französische Eltern - Schuman

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Executive Summary – französische Eltern
Das Schuman-Programm bietet Schülern der Großregion die Möglichkeit, an einem 2- oder
4-wöchigen Schüleraustausch teilzunehmen. Das Programm setzt sich zum Ziel, die
Kontakte zum Nachbarland zu fördern, die Sprachkenntnisse in der fremden Sprache zu
vertiefen, dem Schüler einen Einblick in die Kultur und das Alltagsleben der Partnerregion zu
vermitteln und die Entwicklung von sozialen Kompetenzen wie Offenheit und Selbständigkeit
sowie den interkulturellen Lernprozess zu unterstützen.
Nicht nur für die Schüler selbst, sondern auch für die Eltern und andere Familienangehörige
stellt ein solcher Austausch eine wichtige Erfahrung dar. Oft wird übersehen, dass die ganze
Familie in das Programm involviert ist und daraus etwas lernen kann. Aus diesem Grund
wurden die Eltern der knapp 250 französischen Schüler, die im Schuljahr 2009/2010 am
Schuman-Programm zwischen Lothringen und dem Saarland bzw. Rheinland-Pfalz
teilgenommen haben, zu ihren Erfahrungen befragt. Damit sollte einerseits auf die
Eindrücke, Erfolgserlebnisse, aber auch Herausforderungen und Probleme der Schüler aus
einer anderen Perspektive als ihrer eigenen ein Licht geworfen und andererseits die
Erfahrung der Eltern selbst mit dem Austauschschüler und dessen Familie dargelegt werden.
Zusammen mit den Erlebnisberichten der Schüler sollte diese Befragung außerdem dazu
dienen, eventuelle Schwierigkeiten und Schwachstellen des Programms aufzudecken und
dadurch die Austauschbedingungen verbessern zu können.
Der Teilnahme an einem Schüleraustausch gehen natürlich, sowohl auf Seiten der Schüler
selbst, als auch der Eltern, einige Überlegungen voraus. Befürchtungen in Bezug auf das
eigene Kind, wie Probleme beim Aufholen des verpassten Schulstoffs nach der Rückkehr,
Heimweh, Schwierigkeiten mit der Gastfamilie oder zu lange Dauer des Aufenthalts, sowie in
Bezug auf sich selbst, wie Vermissen des Kindes oder eine hohe Verantwortung für den
Austauschpartner, lassen die Eltern teilweise zu Beginn zögern. Etwa die Hälfte der
befragten Eltern gibt an, vor dem Austausch Befürchtungen oder Zweifel dieser Art gehabt
zu haben, wobei die Angst vor schulischen Problemen die wichtigste Sorge darstellt.
Nichtsdestotrotz haben die Betroffenen schließlich der Teilnahme ihres Kindes am SchumanProgramm zugestimmt und wurden in vielen Fällen positiv überrascht. So wird der Austausch
von über 90 % der Eltern trotz eventuell aufgetretener Probleme, auf die später näher
eingegangen werden soll, als positive Erfahrung eingeschätzt.
Bei der Beurteilung des Austauschs stellt die Zuteilung des Partnerschülers und der
Gastfamilie, die in knapp 90 % der Fälle als gelungen angesehen wird, den ersten wichtigen
Aspekt dar. Besonderen Wert legen Eltern und Schüler auf Übereinstimmungen in Bezug auf
Hobbys und Interessen, Gleichaltrigkeit und ähnliche Charaktereigenschaften der beiden
Schüler. Auch in den Fällen, in denen die Zuteilung als nicht gelungen bewertet wird, sind
diese Aspekte ausschlaggebend. Weiterhin bemerken einige Personen positiv, dass die
Gastfamilie, die sie über Kontaktaufnahme vor dem Austausch oder persönliche Begegnung
kennen lernten, gut zu ihrer eigenen Familie passte und ihr Kind von ihr gut aufgenommen
wurde.
Was die Ziele des Schüleraustauschs betrifft, die bereits oben genannt wurden, so zeigt die
Auswertung der Fragebögen, dass das Erlernen der Sprache von den meisten Eltern als das
wichtigste angesehen wird. Außerdem wird der Austausch von zwei Drittel der Befragten als
eine Möglichkeit zum Kennenlernen der jeweils anderen Kultur gesehen, gefolgt vom Erwerb
von persönlicher Reife und Selbstsicherheit sowie der Förderung des Verständnisses
zwischen Jugendlichen unterschiedlicher kultureller Zugehörigkeit. Folgendes Diagramm
zeigt für jedes der Ziele den Anteil der Eltern, die dieses als wichtig einschätzen:
2
Erwartungen vor dem Austausch
100%
80%
60%
40%
20%
0%
apprentissage
de la langue
amélioration acquisiton de acquisition
des
maturité
d'une plus
connaissances
grande
de l'autre
confiance en
culture
soi
meilleure
entente avec
des jeunes
d'origine
étrangère
Nach dem Austausch beurteilen die Eltern den tatsächlichen Fortschritt ihres Kindes in der
deutschen Sprache im Durchschnitt mit 2,5 auf einer Notenskala von 1 bis 6 (mit 1 als bester
Note), also „gut“ bis „befriedigend“. Insgesamt finden sie die Teilnahme an einem
Schüleraustausch sehr wichtig für die Verbesserung der Sprachkenntnisse und auch für die
Motivation, die Sprache weiter zu erlernen.
Cet échange a vraiment donné envie à ma fille de s’améliorer en
allemand. L’immersion dans une autre langue lui a permis de faire de
réels progrès et surtout envie de continuer.
Nicht nur zu den Fortschritten ihrer Kinder im sprachlichen Bereich wurden die Eltern befragt,
sondern auch zur Einschätzung weiterer Lernerfolge und erworbener Kenntnisse bzw. der
persönlichen Weiterentwicklung ihrer Kinder. Die Antwortenverteilung sieht hier
folgendermaßen aus:
Antworten auf die Frage "Was hat Ihr Kind konkret im Laufe des
Schüleraustauschs gelernt?"
100%
80%
60%
40%
20%
0%
langue du
pays
culture du autonomie/ capacité à confiance
pays
indépendance s'adapter
en soi
système
scolaire
Was den Aufenthalt des deutschen Austauschschülers in der
französischen Gastfamilie betrifft, so berichtet gut die Hälfte der
Eltern von einer Veränderung der Verhaltensweise oder der
Einstellung des Gastschülers im Laufe des Austauschs. Die
häufig bemerkte anfängliche Schüchternheit weicht meist nach
den ersten paar Tagen und der Schüler verhält sich weniger
zurückhaltend, fasst Vertrauen, integriert sich zunehmend in
die Familie und wird gesprächsfreudiger. Bei manchen Schülern
tolérance/
ouverture
Elle se montrait de moins
en moins timide, parlait
de plus en plus
facilement, elle s’est
intégrée dans la famille,
en faisant presque part à
la fin du séjour.
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lässt sich auch eine gegensätzliche Entwicklung feststellen: Schüler, die sich immer weiter
zurückziehen, sei es aus Heimweh oder wegen Schwierigkeiten mit der Gastfamilie, jedoch
handelt es sich hierbei eher um Einzelfälle. Natürlich gibt es auch Austauschschüler, die
entweder von Anfang an sehr gesprächig und offen ist oder aber über die gesamte Dauer
des Austauschs hinweg schüchtern bleiben.
Immerhin fanden rund zwei Drittel der Eltern den Gastschüler bei der ersten Begegnung
sympathisch und sein Verhalten höflich, knapp die Hälfte jedoch auch schüchtern und ein
Viertel zurückhaltend. Doch ist dies eigentlich nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt,
dass viele der Jugendlichen zum ersten Mal in ihrem Leben damit konfrontiert sind, von
ihrem gewohnten Umfeld getrennt zu sein und sich in einer fremden und zudem
anderssprachigen Familie, einer fremden Schule und dem Alltagsleben in einem anderen
Land zurechtfinden zu müssen
Nur etwa jede zehnte Familie gibt an, Probleme mit der Integration des Gastschülers in ihr
Familienleben gehabt zu haben. Als Gründe hierfür werden einerseits Desinteresse,
Zurückgezogenheit oder fehlende Kommunikationsbereitschaft auf Seiten des
Austauschschülers genannt und andererseits Schwierigkeiten mit den
unterschiedlichen
familiären
sowie
kulturbedingten
Non, nous n’avons
pas eu de difficultés
Lebensgewohnheiten (v.a. Essen, Tagesablauf, Lebensrhythmus).
à l’intégrer. C’est und
In den restlichen Fällen gelang die Integration jedoch ohne
enfant, quelque soit
Schwierigkeiten. Die Eltern berichten unter anderem immer
la langue qu’il parle.
wieder von einer guten Beziehung des Gastschülers zu den
Geschwistern des eigenen Kindes, was erneut zeigt, dass der Austausch keineswegs nur
eine Angelegenheit zwischen den beiden Schülern ist, sondern vielmehr alle
Familienmitglieder daran beteiligt sind. Von über 80 % der Eltern wird die Erfahrung des
Schüleraustauschs als bereichernd für die ganze Familie angesehen.
Sowohl die eigene Beziehung zum Austauschschüler als auch die zwischen den beiden
Jugendlichen wird von den Eltern im Durchschnitt mit einer 2, also als „gut“, bewertet. Oft
entwickelt sich im Laufe des Austauschs eine sehr enge Beziehung, sodass manche Eltern
den Gastschüler am Ende sogar fast als „Teil der Familie“ betrachten.
Schwierigkeiten oder Auseinandersetzungen zwischen den beiden Partnerschülern, die zum
Großteil auf unterschiedliche Interessen oder ansonsten auf sprachliche Probleme oder den
Altersunterschied zurückzuführen sind, können häufig durch Gespräche der Eltern mit
beiden Jugendlichen, durch das Einholen eines Ratschlags beim zuständigen Lehrer oder
durch Einbeziehung der Eltern des Austauschschülers gelöst werden. Kann für die Probleme
trotz aller Bemühungen der Eltern oder der Schüler selbst keine Lösung gefunden werden,
so kann der Austausch im Notfall abgebrochen werden. Die Quote liegt jedoch nur bei 5 %.
In der Umfrage wurden die Eltern gebeten, anzugeben, was der Austauschschüler während
seiner Zeit bei Ihnen gelernt habe. Auch hier stellen das Kennenlernen der Kultur und der
Erwerb der Sprache die häufigsten Antworten dar, gefolgt von der Entwicklung von
Selbstsicherheit, Selbstständigkeit, Anpassungsfähigkeit und Toleranz sowie dem
Kennenlernen eines anderen Schulsystems.
4
Antworten auf die Frage "Was hat der Austauschschüler während
seines Aufenthalts bei Ihnen gelernt?"
100%
80%
60%
40%
20%
0%
culture du
pays
langue du confiance en capacité à
pays
soi
s'adapter
système
autonomie/ tolérance/
scolaire indépendance ouverture
Der hohe Anteil der auf die Kultur bezogenen Antworten zeigt, dass die Eltern sich durchaus
ihrer Rolle in der Vermittlung ihrer eigenen Kultur bewusst sind, die sie als eines der
wichtigsten Ziele des Schüleraustauschs ansehen. Sie versuchen, dem Austauschschüler
die französischen Lebens- und Essgewohnheiten, regionale Spezialitäten, Bräuche und
Traditionen sowie die Geschichte ihrer Region oder ihres Landes näher zu bringen.
Schließlich sollten die befragten Eltern noch angeben, was sie selbst durch den Austausch
lernen oder welche Erfahrungen sie machen konnten. Neben der immer wieder genannten
bereichernden und oftmals neuen Erfahrung für die ganze Familie stellt der
Schüleraustausch für einige eine Möglichkeit dar, ihre eigenen Deutsch- oder eventuell
andere Fremdsprachenkenntnisse anzuwenden, aufzufrischen oder zu erweitern. Viele
fühlen sich an eigene Erfahrungen mit Schüleraustauschen oder der deutschen Kultur
erinnert und freuen sich, erneut mit der deutschen Kultur und Sprache in Kontakt zu treten.
Durch die Erzählungen des Gastschülers und einen eigenen Besuch bei der deutschen
Familie, der oftmals bei der An- und/oder Abreise stattfindet, können sie viel über das
deutsche Schulsystem, Essgewohnheiten, Tagesablauf, Werte, Erziehungsstil etc. erfahren
und werden dadurch auch zu einer Reflexion über die eigenen Kultur und Familie angeregt.
Dies stellt einen wichtigen Schritt im Entwicklungsprozess von Toleranz und Offenheit
gegenüber anderen Kulturen dar, der sich, wie aus einigen Antworten deutlich wird, nicht nur
bei den Schülern, sondern auch bei den Eltern vollzogen hat.
Weiterhin stellt die Integration einer fremden Person in die eigene
Pour nous, ce fut
un vrai moment
Familie eine wichtige Erfahrung dar, die einerseits mit
de bonheur à
Herausforderungen wie der eigenen Anpassung an die Bedürfnisse
cinq.
des Gastschülers verbunden ist, andererseits aber auch meist als
positives Erlebnis angesehen wird.
Nous avons fort apprécié
cet échange et avons
même tissé des liens avec
cette famille fort
sympathique. Nous
pensons passer 2 jours à la
neige en février avec nos
deux familles.
Auch die Knüpfung von neuen Kontakten sehen viele Eltern als
einen wichtigen Aspekt des Schüleraustauschs an. Knapp 80
% der Befragten geben an, den Kontakt zum Austauschschüler
und seiner Familie aufrechterhalten zu wollen. Einige haben
bereits ein Wiedersehen, teilweise mit der ganzen Familie,
geplant oder wünschen, denselben Schüler für zukünftige
Austausche „behalten“ zu können. Allgemein ist bei einigen
eine gesteigerte Motivation für weitere Austausche, auch mit
anderen Familien oder anderen Ländern erkennbar.
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Folgende Auswahl an Aussagen der Eltern zum Schüleraustausch soll noch deutlicher die
Meinung der Eltern wiedergeben und einige der genannten Aspekte veranschaulichen oder
ergänzen.
Ayant moi-même effectué
des séjours dans
différents pays étrangers,
j’ai surtout apprécié que
ma fille vive cette
expérience.
La notion de partage
culturel est devenue très
importante pour notre
famille et nous souhaitons
très vivement réitérer
l’expérience.
Ce qui nous
rapproche est
bien plus fort que
ce qui nous
différencie.
J’ai appris qu’un humain est
un humain, qu’il soit
allemand, chinois, anglais,
français, on est tous des
hommes.
C’était très agréable d’échanger
avec des enfants étrangers
(langue, comportement, culture)
qui étaient très ouverts et de
voir le comportement de mes
enfants aussi.
Enrichissement
personnel, échange
culturel intéressant,
ouverture d’esprit pour
toute la famille.
Cet échange a
été une vraie
chance.
Les enfants s’adaptent
vite à partir du moment
où ils se sentent bien et
en confiance.
Cet échange est au
sens le plus large une
grande ouverture sur le
monde.
En complément de l’échange
de nos enfants, nous avons
un excellent échange familial.
Le projet d’un de nos
enfants peut embarquer
toute la famille.
Cette expérience conforte
notre idée : les échanges
avec d’autres enfants sont
une manière très
enrichissante pour
appréhender une culture
étrangère.
Chacun a une capacité à
s’adapter vis-à-vis des
autres, chacun a ses
coûtumes, ses habitudes
culinaires et c’est très bien.
Je pense que chaque élève
devrait participer au moins une
fois à un échange. C’est très
enrichissant pour lui et pour sa
famille. Cela apprend la tolérance
et cela est rare de nos jours.
Eine der bisher noch nicht ganz überwundenen Schwierigkeiten, die mit der Teilnahme am
Schuman-Programm verbunden sind, besteht im Nachholen bzw. Mitverfolgen des
Schulstoffs während der Zeit des Auslandsaufenthaltes der Schüler. Im Optimalfall sollten
die Schüler die Möglichkeit haben, den in dieser Zeit behandelten Unterrichtsstoff
beispielsweise per E-Mail übermittelt zu bekommen und ihn somit zeitgleich mit ihren
Klassenkameraden zu erarbeiten. Damit entstünden keine allzu bedeutenden Lücken, die
Schüler hätten nach ihrer Rückkehr keine größeren Probleme, dem Unterricht wieder zu
folgen und würden nicht mit schlechten Noten für ihre Abwesenheit „bestraft“, wie dies
teilweise der Fall ist. Hierzu wäre eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen Schülern
und Lehrern notwendig, die jedoch bedauerlicherweise in der Realität oft am fehlenden
Willen, vor allem auf Seiten der Lehrkräfte, scheitert. Rund ein Viertel der befragten Eltern
berichtet von schulischen Problemen ihrer Kinder nach der Rückkehr und auch wenn nicht
immer sofort schlechte Noten die Folge sind, fällt es vielen der Schüler schwer, den
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verpassten Stoff innerhalb von kurzer Zeit nachzuholen. In einigen Fällen nehmen die Lehrer
keine Rücksicht hierauf, da sie nicht wissen oder nicht wahrhaben wollen, dass die Schüler
durch den Austausch andere wichtige Dinge lernen, als das, was in der Schule unterrichtet
wird. Es müsste also an der Information der Lehrer und ihrer Kooperation mit den
teilnehmenden Schülern gearbeitet werden und die Schüler besser beim Nachholen des
verpassen Stoffs unterstützt werden, damit sie nicht durch ihre Teilnahme am
Schüleraustausch benachteiligt werden. Auch die Schüler selbst sollten sich bereits vor ihrer
Abreise um die Übermittlung des Stoffs kümmern, deren Wichtigkeit sie oftmals
unterschätzen.
Auch an der Aufnahme bzw. Integration der Schüler in die Gastschule müsste sowohl in
Frankreich als in Deutschland zum Teil noch gearbeitet werden, damit die Schüler
bestmöglich von ihrem Schulaufenthalt profitieren können.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Schuman-Programm, bis auf die
erwähnten Probleme und Schwachstellen, der Eltern-Umfrage zufolge insgesamt sehr positiv
beurteilt wird. Der Großteil der Eltern sieht einen solchen Schüleraustausch als wichtige
Erfahrung, sowohl für ihr Kind als auch für sich selbst und andere Familienmitglieder und
zeigt sich mit den Lernerfolgen im Nachhinein sehr zufrieden. Natürlich treten immer wieder
Herausforderungen oder kleinere Konflikte auf, doch sollte nicht vergessen werden, dass
man auch und vor allem aus diesen etwas lernen kann.
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