Die didaktische Analyse oder - Pädagogische Hochschule

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Arbeitstexte zum Seminar
Bedeutung und praktische Anwendung der
‚didaktischen Analyse’ im Unterricht am Beispiel der
Verkehrserziehung
Donnerstags 11.15 – 12.45, Raum 0118
Gliederung
1.
Die fünf Grundfragen der didaktischen Analyse
2.
Beispiel
3.
3.1.
3.2.
„Es gibt keine Sachanalyse“ (Meyer)
Entflechtung und Reduktion
Beispiel
4.
4.1.
4.2.
4.3.
Zum ‚Hintergrund’ der Didaktischen Analyse
Zu der Herkunft, den Autoren der ‚Bildungstheoretischen Didaktik’
Zum Normproblem
Die drei Ebenen der Didaktik
5.
5.1.
5.2.
Kategoriale Bildung
Das Elementare, Fundamentale, Exemplarische
Kritischer Blick
6.
Exkurs: Kategoriale Bildung innerhalb einer ‚basalen Didaktik’ (G. Feuser)
7.
Perspektivschema zur Unterrichtsplanung
8.
Was hat sich in der ‚kritisch-konstruktiven Didaktik’ verändert?
Literaturverzeichnis
Folien
Arbeitsaufgaben/-ergebnisse der Studierenden
1
Erläuterungen

Die blaue Schrift zeigt Aufgabenstellungen an, die Sie bearbeiten können.

Die Textblätter haben zum Ziel, Ihnen einen Einblick in die ‚didaktische
Analyse’ zu geben, d.h. in die Notwendigkeit, sie durchzuführen. Denn: guter
Unterricht ist geplanter Unterricht.

Sämtliche Ausführungen sind i.W. Jank/Meyer entlehnt (s. Literaturverzeichnis)

Das Seminar eignet sich hervorragend zur Kombination mit dem Seminar:
‚Was ist der Sinn der Bildung? Schulische Arbeit mit Mädchen und Jungen mit
geistiger Behinderung am Beispiel der Mobilität’ (Z: Mi 14.15-15.45; R: 0 119)

Am Ende dieser Arbeitstexte sind Arbeitsfragen gelistet, die Sie bearbeiten
können.

Für einen Schein müssen Sie einen Unterrichtsentwurfs erstellen/ausarbeiten
(aus dem Praktikum) und die Arbeitsfragen beantworten. Es ist möglich, dass
Sie diese Leistungen in Teamarbeit erbringen.

Die Internetseiten werden von mir aktualisiert. Im Seminar benutzte Folien etc.
können über Internet abgerufen werden.

Auf der Startseite meiner Internetseite finden Sie unter dem Menüpunkt
‚Aktuelles’ jeweils aktuelle Ankündigungen, die sich auf die Seminare, meine
Sprechstunden, Terminverschiebungen etc. beziehen.
2

Was ist für mich persönlich
wichtig bei der Vorbereitung von
meinem Unterricht an der SfG?

Worauf würde ich auf keinen Fall
verzichten?

Was sind meine dringendsten
Fragen bzgl. Vorbereitung?


Wann wäre ein Unterricht für mich
wirklich ‚gut’?

Von welchen Grundhaltungen will
ich mich in meinem zukünftigen
Beruf unbedingt leiten lassen und
wovon absolut nicht?
Strategien, Taktik, Planung – Vor dem Tun die Planung und vor der Planung die
Analyse. Der Begriff Planung findet sich beispielsweise (vgl. DUDEN-Lexikon) in der
militärischen Fachsprache: „Umfassende Planung unter Einbeziehung aller
wesentlicher Faktoren“. Die Anwendung der Planungsstrategien, ihre Umsetzung in
unterrichtlichem Handeln entspricht dann der ‚Taktik’, der „Kunst der Truppenführung
auf dem Gefechtsfeld“ – Und in der Tat: Mancher Praktikant oder manche
Referendarin fühlt sich wie auf einem Gefechtsfeld. Ein Gegenbeispiel: Der Architekt
Gropius sagte: „Exakte Planung legt nicht fest, sondern macht frei für Möglichkeiten
der Zukunft“
1.
Die fünf Grundfragen der didaktischen Analyse
Im Mittelpunkt des didaktischen Modells von Wolfgang Klafki steht die ‚Didaktische
Analyse’. Es wird der Bildungsinhalt der Stunde analysiert. Daher beginnt die
Reflexion bei den Unterrichtsinhalten.
3
Es geht um grundsätzliche Fragen, die sich alle Lehrerinnen und Lehrer zu stellen
haben, wenn sie Unterricht vorbereiten. Die Fragen lauten:
Lohnt sich das, was ich anbiete, für die Schüler?
Entspricht es ihrer Lebenswelt/Lebenslage?
Ist dieser Inhalt wichtig für ihr Leben? …
Und welche Fragen wären mir
wichtig, um herauszufinden, was
ich inhaltlich anbieten kann?
Woran würde ich denn meine
Angebote orientieren?
Merksatz: Der Lehrer soll in der didaktischen Analyse klären, welcher Bildungsgehalt
in den Unterrichtsinhalten stecken könnte.
Analyse meint hier: die didaktische Interpretation und Strukturierung des Inhalts (also
nicht: der Methoden oder Ziele)
Dazu stellt er fünf Grundfragen:
1. Welche Bedeutung hat der
betreffende Inhalt im Leben
der Kinder der Klasse bzw.
welche Bedeutung sollte er
bekommen?
Wenn ich diese Frage
beantworten will, für was
müsste ich mich dann
interessieren, was müsste
Gegenwartsbedeutung
Antworten:
4
ich wissen über die Kinder?
2. Hat das Thema eine
Zukunftsbedeutung für die
Kinder? Bzw. Welcher Art ist
die Bedeutung für die
Zukunft?
Wenn ich diese Frage
beantworten will, für was
müsste ich mich dann
interessieren, was müsste
ich wissen über die Kinder?
Zukunftsbedeutung
Antworten:
3. Welchen allgemeinen
Sachverhalt oder allgemeine Exemplarische Bedeutung
Problem erschließt der Inhalt,
5
den ich anbiete?
An was könnte sich die
beispielhafte Bedeutung
orientieren? An Wochentagen, Größe der Kinder,
meiner Laune … ?
4. Welches sind die
Situationen, Phänomene,
Fälle, Versuche, usw., in
oder an denen die Struktur
des Inhaltes den Kinder als
interessant, fragwürdig,
zugänglich, anschaulich
werden kann?
Woran orientieren sich
denn meine Inszenierungen,
mein ‚Drehbuch’, mein
Arrangement etc.?
Antworten:
Zugänglichkeit
Antworten:
Sachstruktur
6
5. Was ist die Struktur der
Thematik, des Inhaltes des
Themas, Projektes,
Experimentes etc.?
Antwort:
Warum muss ich beispielsweise ‚Über die Straße
gehen (Ampel)’ strukturieren? Ist doch ganz
einfach, kenne ich doch
genau!
2.
Beispiel zur didaktischen Analyse (Nutzung von ÖPNV)
Thema: Nutzung von ÖPNV (=öffentlichen Personennahverkehrsmittel)
Neueintragung vom 02.05.2004
Lernbereich: „ÖPNV-Benutzerin/Benutzer“
Thema: „Mit dem Bus fahren“
Grobziel: Die Schülerinnen/Schüler sollen mit Hilfe den Bus als ÖPNV nutzen
können“
Individualspezifische Feinziele:
Nadine, Carin:
Sollen das Ziehen des Fahrscheins ohne Hilfe erlernen
(durch computerunterstützende bildlich-sprachliche
Präsentation)
7
Cindis, Meike, Ursula: Sollen im Rollenspiel mit Hilfe den Kauf von
Fahrscheinen erlernen (Handlungsablauf)
Hartmut, Carola:
Sollen gemeinsam den Handlungsablauf des Ziehens
eines Fahrscheins durch (eigene) Fotodokumentation
auf der anschaulich-bildlichen Handlungsebene
nachvollziehen
Aufgabenstellung: Sachstruktur
Bitte erstellen Sie eine Sachanalyse (mit Reduktion) zu dem
gestellten Unterrichtsthema

Aufbau der Unterrichtsreihe
Thema: Mit dem Bus fahren
Grobziel : Bus nutzen können
1. Unterrichtsgang mit der
Videokamera und dem
Fotoapparat: ÖPNV der Region
aufnehmen
1. Schulung der visuellen
Wahrnehmung: öffentliche
Verkehrsmittel der Stadt/Umgebung
erleben, erkennen und
dokumentieren
2. Das sind die ÖPNV der Region
(gemeinsame Dokumentation
erstellen)
2. Bildliche und symbolisch-abstrakte
Wiedererkennung der ÖPNV (mit
Computerunterstützung)
3. Das ist mein Weg von Daheim zur
Schule (unter Nutzung von Fotos)
Kontinuierliche Einheit
3. Erkennen und berücksichtigen von
Orientierungsmerkmalen (Weg zur
Bushaltestelle, während der Fahrt bis
zum Ziel)
4. Wir üben das Ziehen von
4. Handlungsablauf des Ziehens von
Fahrscheinen im Bus (Rollenspiel)
Fahrscheinen im Bus nachvollziehen
5. Wir üben das Ziehen von
Fahrscheinen im Bus
(Rollenspiel)
6.-12. Wir besuchen uns gegenseitig
(ÖPNV-Bus)
5. Handlungsablauf des Ziehens von
Fahrscheinen im Rollenspiel
einüben/habitualisieren
6.-12. Handlungsablauf des Ziehens von
Fahrscheinen im Bus einüben und
die Nützlichkeit der Nutzung eines
ÖPNV erleben (hier: Mitschüler
besuchen)
8
13. Auf Durchsagen im Bus müssen
wir achten
13. Erkennen (auditive Wahrnehmung)
und berücksichtigen im Handeln der
akustischen Durchsagen (hier:
nächste Haltestelle …;
Ausstiegshaltestelle; Verspätung etc.
…)
14. …
15. …
Aufgabenstellung: Gegenwarts-, Zukunfts-, exemplarische
Bedeutung
Bitte fertigen Sie eine ‚didaktische Analyse’ an
Aufgabenstellung: Zugänglichkeit
Bitte stellen Sie dar, welche Situationen, Motivationen, etc. Sie sich
vorstellen könnten, die die Schülerinnen und Schüler dazu
anregen, sich mit der Thematik auseinander zu setzen.
Wählen Sie dazu eine Stundeneinheit aus (s.o.)
3. „Es gibt keine Sachanalyse“ (Meyer)
L. sitzt am Schreibtisch und verzweifelt. L. soll eine Stunde planen und L weiß nicht,
durch welche Einzelschritte die Aufgabe, den morgigen Unterricht zu gliedern,
gelingen kann. Soll L. zuerst mal über die Inszenierung nachdenken oder doch lieber
eine Sachkenntnis gewinnen oder noch mal grundsätzlich den Kopf schwer machen
damit, ob L. überhaupt diesen Inhalt anbieten soll. Macht der überhaupt Sinn für die
Schüler? Oder lieber doch produktives Chaos? Was soll die blöde Planerei
überhaupt für einen Sinn machen? Irgendwie lernen die Sch. schon ‚Rot, Gelb, Grün’
– also jedenfalls irgendwie…
9
Was würde ich vorschlagen zum
Thema ‚Verkehrserziehung’?
Warum sagt Hilbert Meyer, es gibt
keine ‚Sachanalyse’?
Wir alle haben ein Bild der Klasse, der SchülerInnen, der wünschenswerten
Kompetenzen und Ziele, der uns möglichen Inszenierung immer schon vor Augen.
Unterrichtsvorbereitung ist immer ein ganzheitlicher Akt. Es ist NICHT so, dass wir
einzelne Schritte isoliert voneinander planen: Im Gegenteil, wenn wir über die
Methoden nachdenken, haben wir auch schon die Sozialformen und die Medien im
Kopf, auf unserer ‚inneren Bühne’ sind wir im Klassenzimmer und agieren mit den
Schülern, sehen jede/jeden Einzelnen.
Fazit: Hilbert Meyer sagt, es gibt keine Sachanalyse, weil ‚Sachanalyse’ suggeriert,
man könne die reine ‚Sache’ (hier: Verhalten im Straßenverkehr) analysieren. Die
Sache, um die es geht, steht aber immer schon in einem didaktisch-methodischen
Kontext.
Um das zu verdeutlichen, was H. Meyer hier ausdrücken will, sei vorgestellt,
wie ein bildungstheoretischer Ansatz (Klafki) vorgeht:
Ermittle den fachwissenschaftlichen Stand (Sachanalyse)
Entscheide, welche elementaren Strukturen, Probleme
bestehen (didaktische Analyse)
Überlege, in welcher Reihenfolge, an welchen Inhalten, Methoden etc. diese
Strukturen und Probleme den Schülern vermittelt werden können (methodische
Analyse)
10
Was ist an diesem ‚Dreischritt’
problematisch?
Hier soll ein bildungstheoretischer Ansatz vorgestellt werden. Dieser geht wie
folgt vor:
Lebenssituationen der Schülerin/des Schülers
Bestehend aus:
Kompetenzen zur subjektiven Sinnstiftung der Lebenssituationen
Welche Kompetenzen könnten das sein?
Was heißt ‚subjektive Sinnstiftung’?
11
Wie wähle ich aus der Vielzahl der Lebenssituationen aus?
Sachanalyse hilft uns zu klären, wie ein einmal gefundenes Thema strukturiert
werden kann. Wir ‚entflechten’ eine Sache, d.h. wir schauen uns die einzelnen Teile
einer Sache genauer an. Es geht also um den Lerngegenstand, um die Aufhellung
der Sachstruktur, um das Verhältnis Lehrer-Lerngegenstand.
Wir meinen zwar, dass beispielsweise eine ‚Ampel zu überqueren’ so simpel sei (weil
das zu unserer Gewohnheit gehört), dass wir keine Sachanalyse durchführen
müssten, aber …
3.1. Entflechtung und Reduktion
Eine Sachanalyse muss der Lehrerin/dem Lehrer helfen, die Frage zu beantworten,
wie das Thema strukturiert ist. Dazu müssen wir zunächst etwas über die ‚Sache’
wissen, um die es geht. Dann sollten wir die Lebenssituationen der Schüler im Blick
haben, d.h. ein Unterrichtsthema soll an die Wirklichkeit (vergangene, jetzt,
zukünftige … ) der Schülerin/des Schülers anknüpfen, ebenso wie es die Wirklichkeit
der Schülerin/des Schülers (Kompetenzen, Bedürfnisse, Wünsche, Grenzen..)
berücksichtigt. Wenn wir Unterricht planen, so müssen wir fortwährend
Entscheidungen treffen. Diese hängen von uns und unseren Kompetenzen ab, von
der Teamsituation, …
Entscheidungen können abhängen von
Soll die Schülerin/der Schüler an seinen Kompetenzen anknüpfen können und zum
erfolgreichen und sinnvollen lernen geführt werden, so muss das
12
Projekt/Vorhaben/Unterrichtsreihe/Unterrichtseinheit/Experiment etc. auf
Anforderungen, die an die Schülerin gestellt werden, analysiert werden. Z.B. was
kann eine Schülerin, so dass sie einen bestimmten Buchstaben lernen kann, einen
Turm bauen, die Leserichtung verfolgen kann, einen Flaschenöffner sachgemäß
handhaben kann, eigenes Wohnen trainieren kann, die Straße an der Ampel
überqueren kann…
Was muss eine Schülerin können, damit sie an der Ampel die Straße mit Hilfe
überqueren kann?
Dieter Fischer (1978,108) spricht von einer notwendigen „Reduktion“ der
entflochtenen Sache/des Unterrichtsangebotes.
Damit ist eine Reduktion der Sache (des Themas, des Bildungsgehaltes) auf
das
 Wesentliche der Sache
gemeint (ohne dass der Gesamtzusammenhang
darunter leidet!!!)
und das
 Wesentliche im Sinne der SchülerInnen
3.2. Beispiel
Bitte fertigen Sie eine Sachanalyse (mit Reduktion) zu dem Thema
„Verkehrserziehung“ in der Mittelstufe einer SfG an. Ihre Schülerinnen und
Schüler hatten bislang keinen Verkehrsunterricht. Die Klasse besteht im
Wesentlichen aus Schülerinnen, die zwischen den Handlungsniveaustufen
bildlich und abstrakt-symbolisch liegen. Deutlich ist ein eher unsozialer
Klassenverband (Einzelkämpfer) mit vielen Verhaltensauffälligkeiten.
13
3.3.
Sie wollen in Ihrer Klasse mit Ihrer Kollegin/dem Kollegen eine
Unterrichtsreihe von ca. 8 Stunden schlüssig entwickeln
3.4.
Bitte erstellen Sie mit Hilfe dieses Rasters eine logisch aufgebaute
Unterrichtsreihe und geben Sie die anvisierten Kompetenz(en) und
Zielstellungen an:
Oberthema der Stunden
1.
Grobziel/Kompetenz
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
14
Einfügung am 26.5.2004:
A.
Vorschlag einer Sachanalyse mit Reduktion
Funktion der Ampelanlage
- Farben (Rot, Grün)
- Bedeutung und Handlung
- Druckknopf
- Verhalten an der Ampelanlage
- …
Straßenverkehr
- Verkehrsteilnehmer (PKW,
LKW, Zweiräder, Menschen,
Tiere) und deren Verhalten
- Verhalten der Verkehrsteiln.
(Geschwindigk., Bewegung)
- ….
Die Straße an der Fußgängerampel
überqueren
Überqueren der Straße an der Ampelanlage
- Verhalten: Ampel steht auf ‚Rot’:
Stehenbleiben
Druckknopf bedienen
warten, bis die Ampel auf ‚Grün’ schaltet
kurz versichern (rechts und links schauen),
ob kein VT kommt
zügig die Straße überqueren
oder
- Verhalten: Ampel steht auf ‚Grün’:
Versichern, dass kein VT fährt
Zügig die Straße überqueren
- ….
B.
Auf dem Fußgängerweg gehen
- nicht zu nah an der Straße
gehen
- auf andere F. achten
- nicht laufen und raufen
- zügig gehen
- ….
Vorschlag zur Schichtung der Unterrichtseinheiten
Oberthema: Die Straße an der
Fußgängerampel überqueren
1. Unterrichtsgang: Besuch bei der
Mitschülerin Karin
Grobziel: Mobilitätstraining im
Straßenverkehr
Einführung in/Motivation für das Thema
durch sinnbezogene Aktivität
15
2. Die Ampelanlage hat zwei Farben:
‚Rot’ und ‚Grün’
Visualisieren, Erkennen in der Bedeutung
der Farben Rot und Grün im Rahmen
einer Ampelanlage
3. wie zweite Unterrichtseinheit
Vertiefung/Wiederholung anhand von
veränderten Medien
4. Die Ampelanlage hat einen
‚Druckknopf’
Visualisieren, Erkennen in der Bedeutung
und Handhabung des Druckknopfes
5. Unterrichtsgang: Besuch einer
Mitschülerin
Handhabung des Druckknopfes
kennenlernen
6. Worauf muss ich achten, wenn ich
die Straße überquere?
Sensibilisierung für Gefahren und
Vorsichtsmaßnahmen
.......
C.
Didaktische Analyse erstellen
Exemplarische Bedeutung
Das Thema „Wir überqueren eine Straße an der Fußgängerampel“ ist exemplarisch für die
Festigung, Erweiterung von ‚Mobilität’. An diesem Beispiel können die Schülerinnen und
Schüler der Unterstufe besonders gut die Bedeutung der Mobilität erlernen: eine(n) andere(n)
MitschülerIn besuchen, Einkäufe tätigen usw. Flexibel/Mobil zu sein, eigenständig bzw. mit
Hilfe Orte erreichen zu können, bedeutet eine Festigung der Selbständigkeit, eine Erweiterung
der Tätigkeitsbereiche, eine Unabhängigkeit von festen Orten und Bezugspersonen. Bei der
unterrichtlichen Inszenierung können zudem Umgangsweisen mit der Fußgängerampel, dem
öffentlichen Verkehr geübt werden, z.B. beobachten, wahrnehmen, erkennen und nutzen der
Ampel. Hier zeigt sich auch die Notwendigkeit eines ‚passenden’ Verhaltens innerhalb der
Gemeinschaft/Gesellschaft.
Das Thema soll eine Einführung in ‚Mobilität’ insgesamt darstellen, wobei diese Thematik im
sinne des Spiralprinzips in den kommenden Fördereinheiten umfassender aufgegriffen und
aufgearbeitet (=erarbeitet) wird. Die Einsicht, sich adäquat im Straßenverkehr verhalten zu
können und so eine Mobilitätserweiterung zu erfahren, soll durch die Nutzung von
öffentlichen Verkehrsmitteln (mit dem Bus fahren) erweitert werden. Die Unterrichtsgänge
16
werden zunehmend ‚gesplittet’, d.h. sie werden nicht mehr mit der ganzen Gruppe, sondern
mit je drei Schülerinnen durchgeführt im sinne eines ‚Begleittrainings’.
Gegenwartsbedeutung
Unter dem Gesichtspunkt des Zugangs ist festzuhalten, dass alle Schülerinnen und Schüler der
Klasse die Überquerung der Straße an der Fußgängerampel bereits als ‚unthematisches
Vorwissen’ in ihrer Lebenswelt erfahren haben und z.T. auch kennen. Hier geht es um einen
lebensweltorientierten Unterricht, der Vorwissen thematisch macht bzw. irritiert, um die
Mündigkeit der Schülerinnen zu stützen. Den Schülern ist z.T. bekannt, dass und wie sie die
Fußgängerampel nutzen, d.h. welche Handlungsabläufe/Verhaltensweisen notwendig sind,
damit die Straße ohne Gefahren überquert werden kann. Nicht deutlich bleibt ihnen weiterhin
das Ausmaß der Freiheit, der Mobilität, das sie durch die Erweiterung ihrer Räumlichkeit
erfahren können (mobil sein: Arbeitsplatz alleine erreichen, Freunde besuchen können,
einkaufen, Freizeit gestalten etc.).
Zukunftsbedeutung
Es gehört zur Allgemeinbildung, zu wissen, wie eine Straße überquert wird, wie eine
Fußgängerampel zu nutzen ist. Für die Schüler ist dieses Wissen insofern von Bedeutung, als
es ein konkretes Handlungswissen ist, das realitätsnah dargeboten wird und Folgen für die
Gestaltung ihrer Lebenswelt erkennen lässt. Es steht zu vermuten, dass viele von ihnen
vielleicht später in einem betreuten Wohnverhältnis leben werden; vielleicht kann davon
ausgegangen werden, dass einige auf dem ersten Arbeitsplatz eine Arbeit finden bzw. in der
WfB arbeiten werden. Sie bleiben abgeschottet, es droht Einsamkeit, Isolation, wenn sie nicht
aus ihrer konkreten Arbeits- und Wohnwelt ‚hinaus’ ins Leben gehen können. Mobilität ist
ein lebenspraktisches Thema, das Realität als Bedingung prägt: sich von einem Ort zu einem
anderen bewegen können (und sei dies noch so ‚klein’ oder nuanciert), ist Voraussetzung für
ein ‚bewegtes Leben’. Immobilität bedeutet Erstarrung, Isolation, Verharrung und Ausschluss
von der Gemeinschaft.
Struktur
- In welchem Sinnzusammenhang steht das Thema und wie sind die einzelnen Momente
verbunden?
- Ist der Inhalt ‚geschichtet’? Gibt es verschiedene Sinn- und Bedeutungsschichten?
- Was könnte den Schülerinnen/Schülern den Zugang zur Sache erschweren bzw.
erleichtern?
Momente
- Fußgängerampel kennen und nutzen
- Straße überqueren unter Einschätzung von Gefahren
- Sinn der Kompetenz erkennen
Für das Thema ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler der Unterstufe die
Fußgängerampel, das Überqueren der Straße als unthematisches Vorwissen/ Handlung/
Verhalten bereits ‚kennen’. Der Wirkzusammenhang selbst, also die hohe Bedeutung der
anderen Momente wird und soll eine didaktische Folge des Unterrichts sein.
Das Thema weist aus meiner Sicht neben der ‚Sachebene’, d.h. neben der
Handlungskompetenz selbst (=Überqueren der Straße) noch eine andere Ebene auf: Visuelle
Ebene – wahrnehmen, fixieren der Farben (Rot, Grün) und deren Bedeutungen und die Ebene
17
des Verhaltens (‚geduldiges Warten’: hier werden bei einigen Schülerinnen und Schülern
Probleme zu erwarten sein). Zwar sind den Schülern die Bedeutung der Farben einer
Fußgängerampel bekannt, aber sie verfügen wahrscheinlich nicht oder nur sehr schwer über
die notwendige Geduld des Wartens.
Vorausgegangen sein müssen Kenntnisse über das Verhalten auf der Straße. Als
Mindestwissen/Handlungskompetenz muss daher das Verhalten auf der Straße nicht nur
unthematisch, sondern klar und deutlich bewusst sein.
Zugänglichkeit
Es gibt generell einmal in der Woche einen ‚Unterrichtsgang’, der sich aufs Einkaufen,
Besuch bei der Post etc. bezieht. Bislang wurde jedoch die Überquerung der Straße an der
Fußgängerampel nicht thematisiert. Die Schülerinnen/Schüler haben diesen Vorgang mit
vollzogen, aber der Lehrer/Zivildienstleistende/Praktikantin hat vorwiegend die Regie dieses
Vorgangs übernommen.
Die an dieser Unterrichtseinheit gewonnenen Einsichten können im künftigen Unterricht
aufgegriffen und erweitert werden: zu dritt (m.H./o.H.) einkaufen gehen, eine Mitschülerin
besuchen etc.
4.
Zum ‚Hintergrund’ der Didaktischen Analyse
In den 60er Jahren entstanden vielfältige bildungstheoretische Reflexionen zur
Didakik. Besonders die Arbeiten von Wolfgang Klafki sind beachtet worden: Klafki
hatte bei Wolfgang Weniger studiert, einem Göttinger Pädagogen (daher auch:
‚Göttinger Didaktik’ anstatt bildungstheoretische Didaktik).
4.1. Zu der Herkunft, den Autoren der
‚Bildungstheoretischen Didaktik’
Klafki hat einen damals konkurrenzlosen Leitfaden für die Unterrichtspraxis
gewonnen. Er wurde 1927 in Ostpreußen geboren und studierte an der PH
Hannover, wurde dann Lehrer. Er begann aber dann ein zweites Studium der EZW
bei Litt und Weniger. In den 60er Jahren wurde er Prof für EZW in Marburg.
Was heißt nun ‚bildungstheoretische’ Didaktik?
Wie der Name schon sagt, wird hier versucht, ein Konzept zur
Unterrichtsvorbereitung auf der Grundlage einer Theorie der ‚Bildung’ zu entwickeln.
Weil diese Didaktik sich auf Unterricht bezieht, nicht jedoch auf eine berufliche
Ausbildung, spricht man auch von „Allgemeinbildung“. Klafki hat diesen Begriff
untersucht und er beschreibt als klassische bildungstheoretische Grundfrage, womit
(mit welchen Inhalten und Gegenständen) man sich beschäftigen und
auseinandersetzen müsse, um zu einem Leben in Menschlichkeit, in gegenseitiger
Anerkennung. In Freiheit und Gerechtigkeit untereinander, in Glück und
18
Selbsterfüllung zu kommen und dies alles vernunftgeleitet und selbstbestimmt (vgl.
Klafki 1986, 461).
Merksatz zum Ziel der Bildung: Bildung und Erziehung haben für Klafki die Aufgabe,
dem unmündigen Menschen zur Mündigkeit zu verhelfen.
Mit dem Ziel der ‚Mündigkeit’ fangen die Probleme an: Wie verstehen wir
‚Mündigkeit’? Sollen oder können wir diesen Begriff auch für die BHP übernehmen?
Oder wäre uns die normative Forderung der ‚Selbständigkeit’ oder
‚Selbstbestimmung/Autonomie’ lieber? Was soll denn dann ‚Gebildet-Sein’ heißen?
4.2. Zum Normproblem
Die klassische Bildungstheorien (Humboldt 1767-1835; Pestalozzi 1746-1827;
Herbart 1776-1841; Schleiermacher 1768-1834) und Klafkis Einsichten weisen vier
gemeinsame Charakteristika auf:

Bildung als Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung
Das ‚übersetze’/’fülle’ ich so………

Bildung als Bildung jedes einzelnen Individuums innerhalb des gesamten
historisch-kulturellen-gesellschaftlichen Zusammenhangs
Das ‚übersetze’/’fülle’ ich so….

Bildung der Individualität
19
Das ‚übersetze’/’fülle’ ich so…

Bildung im Zusammenhang der Gemeinschaft
Das ‚übersetze’/’fülle’ ich so…
Merksatz zur Allgemeinbildung: Allgemeinbildung bezeichnet innerhalb der
bildungstheoretischen Didaktik die Fähigkeit eines Menschen, kritisch,
selbstbewusst, solidarisch und sachkompetent zu denken und zu handeln.
Allgemeinbildung sei der Weg, seine Fähigkeiten zur vernunftgeleiteten
Selbstbestimmung im Kontext gesellschaftlich-kultureller Wirklichkeit; sie muss aber
vom einzelnen Individuum selbst verwirklicht werden in der Auseinandersetzung mit
der Gemeinschaft/Gesellschaft (vgl. Klafki 1986).
Vernunftgeleitete ‚Selbstbestimmung’ oder ‚Mündigkeit’ sind Schlüsselbegriffe der
Aufklärung. Kant (1724-1804), die Leitfigur der Aufklärung in Deutschland definierte
Aufklärung wie folgt: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner
selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines
Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ (Kant 1966, 53/A 481).
Was heißt das nun für den Unterricht konkret?
Wenn wir versuchen, Selbstbestimmung oder Mündigkeit zu definieren, gerät man in
Schwierigkeiten oder auch Streit: Ist mündig, wer reaktionäre Politik ablehnt oder wer
die Grünen wählt? Ist mündig, wer zwei Fremdsprachen beherrscht oder etwa der,
der das Lernen gelernt hat und selbstständig den Umgang mit dem Computer einübt.
Oder bezieht sich Mündigkeit und Selbstbestimmung auf die Inanspruchnahme von
Rechten und Pflichten? Oder ist schon selbstbestimmt, wer zwischen Kakao und Tee
wählen kann? Oder die, die mit Unterstützung gemeindeintegriert wohnt?
Auch wenn wir versuchen, wie dies Jank und Meyer (o.Z.) tun, zu beschreiben, wie
sie sich von Unmündigkeit und Fremdbestimmung abgrenzen, geraten wir in
Dichotomien. Sie sagen: Erziehung und Unterricht habend die Aufgabe, den jungen
Menschen zu befähigen, sich von seinen Lehrerinnen/Lehrern zu emanzipieren.
Damit könne man dieses Ziel überprüfen, indem man sieht, ob die Schülerin/der
20
Schüler sich von den Pädagogen begründet abwendet und statt ihrer Normen und
Bildungsangebote, eigene Normen und Bildungsangebote aufgreift.
Klafki hat versucht, eine positive Bestimmung dessen zu überwinden, was Unterricht
und Schule unter dem Anspruch von ‚Mündigkeit’ oder ‚vernunftgeleiteter
Selbstbestimmung’ bewirken soll, zu umgehen und das führte ihn 1959 zur
Forderung nach „kategorialer Bildung“. Grundlagen dieser kategorialen Bildung sind
die ‚klassisch bildungstheoretischen’ Überlegungen (s.o.). Dazu gehört, dass Bildung
eine Form der Auseinandersetzung des einzelnen Menschen mit der ihn
umgebenden Welt ist: also mit der vorfindlichen, historischen, politischen,
gesellschaftlichen, ökonomischen etc. Wirklichkeit. Bildung ist also nach Klafki nur in
einem funktionierenden, lebendigen kulturellen Traditionszusammenhang möglich.
Das ist ein konservativer Zug der bildungstheoretischen Didaktik, auch wenn Klafki
selbst seit 1970 versucht hat, sie auf der Grundlage der kritischen Theorie der
Gesellschaft (Frankfurter Schule, Adorno, Horkheimer) zu einer „kritischkonstruktiven“ Position weiterzuentwickeln.
Worin besteht denn nun der konservative Zug?
Dieser wird deutlich an der Tatsache, dass Klafki sich wenig Sorgen machte darüber,
woher denn die Unterrichtsinhalte kommen sollen, die Lehrerinnen/Lehrer in der
didaktischen Analyse auf ihren Bildungsgehalt hin überprüft?
Die Unterrichtsinhalte waren durch Richtlinien, Lehrpläne, Lehrbücher einfach
‚vorgegeben’. Genau das ist auch einer der Hauptpunkte der heftigen Kritik gewesen,
der sich sein Modell gegenübersah.
Meine Antwort darauf, woher ich die Unterrichtsinhalte in meinem Unterricht nehme,
lautet …
Der Konservatismus kommt auch daher, dass es den bildungstheoretischen
Didaktikern schwer fällt, Mündigkeit, Selbstbestimmung, Allgemeinbildung ‚positiv’ zu
bestimmen. Die Kritik nach Jank/Meyer hört sich daher so an:

„Man kann den Satz, Bildung sei Befähigung zur vernunftgeleiteten
Selbstbestimmung und zur Mündigkeit nicht empirisch belegen.

Es ist aus logischen Gründen unmöglich, Selbstbestimmung, Mündigkeit,
Allgemeinbildung
aus
irgendwelchen
übergeordneten
Prinzipien,
Weltanschauungen
oder
Weltverbesserungsformeln
wissenschaftlich
21
abzuleiten. Denn dazu sind immer Zuatzentscheidungen erforderlich, die
logisch in der Prämisse nicht drinstecken.

Man kann jedoch in historischen Analysen zur Geschichte der Didaktik
nachweisen, dass seit der Aufklärung (also: Rousseau, Kant, Pestalozzi,
Humboldt, Herbart, Schleiermacher) immer wieder die Idee der Erziehung zur
Mündigkeit/Selbstbestimmung auftaucht, verteidigt wurde und vorgelebt
worden ist!“
Wir sehen, dass das Normproblem in der Didaktik problematisch ist. Ein konkretes
Beispiel:
Unbestritten ist, dass es für Schülerinnen/Schüler interessant ist, Musik zu hören/zu
machen. Ein Großteil der Schülerinnen/Schüler der SfG werden daher mit Musik aus
der Sparte ‚besonders geeignet für Geistigbehinderte’ erfreut. Klassik, Rap oder
Rockmusik werden eher selten angeboten, obwohl sie zur Lebenswelt der
Schülerinnen/Schüler gehören. Darauf kann man nun mit mehreren plausibel
klingenden, aber sich widersprechenden Forderungen für den Musikunterricht
antworten:

Musikunterricht soll einen großen Bogen um Rap machen, weil es ja gerade
darum geht, ihre Erfahrungsfähigkeit zu erweitern. Sie werden aber in ihrem
täglichen Leben mit Rap dauern konfrontiert, so ist ihnen die Musik näher zu
bringen, die ihnen nicht jeden Tag im Ohr liegt.

Musik muß Rap einbeziehen, um die Schülerinnen/Schüler an dieser Musik
deren musikalische Dürftigkeit und textliche Armut und daher die
Manipulationsmechanismen einer ‚Kulturindustrie’ klar zu machen – mit dem
Ziel, die Schüler zur Klassik zu führen

Musikunterricht kann auch Rap einbeziehen, wenn es dadurch gelingt, die
Schülerinnen/Schüler zu motivieren, sich dann auch mit der Klassik zu
beschäftigen.

Musik muß Rap einbeziehen, weil sie ein wesentliches Merkmal der Freizeitaktivitäten, der Entspannung von Jugendlichen ist und ihre Erfahrungen,
Emotionen, Sehnsüchte ausdrückt. Sie haben ein Recht darauf, ihre
Erfahrungswelt um Musikunterricht anerkannt zu wissen, anstatt sie dort als
abgewertet zu erleben. Außerdem lernen sie dadurch, sich auszudrücken.

Musikunterricht muß primär Unterricht in ‚Rapmusik’ sein, weil sie die
musikalische Erfahrungswelt der Schüler bildet, weil der Musikunterricht
dadurch für sie lustvoller, lebensbezogener und realistischer erlebt wird und
weil ein Großteil der Schülerinnen/Schüler ihr Leben lang sowieso nie in
Berührung mit Klassik kommen wird.
Was können wir an einem solchen Beispiel erkennen?
Es lässt sich erkennen, dass in Wirklichkeit nicht aus der Tatsache, dass die
Schülerinnen/Schüler bestimmte außerschulische Vorlieben haben, Folgerungen
gezogen werden können. Diese Tatsache ist höchstens dafür von Bedeutung, dass
22
sie einen Ausgangspunkt für die Einbeziehung von Normen darstellt, die damit
eigentlich nicht ursächlich zusammenhängen. Welche Normen sind das?
An einem solchen Beispiel erkenne ich folgende Ausgangspunkte für Normen …
(bitte in einem Satz formulieren)
Zum 1. Punkt:
Zum 2. Punkt:
Zum 3. Punkt:
Zum 4. Punkt:
Zum 5. Punkt:
Was hier geschieht, kann man – wie Jank/Meyer dies auch tun – in einem Schaubild
darstellen:
Beobachtete
und analysierte
Tatsachen
exakte Schlußfolgerung
Handlungsorientierung für die
Unterrichtspraxis
In Wirklichkeit geschieht aber dieses:
Beobachtete
und analysierte
Tatsachen
Handlungsorientierung
für die Unterrichtspraxis
Bewertung durch Normen,
Voreinstellungen, Vorurteile (teils bewusst, teils
Unbewusst)
23
Diese drei Felder, also beobachtete Tatsachen, Normen und Handlungsorientierung
liegen auf unterschiedlichen logischen Ebenen. Denn wer meint, aus beobachteten
Tatsachen ohne Zuhilfenahme von Normen Handlungsorientierungen logisch
ableiten zu können, lügt sich etwas in die Tasche.
Merksatz zum Normenproblem: Aus der Analyse der Unterrichtswirklichkeit, ihrer
Vorbedingungen, Voraussetzungen und Folgen kann nicht unmittelbar auf das
pädagogisch Wünschenswerte oder auf eine bestimmte wünschenswerte
Orientierung pädagogischen Handelns geschlossen werden.
Gerade, weil die bildungstheoretischen Didaktiker um diese Probleme wissen,
bleiben sie doch auf dem Prinzip der Erziehung zur Mündigkeit, Selbstbestimmung
bestehen. Sie halten dies für ein wichtiges Moment einer ‚konkreten erzieherischen
Utopie’. Sie beziehen Bildung zurück auf die Auseinandersetzung mit der
vorfindlichen Welt und halten damit die Spannung zwischen Utopie und
gesellschaftlicher Wirklichkeit der Unfreiheit in einer Spannung.
4.3. Die drei Ebenen der Didaktik
Leider müssen wir uns noch ein wenig mit ‚allgemeiner Theorie’ geschäftigen, das
heißt mit den drei Ebenen der Didaktik.
Nach-Denken über Unterricht ist nicht dasselbe wie der Unterrichtsprozess oder
Unterrichtsvollzug.
A
Prozessebene:
Konkreter Unterrichtsvollzug im Sinne
Eines gemeinsamen Handelns von Lehrerinnen
Lehrern und Schülerinnen/Schülern über eine
Sache
B
Ebene Analyse und Planung:
Analyse von Unterrichtsprozessen
und Rahmenbedingungen (Deskription)

C
Planung von Unterrichtsprozessen und Rahmenbedingungen
(Präskription)
Ebene -B- ist die sogenannte Metaebene. Das heißt, hier wird allgemeiner
über Unterricht nachgedacht. Also nicht über den Unterricht bei Frau
Ratzelbatz/Herr Ratzelbatz in der Unterstufe der SfG in Ringelbach, sondern
unabhängig von Personen oder Klassen, Stufen und bestimmten Schulen.
Hier geht es um Aussagen, die sich nur mittelbar auf Unterrichtsvollzüge
beziehen. Beispiel: Individuelle Entwicklungsplanung (Trost): sie wird
24
allgemein diskutiert für alle Schulen, um eine individuelle erzieherische
Hilfestellung auch leisten zu können.
Merksatz zur Metaebene: Verallgemeinerbare Reflexion über grundsätzliche
Strukturmomente von Unterrichtsprozessen, -planung und –analyse und ihre
Rahmenbedingungen.

Ebene –C- ist die sogenannte Ebene der Analyse und Planung. Hier geht es
um die konkrete Unterrichtsplanung von Frau Ratzelbatz/Herr Ratzelbatz in
der Unterstufe der SfG in Ringelbach. Sie ist nicht unabhängig von Personen,
Klassen etc. Hier geht es um Aussagen, die sich direkt auf Utnerrichtsvollzüge
beziehen. Beispiel: Anwendung der IEP (Trost) für die Kinder meiner Klasse.

Die Ebene –A- ist die sogenannte Ebene des konkreten Unterrichtsvollzugs.
Unsere Wahrnehmungen und Beobachtungen fließen in unsere spätere
Reflexion und Analyse oder Planung des Unterrichts ein. Der Unterricht selbst
richtet sich weitgehend nach unserer Planung, aber im konkreten Unterricht
von Frau Ratzelbatz/Herrn Ratzelbatz ereignet sich Bildung, d.h. Intentionen
der Schüler und meine Intentionen ‚brechen’ aneinander (Mollenhauer), so
dass ein Drittes, Neues entsteht. Das Neue konnte nur durch meine
spezifische Inszenierung des Unterrichts entstehen, aber es lebt nicht allein
davon, sondern von der Begegnung zwischen Sch-L-Sa.
Merksatz: Bildungstheoretische Didaktik geht von der ‚Dignität der Praxis’
(Schleiermacher) vor der Theorie aus. Das heißt, dass die ‚Begegnung’ zwischen
Erzieher, Schüler und Sache grundlegend sind. Aus ihr erwachsen die für
Planung/Reflexion notwendigen Einsichten.
5.
Kategoriale Bildung
Der didaktischen Analyse geht es darum, festzustellen, was den ausgewählten
Lerngegenstand zum ‚Lern’gegenstand macht. Dies heißt: es geht um die
Erforschung seiner Lernstruktur. Fragen werden relevant wie: Mit welcher Absicht
und mit welchen didaktischen Intentionen habe ich diesen Gegenstand als
Lerngegenstand ausgewählt? Worin liegt die bildende Bedeutung? Worin liegt die
Bedeutung für die Schülerin/den Schüler? …
Folgende Fragen habe ich zum Lerngegenstand in Bezug auf den
geplanten Unterricht zur Verkehrserziehung …
25
Das Postulat der ‚Selbstbestimmung’ oder ‚Mündigkeit’ als Norm erzieherischen
Handelns ist noch derart abstrakt, dass der Pädagogin/dem Pädagogen, die konkrete
Entscheidungen auf der Inhalts-, Methoden- und Zielebene zu treffen haben, wenig
geholfen ist. Die bildungstheoretische Frage lautet daher: An welchen Inhalten, mit
welchen Methoden lernen Schülerinnen/Schüler selbstbewusst/mündig zu werden?
Wie diese Frage beantwortet wird, hängt davon ab, ob man deutlich der formalen
oder der materialen Bildung zuneigt.
Was bedeuten diese Begriffe und worum geht es dabei?
Es geht hier um die Frage, ob die/der als gebildet zu bezeichnen ist, die /der ganz
bestimmte Inhalte beherrscht. Dazu zählt z.B. den Zahlenraum zu kennen und sich in
ihm mathematisch bewegen zu können, die Vokabeln einer Sprache zu beherrschen,
Musikrichtungen unterschieden zu können (= materiale Bildungstheorie) etc. oder
aber jene/jener, die/der das Lernen gelernt hat (= formale Bildungstheorie).
Materiale Bildungstheorien gehen von den Inhalten bzw. der jeweils in Frage
stehenden Sache aus; sie fragen, welche Inhalte aus der vielfältigen Wirklichkeit so
wertvoll oder wichtig sind, dass Schülerinnen/Schüler sie lernen sollen.
Ihr Bezugspunkt ist die Sache oder das ‚Objekt’: Gebildet ist, wer ‚viel’ Wissen
angehäuft hat bzw. wer Goethe, Schiller gelesen und Beethovens IX gehört hat und
an ihnen sittliche und menschlich gereift ist.
Formale Bildungstheorien gehen von den zu erziehenden Schülerinnen/Schülern
und ihren subjektiven und/oder objektiven Bedürfnissen aus. Sie fragen, was für die
Schüler gegenwärtig, zukünftig wichtig ist.
Ihr Bezugspunkt ist das Kind oder das ‚Subjekt’: Gebildet ist, wer die in ihm
schlummernden körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte tatsächlich entfaltet
26
hat. Oder aber, wer das Lernen gelernt hat, Methoden beherrscht und instrumentelle
Fähigkeiten aufgebaut hat.
Warum kann man sagen, dass materiale/formale Bildungstheorien die
gesellschaftlichen Einflüsse, Erfordernisse nicht einschließen?
Welche der Bildungstheorien (formal oder material) vertritt die
Geistigbehindertenpädagogik derzeit?
Jank/Meyer stellen dies wie folgt dar:
Inhaltsauswahl
von der Sache her
vom Subjekt her
Materiale
Formale
Bildungstheorie
Klafki kritisiert beide Ausprägungen als einseitig, wobei er einschränkend sagt: „ …
dennoch konnten auch die kritischen Bemerkungen … die Tatsache nicht verleugnen, dass in jedem dieser vier Ansätze ein Wahrheitsmoment sichtbar wird, … „
(Klafki 1963, 38).
Und wie ‚entscheidet’ sich Klafki? „Bildung ist kategoriale Bildung in dem Doppelsinn,
dass sich dem Menschen eine Wirklichkeit kategorial erschlossen hat und dass eben
damit er selbst – dank der selbstvollzogenen kategorialen Einsichten, Erfahrungen,
Erlebnisse – für diese Wirklichkeit erschlossen worden ist.“ (Klafki 1963, 44).
27
Merksatz: Er fügt nicht einfach alle Theorien zusammen, sondern sagt, dass sie sich
dialektisch aufeinander beziehen müssen. Dies soll die Kategoriale Bildung erreichen
und das heißt: Sie soll die objektbezogene Seite (=material; Sache) der Didaktik mit
der subjektbezogenen Seite (=formal; Schüler) der Didaktik dialektisch verschränken.
„Bildung nennen wir jenes Phänomen, an dem wir – im eigenen Erleben oder im
Verstehen anderer Menschen – unmittelbar der Einheit deines objektiven
(materialen) und eines subjektiven (formalen) Momentes innewerden. Der Versuch,
die erlebte Einheit der Bildung sprachlich auszudrücken, kann nur mit Hilfe
dialektisch verschränkter Formulierungen gelingen: Bildung ist Erschlossensein einer
dinglichen und geistigen Wirklichkeit für einen Menschen – das ist der objektive oder
materiale Aspekt; aber das heißt zugleich: Erschlossensein diese Menschen für
diese seine Wirklichkeit – das ist der subjektive oder formale Aspekt zugleich im
‚funktionalen’ wie im ‚methodischen’ Sinne.
Entsprechendes gilt für Bildung als ‚Vorgang’: Bildung ist der Inbegriff von
Vorgängen, in denen sich die Inhalte einer dinglichen und geistigen Wirklichkeit
erschließen und dieser Vorgang ist – von der anderen Seite her gesehen – nichts
anderes als das Sich-Erschließen bzw. Erschlossenwerden eines Menschen für jene
Inhalte und ihren Zusammenhang als Wirklichkeit. Diese doppelseitige Erschließung
geschieht als Sichtbarwerden von allgemeinen, kategorial erhellenden Inhalten auf
der objektiven Seite und als Aufgehen allgemeiner Einsichten, Erlebnisse,
Erfahrungen auf der Seite des Subjekts“ (Klafki 1963, 43).
Es geht also darum, ob das, was wir den Schülerinnen/Schülern von der Welt zeigen
wollen, etwas Allgemeines, kategorial Erhellendes darstellt und ob die
Schülerinnen/Schüler bei der Arbeit an diesen Inhalten für diese ‚aufgeschlossen’
werden können. Zur Beantwortung dieser Frage schlug Klafki fünf Grundfragen vor,
die wir bereits in Kapitel 1. erarbeitet haben.
Merksatz didaktische Analyse: Sie soll zeigen, dass die Unterrichtsinhalt dazu
geeignet sind, im Sinn der kategorialen Bildung Schülerinnen und Schülern Inhalte
der Wirklichkeit zu erschließen und umgekehrt die Schüler für die Inhalte empfänglich
zu machen. Für die bildungstheoretische Didaktik ist die didaktische Analyse’ der
Dreh- und Angelpunkt jeder Unterrichtsplanung. Dies setzt eine entfaltete Theorie der
Bildung voraus.
28
Neueintragung vom 28.06.2004/Stinkes
Kategoriale Bildung oder ‚doppelseitige Erschließung’
= Erschlossen sein
= ‚Ansich-Fürmich’
= „Du kannst das Kind nicht in die Welt setzen,
ohne die Welt in das Kind zu setzen“
(Schleiermacher) – Pädagogische Übersetzung
= Assimilation und Akkomodation (Piaget) –
Psychologische Übersetzung (unter Vernachlässigung
der ‚Inhalte’)
= ‚aha’ – Erfahrung (unbewusst oder bewusst)
= ‚verkörpertes’ Wissen/Können
Subjektseite
=Formale Bildung
=Reflexive Dimension der Bildung
Bildung
Objektseite
=materiale Bildung
=transitive Dimension der
Wie ist das Verhältnis zwischen Subjekt- und Objektseite?
Es ist ein dialektisches Verhältnis zwischen formaler und materialer Bildung. Dialektisches Verhältnis
meint: Aufgehobensein, miteinander verwoben sein.
Als Lehrer/in frage ich: Wie eignen sich die Schüler Wissen/ Können/ Fertigkeiten/ Kompetenzen an?
Ich muss beide Seiten miteinander verschränken, verweben, d.h.
Weder können Inhalte unabhängig von der Schülerin/dem Schüler ‚einfach so’
angeboten werden, noch können allein die Schülerbedürfnisse – wünsche etc. im Mittelpunkt stehen.
Worum geht es da?
Schülerperspektive
Handlungs- und Entwicklungsniveaus
Lebenssituation, Lebensperspektive,
Bewegung der Selbsterkenntnis
Welche Fragen stelle ich?
Was brauchen die Schüler/inn/en?
…
Worum geht es da?
=Sach- oder Inhaltsperspektive/
=Wissen Fertigkeiten/ Können/
Kompetenzen
Welche Fragen stelle ich?
Welche Inhalte sollte ich vermitteln?
Was will/muss ich von der Welt
zeigen?
…
29
5.1. Das Elementare, Fundamentale, Exemplarische
Klafki (1957, 1985), Wagenschein (1954), Rumpf (1985) u.a. haben eine solche
Theorie der Bildung entfaltet. Ihr gemeinsames Denken geht von der Theorie des
Elementaren aus. Mit dem Begriff des Exemplarischen wird dabei versucht, der
Stoffülle Herr zu werden: ein Kind kann nicht alles lernen, sondern nur an
ausgewählten Beispielen. Aber die bildungstheoretische Didaktik geht davon aus,
dass nicht alles ‚bildet’, sondern es kommt auf das Verhältnis von Allgemeinem und
dem Besonderen an.
Elementar ist der Inhalt bzw. die Erfahrung, der/die einen besondern Fall/Beispiel
aufzeigt und damit das dahinter liegende allgemeine Prinzip erfahrbar macht.
Fundamental sind Erfahrungen, in denen grundlegende Einsichten auf prägnante Art
gewonnen werden. Solche Grunderfahrungen können nur ausgelöst, nicht eigentlich
unterrichtlich ‚inszeniert’ werden.
Merksatz: Unterrichtsinhalte sind dann erst bildend, wenn sie elementar im Hinblick
auf die Sache (im Besonderen ein Allgemeines zeigen) und wenn sie fundamental im
Hinblick auf die Schüler sind (Grunderfahrungen und grundlegende Einsichten).
Woran erkennen wir aber Inhalte, die elementar und fundamental sind?
Klafki sprach von Inhalten, die exemplarisch sein sollten: „Wo wir vom
Exemplarischen sprechen können, da liegt ein Verhältnis von Allgemeinem und
Besonderem vor, das am klarsten in der Beziehung von ‚Gesetz’ und ‚Fall’ zum
Ausdruck kommt“ (Klafki 1985, 93). Aber er sprach daneben auch von dem
Typischen, Repräsentativen, Klassischen, Zweckformen.
Das Besondere ist ein Beispiel (=Exempel), wie diese Erdbeermilch, diese
Straßenüberquerung, diese körperliche Kommunikationsform. Das Allgemeine ist hier
immer ein gedanklicher Zusammenhang: Typik, Repräsentativität, Zweckform. Das
Allgemeine wird nicht im Besonderen, sondern am Besonderen gewonnen.
Das Exemplarische hat zwei wesentliche Grundeinsichten:


Am Besonderen wird das Allgemeine sichtbar
Der besondere Inhalt steht stellvertretend für viele
Es geht also für die Pädagogin/den Pädagogen in ihrer Förderplanung darum, aus
der riesigen Menge aller möglicher Unterrichtsinhalte Einschränkungen vorzunehmen
und zu begründen, warum bestimmte Inhalte, die unterrichtet werden könnten,
trotzdem nicht unterricht werden sollen. Auf der Grundlage der Prinzipien
(Elementare, Fundamental, Exemplarische) kann begründet werden,

Warum nicht in der Unterstufe, der Mittelstufe und der Abschlussstufe nicht die
‚Post’ bearbeitet werden soll, sondern exemplarisch ‚nur’ etwa in der Mittelstufe um Kommunikationsdienste kennen zu lernen.
30

Warum nicht die Addition an der Berechnung eines Quadrates eingeführt
werden soll, sondern an elementaren, überschaubaren, nachvollziehbaren
und typischeren Fällen.

Warum nicht im Musikunterricht ‚laut’ und ‚leise’ und ‚Takt halten’ an der
Zwölftonkomposition von Schönberg bearbeitet werden soll …
Exemplarisch zu unterrichten heißt daher nicht, dass wir eine Begründung dafür
haben, wo wir alles doch nach eigenem Gusto im Unterricht schon ‚irgendwie’
anbieten können …
Die Pädagoginnen/Pädagogen haben zwischen Bildungsinhalt und Bildungsgehalt
zu unterscheiden, d.h. also: sie unterscheiden zwischen dem, was sie inhaltlich
anbieten (=Bildungsinhalt) und dem Gehalt (= Wert) des Bildungsinhaltes, den sie in
der didaktischen Analyse aufzuspüren haben. Den Bildungsinhalt charakterisiert,
dass er als einzelner Inhalt immer stellvertretend für viele Kulturinhalte steht; immer
soll ein Bildungsinhalt Grundprobleme, Grundverhältnisse, allgemeine Prinzipien,
Gesetze, Methoden, Werte etc. sichtbar machen. Die Momente, die eine
Erschließung des allgemeinen am Besonderen bewirken, meint der Begriff des
Bildungsgehalts.
Welche Fragen stellen wir in
Bezug auf den Verkehrsunterricht, um die exemplarischen
Grundeinsichten zu füllen?
Folgendes Beispiel verdeutlicht
das ‚Exemplarische’ …
31
Der Lerngegenstand hat im Grunde mehrere Bedeutungen:

Die Bedeutung als Eigenwert des Lerngegenstandes
und das ist in Bezug auf meinen Unterricht zur Verkehrserziehung
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………

Die Bedeutung des Lerngegenstandes, die ihm von der Gesellschaft
gegeben wird
…und das ist in Bezug auf unseren Unterricht …
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………

Die Bedeutung für das Kind
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
Wichtig ist, welchen SINN der Lerngegenstand für das Kind macht. Das heißt, wir
fragen danach, worin das Problem liegt, das den Lerngegenstand für die
32
Schülerin/den Schüler fragwürdig, d.h. des Fragens würdig, macht? Welche
besonderen Beobachtungen, Versuche, Fragen, Behauptungen usw. machen den
Lerngegenstand für meine SchülerInnen Interessen und wecken die Frage nach dem
Sinn?
Bezogen auf den Unterricht geben wir folgende Antworten …
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
Welche unmittelbar lebensdienliche, lebenspraktische Bedeutung besitzt der
Lerngegenstand jetzt und in der Zukunft der SchülerInnen? Welche Rolle spielte er
bisher im Leben der Schüler? Welche Rolle wird er später bei der Bewältigung der
verschiedenen Lebenssituationen spielen?
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
33
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
……………………………………………………………………………………
5.2. Kritischer Blick
„…Jene Bildungsinhalte also, die dem Lehrer in der Gestalt des Lehrplans sich
darbieten und deren Bildungsgehalt (oder Bildungswert) es in der didaktischen
Analyse aufzuspüren gilt, müssen als eine in bestimmten geistig-geschichtlichen
Situationen und im Blick auf bestimmte Kinder verstanden werden“ (Klafki 1963,133)
Was setzt Klafki hier voraus? Und welche Probleme entstehen aus dieser
Voraussetzung?
Meyer/Jank formulieren die Kritik an Klafki treffend in der Frage: „Was haben
Michelangelos >Pieta< und ein Stück Marmor gemeinsam? Michelangelo legte aus
den Marmorblöcken frei, was immer schon in ihnen drin gesteckt habe. Seine
Grenzen waren die des steinernen Materials, seiner eigenen Imaginationskraft und
seiner Auseinandersetzung mit Konventionen, während die Grenzen der
Lehrerinnen/Lehrer beim ‚Befreien’ des Bildungsgehalts von den Lehrplangestaltern
eng gesteckt sind sie nur mehr noch interpretieren können, welche Möglichkeiten
ihnen auf der Basis des Lehrplans offen stehen. Das heißt: Klafki überlässt in der
didaktischen Analyse die Entscheidung über die Bildungsinhalte den LehrplanAutoren und verweist Lehrerinnen/Lehrer auf die bloß interpretierende Freilegung
des Bildungsgehaltes, den die Bildungsinhalte aus den Lehrplänen schon
vorgezeichnet haben.
34
Merksatz: Die Didaktische Analyse hilft mir nicht bei Auswahl der Bildungsinhalte,
sondern überlässt diese Lehrplangestaltern; Didaktische Analyse dient also der
Freilegung des Bildungsgehalts von schon vorgegebenen Inhalten.
Das Exemplarische, Fundamentale und Elementare eignet sich gut zur Begründung
dafür, warum bestimmte Inhalte nicht unterrichtet werden sollen, also zur negativen
Abgrenzung, zum Ausschluss von Inhalten. Aber sie helfen nicht zur Findung von
Inhalten, also bestimmte Inhalte konkret auszuwählen. Sie hilft zwar zu entscheiden,
dass wir nicht in der Unterstufe dreimal ‚die Post’, in der Mittelstufe noch mal und in
der Oberstufe ebenfalls diesen Inhalt unterrichten, aber sie hilft nicht bei der
konkreten Auswahl, ob und zu welchem Zeitpunkt und in welcher Weise, welcher
inhaltliche Kontext zur Post bearbeitet werden soll. Ein anderes Beispiel: Sie hilft
nicht zu klären, warum wir gleich dreimal Erdbeermilch, Bananenmilch, Zitronenmilch
etc. herstellen und nicht nur einmal Erdbeermilch und warum dann ausgerechnet
Erdbeermilch und nicht ein Zitronengetränk oder Bananenmilch?
Es wiederholt sich hier nach Jank/Meyer auf der konkreten Ebene dasselbe Problem
wie auf abstrakter Ebene auch: ‚Mündigkeit’ oder ‚Selbstbestimmung’ lässt sich
negativ abgrenzen, aber was notwendig ist, um diese zu erreichen und zu sichern,
das geht nicht hervor.
Merksatz: Bildungstheoretische Didaktik hat ihre Stärken in der begründeten
Begrenzung von Unterrichtsinhalten. Aber sie hat Schwächen darin, einzugrenzen,
welche Inhalte konkret für Unterricht ausgewählt werden sollen. Diese Schwäche
kann man auch als Stärke lesen: die Lehrerin/der Lehrer hat große
Freiheitsspielräume und eine entsprechend große Verantwortung für die inhaltlichen
Entscheidungen.
6.
Exkurs: Kategoriale Bildung innerhalb einer ‚basalen
Didaktik’ (G. Feuser)
In der Geistigbehindertenpädagogik ist es vor allem Georg Feuser, der Klafki’s
Grundeinsichten innerhalb einer ‚basalen Didaktik’ dargelegt hat.
(Zu diesem Schwerpunkt folgen noch Ausführungen – Bitte die Aktualisierung
auf meiner homepage beachten)
7.
Perspektivschema zur Unterrichtsplanung
In der zweiten Hälfte der 70er Jahre stellte Klafki aufgrund der erfahrenen Kritik (sein
Modell stabilisiere die herrschende Klassenstruktur, da es Schüler dazu anleite, in
die bestehende Gesellschaft mit ihren Werten und Normen affirmativ hinein zu
erziehen) eine Weiterentwicklung seines bisherigen Modells vor: die kritischkonstruktive Didaktik.
35

Kritisch ist die Position, weil die Didaktik sich den Zielen der
Selbstbestimmungsfähigkeit, Mitbestimmungsfähigkeit und Solidaritätsfähigkeit orientieren soll. Schule muss bedenken, dass sie durch
gesellschaftliche, rechtliche und sonstige Sachlagen an dem Erreichen dieser
Ziele gehindert wird. Sie hat daher die Aufgabe, an der Beseitigung dieser
Hinderungen mitzuwirken. Gleichzeitig gehört zu einer ‚kritischen Theorie’ für
Klafki
auch
noch
das
Gedankengut
der
klassisch-bürgerlichen
Bildungstheoretiker (Schleiermacher, Humboldt) und die Rezeption der
kritischen Theorie der Frankfurter Schule (Adorno, Horkheimer).

Konstruktiv ist die Didaktik, weil Klafki sich nicht mehr mit Vorschlägen zur
Unterrichtsgestaltung zufrieden gibt, sondern so etwas wie eine konkrete
Utopie entwerfen will.
Die fünf Hauptfragen entwickelte er weiter zu einem sogenannten
‚Perspektivschema’. Neu hinzugekommen ist die Frage nach der form der
Darstellung/Zugänglichkeit, die Erweisbarkeit/Überprüfbarkeit, die Lehr-LernProzessstruktur und die Bedingungsanalyse sowie die vier Aufgabenfelder für die
Pädagogen:
Begründen
Thema strukturieren
Zugangsmöglichkeiten bestimmen
Unterrichtsmethoden strukturieren
Im „Vorläufigen Perspektivschema zur Unterrichtsplanung“ (s.u.) soll gelten:



Die Thesen vom Primat der Zielentscheidungen und der Interdependenz der
unterrichts-strukturellen Momente
Entscheidungen über Methoden, Meiden, Inhalte können nicht aus den Zielen
‚abgeleitet’ werden
Inhalts- und Methodenentscheidungen stehen in einer Wechselwirkung
(allerdings unterschiedlichen) zueinander (Schema wird in der Veranstaltung
ausgegeben).
36
Was hat sich in der ‚kritisch-konstruktiven Didaktik’
verändert?
8.

Klafki legt nun Wert auf die Bedingungsanalyse als Voraussetzung von
Planung. Lernvoraussetzungen, Motivationen, Interessen, etc. der
Schülerinnen/Schüler sollen stärker berücksichtigt werden.
Was gehört für mich zu einer ‚Bedingungsanalyse’?

Unterricht wird als Interaktionsprozess verstanden bzw. als sozialer Prozess.
In diesem Prozess sollen die Lernenden mit Unterstützung von
Lehrerinnen/Lehrern zur Selbständigkeit geführt werden.

Unterrichtsmethode ist für Klafki der Inbegriff der Organisations- und
Vollzugsform zielorientierten Unterrichts. Hier spiel die ‚innere Differenzierung’
eine wesentliche Rolle (s.u.).

Im Lehr-Lern-Prozess müssen die Prinzipien der Selbstbestimmung,
Mitbestimmung und Solidarität in einer Folge wachsender Schwierigkeitsgrade
zunehmend verwirklicht werden. Und zwar in der Form offener,
schülerzentrierter, projektorientierter Unterricht.
Warum ist ein projekt- und schülerorientierter Unterricht geeignet, die
Schülerinnen/Schüler zur Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität zu
erziehen?
37

Die Orientierung an den Zielen der Selbstbestimmung, Mitbestimmung und
Solidaritätsfähigkeit werden jedoch nicht nur durch die Wahl der Methode
unterstützt, sondern durch die Auswahl der Themen und Ziele des Unterrichts.
Klafki unterscheidet hier in zwei Themengebiete:
o Potentiell emanzipatorische Themen (Sexualität, Politik, Drogen usw.)
o Instrumentelle Themen (Kenntnisse, Fertigkeiten, Erlebnisse usw.)
„Lernen im Sinne kritisch-konstruktiver Didaktik muß in seinem Kern entdeckendes
bzw. nachentdeckenes und sinnhaftes, verstehendes Lernen anhand exemplarischer
Themen sein, ein Lernen, dem die reproduktive Übernahme von Kenntnissen und
alles Trainieren, Üben, Wiederholen von Fertigkeiten eindeutig nachgeordnet oder
besser: eingeordnet werden muss, als zwar notwendige, aber nur vom entdeckenden
und/oder verstehenden Lernen her pädagogisch begründbare Momente.“ (Klafki
1985, 77).
Welche Rolle spielt in der SfG das Trainieren, Üben, Wiederholen etc.?
Kann ich die Sicht von Klafki teilen?

Für Klafki wird der ‚Primat der Didaktik’ modifiziert zum ‚Primat der
Zielentscheidungen im Verhältnis zu allen anderen, den Unterricht
mitkonstituierenden Faktoren. Klafki akzentuierte damit:
o Was jeweils in welcher Perspektive Thema des Unterrichts sein soll …
o Welche Unterrichtsmethoden und Medien eingesetzt werden sollen
o Welche Bedeutung den soziokulturell vermittelten Voraussetzungen der
einzelnen Schüler und der gesamten Lerngruppe und den
institutionellen Rahmenbedingungen innerhalb der Planung und
Reflexion von Unterricht zukommen soll
Im Zuge der in den 70er Jahren entstandenen Diskussion um die Fragen, welche
Inhalte Schülerinnen/Schüler angeboten bekommen sollen, stellte Klafki fest, dass
sich Allgemeinbildung nicht in einer bloßen Auflistung von Inhalten (i.S. eines
Bildungskanons) erschöpfen dürfe, sondern problembezogen festgehalten werden
38
könnte: Er sprach daher von zentralen ‚Schlüsselproblemen’ . Schlüsselprobleme
sollen nicht mit Schlüsselthemen verwechselt werden (i.S. des Exemplarischen). Es
handelt sich dabei um Ziele bzw. Kriterien, auf die hin Pädagoginnen/Pädagogen
Probleme der Allgemeinbildung neu durchdenken sollen. Nur dasjenige ist ein
Schlüsselproblem, was im Diskurs mit ihnen für sie als existentiell eingesehen wurde.
Literaturverzeichnis
(das Literaturverzeichnis wird noch ergänzt – siehe Aktualisierungen auf der
homepage)
Adl-Amini, B., Künzli, R. (Hg.) (1991): Didaktische Modelle und Unterrichtsplanung.
München.
Feuser, G. ():
Fischer, D. (1978): Eine methodische Grundlegung. Würzburg
Fischer, E., Mertes, J.P. (Hg.)(1991): Unterrichtsanalyse. Bad Honnef.
Jank, W., Meyer, H. (1991): Didaktische Modelle. Frankfurt am Main.
Klafki, W. (1957): Das pädagogische Problem des Elementaren und die Theorie der
kategorialen Bildung. Weinheim.
Klafki, W. (1962): Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung. In: Roth,
H., Blumenthal, A. (Hg.): Didaktische Analyse. Auswahl – Grundlegende
Aufsätze. Die Deutsche Schule, 5-32.
Klafki, W. (1963): Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Weinheim, Basel.
Klafki, W. (1963a): Kategoriale Bildung. Zur bildungstheoretischen Deutung der
modernen Didaktik. In: Klafki, W. (1963): Studien zur Bildungstheorie und
Didaktik. Weinheim, Basel, 25-45.
Klafki, W. (1976): Erziehungswissenschaft als kritisch-konstruktive Theorie:
Hermeneutik – Empirie – Ideologiekritik. In: Klafki, W. (Hg.): Aspekte kritischkonstruktiver Erziehungswissenschaft. Gesammelte Beiträge zur TheoriePraxis-Diskussion. Weinheim, Basel.
Klafki, W. (1985): Zur Unterrichtsplanung im Sinne kritisch-konstruktiver Didaktik. In:
Klafki, W. (1985): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Beiträge zur
kritisch-konstruktiven Didaktik. Weinheim, Basel, 194-227.
Klafki, W. (1985): Exemplarisches Lehren. In: Klafki, W.: Neue Studien zur
Bildungstheorie und Didaktik. Beiträge zur kritisch-konstruktiven Didaktik.
Weinheim, Basel, 87-107.
Strassmeier, W. (1997): Didaktik für den Unterricht mit geistigbehinderten
Schülern. München, Basel.
Sobisiak, G, (21991): Die Didaktische Analyse. Rheinfelden-Berlin.
Stöppler, R. (2002): Mobilitäts- und Verkehrserziehung bei Menschen mit geistiger
Behinderung.Bad Heilbrunn/Obb.
Wagenschein, M. (1954): Das „exemplarische Lehren“ als ein Weg zur Erneuerung
der Höheren Schule. Hamburg.
Wagenschein, M. (71982): Verstehen lehren. Genetisch – Sokratisch – Exemplarisch.
Weinheim, Basel.
39
40
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