164 Der motokybernetische Test (MKT) ( © Dr. Wilfrid Coenen) Beim motokybernetischen Test handelt es sich um ein Verfahren zur qualitativen Beurteilung der Gleichgewichts- und Bewegungssteuerung. Der Test besteht aus 16 verschiedenen grobmotorischen Aufgaben, die dem spontanen Spielverhalten normal entwickelter Kinder entsprechen (Coenen 1990, 1992, 1996a, 2002, 2006). Die Bewertung der Aufgaben 1 bis 15 erfolgt nach einem Minuspunkt-System von 0 bis 3: 0 = Normalbefund 1 = leichte Normabweichung 2 = deutlichen Normabweichung 3 = erhebliche Normabweichung Aus der Gesamtsumme der Punkte wird unter Berücksichtigung des Lebensalters die Qualität der stütz- und zielmotorischen Leistung ermittelt, eingeteilt in sechs Kategorien (s.u.). Die Beurteilung der Aufgabe 16 erfolgt nach Sekunden und wird nicht in die GesamtPunktsumme einbezogen. Der Test kann bei Kindern ab 5 ½ Jahren eingesetzt werden. Untersuchungsbedingungen: 1. Ausreichend großer Raum, in dem das Kind die einzelnen Übungen ohne Verletzungsgefahr durchführen kann 2. Zweckmäßige Kleidung: geeignet sind Sport- oder Turnhosen, anliegendes T-Shirt oder freier Oberkörper; barfuß oder mit Strümpfen. 3. Bezugspersonen: Eltern, Geschwister usw. sollten nach Möglichkeit nicht im Testraum anwesend sein, da dies wegen unvermeidbarer Interaktion die Leistung des Kindes beeinträchtigt. Dies gilt nicht für anwesende Fremdpersonen (Arzt, Arzthelferin o.ä.). 4. Testatmosphäre: sie muss entspannt und ruhig sein und der Gefühlslage des Kindes entgegenkommen. Jede durchgeführte Aufgabe ist unabhängig von ihrer Qualität ohne Überschwang, aber uneingeschränkt zu loben. Eine Bloßstellung des Kindes ist unbedingt zu vermeiden. Spürt der Untersucher, dass das Kind mit der Durchführung einer Aufgabe zögert, weil es sie nicht bewältigen kann, so darf der Untersucher das Kind ermutigen, nicht aber auf der Durchführung bestehen und muss rechtzeitig darauf verzichten. Die Aufgabe wird dann mit 3 Minuspunkten bewertet. Testmaterial: 1. Schaumstoffball von 16 cm Durchmesser und 18 g Gewicht (optimale Maßeinheiten für die Testdurchführung) 2. Festes Schaumstoffkissen, ca. 35x24x10 cm 3. Therapiekreisel (Durchmesser der Standfläche 40 cm, Höhe ca. 9-10 cm) 4. Langes Seil, ca. 5 m lang (z.B. Gardinenschnur) 5. Kurzes Seil, ca. 1m lang 6. Schmale Falt-Gymnastikmatte o.ä. 7. Stoppuhr Ferner sollte eine höhenverstellbare Untersuchungsliege zur Verfügung stehen. Abb. 8.5.1: Testmaterial Ball, Therapiekreisel, Gymnastikmatte, langes und kurzes Seil, Stoppuhr (nicht abgebildet) 165 Testaufgabenfolge: 1. Langsitz 2. Hochklettern und Abspringen von hüfthoher Liege 3. Einbeinstand auf festem Untergrund 4. Einbeinstand auf weichem Untergrund (Schaumstoffkissen) 5. Einbeinstand mit Auffangen und Rückwurf eines Balles 6. Einbeinhüpfen 7. Einbeinhüpfen mit Hochwerfen und Auffangen eines Balles 8. Hampelmannsprung 9. Schersprung 10. Beidbeiniger Stand auf einem Therapiekreisel 11. Purzelbaum 12. Seitliches Überhüpfen 13. Fersengang vorwärts und rückwärts 14. „Hopserlauf“ 15. Seiltänzergang auf ausgelegtem Seil 16. Drehtest Aufgaben und Bewertungsmuster: 1. Langsitz Durchführung: das Kind sitzt mit gestreckten Beinen auf der Untersuchungsliege, die Hände liegen auf den Oberschenkeln, der Rumpf ist aufgerichtet. Punktbewertung: 0 = Wirbelsäule gerade: BWS und HWS gestreckt, physiologische kompensatorische Kyphosierung der LWS, der Kopf ist über dem Beckenschwerpunkt zentiert. 1 = BWS und LWS kyphotisch, HWS lordotisch, Beine noch gestreckt. Kopf zentriert oder gering nach ventral (kompensatorisch) oder dorsal dezentriert. 2 = Totalkyphose von BWS uns LWS, HWS Hyperlordose, Knie nur noch mit Mühe gestreckt, Kopf- und Oberkörperschwerpunkt leicht nach dorsal verlagert. 3 = Dezentrierung des Oberkörpers nach dorsal, ausgeprägte BWS- und LWSKyphose sowie HWS-Hyperlordose. Die Knie können nicht in Streckung gehalten werden, gelegentlich Abkippen des Oberkörpers nach hinten. 2. Hochklettern und Abspringen von hüfthoher Liege Durchführung: die Untersuchungsliege wird in Höhe des kindlichen Trochanters eingestellt. Das Kind wird aufgefordert, mehrmals hintereinander so schnell wie möglich auf die Liege hochzusteigen und herabzuspringen. Punktbewertung: 0 = behendes Hochklettern auf die Liege und weiche, leichte, elastische Landung beim Abspringen, Arme dabei in lockerer Abduktion. Leichtes Touchieren des Bodens mit den Händen gestattet. 166 1 = eckiges, plump wirkendes Erklettern der Liege, Landung beim Absprung hart, auch mit Abkippen nach vorn oder hinten, Abstützen am Boden. Wiederholung des Manövers umständlich mit Umwegen und Tippelschritten. 2 = umständliches, mühsames Erklettern der Liege, Landung beim Abspringen hart, steif, laut, mit starren Knien. Auch heftiges Abstützen mit den Händen und Aufprallen mit den Knien. Wiederholung des Manövers umständlich, zögerlich, mühsam. 3 = Erklettern der Liege erst nach einigen Versuchen oder mit Fremdhilfe mühsam möglich. Zögern beim Abspringen, starres Herunterplumpsen mit Sturz nach vorne aufgrund verzögerter Abstützreaktion oder Verweigern der Übung. 3. Einbeinstand auf festem Untergrund Durchführung: das Kind steht barfuß auf festem Untergrund (Boden), soll ein Bein hochheben und ca. 10 Sekunden ruhig stehen bleiben. Das Manöver wird mit dem anderen Bein wiederholt. Das schlechtere Resultat wird bewertet, die Seite dokumentiert. Punktbewertung: 0 = Oberkörper ruhig aufrecht, Arme locker herabhängend, Spielbein sagittal angehoben oder in leichter Außendrehung. Eine initiale Balencebewegung ist gestattet. 1 = assoziierte Bewegungen der oberen Extremitäten (Abspreizen der Arme, Drehen der Hände). Spielbein adduziert, deutliche Balancebewegungen des Standbeins und des Oberkörpers. Initial mehrfaches Absetzen des Spielbeins. 2 = Einbeinstand erst nach einigen Versuchen kurzzeitig möglich, ausgeprägte assoziierte Bewegungen der oberen Extremitäten und der Mimik. Ausfahrende Balancebewegungen, haltsuchend. 3 = vergeblicher Versuch, taumelt dabei, fällt mitunter hin, oder verweigert. 4. Einbeinstand auf weichem Untergrund Durchführung: das Kind steht barfuß auf einem ca. 10 cm hohen, festen Schaumstoffkissen und führt die Aufgabe wie unter Punkt 3 durch. Auch hier wird das schlechtere Resultat bewertet, die Seite dokumentiert. (Diese Aufgabe stellt höhere Anforderungen an die stützmotorischen Koordination als der Einbeinstand auf festem Untergrund). Punktbewertung: 0= Wie Aufgabe 3, dazu feinschlägige Balancebewegungen des Standbeines und Spielbeines statthaft. 1= Wie Aufgabe 3, dazu Balancebewegungen deutlicher, auch mit Einsatz der Arme, gelegentlich ausgleichendes Hüpfen, auch mehrfaches Absetzen des Spielbeines 2= Wie Aufgabe 3, dazu oft Abknicken im Knie des Standbeines, häufiges Absetzen des Spielbeines, Umkippen und Abstützen mit den Händen. 3= Wie Aufgabe 3. 167 5. Einbeinstand mit Auffangen und Rückwurf eines Schaumstoffballes Durchführung: Einbeinstand auf festem Untergrund wie unter Punkt 3 beschrieben. Der Untersucher steht etwa 1,5 - 2 m vom Kind entfernt und wirft ihm einen Schaumstoffball aus beiden supinierten Händen bogenförmig zu. Das Kind soll im Einbeinstand den Ball auffangen und in gleicher Weise mit beiden supinierten Händen zurückwerfen. Punkbewertung: 0 = Einbeinstand sicher und ruhig, sicheres Auffangen des Balles und beidhändiger zielgenauer Rückwurf aus supinierter Haltung. Acht- bis zehnmaliges Wiederholen des Manövers ohne Absetzen des Beines möglich. 1 = Einbeinstand unruhig, unsicher. Der Ball wird meist an der Brust aufgenommen und mit einer Hand oder beidhändig in pronierter Handhaltung zugeworfen. Nach zwei bis vier Ballwechseln Absetzen des Spielbeines. 2 = Einbeinstand erst nach mehrfachem Absetzen des Spielbeines möglich. Der Ball wird ungezielt gegrapscht oder verfehlt. Rückwurf in pronierter Handhaltung, Absetzen des Spielbeines nach jedem Rückwurf. 3 = Einbeinstand nicht erhaltbar, nur kurzes Anheben des Spielbeines möglich. Der Ball wird verfehlt. Ein Rückwurf zum Untersucher gelingt nicht, der Ball wird mit pronierter Handhaltung ungezielt zu Boden geworfen. Oder: Verweigern der Aufgabe. 6. Einbeinhüpfen Durchführung: das Kind soll (barfuß oder in Strümpfen) mindestens zehn Mal auf der gleichen Stelle auf einem Bein hüpfen, ohne sich dabei zu drehen. Hüpfen durch den Raum ist nicht verwertbar. Es werden beide Beine geprüft, das schlechtere Resultat wird gewertet, die Seite dokumentiert. Punktbewertung: 0 = ruhiges, geschmeidiges, leichtes und punktuelles Hüpfen, Oberkörper aufrecht, lockere Armbewegung. Das Bewegungsbild ist anmutig und wirkt unangestrengt. 1 = hastiges Hüpfen, das Spielbein ist ab- oder adduziert, der Oberkörper etwas vorgeneigt. Assoziierte Bewegungen der oberen Extremitäten und der Mimik. Kein punktuelles Hüpfen, ständig wechselnder Landeplatz. Drehen des Körpers um die eigene Achse. 2 = kurze, angestrengte, hastige Hüpfer. Spielbein abduziert oder adduziert, Sprungbein innenrotiert, Ellbogen gebeugt, ausgeprägte assoziierte Bewegungen der oberen Extremitäten. Punktuelles Hüpfen nicht möglich. Nur wenige zusammenhängende Sprünge durchführbar. 3 = kein Hüpfen möglich, allenfalls kurzer Zehenstand. Oder: Aufgabe nicht durchführbar oder wird verweigert. 168 7. Einbeinhüpfen mit Hochwerfen und Auffangen eines Schaumstoffballes Durchführung: das Kind soll wie in Übung sechs auf einem Bein hüpfen und dabei einen Schaumstoffball senkrecht hochwerfen und wieder auffangen. Die Schwierigkeit der Übung besteht in der Differenz zwischen Hüpf- und Wurffrequenz, verbunden mit Reklination des Kopfes und Fangbewegung der Arme. Punktbewertung: 0 = ruhiges, geschmeidiges Hüpfen, der Blick wird zum Ball gerichtet. Der Ball wird 50 – 100 cm über Kopfhöhe senkrecht hochgeworfen und sicher aufgefangen. Eine Fangkorrektur bei Abweichen des Balles von der Wurflinie ist ohne Absetzen des Spielbeines möglich. 1 = Einbeinhüpfen hastig, nicht punktuell. Der Ball wird nur bis zur Gesichtshöhe geworfen, mit starren Armbewegungen gefangen. Ball fällt nach ein bis zwei Versuchen zu Boden. 2 = Angestrengte, hastige oder verzögerte Hüpfbewegung. Der Ball wird nicht losgelassen oder kann nicht senkrecht hochgeworden werden. Ein Auffangen des Balles gelingt nicht. Die Wurfhöhe ist niedrig, meist unter Kopfhöhe. 3 = kein Einbeinhüpfen möglich. Wippbewegung in den Knien, durch die der Ball einbis zweimal auf den Händen herumtänzelt. Kein Hochwerfen, kein Auffangen. Oder: Aufgabe nicht erhaltbar oder verweigert. 8. Hampelmannsprung Durchführung: der Untersucher führt dem Kind die Aufgabe vor: aus geschlossenen Beinen und herabhängenden Armen erfolgt ein Sprung mit Abspreizen der Beine und Hochheben der Arme über den Kopf. Anschließend aus dieser Position Sprung mit Schließen der Bein und Anlegen der Arme an den Körper. Dies soll zehnmal hintereinander durchgeführt werden. Falsch ist eine Ausgangsposition mit geschlossenen Beinen und über dem Kopf gehobenen Armen ( sog. „Kleinkindmuster“) Punktbewertung: 0 = Gleichmäßige und synchrone Bewegungen der Arme und Beine über die gesamte Bewegungsbahn. Bewegungen von Armen und Beinen geschmeidig, locker, nicht stampfend oder klatschend. Punktuelles Hüpfen, Knie beim Aufspringen in gegrätschter Beinhaltung leicht innenrotiert. 1 = Plumpe, stampfende, angestrengte Sprünge, abgesetzt, nicht flüssig. Nach wenigen Sprüngen im korrekten Muster stolpriger Übergang ins „Kleinkindmuster“ . Oder: Hastige, klatschende, stampfende Bewegungen, auch asynchron mit Wechsel ins „Kleinkindmuster“. Kein punktuelles Hüpfen, Anstrengungskeuchen. Beine beim gegrätschten Aufkommen in Froschhaltung (Knie schauen nach außen) 2 = Pause nach jedem Bewegungsteil, nächste Bewegung immer neu planend, kein punktuelles Hüpfen. Bewegungen von Arm und Bein asynchron. Kein Einhalten des Bewegungsmusters. Stößt beim Springen häufig an Möbel (Stuhl, Tisch, Liege). Bringt keine 10 Sprünge zustande. 169 3 = Stellt sich, als verstehe er nicht, worum es geht. Auch nach Vormachen wird das Muster nicht begriffen. Gelegentlich werden ein bis zwei missglückte Sprünge gezeigt mit großen Pausen dazwischen. Oder: Aufgabe nicht erhaltbar oder verweigert. 9. Schersprung Durchführung: das Kind springt 10 mal in Schrittform auf der gleichen Stelle, so dass abwechselnd gleichzeitig das eine Bein nach vorne und das andere nach hinten gesetzt wird. Punktbewertung: 0 = Sprungbewegung leicht, locker, mit synchroner diagonaler Arm-Bein-Bewegung, gleichmäßig, auf der Stelle bleibend ( punktuell) 1 = Hastig, steifbeinig, stampfend, nach fünf bis sieben Sprüngen balancesuchend, kein punktuelles Springen. Armbewegungen flatternd, nicht diagonal. 2 = Mühsam, steif, asynchron, Rumpfrotation in Richtung des vorgesetzten Beines, schnell ermüdend. Taumelnd, Balanceschwierigkeiten, kein punktuelles Springen. 3 = Begreift das Bewegungsmuster nicht. Übung nicht erhaltbar oder verweigert. 10. Einbeinstand auf dem Therapiekreisel Durchführung: Das Kind soll barfuß oder in Strümpfen mit einem Fuß den Therapiekreisel betreten und versuchen, im Einbeinstand zu balancieren. Punktbewertung: 0 = Der Fuß wird gezielt auf das Zentrum des Kreisels gesetzt, ggf. einige kurze Bodenkontakte mit dem Spielbein, bis ein ruhiger, aufrechter Einbeinstand über ca. zehn Sekunden möglich ist. 1 = Unzweckmäßiges Besteigen des Kreisels von der Peripherie, mehrfaches Absetzen des Spielbeines erforderlich, Stand auf dem Kreisel unsicher, deutliche Balancebewegungen und Rudern mit den Armen. Ein ruhiger Stand über zehn Sekunden ist nicht erreichbar. 2 = Erhebliche Schwierigkeiten beim Besteigen des Kreisels, nur kurzes Loslösen des Spielbeines vom Boden. Einbeinstand allenfalls für zwei bis drei Sekunden möglich mit deutlichen assoziierten Bewegungen der oberen Extremitäten, ungezielte Ausgleichsbewegungen des Oberkörpers, fehlende Balance und Sturz zu Boden. 3 = Übung nicht erhaltbar oder verweigert. 11. Purzelbaum Durchführung: Das Kind führt eine Rolle vorwärts auf einer am Boden liegenden Gymnastikmatte aus. Beurteilt werden die Ausgangsposition, die Abrollbewegung und die Abrollrichtung. 170 Punktberwertung: 0 = Vierfüßerhocksitz als Ausgangsstellung. Bodenkontakt des Kopfes im hinteren Scheitelanteil am Übergang zum Hinterkopf. Abrollen über die durchgehend gebeugte BWS, Landung im Hockstand. Die Abrollbewegung erfolgt in der Längsachse der Matte. 1 = Vierfüßerhocksitz als Ausgangsposition. Bodenkontakt des Kopfes im mittleren oder vorderen Scheitelanteil, unzureichende Flexion der Wirbelsäule und steifnackiges Abrollen. Nicht selten seitliches Abweichen aus der Rollrichtung. Meist keine Landung im Hockstand oder Vierfüßerhocksitz. 2 = Ausgangsposition: Rumpfbeuge oder Kniestand. Bodenkontakt des Kopfes an Stirn-Haar-Grenze. Unzureichende Flexion der Wirbelsäule, daher seitliches Wegrollen oder harte, gelegentlich schmerzhafte Landung auf dem Rücken. 3 = Unzweckmäßige Startposition ohne Vorstellung von der zu bewältigenden Aufgabe. Abrollbewegung nicht durchführbar. Oder: Aufgabe verweigert. 12. Seitliches Überhüpfen Durchführung: Das Kind soll zehnmal über eine 80 – 100 cm lange, auf dem Boden liegende Schnur seitlich hin und her hüpfen, ohne dabei die Schnur zu berühren. Der Untersucher macht dem Kind die Übung vor. Punktbewertung: 0 = Lockere, harmonische, beidbeinige Sprünge mit nur geringen Distanzvariationen, physiologische Gegenrotation des Oberkörpers bei lockerer Armhaltung, gleichmäßiger Sprungtakt. Zehn fehlerfreie Sprünge sind möglich. 1 = Sprünge abgehackt, Distanz ständig variierend, ungleichmäßiger Sprungtakt, zwischendurch Nachstellschritte. Anstrengungskeuchen. Berühren und Verschieben der Schnur. 2 = Sprungbewegung mühselig, nach jedem Sprung pausierend. Große Distanzvariation, fehlender Sprungtakt, kein beidbeiniges Hüpfen. Übergang in andere Sprungmuster, ständiges Berühren und Verschieben des Seiles. 3 = Nur ein bis drei Sprünge in abnormaler Qualität möglich. Übung nicht durchführbar oder verweigert. 13. Fersengang vorwärts und rückwärts Durchführung: Das Kind geht auf den Fersen ca. 20 Schritte zunächst vorwärts, dann ca. 20 Schritte rückwärts. Punktbewertung: 0 = Knie gestreckt, Oberkörper aufrecht, Arme und Hände locker herabhängend, leichte assoziierte Bewegungen der Hände erlaubt, Schritte gleichmäßig. Beim Rückwärtsgehen leichte Vorneige des Oberkörpers. 171 1 = Skandierendes, eckiges, hastiges Gangbild. Oberkörper vorgeneigt, Füße supiniert, Knie unvollständig gestreckt, assoziierte Hand-Finger-Bewegungen. 2 = Deutliche Vorneige des Oberkörpers. Nur wenige Schritte möglich, mühsam, hastig, stampfend und verkrampft. Balancesuchend, zwischendurch Pausen und Zeichen der Anstrengung. Knie und Hüften gebeugt, Füße supiniert. Verkrampfte Arm-Hand-Fingerhaltung. 3 = Steigerung von Punkt 2 oder Übung nicht durchführbar bzw. verweigert. 14. „Hopserlauf“ Durchführung: Mit Hopserlauf ist jenes flüssige, fröhliche Hüpfen gemeint, das dem alternierenden fliegenden Galoppwechsel beim Dressurreiten ähnelt. Es muss für diese Aufgabe genügend Raum zur Verfügung stehen. Der Untersucher macht dem Kind den Hopserlauf vor. Punktbewertung: 0 = Leichtes, flüssiges, lockeres Hopser-Hüpfen mit diagonalen Bewegungen von Armen und Beinen, anmutiger Anblick. 1 = Einbeinhüpf-Phase verkürzt, Rotation des Beckens, Absprungbein wird bei der Landung zurückgesetzt, Bewegungen eckig und verkrampft, nicht automatisiert. Oft Übergang in Galoppieren 2 = Keine Vorstellung von Bewegungsmuster: eckiges Galoppieren oder große Sprünge vorwärts ohne Hopser, gleichsinnige Armbewegung, Hüftrotation, ständige Neuplanung der Bewegung mit Pausen zwischen den einzelnen Sprüngen, Bewegungen verkrampft, stampfend oder zapplig. 3 = Keine Vorstellung von Bewegungsmuster: ausholender Vorwärtsschritt, kein Hüpfen, kein Laufen. Oder: Aufgabe verweigert. 15. Seiltänzergang Durchführung: Das 5 m lange Seil wird kreis- oder ovalförmig auf den Boden gelegt. Das Kind soll (barfuß oder in Strümpfen) im Uhrzeigersinn auf dem Seil entlanggehen bis zum Ausgangspunkt, dabei den einen Fuß genau vor dem anderen absetzen. Punktbewertung: 0 = Sichere, kurze Schritte, ein Fuß vor den anderen setzend. Arme locker herabhängend oder leicht abduziert. Oberkörper aufrecht, Balancebewegung kurz und zweckmäßig. 1 = Schritte nicht in der Linie, Schritte zu groß, kein Fuß-vor-Fuß-Schreiten. Deutliche Ausgleichsbewegung des Oberkörpers und assoziierte Hand-Finger-Bewegungen bei abduzierten oder fuchtelnden Armen. Schrittbewegung nicht flüssig, häufig seitlich absetzend. 172 2 = Deutliche Balanceschwierigkeiten. Füße können nicht in der Linie aufgesetzt werden, ständiges seitliches Absetzen, Ruderbewegung mit den Armen, Ausgleichsbewegung mit dem Oberkörper, mitunter Abstützen an der Wand oder an Gegenständen. Ausgeprägte assoziierte Bewegungen der Finger und der Hände. Vorgestreckter Kopf, HWS hyperlordotisch. 3 = Steigerung der abnormalen Merkmale von 2. Oder: Übung nicht durchführbar oder verweigert. Anmerkung zur Punktbewertung der Aufgaben 1 – 15: Übergänge zwischen den einzelnen Minuspunktbewertungen sind möglich: eine mit 0 bewertete Übung kann auch Merkmale der nächst schlechteren Bewertung aufweisen, ohne dies Kriterien voll zu erfüllen. In diesem Falle wird ein halber Minuspunkt gegeben (z.B. 0,5 statt 0). Das gleiche gilt für die nächstfolgenden Stufen 1 bis 3. 16. Drehtest mit anschließendem Seiltänzergang Durchführung: Das Kind wird vom Untersucher relativ rasch zehnmal nach rechts um die eigene Achse gedreht. (Ggf. auf einem Drehstuhl) Das Kind muss dann sofort den Seiltänzergang auf dem am Boden liegenden Seil im Uhrzeigersinn durchführen. Bewertung: Geprüft wird die Dauer des Schwindels in Sekunden (Stoppuhr). Normalerweise ist der Drehschwindel nach 10-15, spätestens 20 Sekunden vorbei, erkennbar am sicheren Gehen über das Seil. Eine Kompensation des Schwindels unter 5 Sekunden ist abnormal und spricht für eine hohe vestibuläre Reizschwelle. Dieser Befund ist häufig bei hyperaktiven Kindern zu beobachten. Eine Kompensationszeit des Drehschwindels von mehr als 30 Sekunden ist auffällig, ab 40 Sekunden eindeutig abnormal und findet sich häufig bei hypokativen Kindern mit deutlicher Bewegungsauffälligkeit. (Bei diesem Test erfolgt keine Minuspunktbewertung. Der Zeitmesswert des Drehtestes wird also nicht in die Gesamtsumme der Minuspunkte einbezogen.) „Männchen, Baum, Haus“ Eine weitere Aufgabe ohne Punktbewertung ist das Malen eines Bildes mit einem „Männchen“, einem Baum und einem Haus. Es werden Bunt- oder Filzstifte in verschiednen Farben sowie ein weißes DIN A4-Blatt zur Verfügung gestellt. Beobachtet wird die Auswahl der Stifte (mehrfarbig, einfarbig oder schwarz), die Stifthaltung, Körperhaltung und Mimik des Kindes und die Gestaltung des Bildes. Zum Beispiel: hat das „Männchen“ ein Gesicht, hat es Rumpf, Arme und Bein, wie viele Finger hat es, ist ein Kopffüßler u.s.w.? Wie sieht der Baum aus? Hat er Äste, Blätter, Früchte, ist er kleiner oder größer als das Männchen, welche Farbe haben Stamm, Äste und Blätter u.s.w.? Hat das Haus ein Spitzdach, einen Schornstein, steht der senkrecht oder schräg auf dem Spitzdach, hat das Haus Fenster, ist die Tür im Erdgeschoss angesiedelt u.s.w.? Das Bild soll einen Eindruck vom Vorstellungs- und Gestaltungsvermögen des Kindes vor der Behandlung vermittelten und dient als Vergleichsobjekt bei Wiederholen der Aufgabe nach Abschluss der Therapie. 173 Test - Auswertung Aus der Punktesumme der Aufgaben 1-15 wird die Qualität der sensomotorischen Steuerung ermittelt und in Abhängigkeit vom Alter in sechs Kategorien eingeteilt. Kategorie I = normal II = suboptimal, kontrollbedürftig III = leichte Störung IV = deutliche Störung V = ausgeprägte Störung VI = hochgradige Störung, Verdacht auf zerebrale Ursache Einteilung der Störungskategorien und Punktzahlen nach Lebensalter: 5 ½ Jahre: Kategorie I = II = III = IV = V = VI = 0 – 9 Punkte 10 – 14 “ 15 – 20 “ 21 – 30 “ 31 – 39 “ ab 40 “ 8 Jahre: I II III IV V VI = = = = = = 0 – 3 Punkte 4–7 “ 8 – 14 “ 15 – 24 “ 25 – 34 “ ab 35 “ 6 Jahre: I II III IV V VI = 0 – 7 Punkte = 8 – 11 “ = 12 – 17 “ = 18 – 27 “ = 29 – 37 “ = ab 38 “ 9 und 10 Jahre: I II III IV V VI = 0 – 2 Punkte = 3 –5 “ = 6 – 12 “ = 13 – 21 “ = 22 – 30 “ = ab 31 “ 7 Jahre: I II III IV V VI = = = = = = 0 – 5 Punkte 6–9 “ 10 – 16 “ 17 – 26 “ 27 – 35 “ ab 36 “ 11 und 12 Jahre: I II III IV V VI = 0 – 1 Punkte = 2–3 “ = 4–9 “ = 10 - 16 “ = 17 – 23 ” = ab 24 ” Bei Einstufung in die Kategorien III bis VI besteht die Indikation zur manualmedizinischen Behandlung mit Atlastherapie und ggf. ergänzenden Techniken an den sensorischen Schlüsselregionen. Literatur: Coenen W (1990) Diagnose und Therapie der sensomotorischen Dyskybernese im Säuglings- und Schulalter. Vortrag auf der Jahrestagung der Societé Médicale Internationale de Médecine Métamérique (SMIMM), Munster (F) Coenen,W (1992): Die Behandlung der sensomotorischen Dyskybernese bei Säuglingen und Kindern durch Atlastherapie nach Arlen. Orthopäd. Praxis,Heft 6, 386-39 Coenen W (1996 a) Die sensomotorische Integrationsstörung. Manuelle Medizin 34: 141-145 Coenen W (2002) Koordinations- und Konzentrationsstörungen im Kindesalter. Möglichkeiten der Manuellen Medizin. Manuelle Medizin 40: 352-358 Coenen W (2006) Gleichgewichtsstörung bei Kindern mit sensomotorischer Dyskybernese. Manuelle Medizin 44:413-418