Diese Version ist downloadbar als Word-Dokument

Werbung
Bundesverband der KrankenhauspsychotherapeutInnen
Vorsitzender
Dr. rer. nat. Hubert Hermes
Westfälische Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie Lippstadt
Eickelbornstraße 19
59556 Lippstadt
Tel.: 02945-980-288 oder 01
Herrn
Horst Schmidbauer, MdB
Platz der Republik
11011 Berlin
Stellung der Psychotherapeuten im Krankenhaus
Sehr geehrter Herr Schmidbauer,
sicherlich haben Sie inzwischen von Herrn MdB Hovermann die Unterlagen erhalten, die ich ihm in
unserem Gespräch am 3.9.01 zum obigen Thema übergeben habe.
Nach Durchsicht der Unterlagen zum Psychotherapeutengesetz ist mir noch einmal deutlich geworden,
welche entscheidende Rolle Sie beim Zustandekommen und Durchsetzen dieses Gesetzes innehatten.
Deshalb wende ich mich auch jetzt noch einmal an Sie in der Hoffnung, dass Sie den Anliegen der
Psychotherapeuten im Krankenhaus Verständnis entgegenbringen, damit die hier weiterbestehende
hochgradig belastende und demotivierende Unklarheit hinsichtlich der Verantwortlichkeit unserer
Berufsgruppe ein Ende findet.
Dazu ein kurzer Blick in die Historie der Psychotherapeuten im Krankenhaus:
Seit mehr als 35 Jahren arbeiten Diplom-Psychologen (heute überwiegend als Psychologische
Psychotherapeuten) in psychiatrischen Krankenhäusern. Sie waren wesentlich daran beteiligt, die jetzt
allgemein anerkannten und etablierten psychotherapeutischen Behandlungskonzeptionen zu
entwickeln. Dabei haben sie auch Leitungsaufgaben übernommen durch Aufstellen von
Behandlungsplänen und deren jeweilige Umsetzung. Die Diplom-Psychologen haben über Aufnahme,
Behandlung und Entlassung von Patienten entschieden, die Dokumentation verantwortet und mit den
Krankenkassen korrespondiert. Diplom-Psychologen haben selbständig Stationen geleitet und auch in
fast allen psychiatrischen Krankenhäusern Abteilungen als Leitende Psychologen übertragen
bekommen (Sucht, Rehabilitation, Psychotherapie, Maßregelvollzug, Geistig-Behinderte). Dies wurde
jahrzehntelang von den Krankenhausträgern verantwortet und von den Krankenkassen finanziert.
Erst in den letzten Jahren vor Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes wurde in Streitfällen, ob
es sich bei der durchgeführten Behandlung um eine Krankenhausbehandlung gehandelt habe, teilweise
entschieden, daß die Krankenkasse nicht die Kosten übernehmen müsse, weil aus der Dokumentation
ersichtlich gewesen sei, daß offenkundig ein Diplom-Psychologe bei der Behandlung federführend
gewesen sei – eine Krankenhausbehandlung müsse demgegenüber ärztlich geleitet sein, der
Behandlungsplan müsse von einem Arzt aufgestellt werden. Diese rein formale Argumentation nahm
keinen Bezug darauf, daß es sich bei den durchgeführten Behandlungen fachlich inhaltlich wesentlich
um psychotherapeutisch geprägte Behandlungen handelte, und für Psychotherapie als „Behandlung mit
psychologischen Mitteln“ (so die verkürzte Definition, die in jedem Lehrbuch der Medizin
nachzulesen ist) sind nun einmal die Psychotherapeuten die Fachleute.
Demgegenüber hat der Gesetzgeber in NRW bewusst deutlich zu machen versucht, dass nach
Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes der Psychotherapeut nun auch im Krankenhaus
psychotherapeutische Behandlung eigenverantwortlich durchführen darf:
Durch das vom Landtag Nordrhein-Westfalen verabschiedete „Gesetz zur Änderung des
Heilberufsgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften sowie zur Errichtung einer
Psychotherapeutenkammer“ wurde ein Passus im Krankenhausgesetz NRW eingefügt, daß in
Abteilungen, in denen Patienten behandelt werden, bei denen Psychotherapie angezeigt ist, neben dem
Abteilungsarzt Psychologische Psychotherapeuten selbständig und eigenverantwortlich tätig werden
können. Nach der Novellierung des Massregelvollzugsgesetzes NRW kann eine
Massregelvollzugsklinik therapeutisch entweder von einem Arzt oder einem Psychotherapeuten
geleitet werden.
Zum § 107 SGB V
Wie in der Ihnen vorliegenden Gutachtlichen Äußerung von Herrn Prof. Dr. Redeker und Dr. Bracher
herausgearbeitet wurde, bleibt aber in der Praxis aufgrund der fehlenden juristischen Regelung im
SGB V zum Beispiel auch weiterhin unklar, ob der Psychologische Psychotherapeut im Krankenhaus
nun beispielsweise
–
den Behandlungsplan für den von ihm behandelten Patienten selbst erstellen darf (oder muss) oder
ob dies durch einen Arzt zu erfolgen hat
–
über Umfang und Art von Ergotherapie (Arbeits- und Beschäftigungstherapie) entscheiden kann
–
der Psychologische Psychotherapeut einen Patienten aufgrund der von ihm erkannten
Selbstmordgefährdung auf eine Station mit intensiver Überwachung verlegen darf (oder muß)
–
die Entscheidung treffen kann, welche Belastungen z. B. in der Familie dem Patienten wieder
zugemutet werden können?
–
bei dem von ihm behandelten Patienten nun auch über die Entlassung entscheiden kann
–
den Verlauf der Behandlung in der Krankengeschichte dokumentieren und – wie es vielerorts
üblich ist – den sogenannten „Ärztlichen Entlassungsbericht“ verfassen darf (oder muß)
Die Auflistung dieser qualitätsbehindernden und aus Gründen formaler Absicherung zu sinnlosen und
unwirtschaftlichen Doppeluntersuchungen durch Psychotherapeut und Arzt führenden Aufgaben ließe
sich noch sehr weit fortsetzen. Dabei muß man berücksichtigen, daß die Psychologischen
Psychotherapeuten im Durchschnitt 10 Jahre Erfahrung in die psychiatrisch-psychotherapeutische
Klinik-Arbeit einbringen.
Daher muß der § 107 SGB V dahingehend verändert werden, daß in
Krankenhäusern, in denen Patienten behandelt werden, bei denen Psychothotherapie
indiziert ist, auch ein Psychotherapeut fachlich die Leitung der Behandlung
übernehmen kann.
Auf den zu erwartenden Einwand, daß die therapeutische Leitung und Verantwortung wegen der bei
vielen dieser Patienten auch durchgeführten somatischen Behandlungen (z. B. mit Psychopharmaka)
von einem Arzt wahrgenommen werden müsse, ist anzumerken, daß der ganz überwiegende Teil der
Behandlungsmaßnahmen in diesen Krankenhäusern auf psychotherapeutischen Wirkprinzipien beruht
(Einzelpsychotherapie, Gruppenpsychotherapie, Soziotherapie, Ergotherapie, Bewegungstherapie,
Kunsttherapie, Verhaltenstrainings, Angehörigengespräche, Belastungserprobungen etc.). Die
konzeptionelle Gewährleistung dieser Behandlung kann daher mindestens ebenso effektiv durch eine
psychotherapeutische wie durch eine ärztliche Leitung geschehen. Es müßte einzig gesichert sein, daß
die somatische Behandlung der Patienten unter Verantwortung eines Facharztes stattfindet.
Zur PsychPV
Es ist richtig, daß Diplom-Psychologen vor vielen Jahren in die psychiatrischen Kliniken hineingeholt
wurden, weil nicht genügend Ärzte bereit waren, hier zu arbeiten. Das hatte sich zwischenzeitlich
deutlich geändert, es bestand zumindest teilweise eine Konkurrenzsituation, aktuell zeichnet sich durch
den Ärztemangel in vielen Krankenhäusern wieder eine andere Situation ab.
In der PsychPV (Personalverordnung Psychiatrie) von 1991 wurde minutengenau berechnet, wieviel
Personal von welcher Berufsgruppe (Stationsärzte, Krankenpflegepersonal, Oberärzte etc., aber auch
Diplom-Psychologen) bei einer gewissen Anzahl von Patienten mit bestimmter Art und Schwere der
Erkrankungen zur Verfügung stehen müsse. In dieser Verordnung ist aber auch vorgesehen, daß bis in
einem gewissen Umfang bestimmte Berufsgruppen gegeneinander ausgetauscht werden können, so z.
B. Ärzte und Psychologen. Somit gibt es Kliniken, in denen Psychologen auf Ärzte-Stellen „sitzen“
und der Anteil von Psychologen größer ist als in der PsychPV regelhaft vorgesehen, und es gibt
Fachkliniken oder Abteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie, in denen keine oder kaum
Psychotherapeuten arbeiten.
Die Aufgabenbeschreibung für Diplom-Psychologen in der PsychPV kann nicht mehr für approbierte
Psychologische Psychotherpeuten herangezogen werden: Bei Verabschiedung der PsychPV existierte
der Beruf des Psychotherapeuten noch gar nicht! Der Psychotherapeut ist kein Heil-Hilfsberuf mehr:
Der approbierte Psychotherapeut ist dem Facharzt gleichzusetzen, der Diplom-Psychologe in der
Ausbildung zum Psychotherapeuten dem Stationsarzt.
Im Psychotherapeutengesetz ist allein aufgrund des politischen Drucks ärztlicher Standesvertreter
festgelegt worden, daß ärztliche Psychotherapeuten mindestens 40% des ambulanten
Versorgungsanteils wahrnehmen können. Entsprechend müßte die PsychPV im Sinne der
psychologischen Psychotherapeuten verändert werden:
In psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachkliniken und Abteilungen ist der
approbierte Psychotherapeut mit dem Facharzt, auch Oberarzt bzw.
Abteilungsleitenden Arzt in einer Gruppe zusammenzufassen,
Ausbildungskandidaten zum Psychotherapeuten in einer Gruppe mit dem
Stationsarzt.
Entsprechend der Ärzte-Quote von 40% für ambulante Psychotherapie ist eine
Psychotherapeuten-Quote von jeweils mindestens 40% in diesen beiden Gruppen
festzuschreiben.
Es kann nicht sein, daß de facto in vielen Kliniken das Delegationsverfahren weiter existiert. Das
Psychotherapeutengesetz muss endlich auch im Krankenhaus ankommen – dabei bitten wir um ihre
Mithilfe.
Mit freundlichen Grüssen
Hubert Hermes
Herunterladen