Fiske John Videolüste (aus: Lesearten des Populären. Turia & Kant, Wien, 2000. S. 96 - 112 .) Abstract In dem Artikel "Videolüste" versucht John Fiske dem Leser das Phänomen der Videospielhallen etwas näher zu bringen. Er beschreibt nicht nur alltägliche Meinungen zu diesem Thema, sondern spricht auch über mögliche positive Folgen, wie etwa Orgasmen oder negative, wie finanziellen Ruin. Des weiteren stellt er Vergleiche von Videospielen mit anderen gesellschaftlichen Aktivitäten wie Fabrikarbeit und Fernsehen an, wobei er Untersuchungen durchführt, die sich mit dem Widerstand gegen das Normale bzw. mit dem bewussten "Nicht-KonformGehen" mit der Gesellschaft beschäftigen. Schlagwörter Fiske Cultural Studies Videospiele Spielhallen Lust – „Videolust“ Widerstand Mitsche Diane, 0307243 Topitschnig Marion, 0308567 696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur Univ.-Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, WS 2004/2005 ZUM TEXTINHALT Um den Leserinnen und Lesern den Einstieg in das Thema Videospiele zu erleichtern, reiht Fiske zu Beginn eine Liste von Punkten auf, die einige negative Aspekte, die das Videospiel impliziert, beleuchten. Diese reichen von möglicher Abhängigkeit bis hin zu einem eventuellen möglichen Zusammenhang mit Vandalismus und Hooliganismus. Er berichtet von diversen Studien, die verschiedene Verhaltensmuster von Videospielhallenbenützern in Bezug auf ihre Lebensumstände beschreiben bzw. untersuchen. Im weiteren Verlauf beginnt er schließlich mit seinem Vergleich von Videospielen und Fabrikarbeit. Hier beschäftigt er sich mit den "Inversionen des Normalen"1, sprich, mit den Abweichungen zu den üblichen Reproduktionen der Gesellschaft. Etwas einfacher ausgedrückt, versucht er, dem Leser die Unterschiede zur Fabrikarbeit zu erläutern, um seine Idee des Vergleichs logisch erscheinen zu lassen. Ein wichtiger Aspekt ist hier die Differenzierung von "Maschinen, die konsumieren anstatt zu produzieren"2. Weiters führt Fiske an dieser Stelle auch den Begriff Widerstand, als eines der Schlüsselwörter dieses Textes ein. Dieser Widerstand im Videospiel gegen etwas – sprich die Gesellschaft - , der eine gewisse Kontrolle in einem Menschen erzeugt. Diese Kontrolle beschreibt er allerdings als "Illusion, weil der Maschinist das zu produzieren hat, wozu er oder sie und die Maschine zu produzieren 'programmiert' sind"3. Es ist also der Widerstand gegen die Maschine, der zu Erregung im Spieler führt. Hier führt Fiske Zitate von Thompson (1983) und Bennett (1983a) an, die Widerstand als Folge "zur Behauptung von Lust über die soziale Realität"4 sehen. Lust ist ebenfalls ein zentraler Begriff, wie der Titel des Textes ohnehin vermuten lässt, den Fiske immer wieder aufgreift. Das Lustprinzip spielt bei ihm eine große 1 Fiske: Videolüste, 2000. S. 98. Fiske: Videolüste, 2000. S. 98. 3 Fiske: Videolüste, 2000. S. 98. 4 Fiske: Videolüste, 2000. S. 103. 2 Seite 1 Rolle in Opposition zum Realitätsprinzip, denn wie er meint, bewirke Lust "keine Veränderung der Gesellschaft, sondern eine (...) der Subjektivität"5. Im zweiten Teil seines Textes vergleicht Fiske, wie bereits kurz angesprochen, Videospiele mit dem Fernsehen. Offensichtlichen Gemeinsamkeiten wie etwa Bildschirmen schenkt er jedoch wenig Beachtung. Vielmehr richtet er sein Augenmerk wiederum auf etwaige Unterschiede. Hier steht einmal mehr die subjektive Kontrolle im Vordergrund, die beim Fernsehen nur gering gegeben ist. Es kann zwar entschieden werden, welches Programm gerade angeschaut wird, allerdings können Ereignisse hier, im Gegensatz zum Videospiel, nicht materiell abgeändert werden, sondern eher "semiotisch"6. Auch auf ein weiteres Merkmal der Videospiele, nämlich ihrer Situierung, geht Fiske kurz ein. Zusammenfassend hat Fiske den Text so strukturiert, dass es am Anfang logisch erscheint, nach Beendigung des Lesens allerdings zum Nachdenken anregt. Er baut seinen Text von unten her auf, das heißt, die höchste Spannung wird erst am Ende erreicht, als er dem Leser erklärt, dass Videospieler Ausdrücke wie "Sterben und Verausgaben (...) [nur als] elisabethanische und viktorianische Metaphern für den Orgasmus"7 verwenden. Interessant zu erwähnen wäre vielleicht auch noch die Tatsache, dass Fiske die Maschine, das Videospiel also, direkt mit den Massenmedien in Verbindung bringt. Zu seiner Aussage "Die Maschine produziert Botschaften, aber keine Bedeutungen"8 findet er nämlich sofort ein passendes Zitat von Baudrillard (1983, 86), als dieser behauptet, dass "wir uns in einem Universum befinden, wo es immer mehr Information gibt und immer weniger Bedeutung."9 5 Fiske: Videolüste, 2000. S. 105. Fiske: Videolüste, 2000. S. 108. 7 Fiske: Videolüste, 2000. S. 112. 8 Fiske: Videolüste, 2000. S. 106. 9 Baudrillard, 1983. Zitiert nach: Fiske: Videolüste, 2000. S. 6 Seite 2 BEZUG ZUR MEDIENPÄDAGOGIK Um den Bezug des hier bearbeiteten Textes zur Medienpädagogik zu verdeutlichen ist es in einem ersten Punkt einmal wichtig festzulegen von welcher Definition der Medienpädagogik ausgegangen wird. Unter dem Begriff der Medienpädagogik verstehen wir hier einen Prozess, dessen Aufgabe es ist die Problemzonen der gesellschaftlichen Kommunikation zu erschließen. Weiters beschäftigt sich Medienpädagogik mit der Frage wie Menschen oder Individuen versuchen mittels Medien – also deren Rezeption, Produktion usw. – versuchen ihren Standpunkt in der Gesellschaft zu verdeutlichen und festzulegen. Nach dieser Festlegung des medienpädagogischen Begriffes ist es uns nun möglich den Bezug des Textes zur Medienpädagogik herzustellen, bzw. seine medienpädagogische Relevanz zu beurteilen. Im Text wir offensichtlich eine Problemzone gesellschaftlicher Kommunikation beschrieben – Videospiele, ihre Nutzung, ihr Einfluss und ihre Auswirkungen auf den Nutzer und die Gesellschaft. Spielhallen bieten die Möglichkeit des Widerstandes gegen die soziale Kontrolle10, also auch die Möglichkeit zum Widerstand gegen eine Gesellschaft. Dass also Videospiele und ihre Nutzung ein Problem gesellschaftlicher Kommunikation darstellen ist die logische Folgerung, und dass diese Thematik medienpädagogisch relevant ist wird somit auch bestätigt. Einweiterer medienpädagogisch interessanter Punkt auf den im Text eingegangen wird ist einer die Perspektiven der Medienpädagogik betreffender. Es sollte im Folgenden versucht werden ausgehend von der Nutzenperspektive der Medienpädagogik – also kurz: Was macht der Rezipient mit den Medien bzw. in unserem Fall speziell mit dem Medium Videospiel? – an den Text heranzutreten, und ihn dahingehend zu untersuchen. Der Nutzenansatz ist theoretisch fundiert durch den Uses and Gratifications Ansatz11, wonach vereinfacht gesagt Menschen bestimmte Medien bzw. Medieninhalte nutzen um bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen. John Fiske spricht in seinem Text nun mehrere Bedürfnisse an, die 10 11 Fiske, John : Videolüste, 2000. S. 97 Vgl. Burkart: Nutzung der Massenmedien, 2002. S. 220 ff Seite 3 Menschen versuchen mit Hilfe von Videospielen zu befriedigen. Schon oben wurde der Begriff des Widerstandes genannt – Das Spielen von Videospielen als Widerstand gegen die Gesellschaft. Was hier einen erhebenden Einfluss hat ist auch der ökonomische Aspekt der Videospiele, d.h. der Spieler leistet auch Widerstand gegen den Gerätebesitzer, denn er versucht mit so wenig Geld wie nötig so lange wie möglich zu spielen.12 Wenn man an dieser Stelle die berühmte „Zeit-Ist-Geld“ Metapher ins Spiel bringt kann man zu dem Schluss kommen, dass das Videospiel eine Maschine ist, „die beweisen kann, dass Zeit Geld ist und, indem sie das tut, beides verschwenden kann.“13 Man kann hier also von einem Bedürfnis nach ökonomischem Widerstand sprechen, dem als treibende Kraft nach Fiske die Lust zu Grunde liegt. Die logische Folgerung daraus ist also, dass ein Lustgewinn durch den Widerstand, sei es jetzt ein ökonomischer oder ein gesellschaftlicher, stattfindet. Ein weiteres Bedürfnis, das über Videospiele befriedigt wird ist der Wunsch nach Befreiung von den durch die Gesellschaft definierten Werten und Regeln. Fiske schreibt in seinem Text, dass die Nutzer von Videospielen in Spielhallen „die männlichen Unterdrückten in einer weißen, patriarchalen, kapitalistischen Gesellschaft sind.“14 Mit Hilfe der Videospiele versuchen diese nun ihrem definierten Rollenbild zu entkommen, und übernehmen die Rolle, die ihnen vom Videospiel zugeschrieben wird – einmal Jäger von Verbrechern, einmal Beschützer der Welt. Fiske spannt diesen Gedanken noch weiter und schließt damit, dass auch durch diesen Vorgang wieder ein Lustgewinn stattfindet.15 Im Allgemeinen kann man die Nutzung von Videospielen auch mit dem Bedürfnis nach Lust bzw. Lustgewinn umschreiben. Die hier gestellte Problematik Videospiele/Videospielhallen kann natürlich auch von anderen Perspektiven der Medienpädagogik aus betrachtet werden, was an dieser Stelle jedoch – aus Zeit und Speicherplatzgründen – nicht weiter ausgeführt wird. 12 Vgl. Fiske: Videolüste, 2000. S. 100 f. Fiske: Videolüste, 2000. S. 101 14 Fiske: Videolüste, 2000. S.104 15 Vgl. Fiske: Videolüste, 2000. S. 106 f. 13 Seite 4 Ein letzter wesentlicher Punkt den Text betreffend ist jener, dass Fiske deutlich darauf hinweist, dass von Videospielhallen nicht die Gefahr ausgeht, die befürchtet wird. Spielhallen bieten nach ihm Räume zum Widerstand, die jedoch im selben gesellschaftlichen Rahmen definiert sind, wie die Spieler selbst, und so diesen auch nicht direkt und radikal in Frage stellen können.16 TEXTKRITIK In erster Linie bezieht sich die Kritik des Textes auf die Frage der generellen Relevanz heute. Geschrieben wurde der Text Anfang der 1980’er Jahre, also ist es fraglich inwieweit die im Text angesprochenen Probleme und Fragestellungen auch heute noch ihre Gültigkeit haben. Wenn man die Entwicklung der Videospiele in den letzten Jahren Revue passieren lässt muss man unweigerlich feststellen, dass sich die Videospiel-Aktivitäten vor allem in den privaten Bereich verlagert haben. Die Ursachen dafür sind vor allem in der rasanten Entwicklung der modernen Unterhaltungstechnologien zu finden. Im Grunde kann man John Fiskes Text schon auf die heutige Situation anwenden, aber man muss dabei die Weiterentwicklung des ganzen Bereichs in Betracht ziehen und in weitere Forschungen auf diesem Gebiet mit einbeziehen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die „Oberflächlichkeit“ des Textes. In vielen Punkten werden Problemstellungen vereinfacht dargestellt, und oft mit Ansichten, Theorien und Forschungsergebnissen anderer Wissenschafter, die zu diesem Thema geforscht haben ergänzt und erklärt. Dieses Vorgehen unterstützt zwar die Lesbarkeit und Verständlichkeit des Textes, manchmal stellt man sich aber doch die Frage, ob Fiske auch selbst Forschungen betrieben hat. 16 Vgl. Fiske: Videolüste, 2000. S. 110f. Seite 5 Bibliographie: Burkart, Roland: Nutzung der Massenmedien. In: Ders.: Kommunikationswissenschaft. Böhlau Verlag, Wien/Köln/Weimar, 2002. S. 220 – 238. Fiske, John: Videolüste. In: Ders.: Lesearten des Populären. Turia & Kant, Wien, 2000. S. 96 - 112 . Zur Erläuterung des Zusammenhangs zwischen der im Text dargestellten Problematik und der Medienpädagogik wurden außerdem persönliche Mitschriften aus der Vorlesung Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur, unter der Leitung von Prof. Bauer verwendet. Schlagwörter: Fiske Cultural Studies Videospiele Spielhallen Lust – „Videolust“ Widerstand Seite 6