John Fiske ist ein Autor der (British) Cultural Studies

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John Fiske
Rockromanzen
(aus: Lesarten des Populären. Turia & Kant, Wien, 2000)
Abstract
Der Artikel behandelt Madonnas Video „Material Girl“ und vergleicht dieses mit A-has
„Take on Me“, beide beschreibt der Autor als moderne Romanzen, sogenannte
„Rockromanzen“. Dadurch soll einerseits gezeigt werden, wie Frauen (Madonnas)
Rockvideo rezipieren und welchen Effekt/Wirkung diese auf sie haben und andererseits
welche (politische) Position Madonna durch ihre Videos in der patriarchalen Gesellschaft
einnimmt.
Schlagwörter
Romanzen, Popularkultur, Madonna, Phantasie, Repräsentation, „semiotische Macht“,
„semiotische Lust“, Unabhängigkeit
Monika Strachalski, 0100921, A 033 641
696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur
Univ.-Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, WS 2004/2005
Zusammenfassung des Textes
John Fiske ist ein Autor der (British) Cultural Studies. Sein Hauptanliegen ist es, zu
zeigen, dass Konsumenten nicht der Macht der Kulturindustrie ausgeliefert sind, sondern
aktive und produktive Mitspieler sind, d.h. Populärkultur wird zum Großteil von den
Konsumenten gemacht.
In seinem Artikel „Rockromanzen“ aus dem Buch „Lesarten des Populären“ behandelt er
die modernen Romanzen, die Rockvideos.
In seiner Einleitung erklärt der Autor den Begriff der Romanze und seine Relevanz für die
Frauen. So beschreibt er die Romanze als ein Produkt des 19. Jahrhunderts, der Zeit, in der
Frauen Gefangene der ökonomischen Strukturen der Gesellschaft waren, die von ihnen
verlangte zu heiraten und „Geldverdiener zu produzieren/nähren“1. Die Romanze, so Fiske
stellte diese Erfordernisse weniger als ökonomische, sondern als emotionale dar – so
entstand der Begriff der „Liebesheirat“.
Dadurch, dass viele Romanzen oppositionell waren (beispielsweise „Jane Eyre“),
unterstützten sie Frauen in ihrem Wunsch nach sozialer, ökonomischer und sexueller
Unabhängigkeit.
John Fiske sieht in zwei modernen Genres, den Seifenopern und Rockvideos, eine neue,
moderne Form der Romanze, die sich von der konventionellen Romanze ableitet.
„Material Girl“ von Madonna und „Take on Me“ von A-ha sind für ihn Beispiele moderner
Rockromanzen, die er daher zu einer Analyse heranzieht. Beide beschreibt er als „boymeets-girl, girl-gets-boy“2 Romanzen.
Allerdings präsentieren sich, in diesen
„Rockromanzen“, die Frauen gegenüber den Männern in machtvollen Positionen, im
Gegenteil zu den konventionellen Romanzen, in welchen Frauen meist nur die Opferrolle
zugeteilt wurde.
Ein weiterer wichtiger Unterschied ist der, dass
Rockvideos unfertige Texte sind.
Unfertig im Gegensatz zu konventionellen Romanzen, die „sauber abgeschlossen“3 sind.
Da die Videos relativ offene Enden in ihren Erzählungen haben kommt die Leserin in eine
Position der Macht, in der sie aktiv in die Erzählung eingreifen kann um diese mit ihren
eigenen Produktionen aufzufüllen. Somit kann man folgendes sagen:
1
John Fiske: Lesarten des Populären. Turia & Kant, Wien, 2000; S. 133
ebd., S.135
3
ebd., S.138
2
„Die Leserin [...] ist in der Lage, die Leseart eines Textes so zu verschieben, dass seine
Bedeutungen und Lüste ihre Vorstellung ihrer eigenen sozialen Identität und ihrer sozialen
Beziehungen artikulieren können.“4
Jede Leserin erzeugt also ihren eigenen Text indem sie den ausgestrahlten Text rezipiert.
Hierbei zeigt sich deutlich, dass Fiske in seinem Artikel von der Rezeptionsforschung
ausgeht, die besagt, dass der ausgestrahlte Text nur eine Art „Vorprodukt“ ist und erst der
rezipierte und wie auch immer verstandene Text ist in der Rezeptionsforschung von
Bedeutung. Denn erst, indem er rezipiert worden ist, konstituiert er sich als soziale
Tatsache. Zusammenfassend kann man also sagen: „Texts are made by their readers“.
Durch diese Möglichkeit der Textproduktion entwickeln sich bei der Zuseherin Gefühle
der Macht, Macht über die Bereiche der Phantasie und Repräsentation. Phantasie, so zitiert
Fiske die Feministin Angela McRobbie „als Teil einer Strategie des Widerstands oder der
Opposition, das heißt als Markierung jener Bereiche, die nicht vollständig kolonisiert
werden können.“5 und Repräsentation als politischer Vorgang, der Macht beinhaltet um
Bedeutungen der Welt aber auch des eigenen Ortes in ihr zu erzeugen.
Durch die Phantasie, so Fiskes These, welche die Heldin im Video anwendet, können
politisch progressive Phantasien bei den Zuseherinnen stimuliert werden und in politische
Aktionen innerhalb der Geschlechterbeziehung übergehen.
Fiske zieht hierbei die Wirkungsforschung heran, die vermittelt dass Medien Macht über
die Rezipienten haben und diese beeinflussen können. Beeinflussen auch im Sinne des
Modells von Ursache und Wirkung. So heißt es bei Fiske:
„Als Teil des Bedeutungswandels der feminin-maskulinen Beziehungen in den 1980er
Jahren mag die Erzählung von „Take on Me“, ebenso wie die von „Material Girl“,
einige jugendliche Zuseherinnen dazu gebracht haben, sich ihren Freunden anders zu
verhalten, deren Rolle innerhalb der Bursche-Mädchen-Beziehung anders zu verstehen
und dadurch zur graduellen Neuverteilung der Geschlechtermacht innerhalb des
Patriarchats beizutragen.“6
4
ebd., S.139
John Fiske: Lesarten des Populären. Turia & Kant, Wien, 2000; S. 140
6
ebd., S. 141
5
Jedoch versucht der Autor darauf, einige Seiten später, noch genauer einzugehen und
argumentiert, dass eine Heldin, wie sie zum Beispiel Madonna in ihrem Video darstellt
durchaus eine politische Effektivität besitzt – aber keinen unmittelbaren politischen Effekt
auf die Rezipienten hat:
„Die Videos von A-ha und Madonna treiben die jungen Mädchen nicht auf die Straßen
zu politischen Demonstrationen, da die Beziehung zwischen dem Bereich der
Unterhaltung und dem der Politik niemals derart unvermittelt ist: Sie hängen einfach
nicht nach den Regeln von Ursache und Wirkung zusammen.“7
Hierbei widerspricht er also dem Wirkungsansatz und postuliert die Nutzenperspektive, die
den Menschen, im Umgang mit den Medien, in den Mittelpunkt stellt.
Fiske schließt seinen Artikel mit der Überlegung, dass Frauen durch die Behauptung ihrer
Rechte, ihre eigene Repräsentation zu kontrollieren, das Patriarchat herausfordern. Diese
Herausforderung betrachtet er als „einen aktiven Teil, der sich wandelnden Weise, in der
Frauen sich selbst und ihre sozialen Beziehungen verstehen“8. Diese, zuletzt genannten,
sozialen Beziehungen brauchen Bedeutungen, um an ihrem Platz gehalten zu werden und
umgekehrt müssen Bedeutungen von sozialen Gruppen, innerhalb dieser erzeugt werden.
Anders gesagt:
„Diejenigen, die soziale Beziehungen dominieren, dominieren auch die Produktion der
Bedeutungen, die sie untermauern: Soziale Macht und semiotische Macht sind verschiedene
Seiten derselben Medaille.“ 9
Damit meint Fiske, dass üblicherweise, in patriarchalen Gesellschaften, Männer die
sozialen Beziehungen dominieren bzw. soziale Macht haben während Frauen nur und
ausschließlich Macht über ihre eigene Phantasie haben. Auch dominieren Männer, in
dieser Gesellschaftsform, durch diese soziale Macht die Produktion von Bedeutungen, d.h.
sie verfügen auch über semiotische Macht.
Denn semiotische Macht ist nicht nur ein Symbol oder Ersatz für „wirkliche Macht“ –
semiotische Macht konstruiert Relevanzen. Diese Bedeutungen oder Relevanzen zu
7
ebd., S. 149
s.o.
9
s.o.
8
erzeugen, nennt Fiske eine Form von „semiotischer Lust“, eine Lust am Text. Dadurch,
dass diese Bedeutungen aber relevant sind, relevant für die sozialen Beziehungen bzw. für
die soziale Macht, kann diese Macht-Lust die Grenze zwischen Text und Alltagsleben
überqueren. Fiske stellt somit fest, dass diese „ Matrix von Lust-Macht-Relevanz ein
entscheidendes Charakteristikum der Popularkultur darstellt, und dass in ihr semiotische
Macht und mikropolitische Macht in einem Kontinuum existieren, nicht als
Alternativen.“10
Madonna, als Frau nimmt eine oppositionelle, politisch Position ein und greift dadurch
diese Bereiche patriarchaler Macht an. Sie dominiert die sozialen Beziehungen und die
Produktion von Bedeutung, dies erreicht sie durch Tanz („Die tanzende Frau kontrolliert
nicht nur allein die physische Sexualität ihres eigenen Körpers, sondern auch seine
Bedeutungen für sie selbst und für andere.“11), aber auch durch die Texte in ihren Songs.
Denn in ihren Texten übt sie eine Kontrolle über ihre Sprache aus und bekräftigt darin ihre
Unabhängigkeit von den Männern – sie bestimmt somit ihre sozialen Beziehungen selbst.
John Fiske behauptet also nicht zu unrecht:
„Madonna ist genauso ein materielles/materialistisches Mädchen wie ein semiotisches.“ 12
Auswertung, Besprechung und Kritik des Artikels
Semiotik oder semiotische Macht ist laut Fiske somit ein wesentlicher Punkt im
Gesellschaftsgefüge und in dessen Kommunikationsform. Aber Semiotik ist auch ein
wichtiger
Begriff
in
der
Medienforschung,
man
könnte
sie
fast
als
eine
Grundlagenwissenschaft dieser bezeichnen, denn sie erforscht sowohl die Zeichensysteme
in den Medien, wie auch die einzelnen Medien als Zeichensysteme. Die Themen einer
solchen „Medien-Semiotik“ befassen sich mit den Strukturen und Bedeutungen der
Zeichen in den Medien, ihrer Verbreitung und ihrer Wirkung auf den Rezipienten. Und
das ist es auch, womit sich die Medienpädagogik befasst - mit dem Wirken und Nutzen
von Medien. Sie ist eine Reflexion der kulturellen Zusammenhänge und der Betrachtung,
welche Rolle die Medien darin spielen.
10
ebd., S.150
ebd., S.148
12
ebd., S.150
11
Und John Fiske befasst sich in seinem Artikel mit nichts anderem, er beobachtet
Rockvideos und er beobachtet die Menschen, bzw. die Frauen, die diese rezipieren um
dadurch zu erfahren, in welchem Zusammenhang die beiden zueinander stehen, welchen
Rolle die Medien bzw. die Rockvideos, im Leben ihrer Rezipienten haben und wie sie
diese beeinflussen können. Die Ergebnisse, die Fiske in seinem Artikel liefert sind also
durchaus relevant für die Medienpädagogik, da sie aufzeigen, wie bedeutsam
Kommunikation, aber vor allem Medien-Kommunikation (d.h. Kommunikation zwischen
Medien wie Rockvideos und deren Rezipienten) in der Gesellschaft ist und welche Rolle
Frauen in dieser Kommunikations-Gesellschaft spielen.
Ich persönlich fand den Artikel sehr interessant, auch deshalb, da er eine neue Sichtweise
auf Madonna, ihre Videos und deren Rezeptionsweise aufzeigt. So denke ich auch, dass
semiotische Macht eine wichtige Form von Macht in einer Gesellschaft ist. Allerdings
glaube ich nicht, dass diese Form der Macht hauptsächlich den Männern vorbehalten ist,
während den meisten Frauen (einige wenige, wie Madonna ausgeschlossen) nur ihre
Phantasie bleibt, in der sie machtvoll sein können. Denn seit „Material Girl“, in den 80er
Jahren hat sich viel verändert. Natürlich bestehen auch heute noch Probleme in der
Geschlechterbeziehung, aber eine solche schwarz-weiß Politik, wie sie Fiske begründet,
besteht wohl kaum.
Bibliographie
Fiske, John; Lesarten des Populären, Turia & Kant, Wien, 2000
Hoffmann, Bernward; Medienpädagogik, Eine Einführung in Theorie und Praxis, Verlag
Ferdinand Schöningh, Pederborn, 2003
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