Kapitel 3_2005

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KAPITEL 3
EXTRAZELLULÄRER RAUM
___________________________________________________________________________
3.1.
3.1.1.
3.1.2.
3.1.3.
3.1.3.1.
3.1.3.2.
3.1.4.
3.1.5.
3.1.6.
3.2.
3.2.1.
3.2.2.
ZUSAMMENFASSUNG
1
DIE EXTRAZELLULÄRE MATRIX (ECM) IST DIE FORMGEBENDE
MATRIX FÜR ZELLEN UND GEWEBE.
2
Die Kollagene machen den grössten Teil der
extrazellulären Matrix aus.
2
Elastin, das zweite Fibrillen-bildende Protein
der ECM, ist - wie Kollagen - vernetzt und wird
ebenfalls unter Mitwirkung der Lysyl-Oxidase
synthetisiert.
6
Die Glykoproteine der ECM haben eine
Doppelfunktion: Sie sind Informationsträger und
wirken als molekularer Leim.
7
Fibronectin funktioniert als molekularer
Leim und Opsonin.
Tenascin kann zwischen einzelnen Zellen eine
Adhäsion induzieren, aber auch eine
Abstossung.
7
8
Die Proteoglykane sichern den Turgor und die
Elastizität der Gewebe.
9
Lysosomale Speicherkrankheiten sind Folge eines
Abbaudefektes der Proteoglykane.
11
Die Hyaluronsäure der ECM erleichtert die
Wanderung von Zellen bei der Morphogenese und
Reparatur von Geweben.
12
DIE BASALMEMBRANEN SIND GERÜST FÜR DIE IHNEN
AUFLIEGENDEN ZELLEN UND SICHERN DIE GEWEBESTRUKTUR.
12
Die Basalmembranen sind Lichtmikroskopisch als
zarte subepitheliale Linien zu erkennen.
13
Eine Verdickung der Basalmembranen ist eine
wichtige Ursache für eine Störung ihrer Funktion
als Filter.
14
ZUSAMMENFASSUNG
Der extrazelluläre Raum kann unterteilt werden in die extrazelluläre Matrix (ECM) und in
die Basalmembranen. Die ECM ist ein stabiler Komplex von selbst-aggregierenden
Makromolekülen. Sie gleicht einerseits einer Art Baugerüst aus vorfabrizierten Fertigelementen
mit Stützfunktion, andererseits einer wichtigen Informationszentrale für Wachstum,
Differenzierung und Migration der Zellen. Sie besteht im wesentlichen aus Fasern (Kollagene,
Elastin), Glykoproteinen (Fibronectin und Tenascin) sowie aus der Zwischensubstanz
(Proteoglykane und Hyaluronsäure).
Die Kollagene dienen der Zug- und Reissfestigkeit der Gewebe. Die wichtigsten zwei
Aminosäuren in den Kollagenmolekülen sind Hydroxyprolin und Hydroxylysin. Kollagene
können von Fibroblasten, glatten Muskelzellen, Endothelzellen, aber auch von Epithelzellen
synthetisiert werden.
Pathologische Veränderungen der ECM sind grösstenteils erworben, können aber auch
durch Gendefekte bedingt und angeboren sein. Hauptursachen für die erworbenen Defekte der
Kollagensynthese sind Fehlernährung oder toxische Stoffe. Ein verstärkter Kollagenabbau
kommt durch eine erhöhte Aktivität von Kollagenasen zustande.
Elastin weist (wie Kollagen) eine vernetzte Struktur auf und wird ebenfalls unter
Mitwirkung der Lysyl-Oxidase synthetisiert. Das Elastinmolekül besteht aus Tropo-Elastin mit
reichlich Lysin und Desmosin. Die häufigste der angeborenen Krankheiten des Bindegewebes,
das Marfan-Syndrom, beruht auf einem Elastindefekt. Elastin ist resistenter gegenüber Elastasen
als Kollagen gegenüber Kollagenasen.
Die Glykoproteine der ECM sind Informationsträger und molekularer Leim zugleich. Die
wichtigsten Glykoproteine der ECM sind Fibronectin und Tenascin. Fibronectin kommt nicht nur
in der ECM, sondern auch im Blutplasma vor. Fibronectin und Tenascin fördern beide die
Adhäsion, Beweglichkeit und damit das Wachstum der Nervenfasern, Tenascin hindert aber die
Bewegung der neuralen Satellitenzellen. Tenascin hat zusätzlich immunsuppressive
Eigenschaften.
Die Hauptaufgabe der Proteoglykane in der ECM ist die Aufrechterhaltung des
Gewebeturgors. Dies ist möglich, weil die Glykosaminoglykan-Komponente des Moleküls
hydrophil ist und negative Ladungen aufweist. Da sich die Glykosaminoglykan-Ketten in den
Proteoglykanen nicht falten können, haben die Proteoglykane auch eine Funktion als molekulares
Sieb.
Die Hyaluronsäure, ein Glykosaminoglykan, ist ein wichtiges Molekül der
«Zwischensubstanz». Es ist vor allem die Wanderung der Zellen in der ECM verantwortlich.
Basalmembranen sind dünne, flache Strukturen aus spezialisierter extrazellulärer Matrix.
Die wichtigste Aufgaben der Basalmembranen ist die Bildung des Gerüst für die ihnen
aufliegenden Zellen und damit die Aufrechterhaltung der Gewebestruktur. Eine Verdickung der
Basalmembranen ist eine wichtige Ursche für eine Störung ihrer Funktion als Filter. Eine solche
Verdickung liegt beim Diabetes mellitus vor . Ursache dafür ist eine vermehrte Glykosylierung
der Basalmembran-Proteine.
Der extrazelluläre Raum besteht aus der extrazellulären Matrix (ECM) und den
Basalmembranen.
3.1.
DIE
EXTRAZELLULÄRE
MATRIX
(ECM)
IST
FORMGEBENDE MATRIX FÜR ZELLEN UND GEWEBE.
DIE
Die ECM ist ein stabiler Komplex von selbst-aggregierenden Makromolekülen (Abb.3-1)
mit den Aufgaben, (1) zur Aufrechterhaltung der Struktur der Gewebe ein «Skelett» oder
«Gerüst» zu bilden, (2) durch Sicherung des Turgors und der Gewebeelastizität die
Funktionalität der Gewebe aufrechtzuerhalten sowie (3) im Dienste des Wachstums, der
Differenzierung und der Motilität der Zellen Signale zu übermitteln. Die ECM umgibt die Zellen
des Mesenchyms oder Parenchyms. Die ECM kann auch bezeichnet werden als das, was bleibt,
wenn die mesenchymalen und parenchymatösen zellulären Elemente aus einem Gewebe entfernt
worden sind. Die ECM gleicht einerseits einer Art Baugerüst aus vorfabrizierten Fertigelementen
mit Stützfunktion, andererseits einer wichtigen Informationszentrale für Wachstum,
Differenzierung und Migration der Zellen.
Die ECM setzt sich im wesentlichen aus (1) Fasern (Kollagene, Elastin), (2)
Glykoproteinen (Fibronectin, Tenascin) und der Zwischensubstanz (Proteoglykane,
Hyaluronsäure) zusammen (Abb.3-1).
3.1.1.
Die Kollagene machen den grössten Teil der extrazellulären Matrix
(ECM) aus.
Die Kollagene bilden eine Familie von Proteinen mit gemeinsamen Eigenschaften, die der
Zug- und Reissfestigkeit der Gewebe dienen (Tab.3-1). Sie weisen eine Tripel-Helix-Struktur auf
und bestehen aus drei -Ketten verschiedenen Typs. Die wichtigsten zwei Aminosäuren in den
Kollagenmolekülen sind Hydroxyprolin und Hydroxylysin.
Abb.3-1
Die ECM ist ein stabiler Komplex von selbst-aggregierenden Makromolekülen. Die wichtigsten sind
Kollagene, Elastin und Fibronectin. Laminin, Entactin und Kollagen Typ IV sind Bestandteile der
Basalmembranen.
Roman J., Limper AH., McDonald GA.:
Lung extracellular matrix: Physiology and Pathophysiology.
Hospital Practice 25, November 15: 125-140, 1990
Tab.3-1
Die verschiedenen Kollagen-Typen und ihre Eigenschaften.
___________________________________________________________________________
Eigenschaft
Typ
Polymerisierte Form
Vorkommen in
___________________________________________________________________________
Fibrillen-bildend I
Fibrillen
II
III
V
XI
Fibrillen-assoziiert
IX
XII
Knochen, Haut, Sehnen, Ligamente,
Hornhaut, Innere Organe, reifes
Narbengewebe (gesamthaft 90% des
Kollagens des Organismus')
Fibrillen
Knochen, Knorpel,
Zwischenwirbelscheiben, Glaskörper des
Auges
Fibrillen
Haut, Blutgefässe, Innere Organe (Uterus,
Gastrointestinaltrakt), embryonales
Gewebe, junges Narbengewebe
Fibrillen mit Typ I
wie Typ I
Fibrillen mit Typ II
wie Typ II
seitliche Verbindung mit
Fibrillen des Typs II
seitliche Verbindung mit
manchen Fibrillen des Typs I
Knorpel
Sehnen, Bänder
Geflecht bildend
IV
flächenhaftes Netz
Basalmembranen
VII
Verankerungsfibrillen
unter den Plattenepithelien
___________________________________________________________________________
Kollagene können von Fibroblasten, glatten Muskelzellen, Endothelzellen, aber auch von
Epithelzellen synthetisiert werden. Zum Verständnis der verschiedenen krankhaften
Veränderungen der ECM ist es wichtig, die einzelnen Syntheseschritte zu kennen (Tab.3-2).
Tab.3-2
Die Synthese der Kollagene erfolgt hauptsächlich intrazellulär, wird aber extrazellulär abgeschlossen.
___________________________________________________________________________
Lokalisation
Prozess
Produkt
Enzyme/Co-Enzyme
___________________________________________________________________________
Endoplasmatisches
Retikulum und
Golgi-Apparat
Synthese der Pro--Ketten mit
terminalen Polypeptidketten
Hydroxylierung von Protein-,
Serin- und Lysinresten
Vitamin C
Glykosylierung von HydroxyLysinresten
Bildung von Disulfidbrücken
___________________________________________________________________________
Tab.3-2 (Fortsetzung)
___________________________________________________________________________
Lokalisation
Prozess
Produkt
Enzyme/Co-Enzyme
___________________________________________________________________________
Selbstaggregation
Sekretorische Vesikel
Extrazellulärraum
PROKOLLAGEN mit
Polypeptidketten
PROKOLLAGEN mit
Polypeptid-Ketten
Abspaltung der Polypeptidketten
TROPOKOLLAGEN
Anordnung in
MIKROFIBRILLEN
Vernetzung durch oxydative
Deaminierung von Lysin- und
Hydroxilinresten
FIBRILLEN
Peptidasen
Lysyl-Oxidase,
Cu2+-Ionen,
Vitamin C
Bündelung der Fibrillen
FASERN
___________________________________________________________________________
Pathologische Veränderungen der ECM sind grösstenteils erworben, können aber auch
durch Gendefekte bedingt und angeboren sein. Als Ursache kongenitaler Kollagendefekte
kommen in Frage: (1) Veränderungen von Genen, welche die Pro--Ketten kodieren und (2)
Veränderungen von Genen, welche die für die Vernetzung benötigten Enzyme steuern. Die
Symptome, welche mit Vernetzungsstörungen einhergehen, äussern sich in erster Linie an
Knochen, Gelenken, Haut, grossen Arterien, Mitralklappen und Augenlinsen.
Die kongenitalen Störungen der Kollagene können sich in in Form einer Osteogenesis
imperfecta und eines Ehlers-Danlos Syndrom manifestieren. Das Ehlers-Danlos-Syndrom geht
vor allem mit einer Dysfunktion der Mitralklappe, mit einem Aortenaneurysma und einer
Osteoarthritis einher.
Hauptursachen für die erworbenen Defekte der Kollagensynthese sind Fehlernährung
oder toxische Stoffe. Eine toxische Wirkung kommt dem Penicillamin zu, weil es die Cu2+Ionen kompetitiv bindet. Cu2+-Ionen werden aber für den Schritt der Vernetzung benötigt. Bei
der Homocystinurie interagiert das akkumulierte Homocystein mit den Aldehyden der Fibrillen
und bewirkt so eine Vernetzungsstörung.
Eine Dysfunktion des Kollagens kann auch Folge eines verstärkten Abbaus der
Kollagenfasern wegen einer gesteigerten Aktivität von Kollagenasen sein. So können endogene
Kollagenasen die Knorpelmatrix aufbrechen. Resultat ist dann eine Osteoarthrose; Kollagenasen
von Bakterien (z.B. von Clostridium histolyticum) können die Wundheilung verzögern.
Hauptquellen von Kollagenasen sind: Fibroblasten, Makrophagen, neutrophile Granulozyten und
Endothelzellen. Die Kollagenasen werden von den Zellen in einer inaktiven Form als Proenzyme
(Zymogene) sezerniert. Aktivierte Kollagenasen werden durch Inhibitoren kontrolliert. Kollagene
können sich gegen einen Abbau aber auch durch eine Bindung an Fibronectin schützen.
3.1.2.
Elastin, das zweite Fibrillen-bildende Protein der ECM, ist - wie
Kollagen - vernetzt und wird ebenfalls unter Mitwirkung der LysylOxidase synthetisiert.
Elastische Fasern weisen folgende Charakteristika auf: (1) Sie können bis zu 140%
gedehnt werden (Kollagen nur bis zu 2%); (2) sie sind in der ECM um Kollagenfasern gewunden;
(3) sie können Lipide und Fettsäuren binden und (4) sie werden durch Elastasen abgebaut.
Das Elastinmolekül besteht aus Tropo-Elastin mit reichlich Lysin und Desmosin. Ein
Marker für die Intensität des Elastinabbaus ist die Urinkonzentration des Desmosins, vergleichbar
mit der Prolinkonzentration als Marker für den Kollagenabbau. Synthetisiert wird Elastin in
Fibrozyten, Chondrozyten und glatten Muskelzellen.
Das Elastinmolekül enthält plastische Abschnitte, welche nicht polar und hydrophob sind,
sowie nicht elastische Abschnitte, welche polar und hydrophil sind. Die einzelnen ElastinMoleküle liegen in zufällig geknäuelter Form vor. Sie werden durch kovalente Bindungen über
Desmosin zu einem elastischen Netzwerk verknüpft.
Störungen des Elastins können wie jene des Kollagens angeboren oder erworben sein.
Eine der häufigsten angeborenen Elastindefekte verbirgt sich hinter dem Marfan-Syndrom. An
einem Marfan-Syndrom haben sehr wahrscheinlich der amerikanische Präsident Lincoln (18091865) sowie der Geigenvirtuose und Komponist Paganini (1782-1840) gelitten. Klinisch kann
sich das Syndrom durch Schlottergelenke, Dislokationen der Augenlinse, Mitralklappenstörungen
und ein Aortenaneurysma manifestieren. Ursache der Krankheit ist ein Defekt des Gens, welches
das Glycoprotein Fibrillin kodiert, eine Komponente der Mikrofibrillen des Elastins.
Häufiger als angeborene sind erworbene Defekte des Elastins: So nimmt die Vernetzung
der Elastin-Mikrofibrillen und die Fähigkeit des Elastins, Ca2+-Ionen zu binden, im Alter zu.
Folge davon ist eine Versteifung der elastischen Fasern. Auch ultraviolette Strahlen verändern die
elastischen Fasern und können zur Elastose der Haut führen.
Elastin ist resistenter gegenüber Elastasen als Kollagen gegenüber Kollagenasen.
Elastasen sind vor allem in den Granula der neutrophilen Granulozyten, in Fibrozyten,
Thrombozyten, glatten Muskelzellen und Makrophagen vorhanden. Sie können auch von
Bakterien (z.B. Pseudomonas) sezerniert werden. Die wichtigste Anti-Elastase ist die 1Proteinase (1-Antitrypsin).
3.1.3.
Die Glykoproteine der ECM haben eine Doppelfunktion: Sie sind
Informationsträger und wirken als molekularer Leim.
Die ECM ist vollgepackt mit molekular verschlüsselter Information, welche von den
Zellen in der ECM über Adhäsionsmoleküle (siehe Kapitel 4: ADHÄSIONSMOLEKÜLE)
empfangen wird. Die Interaktion der Zellen mit der ECM ist nicht nur für die
Embryonalentwicklung wichtig, sondern auch für das Zellwachstum, die Zelldifferenzierung, die
Wundheilung und die Nervenregeneration.
Für den Signalaustausch zwischen den Zellen und den Glykoproteinen der ECM sind auf
den Glykoproteinen Erkennungsmarken vorhanden. Diese Erkennungsmarken werden durch
Aminosäure-Sequenzen in einer definierten Reihenfolge der Aminosäuren gebildet. Die
wichtigsten Glykoproteine im Dienste der Beziehung zwischen der ECM und den Zellen sind
Fibronectin und Tenascin.
3.1.3.1.
Fibronectin funktioniert als molekularer Leim und Opsonin.
Das Gewebe-Fibronectin ist nur bei alkalischem pH löslich, das Plasma-Fibronectin
dagegen unter den üblichen physiologischen Bedingungen. Die Bindungsstellen auf dem
Fibronectin-Molekül (Abb.3-1) erlauben es ihm, an Kollagen, Proteoglykane, Komponenten der
Basalmembran, Fibrinogen, Fibrin, Heparin, Zelloberflächen, Bakterienoberflächen und
Desoxyribonucleinsäure (DNA) zu binden. Diese Bindungsfähigkeit spiegelt sich im Namen
wider und entspricht schlussendlich der Eigenschaft eines «molekularen Leimes».
Das Plasma-Fibronectin wird wie andere Plasmaproteine vorwiegend in den Hepatozyten
synthetisiert, das Gewebe-Fibronectin vor allem in Fibroblasten, Endothelzellen und Monozyten.
Das Gewebe-Fibronectin ist eines der ersten Makromoleküle, welches während der embryonalen
Entwicklung erscheint: Es formt eine «primitive» Matrix, in der dann die Organbildung
stattfinden kann.
Bei der Wundheilung hat Fibronectin eine Doppelfunktionen: (1) Es ist chemotaktisch für
Fibroblasten und (2) es wirkt als Opsonin. Opsonine sind körpereigene Moleküle, die durch eine
Anlagerung an verschiedene Objekte (Mikroorganismen, Immunkomplexe, Fremdkörper) deren
Phagozytose begünstigen. Fibronectin wird demzufolge auch als «2-opsonic glycoprotein»
bezeichnet. Es erscheint bei der Wundheilung als eines der ersten Elemente der ECM nach zirka
zwei Tagen und bereitet die Organisation des nachfolgenden Kollagens vor. Fibronectin und
Laminin werden durch die Metalloproteinase Stromalysin abgebaut.
3.1.3.2.
Tenascin kann zwischen einzelnen Zellen eine Adhäsion induzieren, aber
auch eine Abstossung.
Tenascin ist ein Glykoprotein mit sechs Armen, welches vor einigen Jahren entdeckt und vorerst
als myotendinöses Antigen bezeichnet worden ist. Heute wird Tenascin der extrazellulären
Matrix zugeordnet. Das Molekül ist primär während der embryonalen Morphogenese aktiv. Bei
Erwachsenen erscheint es wieder im Stroma maligner Tumoren, während Entzündungsprozessen
und bei der Wundheilung.
Die Doppelfunktion des Tenascins wird vor allem bei der Genese des peripheren
Nervengewebes manifest. Die peripheren Nerven entwickeln sich aus Bündeln von Nervenfasern
und Satellitenzellen. Aus den Satellitenzellen entwickeln sich die isolierenden Gliazellen.
Während des Auswachsens benutzen die Nervenfasern und Satellitenzellen die ECM als
Unterlage zur Fortbewegung. Das Mesenchym, in welches die Nerven einwachsen, enthält viel
Fibronectin; Tenascin wird von den Satellitenzellen gebildet. Fibronectin und Tenascin fördern
beide die Adhäsion, Beweglichkeit und damit das Wachstum der Nervenfasern. Während die
Satellitenzellen auf Fibronectin gut haften und sich fortbewegen, sind sie jedoch wie gelähmt,
wenn sie in die Umgebung von Tenascin-Molekülen gelangen. In der ECM scheinen also
Territorien zu existieren, welche durch unterschiedliche Konzentrationen der Glykoproteine der
ECM gebildet werden. Die Randzonen dieser Territorien wirken als selektive Schranken
(«Leitplanken») für die Bewegungen der Zellen in der ECM.
Tenascin ist auch in immunologische Prozesse involviert. Neben Rezeptoren für
Adhäsionsmoleküle besitzen die T-Lymphozyten auch Rezeptoren für Proteine der ECM.
Tenascin hemmt die Bindung von Monozyten an Fibronectin und die Aktivierung der T-
Lymphozyten. Tenascin kann durch diese immunosuppressive Wirkung dazu beitragen, dass
maligne Tumoren der Immunabwehr entgehen können. Tenascin unterdrückt auch die Bindung
von Fibroblasten an Fibronectin und Laminin.
3.1.4.
Die Proteoglykane sichern den Turgor und die Elastizität der Gewebe.
Die Proteoglykane sind wedelartige Moleküle (Abb.3-2). Der «Stiel» dieses Wedels wird
durch die Hyaluronsäure (ein langes Glykosaminoglykan-Molekül) gebildet. An diese
Hyaluronsäure sind über Verbindungsproteine weitere Proteine (die «Proteinkerne») gekoppelt,
an welche kleinere Glykosaminoglykan-Moleküle (Chondroitinsulfat, Dermatansulfat,
Heparansulfat, Keratansulfat) gebunden sind.
Die Hauptaufgabe der Proteoglykane der ECM ist die Aufrechterhaltung des
Gewebeturgors. Dies ist möglich, weil die Glykosaminoglykane hydrophil sind und negative
Ladungen besitzen: Dadurch vermögen sie osmotisch aktive Kationen anzuziehen. Die
Glykosaminoglykane - Moleküle der Proteoglykane - sind imstande, durch eine Änderung der
Dichte ihrer negativen Ladungen die Wanderung von Molekülen und Zellen in der ECM
mitzusteuern.
Die Glykosaminoglykan-Ketten können sich in den Proteoglykanen nicht falten. Sie
beanspruchen deshalb in Bezug auf ihre Masse sehr viel Raum. Dank dieses porösen Charakters
der Glykosaminoglykane und ihrer Hydrophilie können sie einerseits als Flüssigkeitsspeicher
funktionieren, andererseits - wie ein Sieb - wasserlöslichen Molekülen eine schnelle Diffusion in
der ECM erlauben.
Abb.3-2
Die Proteoglykane bestehen aus Hyaluronsäure und Glykosaminoglykan-Ketten. Die Glykosaminoglykane
sind über Verbindungsproteine («Proteinkerne») an die Hyaluronsäure gebunden.
Darnell J, Lodish H, Baltimore D:
Molecular cell biology.
Scientific American Books, New York, 1986
Die Proteoglykane binden über ihre Glykosaminoglykane verschiedene Makromoleküle,
so z.B. Wachstumsfaktoren, Moleküle der Basalmembranen, Kollagen Typ I und Lipoproteine
(Tab.3-3).
Tab.3-3
Die Proteoglykane kommen hauptsächlich in der extrazellulären Matrix (ECM) vor, sind jedoch auch in
Basalmembranen und Zellen anzutreffen.
___________________________________________________________________________
Proteoglykan
Vorkommen in ...
Glykosaminoglykan
Bindung an ...
___________________________________________________________________________
Aggrecan
Knorpel
Chondroitinsulfat
Keratansulfat
Betaglycan
ECM, Zelloberfläche
Dermatansulfat
TGF-
Biglycan
ECM
Dermatansulfat
Fibrillen der ECM
Decorin ECM
Chondroitinsulfat Kollagenfibrillen des Typs I und an
Dermatansulfat
TGF-
Wachstumsfaktoren
Perlecan Basalmembranen
Heparansulfat
Bestandteile der Basalmembranen
Wachstumsfaktoren
Serglycin
Granula von neutroChondroitinsulfat Entzündungsmediatoren
philen Granulozyten
Dermatansulfat
Syndecan-1
Fibroblasten
Chondroitinsulfat Oberfläche von Fibroblasten- und
Epithelzellen
Heparansulfat
Epithelzellen
Fibroblasten-Wachstumsfaktor
___________________________________________________________________________
TGF- Transformierender Wachstumsfaktor 
ECM Extrazelluläre Matrix
Proteoglykane kommen nicht nur in der ECM, sondern auch in Zellen (in sekretorischen
Vesikeln und Zellmembranen) und in Basalmembranen vor. In den neutrophilen Granulozyten
und Mastzellen halten sie die Entzündungsmediatoren in den Vesikeln fest. In den
Zellmembranen wirken sie als als Co-Rezeptoren für die Bindung der Zellen an die ECM.
Decorin wird während der Bildung von Granulationsgewebe exprimiert, Perlecan und
Syndecan-1 erscheinen bei der Wundheilung während der Migration von Epithelzellen aus dem
Wundrand in die geschädigte Gewebezone hinein.
3.1.5.
Lysosomale Speicherkrankheiten sind Folge eines Abbaudefektes der
Proteoglykane.
Der Abbau der «Zwischensubstanz» der ECM erfolgt in den Fibrozyten über eine
Pinozytose und hydrolytische Abspaltung der einzelnen Monosaccharide der Proteoglykane
durch lysosomale Glykosidasen und Sulfatasen. Es sind genetische Defekte einzelner, am Abbau
der Proteoglykane und Glykosaminoglykane beteiligter Enzyme bekannt. Diese Defekte
bewirken eine Hemmung des physiologischen Katabolismus' der «Zwischensubstanz» der ECM
und eine Speicherung von Metaboliten der Proteoglykane und anderer Makromoleküle in den
Lysosomen der am Katabolismus beteiligten Zellen (siehe Kapitel 9: KOHLENHYDRATE).
3.1.6.
Die Hyaluronsäure der ECM erleichtert die Wanderung von Zellen bei
der Morphogenese und Reparatur von Geweben.
Die Hyaluronsäure, ein Glykosaminoglykan, macht die Hauptkomponente der
«Zwischensubstanz» der ECM aus. Das Molekül ist von spezieller Bedeutung in Geweben mit
starker Zellwanderung (Embryogenese, Morphogenese, Wundheilung). Eine vermehrte Synthese
von Hyaluronsäure begünstigt die Zellwanderung, eine Degradation der Hyaluronsäure durch die
Hyaluronidase stoppt sie.
Der Abbau der Hyaluronsäure ist beim fortgeschrittenen Hypothyreoidismus
(Unterfunktion der Schilddrüse) reduziert. Folge davon ist eine Veränderung der ECM. Diese
Veränderung zeigt sich in einer Verdickung der Haut (Myxödem), einer heiseren Stimme und
einer Schwellung der Zunge. Beim prätibialen Myxödem im Rahmen einer Hyperthyreose
handelt es sich um eine gesteigerte Ablagerung von Glykosaminoglykanen im subkutanen
Bindegewebe.
3.2.
DIE BASALMEMBRANEN SIND GERÜST FÜR DIE IHNEN
AUFLIEGENDEN
ZELLEN
UND
SICHERN
DIE
GEWEBESTRUKTUR.
Basalmembranen sind dünne, flache Strukturen aus spezialisierter extrazellulärer
Matrix, auf denen die Epithelzellen, die meisten Endothelzellen und - in serösen Membranen die Mesothelzellen liegen (Abb.3-3). Keine Basalmembran besitzen die Endothelzellen der
Sinusoide des Knochenmarks, der Milz, der Lymphknoten und der Leber. Basalmembranen
umgeben auch Muskel- und Schwannzellen.
Basalmembranen nur in Blutgefässen vor.
3.2.1.
Im
zentralen
Nervensystem
kommen
Die Basalmembranen sind lichtmikroskopisch als zarte subepitheliale
Linien zu erkennen.
Die Beurteilung der Basalmembranen ist von grosser diagnostischer Bedeutung für die
Unterscheidung zwischen einer Dysplasie oder einem Carcinoma in situ und einem bereits
invasiven Karzinom. Ist die Basalmembran durch die dysplastischen Epithelzellen zerstört
worden, und sind die dysplastischen Epithelzellen in die umliegende extrazelluläre Matrix
eingedrungen, liegt ein invasives Karzinom vor. Die Regel «Durch die Basalmembran
durchbrechende dysplastische Epithelzellen bedeuten invasives Karzinom» gilt nicht in der
Kolonmucosa. Ein invasives Kolonkarzinom liegt erst dann vor, wenn die dysplastischen
Epithelzellen in die Lamina muscularis mucosae infiltrieren. Ein Durchbruch durch die
Basalmembran des Oberflächenepithels oder der Krypten in das Schleimhautstroma gilt im Colon
- gemäss der Nomenklatur der World Health Organisation (WHO) - immer noch als schwere
Dysplasie.
Die Basalmembranen bestehen aus einem Netzwerk von Molekülen, von denen die
meisten auch in der extrazellulären Matrix vorkommen: Kollagen Typ IV, Laminin, Entactin
(stark sulfatiertes Glykoprotein), Perlecan (Heparansulfat-Proteoglykan) und Fibronektin.
Laminin kommt praktisch ausschliesslich in den Basalmembranen vor. Es ist ein grosses Molekül
aus drei kreuzförmig angeordneten Polypeptidketten. An jedes Lamininmolekül ist ein
hantelförmiges Entactin-Molekül geheftet. Das Heparansulfat-Proteoglykan weist in seinem
Proteinkern eine antigene Determinante auf. Zusätzlich besitzt es eine hohe Dichte negativer
Ladungen. Es spielt deshalb für die Filtration von Molekülen durch die Basalmembran eine
wichtige Rolle (siehe Kapitel 19: ÖDEME).
Die einzelnen Komponenten der Basalmembranen werden hauptsächlich von den Zellen
synthetisiert, welche den Basalmembranen aufliegen. Der Zusammenbau der einzelnen
Komponenten in eine morphologische Struktur dürfte dann wahrscheinlich extrazellulär erfolgen.
Viele dieser Zellen besitzen ein Membranprotein, welches spezifisch an Laminin und somit an
die Basalmembran bilden kann.
Abb.3-3
Basalmembran einer Kapillare. PAS-Färbung, Vergrösserung 800x. Die Basalmembran ist mit einem Strich
markiert.
Die wichtigsten Aufgaben der Basalmembranen sind die folgenden: (1) Bildung des
Gerüsts für die ihnen aufliegenden Zellen und damit Beitrag an die Aufrechterhaltung der
Gewebestruktur; (2) Bildung selektiver Barrieren (Filter) mit Hilfe der Dichte ihrer negativen
Ladungen; (3) Prägung der Polarität der Zellen; (4) Organisation der Proteine in den
Zellmembranen der ihr anliegenden Zellen; (5) Mitwirkung an der Zelldifferenzierung; (6)
Bildung spezifischer Schienen für die Wanderung regenerierender Zellen und (7) Bindung von
Wachstumsfaktoren und Ionen (Ca2+- und Ag2+-Ionen).
3.2.2.
Eine Verdickung der Basalmembranen ist eine wichtige Ursache für
eine Störung ihrer Funktion als Filter.
Zu einer Verdickung von Basalmembranen kommt es vor allem in Kapillaren und in
Schleimhäuten. In der Bronchialschleimhaut gehört eine Verdickung der Basalmembranen beim
Asthma bronchiale zu den morphologischen Hauptsymptomen. Die Ursache dieser Verdickung
ist jedoch nicht bekannt. Die kapillären Basalmembranen sind besonders beim Phenacetinabusus
und beim Diabetes mellitus verdickt.
Die biochemischen Veränderungen in den Basalmembranen beim Diabetes mellitus sind
komplex. Einerseits ist bei dieser Krankheit die Heparansulfat-Komponente reduziert,
andererseits sind in den Basalmembranen die «Advanced glycosylation end-products» (AGE)
erhöht. Die Reduktion des Heparansulfats geht mit einer Verminderung der Dichte der negativen
Ladungen einher und manifestiert sich in einer gesteigerten Permeabilität der glomerulären
Kapillaren.
Kollagene und Hämoglobin besitzen zwei Eigenschaften: (1) Es sind langlebige Moleküle
mit einer Lebenszeit von ca. 4 Monaten und (2) sie können nicht-enzymatisch glykosyliert
werden. Der Prozess der Glykosylierung beginnt damit, dass eine Aldehydgruppe der Glukose
zufällig mit einer Aminogruppe eines Proteins reagiert. Diese Reaktion ist - im Gegensatz zur
Bildung der AGE - noch reversibel. Das resultierende Produkt (Amadori-Produkt) kann dann
langsam dehydrieren; dabei entstehen die instabilen AGE. Die AGE haben die Eigenschaft,
Proteine in ihrer Nachbarschaft (z.B. Kollagene oder Lipoproteine) miteinander zu vernetzen.
Dadurch kommt es zu einer Dysfunktion der betroffenen Moleküle.
Es kommen verschiedene Krankheiten vor, an denen Veränderungen der Basalmembranen
pathogenetisch beteiligt sind (Tab.3-4).
Tab.3-4
Die wichtigsten Krankheiten, an denen Störungen der Funktion der Basalmembranen vorliegen sind der
Diabetes mellitus und die Immunkomplex-Glomerulonephritis.
___________________________________________________________________________
Krankheit
Typ der Krankheit
Pathogenese
Morphologie
___________________________________________________________________________
Alport-Syndrom
(progressive
Glomerulopathie)
Hereditär
Möglicherweise Defekt der
Synthese der Basalmembranen
Lamellierung,
lokale Verdickung
Diabetes mellitus
Metabolisch
Reduktion der Kollagensynthese
Proteinvernetzung durch
Glykosylierung
Verdickung
Amyloidose
Metabolisch
Einlagerung von Amyloid Verdickung
ImmunkomplexGlomerulonephritis
Immunologisch
Hypersensitivitätsreaktion
Typ 3
Immundepots
Doppelkonturierung
Goodpasture Syndrom
(nekrotisierende
Glomerulitis)
Immunologisch
Antibasalmembran-Antikörper
Destruktion
Bullöses Pemphigoid
Immunologisch
Antibasalmembran-Antikörper
Destruktion
Asthma bronchiale
unbekannt
Verdickung
Maligne Tumoren
Kollagenasen
Destruktion
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