stunden im Fernsehen auftrat. Es gibt kein Gleichgewicht der Information, die öffentlichen Gelder werden offen für die Verteidigung der Wiederwahl eingesetzt und die Aufsichtsbehörden glänzen durch ihre Abwesenheit. Von den vier Argumenten bleibt nur jenes der politischen Reife der öffentlichen Meinung Kolumbiens übrig, gegen welche das Establishment und die Medien, monopolisiert von den wichtigsten Wirtschaftsgruppen (fünf Wirtschaftsgruppen kontrollieren 82% der Massenmedien in Kolumbien), täglich verstossen.3 Wer steckt hinter der unmittelbaren Wiederwahl? Ein tieferer Blick auf die Kräfte, welche sich für die Wiederwahl stark machen, gibt uns Hinweise, um die Zusammensetzung des Uribe-Blockes zu verstehen. Während elf Jahren hatten die Feinde der Verfassung von 1991 nicht wie jetzt einen einheitlichen Befehlsgeber. Der Uribe-Block ist ein eingefleischter Feind der Politischen Verfassung von 1991 und vor allem in Bezug auf drei ihrer Punkte. In erster Linie ist er Feind der Gewaltentrennung, einem zentralen Punkt eines demokratischen Staates. Diese Gewaltentrennung wird in Kolumbien von der Justiz, angeführt durch das Verfassungsgericht, umgesetzt. Uribe fördert den Zerfall der Macht des Verfassungsgerichtes, in dem er dessen Rechtssprechung verkennt und dabei vom Obersten Gerichtshof und dem Staatsrat unterstützt wird. Gleichzeitig hat er eine Verfassungsreform angekündigt, um die verfassungsmässige Kontrolle mittels der Verfassungsbeschwerde und auch die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtes bei der Beurteilung von präsidialen Dekreten, welche unter Ausnahmezustand oder dem Zustand innerer Unruhe erlassen wurden, einzuschränken. Der zweite Punkt: Der politische Block, welcher hinter Uribe steht, will keine starken Parteien und dadurch die Unabhängigkeit des Kongresses und das Funktionieren von Parteifraktionen. In Tat und Wahrheit hat dieser Block selbst die Fragmentierung der eigenen liberalen Partei gefördert. Uribe will eine messianische Politik und nährt selber den antipolitischen Diskurs. Ein dritter Punkt, welcher die Gegner der Verfassung von 1991 einigt, ist die Ablehnung des sozialen Charakters der Verfassung und der in ihr verankerten Garantien. So wurde zum Beispiel, selbst gegen die 3 Dem Wiederwahlprojekt fehlt nur noch die Endbereinigung und die Schlussabstimmung in der Plenarversammlung von Senat und Repräsentantenhaus. Die Endbereinigung wurde bereits gemacht, doch die konservativen Parlamentarier zogen sich am 7. Dezember 04 aus der Plenarversammlung zurück, wo über das Projekt hätte abgestimmt werden sollen. Sie zogen sich mit dem Argument zurück, dass die Uribisten das Abkommen nicht erfüllt hatten, das Oppositionsstatut zu behandeln. internationale Gemeinschaft, ein Legislativakt durchgesetzt, welcher der Armee polizeiliche Gewalten einräumte und ihr erlaubte, ohne richterlichen Befehl Personen bis zu 36 Stunden in Haft zu halten. Das Verfassungsgericht erklärte später diesen Legislativakt wegen Verfahrensmängeln als verfassungswidrig. Ein guter Teil der Reformen, welcher der Kongress vorangetrieben hat, richtet sich gegen diesen GarantieCharakter des Staates. So wurden Reformen durchgesetzt, welche gegen die Rechte der Arbeitenden, der Pensionierten und gegen die Umsetzung von Gerichtsentscheiden gerichtet sind, durch welche die Rechte von Kranken, von Vertriebenen, etc. geschützt wurden. So hat das Projekt der Wiederwahl von Uribe eine festen Block von Feinden der Verfassung von 1991 zu bilden vermocht, welche sich mit den traditionellsten Werten der alten Verfassung von 1886 identifizieren. Sie spiegeln bestens die Interessen des alten Blocks von Grossgrundbesitzern und Industriellen und in geringerer Weise jene der städtischen Mittelschicht. In Zukunft werden wir eine grosse politische Konfrontation mit jenen erleben, welche das Rad der Geschichte und der Moderne zurück drehen möchten, um erneut veraltete Werte der Grossgrundbesitzer und Wahlbarone durchzusetzen. Dies sind die Merkmale des Blocks, welcher die Absicht von Uribe unterstützt, während vier weiteren Jahren im Präsidentenamt zu verbleiben. Bleibt abzuwarten, ob das Verfassungsgericht diese Reform für verfassungsmässig erklärt. 2. Meinung: Alles zählt Von Alejandro Angulo S.J. Generaldirektor des Cinep Das Ende des Jahres 2004, welches mit der Nachricht der Verhandlung mit den Paramilitärs begann, schliesst mit der Ankündigung der Demobilisierung des Grossteils der Paramilitärs. Einige halten dies für eine gute Nachricht: Es wird weniger Krieger haben. Aber es gibt auch solche, die sich fragen, wie lange diese Verminderung der Krieger dauern wird, bis sie sich wieder in eine Zunahme verwandeln wird. In Bezug auf die Demobilisierung wissen wir nicht einmal, wie diese geschehen soll. Die Fragen zur Straflosigkeit sind nicht beantwortet, auch nicht wo die Demobilisierung stattfinden soll, denn die ausgewählten Orte lassen viele Zweifel über die Gangbarkeit offen. Es wird nur darauf beharrt, dass die Demobilisierung jetzt sofort zu geschehen habe, wobei klar ist, dass die Improvisation die Norm ist. Doch wenn dazu noch die Verkennung der Nachbargemeinden zu den Orten, die von dieser gewaltigen Injektion von Arbeitskräften betroffen sind, die nur für den Waffengebrauch qualifiziert sind und dazu noch die wirtschaftliche Unsicherheit der zur Zivilisation Konvertierten hinzu kommt, dann muss man sich fragen, wohin wir gehen. Die Szenarien sind nicht blendend. Der Miteinbezug des Paramilitarismus in die Gesellschaft ist ein Zeichen der Zeit, doch dies bedeutet nicht, dass es die gewünschte Lösung ist. Denn kurz gesagt: Wir gehen in Richtung mehr vom Gleichen. Das heisst mehr Gewalt statt Politik und mehr Ausgrenzung statt Demokratie. Mehr vom Gleichen heisst auch Zunahme der Armut einerseits und die damit einhergehende Reichtumskonzentration andrerseits. Diese Tendenz ist nicht neu, noch originell im Fall Kolumbiens, wo seit langem auf die Ungleichheit in ihrer schlimmsten Form des sozialen bewaffneten Konfliktes hingewiesen wird. Neu und originell ist aber, dass die Werte, welche das Zusammenleben möglich machen und in der Verfassung von 1991 festgeschrieben wurden, durch diese Kriegs- und Ausgrenzungsstrategie verändert werden. Unglücklicherweise untergräbt diese Metamorphose der Werte auch den Widerstand jener, welche die gut verankerten Prinzipien von Justiz, persönlicher Würde und Freiheit verteidigen. Die Angst Die Ersetzung der Werte des Zusammenlebens durch jene der Sicherheit zeigt sich in erster Linie in der vorherrschenden Angst. So wie Uribe Vélez dank seines Versprechens siegte, die Angst zu besiegen, so wurde auch Bush aus dem gleichen Grund wiedergewählt. Und auch Uribe zählt darauf, aus diesem gleichen Grund wieder gewählt zu werden. Das Paradoxe daran ist, dass durch die Wahl der Gewalt als Instrument zur Erreichung von Sicherheit, Uribe wie Bush die Angst mit der Angst bekämpfen. Dadurch sind wir in eine Angstspirale getreten, ohne zu merken, dass dies ein Tunnel ohne Ausgang ist. Der Individualismus Der zweite Beweis dieser Metamorphose ist das Vorherrschen des Rette sich, wer kann. Wie jede terroristische Strategie, fördern auch die Angestellten der beiden erwähnten Präsidenten den momentanen Verlust des gesunden Menschenverstandes, welcher sich in Fällen von Explosionen oder überraschenden Schlägen einstellt. Die instinktive Reaktion darauf ist die Flucht. In diesem Fall die Flucht nach vorne: Meine Enkel sollen all dies bezahlen, wenn nur ich mich rette. In vielen Fällen bedeutet dies die reelle Flucht aus dem Land, doch in vielen anderen Fällen besteht diese Haltung in der Verteidigung des persönlichen Besitzes ohne jeglichen Sinn von Solidarität. Dies zeigen zur Zeit viele Vorgänge in der Legislative und in der Justiz, wenn es um soziale Wohlfahrt geht. Es wird keinerlei Rücksicht auf zukünftige Probleme genommen, welche durch diesen Egoismus geschaffen werden. Diese Probleme sollen jene lösen, die nach uns kommen. Die Menschenrechte Zum x-ten Mal weisen wir darauf hin, dass die Feindseligkeit gegen die MenschenrechtsverteidigerInnen die Marke des Paramilitarismus trägt. Und die neuen Strategien , Morde und Entführungen auf später zu verschieben, werden unterstützt durch eine tröpfchenweise Vertreibung, Wirtschaftsblockaden und psychologischer Druckausübung. Es ist die Vorherrschaft von alles zählt, denn weder das menschliche Leben ist wichtiger als der Privatbesitz, noch ist die menschliche Person wertvoller als die Frucht ihrer Hände. Haben wir diese Referenzpunkte verloren, welche wir Menschenrechte nennen, so haben wir keine andere Alternative als der Kampf der Arten. Dies scheint heute das wahrscheinlichste Szenario für Kolumbien zu sein, wo die Prioritäten immer mehr auf die schnelle Bereicherung und nicht auf eine ganzheitliche und nachhaltige menschliche Entwicklung gelegt werden. 3.Frieden und bewaffneter Konflikt: Land und Paramilitarismus im Projekt von Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung4 Von Dario Fajardo Montaño5 In einer Debatte wie dieser ist es wichtig, einige weiter führende Referenzpunkte zu präsentieren, welche uns erlauben, konsequent mit dem zu sein, was in der Welt geschieht wie auch mit unseren Erfahrungen, welche wir als nützlich erachten, um einen gemeinsamen Nenner zu schaffen: Ein lebbares Land. Die Landfrage und ganz speziell die Konzentration des Landbesitzes ist ein sehr altes Thema. Erinnert sei hier nur an die erste Mission der Weltbank, welche im Jahr 1950 Kolumbien besuchte und welche darauf hinwies, dass die Konzentration des Landbesitzes eines der grössten Hindernisse für die Entwicklung des Landes darstellt. Es brauchte ein Jahrzehnt des Krieges und der Gewalt, wie auch der Präsenz und des Druckes der USA, damit wir zum ersten Gesetz über Landreform kamen, dem Gesetz 135 von 1961. Senator Rafael Pardo schreibt in seinem letzten Buch mit dem Titel Die Geschichte der Kriege, dass die Wirren der Konflikte, welche wir KolumbianerInnen seit den Unabhängigkeitskriegen erlebt haben, immer um politische Abkommen gingen und dass stets ein internationaler Vermittler für die Einigungsprozesse notwendig war. Das Gesetz 135 war das Kind der Allianz für den Fortschritt, obwohl es auch einen immensen Druck der Menschen in Kolumbien gab, der Bauern und auch aufgrund des Krieges. Dieses Gesetz scheiterte. Das Scheitern diente dazu, eine Kampagne der Verunglimpfung gegen die Landreform zu machen. Die Reform wurde kritisiert. Eines der Argumente dieser Kritik war, dass die Landreform Arme mit Land geschaffen habe. Die Geschichte ist lang; ich möchte hier nur darauf hinweisen, dass mit diesem Gesetz versucht wurde, der Gewalt der 50er Jahre ein Ende zu setzen und dass das Gesetz das Kind eines Druckes von aussen und von innen war, dass es jedoch scheiterte. Im Jahr 1994 wurde wiederum ein Agrarreformgesetz verabschiedet, das Gesetz 160. Dieses Gesetz war das Kind der Verfassung von 1991, aber auch eines neuen wirtschaftlichen Kontextes. Ich möchte auf diesen Punkt genauer eingehen. Als wir den Prozess der Umsetzung der Verfassung von 1991 begannen, traten wir gleichzeitig in den Prozess der wirtschaftlichen Öffnung ein. Dieser Prozess der wirtschaftlichen Öffnung begann unter der Regierung von César Gaviria. Diese wirtschaftliche Öffnung, welche schreckliche Kosten mit sich brachte, erwog in ihren strategischen Betrachtungen auch die Vision einer Landreform. Diese war jedoch 4 Dieser Text gibt die Rede von Darío Fajardo bei der öffentlichen Anhörung des Zusammenschlusses für die Demokratie und gegen den Krieg wieder, einem Netzwerk von rund 100 sozialen und politischen Organisationen Kolumbiens. Diese öffentliche Anhörung wurde von der Friedenskommission des Kongresses einberufen und fand am 1. Dezember 04 im Kongress statt. 5 Darío Fajardo ist einer der hervorragendsten Forscher in Bezug auf die Landfrage in Kolumbien. Er ist Universitätsprofessor und zur Zeit auch Konsulent der UNO-Ernährungsorganisation FAO in Kolumbien. anders als das Gesetz 135 von 1961, denn der Kontext hatte sich verändert. Doch war klar, dass ohne Agrarreform die kolumbianische Landwirtschaft nicht mit den internationalen Märkten konkurrenzieren konnte. Die Gesetzgeber waren sich bewusst, dass der Druck der Landkonzentration unsere Produktion exzessiv verteuerte und weder konkurrenzfähig für den internationalen Markt machte, aber auch nicht konkurrenzfähig gegenüber den Produkten, welche aus externen Wirtschaften auf den kolumbianischen Markt kommen würden. Und so war es auch. Wir erlebten während den 90er Jahren eine der bedeutendsten Landwirtschaftskrisen, wie wir sie seit den 20er Jahren nicht mehr erlebt hatten. Diese Agrarkrise führte dazu, dass 800'000 Hektaren des bebauten Landes - von insgesamt 4 - 5 Mio. Hektaren kultivierten Landes - nicht mehr bebaut wurden. Ein Fünftel der landwirtschaftlich genutzten Fläche mit dem höchsten Produktionspotential verschwand aus der Produktion. Dies aufgrund der Folgen der Wirtschaftsreform. Es wurde klar, dass unsere Produktion mit diesen Landkosten und den exzessiven Kreditkosten nicht konkurrenzfähig war. Erneut scheiterte das Gesetz. Im Dezember des Jahres 2003 beendete die Weltbank eine Mission in Kolumbien, welche eine Evaluation über die Agrarpolitik durchgeführt hatte. Der Bericht der Weltbank zeigt, dass der Landbesitz aufgrund der Krise nicht breiter aufgeteilt wurde, sondern sich im Gegenteil noch mehr konzentrierte. Die heute verfügbaren Daten des Geografischen Instituts Agustin Codazzi und von Corpoica in einer Studie über Zonifizierung der Konflikte aufgrund der Nutzung des Landes in Kolumbien zeigen folgendes: 97% der Landbesitzer verfügen über 24% des Landes, während 0,4% der Landbesitzer über 61% des Landes verfügen. Dies führt dazu, dass - wie die Weltbank aufzeigte - Kolumbien einen hohen LandkonzentrationsKoeffizienten von 0,85% hat, im Vergleich zum Beispiel zu Japan mit 0,38% oder Südkorea mit 0,35%. Ich bringe den Vergleich mit diesen beiden Ländern, weil sie in den 50er Jahren mit Kolumbien ein ähnliches politisches Szenario teilten: Beides waren Länder, die wie Kolumbien in tiefen Konflikten steckten oder soeben tiefe Konflikte erlitten hatten. Im Fall von Japan war es der 2. Weltkrieg, im Fall von Südkorea war es zusätzlich noch die Aggression der USA. Im Japan der Nachkriegszeit trieb General Douglas Macarthur, welcher die Pazifikbesatzungsmacht der USA kommandierte, eine Landreform voran. Für General Macarthur bedeutete eine Agrarreform in Japan, die Ursachen des japanischen Militarismus von Grund auf auszurotten und gleichzeitig die Grundlage für eine wirkliche Entwicklung zu schaffen. Wie sehen heute, wo Japan steht. Die Grundlage dafür war eine effiziente und tiefgreifende Landreform, welche den japanischen Bauern Land gab. Gleiches geschah in Südkorea. Uns wird viel von Südkorea erzählt und das Land wird als Beispiel präsentiert. Ich erinnere mich, dass in einer bestimmten Zeit einige Parlamentsfraktionen unaufhörlich Lobgesänge auf Südkorea anstimmten. Sie sagten Kolumbien aber nie, dass die Entwicklung Südkoreas auf der Grundlage einer tiefen Agrarreform zustande kam, welche sowohl den Markt öffnete wie auch die Grundlage für die industrielle Entwicklung schuf. Das letzte Agrarreformgesetz, das aktuell noch in Kraft ist und nach Meinung der Weltbank nichts brachte, wurde im Rahmen der wirtschaftlichen Öffnung der 90er Jahre erlassen. Diese wirtschaftliche Öffnung begann mit einer einschneidenden Senkung der Zölle, d.h. einer Politik der Reduzierung der Instrumente zum Schutz der nationalen Produktion. Auf ausländische landwirtschaftliche Produkte, auf die zwischen 34 - 36% Zoll geschlagen wurde, wurde jetzt nur noch 11% Zoll erhoben. Damit begannen massive Importe nach Kolumbien, 800'000 Hektaren produktives Land und mehr als 300'000 Arbeitsplätze gingen in diesem Jahrzehnt verloren. Nach Meinung der Kontrollbehörde Kolumbiens traten wir in einen Importzyklus ein, in dem das Land die nationale Produktion durch Importe von Nahrungsmitteln und Nahrungsgrundstoffen von durchschnittlich 5 Mio. Tonnen pro Jahr zu ersetzen begann. Kolumbien begann im Bereich seiner Ernährungssouveränität von den Importen abzuhängen. Die Resultate davon kennen wir heute. Ich möchte betonen, dass das Agrarproblem lebendig ist, das Problem der Konzentration des Landbesitzes ist virulent, seine Kosten sind gewalttätig und erlauben uns nicht, konkurrenzfähig zu sein. Noch schlimmer ist jedoch, dass wir uns sagen müssen, dass trotz der Agrarkrise der Landbesitz sich weiter konzentriert. Ich fragte einmal einem Vertreter eines Landbesitzerverbandes auf seine Behauptung hin, das Land habe keinen Wert mehr: Wenn das Land nichts mehr wert ist, warum konzentriert sich der Besitz dann immer mehr, warum wird es nicht freigegeben? Die Erklärung dafür liegt darin, dass das Land nicht konzentriert wird, um darauf zu produzieren - denn wir sehen, dass es nicht für die Produktion eingesetzt wird - sondern in unserem Land wird der Landbesitz konzentriert, um die Leute zu kontrollieren. Der Landbesitz wird konzentriert, um die Leute zu enteignen und wie einige sagen, zu vertreiben. Dank dem Prozess der Konzentration des Landbesitzes leben wir in einem Land, das in einem beängstigenden Prozess der Heranbildung einer Armee von Reservearbeitskräften ist. Es scheint, dass dies als unser Konkurrenzvorteil in den internationalen Märkten präsentiert werden soll. Ich sage dies als Hypothese. Vor einer Woche wurde ich vom Nationalen Planungsinstitut eingeladen, ein Dokument zu diskutieren, den Entwicklungsplan der Gemeinde Miraflores. Worum geht es? Es geht um die Demontage der Gemeinde Miraflores und damit der Hälfte des Departements Guaviare. Warum? In der Weise, wie diese Gemeinden als nicht verwaltbar erklärt werden, werden die Mittel für Investitionen verschwinden. Dazu kommt der Krieg und für den hat es Mittel - d.h. die gewaltsame Vertreibung, wie sie bereits in den Ebenen des Caquetá erfolgt. Damit wird ein immenser Prozess zur Erweiterung des Angebots an Arbeitskräften für diesen unsinnigen Traum geschaffen, den einige für das Departement Vichada haben, wo sie mehr als 300'000 Hektaren Ölpalmen und weitere sogenannte Amazonasprodukte anpflanzen wollen. Dies bedeutet die Wiederholung und die Mumifizierung der Geschichte des Bananenanbaus, des Ölpalmenanbaus im Magdalena Medio und die Verwandlung Kolumbiens in eine riesige Fabrik zur Schaffung billiger Arbeitskräfte dank des Krieges. Die offenen Fragen in Santa Fe de Ralito – ein offener Brief an Mario Calderón6 Von Luis Eduardo Celis Am vergangenen 1. Dezember waren es zwei Jahre her seit dem von den Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens AUC erklärten Waffenstillstandes. Zwei Jahre sind eine wichtige Zeit für einen Verhandlungsprozess und gleichzeitig auch eine Möglichkeit, um einen Blick auf einige Themen zu werfen, die als grundlegend betrachtet werden. Wir können Vorgehensweisen ausmachen. Diese beziehen sich auf die Schaffung von Bedingungen, welche es möglich machen, dass der Prozess legitim, dynamisch und unumkehrbar ist. Dazu gehören der Waffenstillstand und die Einstellung der Feindseligkeiten, der Zusammenzug der Kämpfenden, die internationale Begleitung, die Mitbeteiligung der BürgerInnen und die wahrheitsgetreue, opportune und qualitativ gute Information. Die Vorgehensweise Der Waffenstillstand und die Einstellung der Feindseligkeiten wie auch die Konzentration der Mitglieder der AUC sind total gescheitert. Die Zahlen sprechen für sich: Die Kolumbianische Juristenkommission belegt gegen 2000 Morde durch die AUC seit Dezember 2002. Die Menschenrechtsombudsstelle (Defensoría del Pueblo) bestätigt 350 Morde in einer Studie über 10 Departemente des Landes und auch die Statistiken des Menschenrechtsprogrammes der Vizepräsidentschaft weisen auf Verbrechen der AUC hin. Die internationale Begleitung ist in den Händen einer Unterstützungsmission des Friedensprozesses der OAS, welche mit einem direkten Abkommen zwischen dem damaligen OAS-Generalsekretär César Gaviria und dem Präsidenten Alvaro Uribe begann. Diese Tatsache wurde von Mitgliedstaaten nicht gut aufgenommen und führte zu einigen Anpassungen im Ständigen Rat, wobei nach elf Monaten Arbeit durch die Unterstützungsmission, welche von Sergio Caramagña präsidiert wird, auch die Interamerikanische Menschenrechtskommission mitinvolviert wurde. Doch die Bilanz dieser Mission ist besorgniserregend: Die Mission hat keine Mittel und fällt zudem in die Zeit der grössten Krise der OAS aufgrund der Demission des jüngst zum Generalsekretär ernannten Miguel Angel Florez wegen Korruptionsanschuldigungen. Zudem ist die Mission von der Regierung Uribe abhängig und geht nicht auf die vielen Stimmen ein, welche bekräftigen, dass der Prozess nicht zu Frieden und Versöhnung führen wird, sondern ein neuer Zyklus von Autoritarismus und Zwang ist. Es gibt auch andere Möglichkeiten der Mitbeteiligung der internationalen Gemeinschaft, die jedoch von der 6 Mario Calderón wurde zusammen mit seiner Frau Elsa Alvarado und deren Vater im April 1997 auf Befehl von Carlos Castaño ermordet. Mario war Jesuitenpriester, Mitglied des Cinep, Förderer von verschiedenen Gemeinschaftsorganisationen im ganzen Land, darunter in Tierralta, Epizentrum der Paramilitärs der AUC und wo er die Ermordung seines Jesuitenkollegen P. Sergio Restrepo erlebte. Definition des Vorgehens und von Grundlagen abhängig ist. Die europäischen Regierungen haben ein gewisses Interesse zur Übernahme einer Protagonistenrolle in der Verhandlung gezeigt, doch gleichzeitig gibt es einige Kritiken in Bezug auf die Ziele des Prozesses mit den AUC. Andere Stimmen sind sich einig, dass die staatlichen europäischen Institutionen sich dem Prozess fernhalten und eine Rolle spielen sollen, in den Bereichen, in denen es angebracht ist. In Bezug auf die USA ergibt sich deren Mitbeteiligung durch die Entwicklung der Drogenbekämpfungsagenda und mit dem Druck auf die Auslieferung von mehreren Führungsleuten der AUC, darunter Salvatore Mancuso, einem der wichtigsten internen Führer. Obwohl US-Botschafter William Wood die Mitglieder der AUC als Drogenhändler und Barbaren bezeichnet hat, haben die USA gegenüber der Regierung Uribe ihre Unterstützung der Verhandlungen mit den AUC bekräftigt. Doch die USA verfolgen aufmerksam ihren Drogenbekämpfung und halten das Schwert griffbereit, um damit gegen jene zuzuschlagen, die sie ihrer unendlichen Justiz für würdig erachten. Intern beschränkt sich die Mitbeteiligung der BürgerInnen auf einige wenige Aktionen der Friedens- und Menschenrechtsbewegungen, doch ist die Angst allgegenwärtig. Vielleicht ist die Reaktivierung des Nationalen Friedensrates eine Möglichkeit, um den Prozess zu diskutieren, welcher die Regierung mit den AUC führt, denn der Friedensrat ist Ausdruck der partizipativen Demokratie. In diesem Sinne ist die Berichterstattung der Medien über den Prozess in Santa Fe de Ralito hervor zu heben. Man könnte selbst sagen, dass aufgrund der prekären Präsenz der BürgerInnen und der laschen internationalen Aktion - zugunsten einer Friedens- und Versöhnungsagenda - die Medien zu einem Aufsichtsorgan und bis zu einem gewissen Punkt zu einem Druckfaktor geworden sind. Allerdings fehlt der Miteinbezug einiger Themen in ihre Informationen. Ebenso fehlt eine dauernde Berichterstattung über die komplexen Zusammenspiele in der Entwicklung des Prozesses mit den AUC und auch die Beharrlichkeit auf bestimmten Nachforschungen. Doch die Analyse und Informationsarbeit der Medien insgesamt steht ausser Zweifel. Das Wichtigste In Santa Fe de Ralito geht es um die Gegenwart und die Zukunft Kolumbiens. Es müssen monumentale Fragen geklärt werden und es gilt Herausforderungen grossen Ausmasses anzunehmen, welche den Prozess zu einer Möglichkeit machen könnten, in einem demokratischen Sinne vorwärts zu kommen. Wird es möglich sein, den Griff zur Gewalt sein zu lassen, um gewaltsam die politische Opposition zum Schweigen zu bringen und die sozialen und politischen Agenden gewisser mächtiger Kreise der kolumbianischen Gesellschaft durchzusetzen? Werden wir beim Aufbau eines sozialen Rechtsstaates voran kommen, welcher in ganz Kolumbien respektiert und eingehalten wird? Zu den Grundthemen gehört auch die Landfrage, Motor der Konfrontation. In den letzten 20 Jahren sind 600'000 Familien gewaltsam vertrieben worden und sie mussten 4 Millionen Hektaren Land verlassen. Dies ist eine eigentliche Gegen-Landreform, welche zu einem schönen Teil in die Verantwortlichkeit der Paramilitärs fällt. Doch, was wird mit diesen Besitztümern geschehen? Werden die rechtmässigen Besitzer entschädigt werden und wird man ihnen Garantien für ihre Rückkehr auf ihre Güter gewähren? Die Antwort der Paramilitärs ist, dass sie bereit seien, einige Ländereien zurück zu geben, dass jemand diese aber einfordern müsse. Es ist eine zynische und späte Antwort an die Regierung Uribe, doch die Bauern- und Indigenaorganisationen halten ihre Forderung mit viel Würde aufrecht. Eine weitere wichtige Frage ist jene der Straflosigkeit. Wird es Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung geben oder ist dies ein Prozess der Straflosigkeit? Dabei geht es um die Glaubwürdigkeit und die Ernsthaftigkeit dieses Prozesses. Senator Rafael Pardo, ein Schwergewicht der Uribefraktion, erhob die Fahne eines Gesetzesprojektes der nationalen Einheit und legte es auf den Tisch, um das Gleichgewicht zwischen Gerechtigkeit und Versöhnung herzustellen und die Möglichkeit zu schaffen, dass die Wahrheit bekannt und die Wiedergutmachung tatsächlich durchgeführt werden. Doch dies scheint nicht nach dem Wunsch von Präsident Uribe und seiner Regierungsequipe zu sein. Diese beharren weiterhin auf einem Gesetzesprojekt, welches wegen seiner mangelnden Härte skandalisiert, da es nicht auf den minimalen Standarts der internationalen Menschenrechtsnormen aufbaut, welche geschaffen wurden, um die Rechte der Opfer und der Gesellschaft zu garantieren. Der Ausweg aus diesem internen Krieg darf kein Synonym sein für Willkür und der Verhandlung von Rechten. Es darf nicht weiter die Logik jener aufgezwungen werden, welche die Gesellschaft zum Opfer gemacht haben, gegen sie Übergriffe und Akte der Barbarei und des Horrors an Tausenden von BürgerInnen verübt haben. Die Fragen haben auch mit der Sicherheit in den Territorien und ihrer Bevölkerung zu tun. Wird es eine staatliche Präsenz geben in den Territorien, welche vom Paramilitarismus kontrolliert worden sind? Wird es Garantien für die Ausübung der bürgerlichen Freiheiten geben, ohne Einschüchterungen und Übergriffe? Wird die politische Opposition handeln und versuchen können, die Unterstützung der BürgerInnen zu bekommen, ohne die Gefahr zu laufen, im Grab zu enden, wie es mit der Union Patriotica und einigen kritischen liberalen Kreisen geschehen ist, wenn die paramilitärischen Kräfte legalisiert sind? Kann die pastorale Arbeit verschiedener Kirchen durchgeführt werden, welche ihre Pastoren und Pfarrer haben sterben sehen, weil sie sich von der Kanzel für ein Ende des Horrors eingesetzt haben? Werden die Lehrpersonen wieder die Sozialwissenschaften lehren können, ohne dass sie deswegen als gefährlich betrachtet werden, weil sie von Wandel, von Bewegungen und von einer gerechteren Ordnung sprechen? Werden die Mädchen wieder Miniröcke und die Jungen wieder lange Haare tragen dürfen? Werden die Homosexuellen wieder leben dürfen und die Prostituierten ihrer Arbeit nachgehen können, ohne vertrieben oder in irgendeiner Ecke ermordet aufgefunden zu werden? Können die Wörter Gewerkschaft, Bauernjunta oder Gemeindejunta wieder gebraucht und ihre Autonomie und Kampfkraft eingefordert werden? Dies sind einige Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft, welche in Santa Fe de Ralito geklärt werden müssen. Doch es bestehen viele Zweifel über deren Verwirklichung. Denn in Medellin wird gesagt: Heute bedrohen uns die Mitglieder des Bloque Cacique Nutibara BCN (A.d.Ü. eine Einheit der AUC) nicht mehr mit dem Revolver, es genügt, uns ihren Ausweis als Demobilisierte des BCN zu zeigen, um uns darauf aufmerksam zu machen, dass sie die Herren und Gebieter dieses Territoriums sind. Das Jahr 2004 geht zu Ende und du fehlst uns, Mario Calderón, so wie all die anderen Gesichter, die heute nicht mehr unter uns sind. Das Jahr 2005 wird ein Jahr der Herausforderungen sein. Wir hoffen, dass dein Erbe und dasjenige der anderen uns die Kraft geben, um den Weg des Zusammenlebens und der Demokratie weiter zu gehen, welcher uns erlaubt, ein Gleichgewicht zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft zu finden und die Fähigkeit zu haben, zu verstehen und die Verantwortung anzunehmen und die Gewalt, den Zwang und die Barbarei, welche den kolumbianischen Kontext charakterisieren, hinter uns zu lassen.