Kapitel 7 (Buch)

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KAPITEL 7
WUNDHEILUNG
___________________________________________________________________________
ZUSAMMENFASSUNG
1
DIE HEILUNG EINES GEWEBEDEFEKTES ERFOLGT ÜBER EINE
REPARATION ODER REGENERATION.
2
7.2.
DIE REPARATION LÄUFT IN VERSCHIEDENEN PHASEN AB
5
7.3.
AN DER REORGANISATION DER EXTRAZELLULÄREN MATRIX
ERFORDERT SIND NICHT NUR ZELLEN, SONDERN AUCH MOLEKULARE
MEDIATOREN BETEILIGT.
10
WACHSTUMSFAKTOREN SPIELEN BEI DER WUNDHEILUNG, ABER AUCH
BEI DER ENTSTEHUNG MALIGNER TUMOREN EINE
SCHLÜSSELROLLE.
12
VORAUSSETZUNG FÜR EINE REPARATON ODER REGENERATION IST
EINE INTERAKTION ZWISCHEN DEN BETEILIGTEN ZELLEN UND DER
ECM.
15
EINE REGENERATION VON ZUGRUNDEGEGANGENEM GEWEBE IST DANN
MÖGLICH, WENN IN DER ZONE DES SCHADENS BASALMEMBRANEN
DIE FUNKTION VON «LEITSCHIENEN» ÜBERNEHMEN.
16
OB EINE REGENERATION ODER REPARATION RICHTIG ERFOLGT,
HÄNGT VON VERSCHIEDENEN «UMGEBUNGS-FAKTOREN» AB.
16
DIE FORM DER HEILUNG VON PARENCHYMSCHÄDEN HÄNGT VON DER
REGENERATIONSKAPAZITÄT DER EINZELNEN ORGANE AB.
17
7.1.
7.4.
7.5.
7.6.
7.7.
7.8.
ZUSAMMENFASSUNG
Als Wunde wird ein Substanzverlust eines Gewebes bezeichnet. Wunden heilen. Eine
Heilung kann auf zwei Arten erfolgen: Das schadhaft gewordene Gewebe eines Organes wird (1)
durch organeigenes, normales Gewebe ersetzt (Regeneration) oder (2) durch organfremdes
Binde- oder Narbengewebe (Reparation). Die Regeneration entspricht meistens einer Heilung
ohne übrig bleibende Defekte; die Reparation hinterlässt einen permanenten, mindestens
morphologischen Defekt in Form von Narbengewebe.
Besondere Wunden sind Erosionen und Ulcera. Erosionen sind Defekte von Epithelien
oder Urothelien, welche die Basalmembran nicht durchbrechen, oder Defekte von
Schleimhäuten, welche auf die Tunica mucosa beschränkt sind. Ulcera sind Epithel-, Urotheloder Schleimhautdefekte, welche die Basalmembran respektive die Tunica mucosa
überschreiten.
Bei der Regeneration geht es darum, (1) die mit der Gewebeschädigung einhergehende
Blutung sofort zu stoppen, (2) die geschädigte Gewebezone über den Aufbau einer neuen
provisorischen Matrix zu stabilisieren, (3) zelluläre Entzündungsmediatoren zu mobilisieren, (4)
Granulationsgewebe zu bilden und (5) den Defekt durch eine Narbe definitiv aufzufüllen. Die
Regeneration beginnt mit einer lokalen Blutgerinnung und Thrombusbildung. Die von den
Thrombozyten freigesetzten Moleküle steuern Rekrutierung, Bewegung und Proliferation all der
Zellen, die zur Beseitigung des Gewebeschadens benötigt werden. Die neue provisorische Matrix
besteht zu einem grossen Teil aus dimeren Fibronektin-Molekülen. Sie dient als Terrain für die
zur Reparation benötigten Zellen. Die dritte Phase, jene der Entzündung, wird automatisch
eingeleitet, ohne dass ein bakterieller Infekt vorliegt. Die Neoangiogenese sowie die
Einwanderung und Aktivierung von Fibroblasten und Myofibroblasten stehen am Anfang der
Bildung des Granulationsgewebes (ein «temporäres kontraktiles Organ»). Die Synthese des
Granulationsgewebes beginnt am dritten Tag nach der Gewebeschädigung und erreicht ihren
Höhepunkt 4-10 Tage später. Aus dem Granulationsgewebe beginnt sich zirka drei Wochen nach
der Gewebeschädigung die «junge Narbe» zu entwickeln. Das Ausmass der Narbenbildung ist
von Organ zu Organ verschieden.
Ein Wachstumsfaktor, der bei der Wundheilung eine Schlüsselrolle spielt, ist der
transformierende Wachstumsfaktor  (TGF-). Er wird hauptsächlich in den Blutplättchen, in
den Monozyten/Makrophagen und in den Endothelzellen gebildet.
Wird während einer Reparation Bindegewebe in einem Ausmass gebildet, welches den
physiologischen Rahmen der Reparation übersteigt, spricht man von einer Fibrose. Die
Mitwirkung von TGF- bei der Entstehung von Fibrosen konnte für verschiedene Organe (z.B.
Leber und Lungen) nachgewiesen werden.
Die beiden wichtigsten lokalen Umgebungsfaktoren mit Einfluss auf die Wundheilung
sind: die Grösse, die Lokalisation und Blutversorgung der Wunde. Systemische Faktoren, welche
die Wundheilung verzögern, sind: eine Mangelernährung (vor allem Protein- und Vitamin CMangel), Medikamente mit einer Hemmung der Proteinsynthese (z.B. Zytostatika),
Glukokortikoide, generalisierte Infektionskrankheiten, eine kongestive Herzkrankheit
(systemische Hypoxie) und allgemeine metabolische Störungen. Eine verzögerte Wundheilung
beim Diabetes mellitus ist durch eine verstärkte Glykosylierung der Kollagenmoleküle, des
Zytoskeletts der neutrophilen Granulozyten und des Hämoglobins verursacht.
Durch eine irreversible Schädigung von Zellen aufgetretene Gewebedefekte können
repariert oder durch eine Regeneration des ursprünglichen Gewebes ersetzt werden. Beide
Prozesse, die Reparation und die Regeneration, setzen eine geordnete Proliferation und
Differenzierung der beteiligten Zellen voraus.
7.1.
DIE HEILUNG EINES GEWEBEDEFEKTES ERFOLGT ÜBER
EINE REPARATION ODER REGENERATION.
Bei der Reparation wird zugrundegegangenes Gewebe durch organfremdes Binde- oder
Narbengewebe ersetzt, bei der Regeneration durch organeigenes Gewebe. Die Regeneration
entspricht einer Heilung ohne bleibende Defekte; die Reparation hinterlässt einen permanenten,
mindestens morphologischen Defekt in Form von Narbengewebe. Parenchymatöse Regeneration
und narbige Reparation sind oft miteinander kombiniert.
Haut- oder Schleimhautwunden werden als Erosionen und Ulcera bezeichnet. Erosionen
sind (1) Defekte von Epithelien oder Urothelien, welche die Basalmembran nicht durchbrechen,
oder (2) Defekte von Schleimhäuten, welche auf die Tunica mucosa begrenzt bleiben (Abb.71a). Erosionen heilen durch eine Regeneration, indem die an den Defekt angrenzenden
epithelialen Zellen proliferieren, in den Defekt einwandern und ihn schlussendlich vollständig
beheben.
Ulcera sind Epithel-, Urothel- oder Schleimhautdefekte, welche die Basalmembran
respektive die Tunica mucosa überschreiten (Abb.7-2b). Man unterscheidet zwischen akuten und
chronischen Ulcera. Bei den akuten Ulcera steht die exsudative Entzündungsreaktion im
Vordergrund, bei den chronischen die operative Phase des Reparationsprozesses (siehe Tab.7-2).
Als mögliche Ursachen von Ulcera werden diskutiert: (1) eine chronische Hypoxie
infolge Mangeldurchblutung, (2) eine chronische lokale Gewebeirritation durch Infekte, (3) eine
Degradierung von Wachstumsfaktoren durch toxische Stoffe oder (4) eine gestörte Sensibilität
des Gewebes für neurogene Impulse. Ulcera, die infolge von Minderdurchblutungen entstanden
sind, werden als trophische Ulcera, jene infolge einer verminderten Sensibilität als
neuropathische Ulcera bezeichnet. Die verschiedenen Ulcera der Mundhöhle und ihre Ätiologie
sind in Tab.7-1 zusammengestellt.
Abb.7-1
(a) Erosionen sind Defekte von Epithelien oder Urothelien, welche die Basalmembran nicht durchbrechen,
oder Defekte von Schleimhäuten, welche auf die Tunica mucosa beschränkt bleiben. (b) Ulcera sind Epithel-,
Urothel- oder Schleimhautdefekte, welche die Basalmembran respektive die Tunica mucosa überschreiten.
Tab.7-1
Aetiologie der häufigsten Ulcera der Mundschleimhaut.
___________________________________________________________________________
Typ des Ulcus
Ursachen
_________________________________________________________
Entzündlich
Immunologisch
Andere
___________________________________________________________________________
Akut, einzeln
Trauma
Aphthen
Cheilitis 1
Akut, multipel
Herpes simplex (primär)
Erythema multiforme
Trauma
Herpes zoster
Allergische Stomatitis
Chemotherapie
Coxsackie-Virus
Radiotherapie
Akute, nekrotisierende ulzerative
Cheilitis
HIV-Infekt (periodontal)
Akut, multipel,
rezidivierend
Herpes simplex (sekundär)
Herpes simplex
Herpes zoster
Rezidivierende aphthöse
Stomatitis
Morbus Behçet
Erythema multiforme
___________________________________________________________________________
Tab.7-1 (Fortsetzung).
___________________________________________________________________________
Typ des Ulcus
Ursachen
_________________________________________________________
Entzündlich
Immunologisch
Andere
___________________________________________________________________________
Chronisch, einzeln
Pilzinfekte (Aspergillus,
Cryptococcus)
Virusinfekte (Herpes simplex,
Zytomegalie)
Bakterielle Infekte (Tuberkulose)
Trauma
Chronisch, multipel
Pemphigus
Bullöses Pemphigoid
Erosiver Lichen planus
Lupus erythematosuss
___________________________________________________________________________
1
HIV
Cheilitis: Lippenentzündung [ (griechisch) = Lippe]
Human Immunodeficiency Virus.
Neben Minderdurchblutungen oder neuralen Dysfunktionen können auch Bakterien
Ursache von Ulcera sein (Abb.7-2). Ein Beispiel dafür ist das Bakterium Helicobacter pylori
(HP). Der HP ist ein spiralförmiges Bakterium, welches als Dauergast in der Schleimhaut des
Magens nistet und über eine chronische Entzündung den Boden für Magenulcera bereitet. Es
kann aber auch maligne Lymphome des Mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebes (MALT)
der Magenschleimhaut induzieren. Schätzungsweise ist zirka die Hälfte der Weltbevölkerung mit
dem HP infiziert.
Der HP lebt bevorzugt im präpylorischen Abschnitt des Magens. Das Bakterium
schwimmt im Schleim, welcher die Oberfläche der Schleimhaut vor einer Verletzung durch die
Magensäure schützt. Es wird oral aufgenommen. Auf dem Weg in sein Siedlungsgebiet ist es
hohen Säurekonzentrationen ausgesetzt, welche für andere Bakterien tödlich wären. In dieser
unwirtlichen Umgebung schützt es sich mit Hilfe des Enzyms Urease, welche es selber herstellt.
Dieses Enzym spaltet den reichlich im Magensaft vorhandenen Harnstoff in Ammoniak und
Wasserstoff-Karbonat. Dadurch wird die in der unmittelbaren Umgebung des Bakteriums
vorhandene Magensäure neutralisiert. Gegenwärtig wird versucht, einen Impfstoff gegen HP zu
entwickeln, welcher gegen die Urease B gerichtet ist.
Abb.7-2
Das Bakterium Helicobacter pylori ist ein spiralförmiges Bakterium, welches dem Epithel der Schleimhaut
(z.B. der Magenschleimhaut) aufliegt. Wenn es quer getroffen ist, kann es auch «kokkenförmig» erscheinen.
Es kann in Spezialfärbungen sehr gut sichtbar gemacht werden. Schätzungsweise ist zirka die Hälfte der
Weltbevölkerung mit dem HP infiziert.
7.2.
DIE REPARATION LÄUFT IN VERSCHIEDENEN PHASEN AB.
Bei der Regeneration geht es darum, (1) die mit der Gewebeschädigung einhergehende
Blutung sofort zu stoppen, (2) die geschädigte Gewebezone über den Aufbau einer neuen
provisorischen bindegewebigen Matrix zu stabilisieren, (3) zelluläre Entzündungsmediatoren zu
mobilisieren, (4) Granulationsgewebe zu bilden und (5) einen definitiven Gewebeersatz in Form
einer Narbe bereitzustellen (Tab.7-2).
Tab.7-2
Die Reparatur von zugrundegegangenem Gewebe läuft in mehreren Phasen und Schritten ab.
___________________________________________________________________________
Phase Schritt
Intervall Hauptakteure (zelluläre oder humorale Mediatoren)
___________________________________________________________________________
1.
Hämostase
Minuten Fibrin, Thrombozyten
2.
Aufbau einer provisorischen
ECM 1durch Vernetzungen
Stunden Fibronektin, Fibrin, Kollagen, Moleküle, die von
Thrombozyten und neutrophilen Granulozyten
synthetisiert werden
3.
Entzündungsreaktion
Stunden
3.1.
Auftreten von Chemotaxinen
für neutrophile Granulozyten
Exsudation
3.2.
Migration ortsständiger Zellen
in den Defekt
Fibrinolyse und Proteolyse
3.3.
3.4.
Resorption von Fibrinabbauprodukten, Zelltrümmern und
Bestandteilen der ECM durch
Phagozytose 3
Komponenten des Komplementsystems und
Gewebefibronektin
Plasmafibronektin, neutrophile Granulozyten
und Makrophagen 2
Fibroblasten und Endothelzellen
Makrophagen und neutrophile Granulozyten
(proteolytische Enzyme)
Makrophagen und neutrophile Granulozyten
4
4.1.
Operative Phase
Tage
Aufbau einer temporären ECM
Fibroblasten, Myofibroblasten, Endothelzellen,
in Form von Granulationsgewebe
Makrophagen
4.2.
Bildung der jungen Narbe (vor
Wochen Fibroblasten
allem Kollagen Typ III)
4.3.
Bildung der reifen Narbe (vor
Monaten
Fibroblasten
allem Kollagen Typ I)
___________________________________________________________________________
1
2
ECM: Extrazelluläre Matrix
Die Makrophagen können bereits ortsständig sein oder aich aus Monozyten bilden.
3
Die Objekte, die phagozytiert werden (auch Fibrin-Abbauprodukte), können durch Fibronektin
opsoniert werden.
Die Gerinnung in der ersten Phase der Reparation wird durch den Kontakt von
intravasalen Gerinnungsfaktoren mit freigelegten Kollagenmolekülen und mit dem aus den
geschädigten Zellen freigesetzten «Gewebefaktor» induziert. Die sich im Thrombus
aggregierenden Blutplättchen entleeren ihre -Granula und setzen so Thrombospondin,
Serotonin und Wachstumsfaktoren [Plättchen-Wachstumsfaktor, (PDGF), transformierender
Wachstumsfaktor  und  (TGF-, TGF-)] frei. Thrombospondin ist chemotaktisch für
Makrophagen, erleichtert die «Entsorgung» alternder neutrophiler Granulozyten durch die
Makrophagen, aktiviert den TGF-; und hemmt Proteasen der neutrophilen Granulozyten, die
Fibrinolyse und die Neo-Angiogenese. Das Molekül wird in Blutplättchen, Endothelzellen,
Makrophagen, Fibroblasten, Keratinozyten (Basalzellen der Epidermis) und in Tumorzellen
gebildet. Das geronnene Blut stellt ein ausgezeichnetes Medium für die nachfolgende Invasion
der reparierenden Zellen in die Schadenszone dar.
Die in der zweiten Phase aufgebaute neue provisorische Matrix (provisorische ECM)
besteht zu einem grossen Teil aus dimeren Fibronektin-Molekülen, welche sich mit sich selber
sowie mit Fibrin und Kollagen vernetzen. An zellulären Bestandteilen enthält sie Blutplättchen,
neutrophile Granulozyten und Makrophagen.
Die Phase der Entzündung (siehe Kapitel 23: Entzündungsreaktionen) beginnt mit einer
Exsudation von neutrophilen Granulozyten, Monozyten und Blutserum aus dilatierten Arteriolen
im Randbereich der Schadenszone. An der Exsudation sind Endothelzellen und Chemotaxine
beteiligt. Moleküle im geschädigten Gewebe induzieren in den Endothelzellen die Synthese von
Adhäsionsmolekülen für neutrophile Granulozyten und Monozyten. Als Chemotaxine für die
beiden Zelltypen wirken Fibrinopeptide, die bei der Transformation von Fibrinogen zu Fibrin
entstanden sind, der Tumornekrosefaktor  (TNF-) und Komponenten der ECM, darunter vor
allem Fibronektin. Aufgabe der neutrophilen Granulozyten und Makrophagen ist die
Phagozytose von Zell- und Gewebetrümmern sowie die Synthese molekularer Mediatoren
(Tab.7-3).
Zirka 24 Stunden nach dem Untergang des Gewebes beginnt die Einwanderung
stationärer Zellen (Fibroblasten und Endothelzellen) aus der vitalen Umgebung in die Wunde.
Wichtige Voraussetzung dafür ist das Vorhandensein der provisorischen ECM. Hauptstimulans
für die Migration der Endothelzellen in die Wunde ist die lokal vorhandene Hypoxie und der von
den Makrophagen abgegebene TNF-.
Tab.7-3
Die Makrophagen synthetisieren verschiedene Moleküle, welche für die Reparation von Geweben sehr
wichtig sind.
___________________________________________________________________________
Funktion/Aufgabe
Molekülgruppe
Vertreter
___________________________________________________________________________
Degradierung von
Molekülen der ECM 1
Proteasen
Stromelysin (Metalloproteinase)
Metalloelastasen (Gelatinase B)
Kollagenasen
Zellbewegung
Gewebefibronektin
Glykoproteine der ECM Tenascin
Osteopontin
Osteonektin
Glykosaminoglykane
Hyaluronsäure
Zellproliferation
Wachstumsfaktoren
Basischer Fibroblasten-Wachstumsfaktor b (bFGF) 2
Vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor (VEGF)
Tumornekrosefaktor  (TNF-) 3
Interleukin-1 (IL-1)
Interferon  (INF-)
Interleukin-6 (IL-6)
Chemokine
Interleukin-8 (IL-8) 4
___________________________________________________________________________
Inflammatorische Zytokine
Begleitreaktion
1
Extrazelluläre Matrix
2
Der bFGF bindet über Heparin an spezifische zelluläre Rezeptoren.
3
Der TNF- hat besitzt auch die Eigenschaft eines Wachstumsfaktors.
4
IL-8 ist ein eines der wichtigen Chemotaxine für neutrophile Granulozyten.
Die Synthese des Granulationsgewebes beginnt ungefähr am dritten Tag nach der
Gewebeschädigung und erreicht ihren Höhepunkt 4-10 Tage später. Das Granulationsgewebe
stellt die erste echte neue ECM im Wundgebiet dar. Bei der Entstehung des
Granulationsgewebes arbeiten Fibroblasten, Myofibroblasten und Endothelzellen eng
miteinander zusammen: Die Fibroblasten bilden Proteine der ECM, die Endothelzellen
synthetisieren Bestandteile der Basalmembranen und sind namhaft an der Neo-Angiogenese
beteiligt.
Die Neoangiogenese geht von Kapillaren oder postkapillären Venulen aus und beginnt
unter dem parakrinen Einfluss des Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF). Der VEGF
wird hauptsächlich von den glatten Muskelzellen der Gefässwände sezerniert, kann jedoch auch
in anderen normalen oder tumorösen Zellen gebildet werden. Die Sekretion des VEGF ist
vorwiegend hypoxiegesteuert, kann aber auch vom transformierenden Wachstumsfaktor- (TGF), dem basischen Fibroblasten-Wachstumfaktor (bFGF) und dem Plättchen-abhängigen
Wachstumsfaktor (PDGF) induziert werden. Der VEGF (1) moduliert die Regeneration des
Endothels; (2) hemmt die Proliferation der glatten Muskelzellen durch eine Stimulation der
Endothelzellen zur Sekretion von NO; (3) induziert die Expression von Adhäsionsmolekülen
(Integrine) auf der Oberfläche der Endothelzellen; (4) unterdrückt die Apoptose der
Endothelzellen und (5) steigert die Durchlässigkeit der Kapillaren und Venulen für
Plasmaproteine. Diese Plasmaproteine lockern die ECM auf und induzieren eine proteolytische
Auflösung der kapillären Basalmembranen, sodass die Endothelzellen in die Umgebung
auswachsen können. Beim direkten Kontakt mit der ECM rollen sich die auswachsenden
Endothelzellen ein, bilden so kleine Kapillaren und synthetisieren neue Basalmembranen.
Entscheidend für den Erfolg der Angiogenese ist die Interaktion der Endothelzellen mit
der ECM. Dabei sind Adhäsionsmoleküle, vor allem der Familie der Integrine, und Proteasen
der Endothelzellen (Plasminogen-Aktivatoren und Metalloproteasen) mit im Spiel. Dafür, dass
die Endothelzellen auf die verschiedenen Signale aus der Umgebung eine effiziente Antwort
geben, sorgen die auf der Oberfläche der Endothelzellen exprimierten Integrine. Das Integrin
V3, welches relativ spät in den Prozess der Neo-Angiogenese eingreift, vermittelt den
aktivierten Endothelzellen auch ein wichtiges Überlebenssignal. Denn Antikörper, welche gegen
dieses Integrin gerichtet sind, zerstören neugebildete Kapillaren durch eine Induktion einer
Apoptose der Endothelzellen. Das V3-Integrin gilt als wichtiges Markermolekül der
Neoangiogenese. Die glatten Muskelzellen und Perizyten der neugebildeten Gefässe entwickeln
sich aus den Mesenchymzellen in der Umgebung der in die ECM eingewanderten
Endothelzellen.
Die Myofibroblasten («Fibroblasten mit kontraktilen Eigenschaften») sorgen dafür, dass
sich das Granulationsgewebe kontrahiert und dadurch das Wundgebiet verkleinert wird. Sie
exprimieren vorübergehend -Smooth Muscle Antigen (-SMA) und sezernieren Kollagen
Typ III. Es wird angenommen, dass chemische und physikalische Faktoren die Umwandlung von
Fibroblasten in Myofibroblasten induzieren.
Aus dem Granulationsgewebe beginnt sich ungefähr drei Wochen nach der
Gewebeschädigung die «junge Narbe» zu entwickeln. Dabei gehen die Endothelzellen und
Fibroblasten des Granulationsgewebes durch Apoptose zugrunde und werden durch
Kollagenfasern Typ III ersetzt. Das Ausmass der Narbenbildung ist von Organ zu Organ
verschieden. Da die Kapillaren mit dem Granulationsgewebe verschwinden, wird das
Narbengewebe weiss. Der Prozess der Vernarbung kann bis zu 1-2 Jahren dauern. Da
Narbengewebe die Tendenz hat, zu schrumpfen, können Stenosen oder andersartige
Einschränkungen der Organfunktion als Spätkomplikationen von Gewebeschäden auftreten.
7.3.
AN DER REORGANISATION DER EXTRAZELLULÄREN
MATRIX SIND NICHT NUR ZELLEN, SONDERN AUCH
MOLEKULARE MEDIATOREN BETEILIGT.
Reparation und Regeneration erfordern (1) die Rekrutierung kompetenter Zellen
(neutrophile Granulozyten, Monozyten, Makrophagen, Endothelzellen, Fibroblasten,
ortsständige Epithelzellen), (2) die Reorganisation der ECM durch Degradation und Neusynthese
ihrer Komponenten und (3) eine Neoangiogenese.
An der Steuerung der beiden ersten Prozesse sind hauptsächlich Metaboliten des
Arachidonsäure-Stoffwechsels (Tab.7-4), aber auch Produkte der Endothelzellen, Chemotaxine
und Sauerstoffradikale beteiligt. Die Arachidonsäure wird über die Einwirkung der
Phospholipase A2 aus Phospholipiden der Zellmembranen vitaler oder zugrundegegangener
Zellen gebildet. Phospholipasen sind hauptsächlich an drei Prozessen beteiligt: (1) an der
Zellschädigung durch eine chemotaktische Wirkung auf neutrophile Granulozyten oder durch die
Bildung von Lysolezithin (via die Phospholipase C), (2) an der Signaltransduktion (via die
Phospholipase C) und (3) an der Entzündungsreaktion (via die Phospholipase A2) (Abb.7-3). Die
Arachidonsäure wird über zwei Wege metabolisiert: über den Lipoxygenase-Weg und den
Cyclooxygenase-Weg. Der Cyclooxygenase-Weg kann durch Azetylsalizylsäure oder
Indomethacin blockiert werden.
Das Zusammenspiel der zellulären Mediatoren der Wundheilung wird durch
Chemotaxine moderiert. Die wichtigsten Moleküle unter ihnen sind: das Gewebefibronektin,
Peptide aus dem Fibrinogen-Metabolismus, die beiden Wachstumsfaktoren PDGF und TGF-
sowie die Leukotriene aus dem Arachidonsäure-Stoffwechsel. PDGF und TGF- sind vor allem
für Fibroblasten und Makrophagen chemotaktisch.
Abb.7-3
Bei der akuten Entzündungsreaktion spielen Metaboliten des Arachidonsäurestoffwechsels eine sehr wichtige
Rolle (siehe Text). a: Lipocortin, ein Metabolit der Glukokortikoide, welcher die Bildung der Phospholipase
A2 hemmt; b: Acetylsalicylsäure und Indomethacin blockieren den Cyclooxygenaseweg des
Arachidonsäuremetabolismus; PAF: Plättchenaktivierender Faktor. Die verschiedenen Funktionen der
Endothelzellen und deren Sekretionsprodukte werden generell im Kapitel 16.1.1. aufgezeigt.
Die Sauerstoffradikale, welche ebenfalls an der Reorganisation der ECM beteiligt sind,
können aus zwei Quellen stammen: (1) aus geschädigten oder zugrundegegangenen Zellen oder
(2) aus aktivierten Makrophagen und neutrophilen Granulozyten. Sie induzieren im Wundgebiet
eine Vasodilatation, indem sie die Freisetzung des Prostacyclins PGI2 aus den Endothelzellen
induzieren.
Tab.7-4
Die Arachidonsäure wird über zwei Wege aus Membranphospholipiden metabolisiert: (1) über den
Cyclooxygenaseweg, auch «Prostaglandin- und Thromboxan-Weg» genannt, und (2) über den
Lipoxygenaseweg, auch als «Leukotrien-Weg» bezeichnet. Die Hauptmetaboliten des ArachidonsäureStoffwechsels sind: die Eikosanoide, Hydroperoxy-Eikosatetraensäure-Derivate (HPETE) und HydroxyEikosatetraensäure-Derivate (HETE).
___________________________________________________________________________
Metaboliten
Funkton
Metabolisierungsweg
___________________________________________________________________________
Eikosanoide
Leukotriene
LTB4 1
LTC4 1
LTD4 3
LTE4
Prostacyclin
PGI2
Prostaglandine
PGE2
PGD2
PGF2
Thromboxane
TA2
Chemotaxin
Lipoxygenase 2
Induktion des IFN-
Chemotaxin
Lipoxygenase
Induktion des IFN-
Vasokonstriktion
Hemmung der T-Zellfunktion
Lipoxygenase
Bronchokonstruktion
Hemmung der T-Zellfunktion
Lipoxygenase
Erhöhung der Gefässpermeabilität
Vasokonstriktion
Cycloxygenase
Vasodilatation
Hemmung der Plättchen-Aggregation
Cycloxygenase
Vasodilatation, Hyperalgesie
Vasodilatation
Cycloxygenase
Vasokonstriktion
Plättchenadhäsion
HPETE
Chemotaxine
Lipoxygenase
HETE
Chemotaxine
Lipoxygenase
___________________________________________________________________________
1
7.4.
LTB4 und LTC4 sind besonders für neutrophile Granulozyten chemotaktisch.
2
Der Lipoxygenaseweg läuft vor allem in den Blutplättchen, neutrophilen Granulozyten und
Mastzellen ab.
3
Die Leukotriene C4, D4 und E4 wurden früher als «langsam reagierende Substanz A» bezeichnet,
um ihre konstringierende Wirkung auf die glatten Muskelzellen von jender des schnell und kurz
reagierenden Histamin zu unterscheiden.
WACHSTUMSFAKTOREN SPIELEN BEI DER WUNDHEILUNG,
ABER AUCH BEI DER ENTSTEHUNG MALIGNER TUMOREN
EINE SCHLÜSSELROLLE.
Der Prozess der Regeneration erfordert von den zellulären Mediatoren eine Replikation
ihrer Desoxyribonukleinsäure (DNA). Die Information darüber erhalten die Zellen über vier
«Kanäle»: (1) hauptsächlich über Wachstumsfaktoren aus der Mikroumgebung, (2) über Zell-zuZell-Kontakte, (3) Nervenstimuli und (4) elektrische Impulse.
Wachstumsfaktoren sind Polypeptide (Tab.7-5). Sie wirken lokal als Hormone
(«Botenstoffe») über eine Bindung an spezifische Rezeptoren (1) auf andere Zellen (parakrine
Wirkung), (2) auf die sie synthetisierenden Zellen selber (autokrine Wirkung) oder (3) innerhalb
der sie synthetisierenden Zellen (intrakrine Wirkung). Die transmembranösen Rezeptoren für
Wachstumsfaktoren besitzen auf ihrer zytoplasmatischen Seite eine Domäne, welche entweder
selber als Kinase funktioniert, oder aber an welche eine Kinase zur Transduktion des Signals
bindet. Eine verstärkte, nicht mehr richtig kontrollierte Synthese von Wachstumsfaktoren oder
deren Rezeptoren kann zu einem malignen Tumor führen.
Bei der Wundheilung spielt der transformierende Wachstumsfaktor  (TGF-) eine
Schlüsselrolle. Der TGF- wird hauptsächlich in den Blutplättchen, aber auch in
Monozyten/Makrophagen und Endothelzellen gebildet. Das Protein ist primär in der Form eines
Komplexes an ein anderes Protein gebunden und in dieser Konformation inaktiv. Der Komplex
kann sowohl auf der Oberfläche der durch den TGF- beeinflussten Zellen als auch in der ECM
angetroffen werden. Er wird vor allem in Gewebezonen mit gesteigerter Proteolyse durch
Plasmin, Cathepsin D, Glykosidasen und einen niedrigen pH-Wert aktiviert.
Der TGF- ist beteiligt an: (1) der Neubildung der ECM durch eine Induktion der
Synthese der meisten Matrix-Proteine und Antiproteasen, (2) einer Hemmung der Synthese von
Proteasen, (3) einer vermehrten Induktion von Adhäsionsmolekülen und (4) einer Suppression
der Immunabwehr und der Entzündungsreaktion. Daneben wirkt er als Chemotaxin. Nach
Abschluss der Wundheilung wird die Aktivität von TGF- möglicherweise durch eine Bindung
von TGF- an Proteoglykane abgeschaltet.
Tab.7-5
Die Hauptwirkungen der Wachstumsfaktoren sind: (1) Stimulation oder Hemmung der Zellproliferation, (2)
Stimulation des Zellwachstums, (3) Induktion der Zelldifferenzierung, (4) Zellaktivierung, (5) Wirkung als
Chemotaxine und (5) Vasokonstriktion (z.B. der PDGF).
Tab.7-5 (Fortsetzung).
Wenn während einer Reparation Bindegewebe in einem Ausmass gebildet wird, welches
den physiologischen Rahmen der Reparation übersteigt, spricht man von einer Fibrose. Die
Mitwirkung von TGF- bei der Entstehung von Fibrosen konnte für verschiedene Organe (z.B.
Leber und Lungen) nachgewiesen werden. Bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen
wird eine enge Korrelation zwischen der Bildung von mRNA für TGF-1, einer Isoform des
TGF-, und der Synthese des Kollagens Typ I im Lebergewebe beobachtet: Erhöhte
Plasmakonzentrationen von TGF- sind stark prädiktiv für eine Leberfibrose und allenfalls eine
Leberzirrhose.
7.5.
VORAUSSETZUNG
FÜR
EINE
REPARATON
ODER
REGENERATION IST EINE INTERAKTION ZWISCHEN DEN
BETEILIGTEN ZELLEN UND DER ECM.
Die für die Wundheilung bedeutendsten Moleküle sind die heterodimeren Integrine, das
Proteoglykan Syndecan, welches an Kollagen bindet, und das CD44-Molekül, welches mit der
Hyaluronsäure in Kontakt treten kann.
Unter physiologischen Bedingungen befinden sich die stromalen und epithelialen
Komponenten eines Gewebes in einem ausgewogenen Gleichgewicht («Balance point»). Daran
und an der Differenzierung der Epithelzellen ist vor allem das Stroma beteiligt. Wenn zum
Beispiel fetale Stromazellen aus der Portio uteri in die Nachbarschaft von Drüsenepithelzellen
des Endometriums gebracht werden, wandeln sich die Drüsenepithelzellen in nicht verhornende
Plattenepithelzellen, wie sie für die Portio uteri typisch sind.
Es können drei Arten von Beziehungen zwischen Epithel- und Stromazellen eines
Organs unterschieden werden: (1) Parakrine Interaktionen via Wachstumsfaktoren oder
Zytokinen, (2) Interaktionen über Kontakte mit der ECM. Die ECM wirkt dabei als Interface
zwischen den Epithel- und Stromazellen und als molekulares Sieb für Ionen und
Wachstumsfaktoren; und (3) direkte Kontakte via fokale Adhäsionen.
7.6.
EINE REGENERATION VON ZUGRUNDEGEGANGENEM
GEWEBE IST DANN MÖGLICH, WENN IN DER ZONE DES
SCHADENS BASALMEMBRANEN DIE FUNKTION VON
«LEITSCHIENEN» ÜBERNEHMEN.
Eine architektonisch vollwertige Regeneration von Gewebedefekten erfolgt über das
Einwandern von Epithelzellen von den Wundrändern her entlang stehengebliebener oder neu
synthetisierter Basalmembranen. Auf diesem Weg gelingt es den Epithelzellen, ihren richtigen
Platz in der wieder neu aufzubauenden Struktur zu finden. Dieses Prinzip gilt vor allem für
Regenerationsprozesse in der Leber, in den Lungen und Nieren, nicht aber in der Epidermis. In
der Epidermis werden innerhalb von Stunden nach einem Gewebeschaden aus der intakten
Randzone des Schadens Basalzellen mobilisiert und aktiviert. Dies geschieht wahrscheinlich
über den Verlust des Kontaktes dieser Zellen zu Nachbarzellen (Effekt der «freien Ecke»). Die
aktivierten Zellen der Epidermis (Keratinozyten) gleiten dann über das Maschenwerk von Fibrin
und Fibronektin je von den Rändern der Nekrosezone her aufeinander zu. Aktivierte
Keratinozyten verfügen - im Gegensatz zu normalen Keratinozyten - über Rezeptoren für
Fibronektin.
7.7.
OB EINE REGENERATION ODER REPARATION RICHTIG
ERFOLGT, HÄNGT VON VERSCHIEDENEN «UMGEBUNGSFAKTOREN» AB.
Der Prozess der Wundheilung wird von lokalen und systemischen Umgebungsfaktoren
beeinflusst. Die beiden wichtigsten lokalen Faktoren sind: Grösse und Lokalisation der Wunde.
So können sich Wunden, welche in unmittelbarer Nachbarschaft des Knochens liegen, weniger
gut kontrahieren als anderswo gelegene Wunden. Weitere bedeutende lokale Einflussfaktoren
sind: (1) die Intensität der lokalen Durchblutung, (2) die Funktionalität des Gewebes vor dem
Schaden, (3) sekundäre Infekte im Wundgebiet und (4) der Aktivitätsgrad der Myofibroblasten.
Eine Hypoxie schränkt die Wundheilung erheblich ein. So heilen Wunden in Gebieten
mit einer Varikosis stark verzögert. Eine am Ort der Verletzung früher stattgehabte Einwirkung
ionisierender oder ultravioletter Strahlen kann die Wundheilung einschränken, weil die
Proliferationsfähigkeit der an der Heilung beteiligten Zellen reduziert ist oder eine starke
Gewebefibrose im Wundgebiet die Bildung der provisorischen ECM und nachfolgend des
Granulationsgewebes behindert. Ein begleitender Wundinfekt bewirkt eine Abnahme des pH-
Wertes in der Wunde. Ein tiefer pH-Wert aber stimuliert die Makrophagen, vermehrt Proteasen
zu synthetisieren.
Systemische Faktoren mit einem negativen Einfluss auf die Wundheilung sind: eine
Mangelernährung (vor allem Protein- und Vitamin C-Mangel), Medikamente, welche die
Proteinsynthese hemmen (z.B. Zytostatika), Glukokortikoide), Antikoagulantien, generalisierte
Infektionskrankheiten, eine kongestive Herzkrankheit, welche mit einer systemischen Hypoxie
einhergeht, allgemeine metabolische Störungen [z.B. Diabetes mellitus (siehe Tab.9-11)] und das
Alter des Patienten. So nimmt die Wundheilung bei älteren Patienten mehr Zeit in Anspruch als
bei jüngeren.
Die hauptsächlichsten Komplikationen der Wundheilung sind: mechanische Risse im
Granulationsgewebe oder in der jungen Narbe (Dehiszenz), Ulcerationen, Kelloidbildung,
Strikturen oder Kontraktionen. Kelloide sind tumorartige Herde im Narbengewebe mit einem
vermehrten Gehalt an Kollagenfasern des Typs III. Narbenstrikturen und -kontraktionen treten
vor allem im Magendarm-Trakt auf und gelten als Folge einer pathologisch gesteigerten
Aktivität der Myofibroblasten.
7.8.
DIE FORM DER HEILUNG VON PARENCHYMSCHÄDEN
HÄNGT VON DER REGENERATIONSKAPAZITÄT DER
EINZELNEN ORGANE AB.
Sofern bei einem Parenchymschaden in der Leber nicht mehr genügend Basalmembranen
zur Regeneration zur Verfügung stehen, tritt herdförmig eine Reparation ein: Dabei bilden sich
einerseits Regenerationsknoten, andererseits treten Fibroseherde auf. Folge davon ist ein
unvollständiger oder vollständiger Umbau des Lebergewebes. Ein vollständiger Umbau des
Lebergewebes nach einem Virusinfekt oder der Einwirkung toxischer Substanzen wird als
Zirrhose bezeichnet. Eine Zirrhose ist irreversibel.
Die Nieren haben ein stark von den einzelnen Organstrukturen abhängiges
Regenerartionspotential. So ist die Fähigkeit zur Regeneration in den Nierenrindentubuli
maximal und in den Nierenmarktubuli minimal in den Glomerula fehlt sie praktisch vollständig.
In den Lungen hängt das Ausmass der Regeneration vom Ausmass der Schädigung der
extrazellulären Matrix ab. Solange die alveolären Basalmembranen intakt bleiben, findet eine
Regeneration statt. Dabei wird das intraalveoläre Exsudat durch neutrophile Granulozyten und
Makrophagen vollständig abgebaut. Wenn aber die Basalmembranen zerstört sind und das
intraalveoläre Exsudat nicht mehr resorbiert wird, entwickelt sich in den Alveolen
Granulationsgewebe. Durch diese fibrosierende Alveolitis kommt es zu einer Reduktion des
Sauerstoff-Austausches. Der Prozess mündet schlussendlich in der Bildung von
Lungenparenchymnarben und eines Lungenemphysems.
Schädigungen von Hirn- oder Rückenmarksgewebe (Gewebe des zentralen
Nervensystems) führen durchwegs zu einer Resorption des zugrundegegangenen Gewebes,
gefolgt von einer Gliose oder der Ausbildung einer Zyste. Die Gliose kommt durch
Proliferationen von Astrozyten und Mikrogliazellen zustande und entspricht einer Narbe. Die
Gliazellen im Hirn- und Rückenmarkgewebe Erwachsener produzieren Proteine, welche ein
Weiterwachsen der lädierten Axone verhindern. Die Neuronen des peripheren Nervengewebes
dagegen können ihre Axone regenerieren. Voraussetzung dazu ist eine perfekte Ausrichtung der
beiden Enden der Axone aufeinander zu. Ist dies nicht der Fall, sprossen Granulationsgewebe
und Bindegewebefasern zwischen die Axone: Es entsteht ein Narbenneurom, welches Ursache
starker Schmerzen sein kann.
Die Heilung einer Knochenfraktur zeigt grosse Ähnlichkeiten mit der Heilung einer
Hautwunde. Bei beiden Prozessen wird zwischen einer primären Heilung und einer sekundären
Heilung unterschieden. Von einer primären Heilung spricht man dann, wenn die beiden
Wundränder chirurgisch miteinander in Kontakt gebracht worden sind, entweder durch eine
Hautnaht oder eine Osteosynthese. Bei der sekundären Frakturheilung werden - wie bei der
Heilung von Wunden anderer Organe - verschiedene Phasen unterschieden (Tab. 7-6). Kommt es
während der Frakturheilung zu einer Instabilität der beiden Frakturenden, so besteht die Gefahr,
dass anstelle von Faserknochen Knorpelgewebe gebildet wird. Folge davon ist die Entstehung
einer Pseudarthrose, also die Bildung eines «falschen Gelenkes».
Tab.7-6
Die Phasen der Heilung von Knochenfrakturen sind mit jenen der generellen Wundheilung vergleichbar. Der
provisorische bindegewebige Kallus tritt zirka 2-8 Tage nach der Fraktur auf, der provisorische knöcherne
nach zirka 1-4 Wochen und der lamelläre Knochen nach zirka 4-6 Wochen.
___________________________________________________________________________
Heilung von Knochenfrakturen
Heilung von Wunden (siehe Tab.7-2)
Phase Prozess
Phase Prozess
___________________________________________________________________________
1.
2.
3.
4.
Hämatom
Entzündungsreaktion
Fibrinolyse
Resorption nekrotischer Knochensplitter
1.
3.
3.3.
3.4.
5.
Granulationsgewebe im Frakturspalt
(provisorischer bindegewebiger Kallus)
Bildung von Osteoid durch Osteoblasten
2.
6.
7.
4.1.
Hämostase
Entzündungsreaktion
Fibrinolyse
Resorption von Fibrinabbauprodukten,
Zelltrümmern und Bestandteilen der ECM
durch Phagozytose
Aufbau einer provisorischen ECM durch
Vernetzungen
Aufbau einer echten temporären ECM in Form von
Granulationsgewebe
Bildung der jungen Narbe
Bildung von Faserknochen durch
4.2.
Verkalkung des Osteoids: provisorischer
endostaler, intermediärer und periostaler
knöcherner Kallus
8.
Bildung von lamellärem Knochen
4.3.
Bildung der reifen Narbe
___________________________________________________________________________
ECM
Extrazelluläre Matrix
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