Seminar: Pädagogische Beobachtung und diagnostische Gesprächsführung Leitung: Prof. Dr. Reinhard Burtscher Thema: Beobachtung, Beobachtungsformen & Beobachtungsfehler Referat mit schriftlicher Ausarbeitung Julia Hartwig, Andrea Hennig 1. Fachsemester Wintersemester 2008/09 Datum: Freitag, den 19. 12. 2008 1 Gliederung 1. Beobachtung…….…………………………………………………………………….....3 2. Wahrnehmung……………….………………………………………………………..….4 3. Beobachtungsformen…..………………………………………………………………...7 3.1. Gelegenheitsbeobachtung vs. systematische Beobachtung………………..…….……7 3.2. Selbstbeobachtung vs. Fremdbeobachtung……………………………...……...…….8 3.3. teilnehmende vs. nicht-teilnehmende Beobachtung…………………………………..9 3.4. offene vs. verdeckte Beobachtung…………………………...………………………..9 3.5. freie vs. gebundene Beobachtung………………………………………………..……9 3.6. Feldbeobachtung vs. Laborbeobachtung…………………………………………......10 3.7. fraktionierte vs. unfraktionierte Beobachtung………………………………………..10 3.8. allgemeine Beschreibung vs. Kodierung…………………………………………….10 4. Beobachtungsfehler…………..……………………………………………………........12 4.1. Einstellungsfehler………………………………………………………………...….12 4.2. Halo-Effekt….…………………………………………………………………...…..12 4.3. Milde-Effekt……………………………………………………………………...….12 4.4. Kontrastfehler……………………………………………………………………......12 4.5. Vorrangefehler……………………………………………………………………….13 4.6. Fehler der zentralen Tendenz…………………………………………………….…..13 4.7. Projektionsfehler……………………………………………………………………..13 5. Vermeidung von Beobachtungsfehlern………………………………………………..14 Literaturangaben……………………………………………………………….……………..16 2 1. Beobachtung Die Beobachtung ist die wichtigste diagnostische Methode der Heilpädagogik. Sie ist überall einsetzbar und jederzeit anwendbar. Bei der Beobachtung wird mit allen möglichen, einsetzbaren Sinnen und mit Hilfe technischer Medien beobachtet. Sie dient zur Handhabung von Unterscheidungen. Noch genauer beschreibt es Bundschuh (2005): „Beobachtung bedeutet die aufmerksame Wahrnehmung und Registrierung von Ereignissen, Personen oder Sachen vor dem Hintergrund jeweils bestimmter Situationen“. Es geht bei der Beobachtung um „ das Erkennen von Bedürfnissen (Hunger, Durst, soziale Kontakt usw.), von Nöten (Krankheit, Schmerzen, Kummer usw.), von Gefahren (Straßenverkehr, scharfe Gegenstände usw.) und von Fähigkeiten und Motivationen (zum Aufbau von Förderangeboten, für passende Freizeitangebote, Sozialkontakte usw.)“ (Bentele, 1998, S. 119). Diese Informationen sollen uns dazu dienen, Handlungsansätze zu finden, „die dann gezielt dem Entwicklungsprozess des Menschen mit einer Behinderung zugute kommen sollen“ (Bentele, 1998, S. 119). Die Beobachtung stellt eine hohe Anforderung an den Beobachter. Der Beobachter sollte sich der Subjektivität seiner Wahrnehmung stets bewusst sein sowie Beobachtungsformen und mögliche Beobachtungsfehler kennen, bevor er mit seinen Beobachtungen beginnt. Im Folgenden wird auf diese drei Aspekte eingegangen. 3 2. Wahrnehmung Um Beobachtung besser zu verstehen, soll der Begriff der Wahrnehmung genauer erläutert werden, um später den Ursprung von Wahrnehmungs- bzw. Beobachtungsfehlern nachvollziehen zu können. Zu Beginn soll ein kurzes Gedicht von Eugen Roth den Einstieg in die Problematik der Wahrnehmung geben. Optische Täuschung Ein Mensch sitzt stumm und Liebeskrank Mit einem Weib auf einer Bank; Er nimmt die bittre Wahrheit hin, Daß sie zwar liebe, doch nicht ihn. Ein andrer Mensch geht still vorbei Und denkt, wie glücklich sind die zwei, Die- in der Dämmrung, kann das täuschenHier schwelgen süß in Liebesräuschen. Der Mensch in seiner Not und Schmach Schaut trüb dem andern Menschen nach Und denkt, wie glücklich könnt ich sein, Wär ich so unbeweibt allein. Darin besteht ein Teil der Welt, Daß andre man für glücklich hält. Eugen Roth Wie kann es sein, dass der Mensch einen Sachverhalt so unterschiedlich wahrnimmt? Was kann unsere Wahrnehmung lenken und täuschen und was versteht man eigentlich unter Wahrnehmung? Wenn wir beobachten, treffen bestimmte Reize auf unsere Sinnesorgane ein und lösen in uns bestimmte Empfindungen aus. Diese werden stets aufgrund von Erfahrungen bewertet und eingeordnet. Hobmaier et al. (1997) definieren Wahrnehmung als den „Prozess und das Ergebnis der Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung von Reizen aus der Umwelt und dem Körperinneren“ (S. 243). Dabei versteht man unter „Reizen aus der Umwelt“ die Wahrnehmung von Mitmenschen, Objekten, etc. und unter dem Begriff des „Körperinneren“ die Wahrnehmung von Schmerzen, Gefühlen etc. die das Individuum in seiner Wahrnehmung und Beurteilung lenken. Da der Mensch nicht in der Lage ist, alle Reize aufzunehmen, die auf ihn einströmen, erfolgt eine Auswahl. Die einströmenden Reize werden nach bestimmten Eigenschaften, wie zum Beispiel Erfahrungen, Wertvorstellungen oder Erwartungen bewertet und aussortiert. (Vgl. Hobmaier et al., 1997, S. 82-85) 4 Da jedoch nicht alle Reize aufgenommen werden können, entsteht oft ein verzerrtes oder gar verfälschtes Bild der Wirklichkeit (vgl. Hobmaier et al., 1997, S. 89.) Hobmaier et al.(1997) beschreiben dies folgendermaßen: „Wir nehmen nur einen Bruchteil von dem, was objektiv an Reizen auf uns einströmt, wirklich war.“ (S. 84). Wie bereits oben erwähnt, bestimmen viele Bedingungen, welche Reize aufgenommen, wahrgenommen und interpretiert werden. Die Wahrnehmung kann durch die Beschaffenheit unserer Sinnesorgane eingeschränkt sein, von einzelnen Individuen unterschiedlich interpretiert werden, durch individuelle und soziale Faktoren verändert und von daraus resultierenden Erwartungen des Individuums bestimmt sein. Zusätzlich wird die Wahrnehmung durch Gestaltgesetze strukturiert. (Vgl. Hobmaier et al., 1997, S. 88) Unter individuellen Faktoren versteht man dabei Bedürfnisse und Triebe (Hunger, Partnersuche), Gefühlen und Stimmungen(Freude, Trauer), bisherige Erfahrungen(über bestimmten Personenkreis), Einstellungen, Wertvorstellungen, Interessen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Intelligenz und dergleichen. Unter sozialen Faktoren versteht man hingegen bestimmte Wert- und Normvorstellungen der Gesellschaft sowie Einstellungen von anderen Personen bzw. Personengruppen, wie zum Beispiel Vorurteile gegenüber einer bestimmten Gesellschaftsschicht. (Vgl. Hobmaier et al., 1997, S. 89-91) Um ein Überfluten des Gehirn mit Reizen aus der Umwelt zu verhindert, ordnet und vervollständigt der Mensch ungeordnete, unvollständige und ihm sinnlos erscheinende Reize zu bedeutungs- und sinnvollen Gestalten. Dies geschieht mithilfe von folgenden Gestaltgesetzen: das Gesetz der Ähnlichkeit: „Ähnliche Reize werden als zusammengehörig wahrgenommen.“ (Hobmaier et al., 1997, S. 95) das Gesetz der Nähe: „Reize, die nahe beieinander liegen, werden als zusammengehörig wahrgenommen.“ (Hobmaier et al., 1997, S. 95) das Gesetz der Geschlossenheit: „Unvollendete Reize werden als vollendet wahrgenommen.“ (Hobmaier et al., 1997, S. 95) das Gesetz der Kontinuität: „Reize, die einer Fortsetzung vorausgehender Reize zu sein scheinen, werden als zusammengehörig wahrgenommen.“ (Hobmaier et al., 1997, S. 96) das Gesetz der gemeinsamen Bewegung: „Reize, die sich in dieselbe Richtung bewegen, werden als zusammengehörig bezeichnet.“ (Hobmaier et al., 1997, S. 96) 5 das Gesetz der Prägnanz: „Unsere Wahrnehmung bevorzugt Gestalten, die sich von anderen durch ein bestimmtes Merkmal abheben.“ (Hobmaier et al., 1997, S. 96f) Eine besonders prägnante Verkennung der Wirklichkeit sowie das Wirken oben genannter Gestaltgesetzen, zeigt sich bei optischen Täuschungen. (Vgl. Hobmaier et al., 1997, S. 95-97) „Die Wahrnehmung vermittelt keine objektive Wirklichkeit, sondern eine subjektive Welt; wir nehmen das wahr, was unseren Bedürfnissen, Erfahrungen, Erwartungen entspricht und nicht die objektiv gegebenen Reize.“ (Michel, Novak, 1990) Wie in diesem Zitat nochmals beschrieben, folgt unsere Wahrnehmung stets der Subjektivität. Sich dessen bewusst zu sein, sollte Ziel jeden Pädagogen sein. Durch die Subjektivität der Wahrnehmung kann es natürlich zu Beobachtungs- bzw. Wahrnehmungsfehlern kommen, worauf im Kapitel Beobachtungsfehler eingegangen werden soll. 6 3. Beobachtungsformen In der Literatur findet man zu Beobachtungsformen unzählige Versuche einer Ordnung. Insgesamt werden die Beobachtungsformen sehr unterschiedlich zusammengefasst. So wird oftmals die Gelegenheitsbeobachtung völlig außer acht gelassen und dementsprechend die systematische Beobachtung als einzige, übergeordnete Beobachtungsform mit ihren jeweiligen Unterformen beschrieben. Ein zusätzliches Problem der Strukturierung von Beobachtungsformen entsteht in der unterschiedlichen Namensgebung ein und derselben Beobachtungsform. Aufgrund dieser Probleme der Ordnung, wird im Folgenden primär auf den Versuch von Eduard Kleber (1992) Bezug genommen. Kleber strukturiert die verschiedenen Formen mithilfe von Kategorien. Dabei unterscheidet er zwischen den übergeordneten Beobachtungsformen „Gelegenheitsbeobachtung“ und „systematischer Beobachtung“ und den Kategorien „Anlass“, „Richtung“, „Distanz“, „Offenheit“, „Struktur“, „Ort“, „Zeit“ und „Kodierung“, aus denen sich Unterformen der Beobachtung ergeben. (vgl. Kleber, 1992, S. 201) Im folgenden Kapitel werden die verschiedenen Kategorien näher betrachtet und anhand von Beispielen verdeutlicht. 3.1. Gelegenheitsbeobachtung vs. systematische Beobachtung Bei der Kategorie des Anlasses wird zwischen Gelegenheitsbeobachtung und systematischer Beobachtung unterschieden. Hobmair (1997) definiert Gelegenheitsbeobachtung als „eine mehr zufällige Wahrnehmung ohne Plan und Absicht, die sich global auf das gesamte Geschehen richtet, ohne exakte Festlegung, was, wie und womit beobachtet wird“ (S. 57). Die Gelegenheitsbeobachtung wird auch freie Beobachtung, Alltagsbeobachtung oder unsystematische Beobachtung genannt. Der Anlass für die jeweilige Beobachtung liegt im Beobachtungsmoment und ist somit spontan. Da die Gelegenheitsbeobachtung zufällig stattfindet, gibt es auch keine Vorüberlegungen zum Untersuchungsinhalt- die Beobachtung erfolgt quasi „ohne Plan und Absicht“. Damit erfolgt auch keine Kodierung. Im Genauen bedeutet es, dass Alles beobachtet und allgemein beschrieben wird. Die Gelegenheitsbeobachtung zeigt sich sowohl im alltäglichen Beobachten als auch in der pädagogischen Praxis. Oftmals kann die Gelegenheitsbeobachtung Anlass für eine systematische Beobachtung sein. In der pädagogischen Praxis bietet sie uns die Möglichkeit Hintergrundwissen aufzubauen, Neues und Unerwartetes zu erfahren sowie Entwicklungen oder auch Bedürfnisse unserer Klienten zu erkennen. (vgl. Hobmaier, 1997, S. 56f) 7 Das Gegenstück zur Gelegenheitsbeobachtung ist die systematische Beobachtung. Hobmair (1997) spricht hier von einer „geplanten, gezielten und kontrollierten Wahrnehmung eines konkret festgelegten Teilbereiches der Wirklichkeit mit dem Ziel, diesen möglichst genau zu erfassen und festzuhalten. Festgelegt ist insbesondere was, wie und womit beobachtet wird“ (S.57). Die systematische Beobachtung wird auch standardisierte Beobachtung genannt. Bei dieser Art von Beobachtung begibt sich der Forscher gezielt in die jeweils für ihn interessante Situation. Daraufhin folgt eine gezielte Beobachtung des Verhaltens mit einer angemessenen Dokumentation. Von zentraler Bedeutung ist, dass bereits vor der Untersuchung festgelegt wird, was untersucht werden soll, das heißt was im Hinblick auf den Forschungsgegenstand als wichtig erachtet wird. Dabei geht es auch um die Frage der Vorstrukturiertheit, das heißt um die Frage, ob alle oder nur bestimmte Verhaltenweisen erhoben werden sollen. Aus diesen Vorüberlegungen resultiert ein passendes Erhebungsverfahren. Bei der systemischen Beobachtung kommt ausgehend davon eine standardisierte, detaillierte und spezialisierte Kodierung zum Einsatz. Diese zwei wichtigsten Beobachtungsformen kann man nun wiederum unter anderen Gesichtspunkten weiter betrachten und aufgliedern. (vgl. Kleber, 1992, S. 199f) 3.2. Selbstbeobachtung vs. Fremdbeobachtung Bei der Kategorie der Richtung unterscheidet Eduard Kleber (1992) zwischen „Selbstbeobachtung“ und „Fremdbeobachtung“ (S. 199). Dabei versteht sich die Selbstbeobachtung, als eine auf sich selbst gerichtete Beobachtung, bei der die beobachtende Person selbst ihr Verhalten, ihre Gefühle und Gedanken in bestimmten Situationen beobachtet. Dies kann spontan im Alltag oder aber auch systematisch, zum Beispiel durch einen Persönlichkeitsfragebogen, erfolgen. Die Fremdbeobachtung hingegen versteht sich als eine auf äußere Situationen und das Verhalten anderer Personen gerichtete Beobachtung. Diese kann ebenfalls spontan im Alltag oder systematisch, zum Beispiel bei dem Beobachten von Kindern auf dem Spielplatz, erfolgen. Die Selbstbeobachtung sowie die Fremdbeobachtung sind grundlegende Verfahren im Alltagsleben sowie in der pädagogischen Praxis. (vgl. Kleber, 1992, S. 199) 8 3.3. teilnehmende vs. nicht-teilnehmende Beobachtung In der Kategorie der Distanz unterscheidet Eduard Kleber (1992) zwischen der „teilnehmenden“ und der „nicht-teilnehmenden“ Beobachtung (S. 199). Bei der teilnehmenden Beobachtung wird der Forscher direkt in die Beobachtungssituation miteingebunden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Forscher mit dem Kind spielt und dabei die Motorik des Kindes beobachtet. Bei der nicht-teilnehmenden Beobachtung ist der Forscher hingegen nicht direkt miteingebunden. Dies ist zum Beispiel bei der Beobachtung einer Interaktion zwischen Mutter und Kind der Fall. Bleibt der Forscher in dieser Beobachtungssituation mit im Raum, kann dies Auswirkungen auf das Verhalten der beobachteten Personen haben. Beobachtet der Forscher jedoch Mutter und Kind versteckt hinter einer Einwegscheibe, so wird sich das Verhalten von Mutter und Kind weniger stark verfälschen. 3.4. offene vs. verdeckte Beobachtung Um jedoch genauer zu klären, ob und inwieweit der Forscher Auswirkungen auf die Beobachtungssituation hat und diese somit verfälscht, kann anhand des Kriterium der Offenheit geklärt werden. Hierbei unterscheidet Kleber (1992) zwischen der „offenen“ und der „verdeckten Beobachtung“ (S. 199). Eine offene Beobachtung liegt vor, wenn der Beobachtete darüber informiert ist, dass er beobachtet wird. Wenn Mutter und Kind darüber informiert wurden, dass sie im Folgenden in ihrem Spiel beobachtet werden, handelt es sich um eine offene Beobachtung. Gewiss können auch diese Informationen ein verhalten verfälschen, wie es auch immer wieder in Diskussionen um die TV-Serie „Super Nanny“ thematisiert wird. Bei einer verdeckten Beobachtung hingegen wird der Beobachtete nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass er beobachtet wird. Dies ist zum Beispiel bei Überwachungskameras auf öffentlichen Plätzen der Fall. In der Öffentlichkeit sowie in Fachkreisen finden hierzu immer wieder Diskussionen über die ethisch-moralische Tragbarkeit dieser „geheimen“ Beobachtungen statt. (vgl. Kleber, 1992, S. 201) 3.5. freie vs. gebundene Beobachtung Als nächstes Kriterium ist das Kriterium der Struktur aufgeführt (Kleber, S. 201). Hierbei unterscheidet Kleber (1992) zwischen einer „freien“ und einer „gebundenen“ Beobachtung (S. 201). Die freie Beobachtung erfolgt dabei ohne Kodierschemata und trifft, wie bereits erwähnt, immer bei der Gelegenheitsbeobachtung zu. Manchmal jedoch ist dies auch bei der systematischen Beobachtung der Fall, wenn die Beobachtung mit Vorüberlegung, jedoch 9 ohne starres Festhalten an Kodierschemata erfolgt. Dem gegenüber steht die gebundene Beobachtung, welche sich stark an vorher festgelegten Kodierschemata hält. (vgl. Kleber, 1992, S.201) 3.6. Feldbeobachtung vs. Laborbeobachtung Ein weiteres Unterscheidungskriterium ist das des Ortes (Kleber, S. 201). Dabei stehen sich bei Kleber (1992) die „Feldbeobachtung“ und die „Laborbeobachtung“ gegenüber (S. 201). Unter dem Begriff der Feldbeobachtung versteht man die Bobachtung im freien Feld, das heißt im alltäglichen Umfeld des Beobachteten, wie zum Beispiel die Beobachtung im Kindergarten, auf dem Spielplatz, oder zu hause. Die Laborbeobachtung hingegen findet im Labor statt und gleicht somit einem nicht-alltäglichen Umfeld, wie dies zum Beispiel in Räumlichkeiten psychiatrischer Forschungseinrichtung der Fall wäre. (vgl. Kleber, 1992, S. 201) 3.7. fraktionierte vs. unfraktionierte Beobachtung Auch kann eine Unterscheidung hinsichtlich der Zeit erfolgen. Dabei stellt Kleber (1992) die „fraktionierte“ der „unfraktionierten“ Beobachtung gegenüber (S. 201). Eine fraktionierte Beobachtung besteht dabei aus mehreren settings, wohingegen eine unfraktionierte Beobachtung aus einer einmaligen Beobachtung besteht. (vgl. Kleber, 1992, S. 201) 3.8. allgemeine Beschreibung vs. Kodierung Als letztes Kriterium wird das der Kodierung herangezogen. Dabei wird zwischen der allgemeinen Beschreibung und der Kodierung unterschieden. Die allgemeine Beschreibung ist immer in Gelegenheitsbeobachtungen und systematischen Beobachtung vorhanden. Der beobachtete Sachverhalt wird hierbei allgemein beschrieben und gegebenenfalls in einer allgemein beschreibenden Mitschrift, welche weder aspektgebunden noch kodiert ist, dokumentiert. (nach: Kleber, S. 202) Eine eigene Kodierung hingegen ist ausschließlich in der systematischen Beobachtung vertreten und bezieht sich auf die Protokollierungsform. Eine geeignete Protokollierungsform wird hierbei bereits in den Vorüberlegungen zur Beobachtung bestimmt. Auf die unterschiedlichen Kodierschemata, welche sich aus den unterschiedlichen Beobachtungssituationen ergeben, soll hier nicht weiter eingegangen werden. (vgl. Kleber, 1992, S.201f) 10 In Bezug auf die pädagogische Praxis ist das Wissen über die hier aufgeführten Formen und Kriterien ein Grundstein professioneller Arbeit von Pädagogen. So können mithilfe des Wissens über Beobachtungsformen eigene Handlungen reflektiert und eingeordnet sowie Beobachtungen kritisch betrachtet werden. (vgl. Kleber, 1992, S. 200) 11 4. Beobachtungsfehler Da unsere Wahrnehmung dem Prinzip der Subjektivität folgt, kann es bei der Beobachtung zu Beobachtungsfehlern kommen. Aus diesem Grund sollte der Beobachter die Beobachtungsformen und Beobachtungsfehler kennen. Wie bereits erwähnt können verschiedene Bedingungen Ursache für ein falsches Wahrnehmen der Situation sein. Erwartungen, Vorurteile, zu schnelles und undifferenziertes Interpretieren und Bewerten sind die häufigsten Ursachen für das Auftreten von Beobachtungsfehlern. Da der Mensch stets subjektiv wahrnimmt und das Wahrgenommene interpretiert, können Beobachtungsfehler nie ganz ausgeschlossenen werden. Im Folgenden wird ein Überblick über die wichtigsten Beobachtungsfehler gegeben. 4.1. Einstellungsfehler Diese kommen dadurch zustande, dass z.B. im normativen Bereich die eigene Einstellung Anspruch auf Objektivität erhebt und damit zum Maßstab wird. 4.2. Halo-Effekt Bestimmte Eigenschaften oder besonders hervorstechende Merkmale, werden auf die ganze Person hin verallgemeinert, wie z.B. besondere Mimik, motorische Schwerfälligkeit oder der Gesamteindruck. 4.3. Milde- Effekt Aus Mitleid werden negativ bewertete Verhaltensformen ausgeblendet. Die Person wird wohlwollend und günstig eingeschätzt, z.B. um zu motivieren; aufgrund der Hilfebedürftigkeit der Person; oder wegen eines schlimmen Schicksalsschlags in der Biographie. 4.4. Kontrastfehler Hier wird besonders das beobachtet, was im Gegensatz oder im Kontrast zu den Persönlichkeitsmerkmalen oder Werteeinstellungen des Beobachters steht. 12 4.5. Vorrangeffekt: Den ersten Eindruck, den wir bei einer Beobachtung gewonnen haben, wird auf das Bild der betreffenden Person präformiert. 4.6. Fehler der zentralen Tendenz: Wenn man jemanden nicht so gut kennt, neigt man dazu, diesen Menschen „in der Mitte“ einzuordnen. Man ist vorsichtig mit extremen Aussagen über das Verhalten oder die Beweggründe der Person. 4.7. Projektionsfehler: Die eigene Probleme, Sichtweisen und Eigenschaften werden auf die andere Person übertragen und kritisiert und bewertet. (Vgl. Bentele, 1998) Weiter Faktoren können zur Entstehung von Beobachtungsfehlern führen: Konflikte in der Gruppe Müdigkeit Gereiztheit Hunger Antipathie oder Sympathie All diese Faktoren können die Wahrnehmung verzerren und die Aussagen oder Ergebnisse verfälschen. Deswegen ist es wichtig bestimmte Situationen mehrmals zu beobachten und seine Ergebnisse immer wieder neu zu überprüfen. 13 5. Vermeidung von Beobachtungsfehlern Um Beobachtungsfehler auszuschließen bzw. zu verringern, wurden einige Vorschläge zusammengestellt, die man sich vor dem Vorgang der Beobachtung unbedingt verinnerlichen sollte. Es ist allerdings nie ganz auszuschließen, dass sich nicht doch noch Fehler in die Beobachtung einschleichen. Zur Überprüfung der Ergebnisse, gibt es eine Vielzahl an Beobachtungsbögen und Dokumentationen. Durch diese Hilfsmittel können Unstimmigkeiten oder Widersprüche auffallen, die man durch weiteres beobachten konkretisieren und überprüfen kann. Auch durch regelmäßige Absprachen mit anderen Kollegen können Beobachtungsfehler verringert werden. Hier nun einige Vermeidungsvorschläge: Der Heilpädagoge sollte die Beobachtungsformen und -fehler kennen. Das gerade Beobachtete nicht sofort interpretieren, werten oder verallgemeinern! Beim Beobachten immer vorurteilsfrei an die Person herangehen! Der Heilpädagoge sollte sich seiner Subjektivität bewusst sein! Immer über einen längeren Zeitraum beobachten, damit momentane Gefühle oder Situationen des Klienten nicht verallgemeinert werden! Gleich nach der Beobachtung Notizen machen. Der Heilpädagoge sollte sich seines momentanen Gefühlszustandes bewusst sein. Sich nie auf den ersten Eindruck stützen! Sich ein allumfassendes Bild mit all seinen Widersprüchen machen! Bestimmte Eigenschaften des Klienten dürfen nicht auf die ganze Person zugeschnitten werden, man muss die Vielzahl seiner Persönlichkeitsmerkmale beachten! Messen Sie die Leistungen des Menschen mit Behinderung nicht nur an ihrem Maßstab oder dem der Gruppe, sondern auch an seinem, z.B. was hat er bisher erreicht! 14 Beobachtungskriterien neutral formulieren! Beobachtungskriterien offen legen und mit den Kollegen und dem Betroffenen darüber reden. Unbedingt stutzig werden, wenn Sie entdecken, dass die Beurteilungen anderer Kollegen immer von ihrer Beobachtung abweichen. Einstufungen an konkreten Beispielen festmachen. Die Beobachtung stellt eine hohe Anforderung an den Beobachter. Er sollte sich stets der Subjektivität seiner Wahrnehmung bewusst sein, Beobachtungsformen und Beobachtungsfehler kennen und er sollte auch stets sein Denken und Handeln überprüfen. Leichter gesagt als getan! In Bezug auf die pädagogische Praxis ist das Wissen über dieser hier besprochen Punkte ein wichtiger Grundstein professioneller Arbeit und sollte somit Ziel jedes Pädagogen sein. 15 Literaturangaben Atteslander, P. (1995): Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin: De Gruyter Verlag, Berlin. Bentele, P./ Metzger, T. (1998): Didaktik und Praxis der Heilerziehungspflege. Ein Lehrbuch. Freiburg: Lambertus Verlag Grümer, K. W. (1974): Beobachtung. Stuttgart: Teubner Verlag Hobmair, H./ Althethan, S./ Betscher-Ott, S./ Dirringl, W./ Gotthardt, W./ Ott, W. (1997): Psychologie. Köln: Stam Verlag Kleber, E. W. (1992): Diagnostik in pädagogischen Handlungsfeldern. Einführung in die Bewertung, Beurteilung, Diagnose und Evaluation. Weinheim: Juventa Verlag Michel, Ch./ Novak, F. (1990): Kleines psychologisches Wörterbuch. Freiburg: Herder Verlag Roth, E.: Optische Täuschung. Online: http://phemyr.wandlungen.org/tag/eugen-roth/ [Datum der Recherche: 18.Dezember 2008] 16