rolando villazón club wien

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ROLANDO VILLAZÓN CLUB WIEN
Leitung: dr.brigitta weis
A-1210 Wien Holzmeistergasse 12
email: [email protected]
tel. u. Fax 0043 1 2711286
LA BOHÈME LONDON
London hat in und um Covent Garden viel Pariser Charme – die
bunte Markthalle mit ihrem Fin de Siècle Flair, Katzenkopfpflaster,
Bettler, Musiker, Artisten und in jeder Gasse mindestens zwei
Theater. Ein bisserl Weihnachtsglitzer drüber und fertig ist die
Szene zum zweiten Akt der Bohème.
Dieser Leichtigkeit steht die große Beharrlichkeit gegenüber, mit
der in London Theater gespielt wird. Stücke finden sich in der
immer gleichen Inszenierung jahrelang und ausschließlich am
Programm eines Hauses.
Im Lyceum Theatre zum Beispiel geht das Musical The Lion King
schon ins zweite Jahrzehnt, auch Shrek im Royal Theatre läuft
bereits an die fünf Jahre lang, wird aber übertroffen von Woman
in Black , das gegenüber im Fortune Theatre seit rund zehn Jahren
am Programm steht . Spitzenreiter ist aber nach wie vor Agatha
Christie`s Mausefalle im St.Martins Theatre, wo das Stück seit 52
Jahren en suite gespielt wird.
Da hält Puccinis La Bohème im Royal Opera House ganz gut mit,
die Inszenierung von John Copley aus dem Jahr 1974 erlebt
derzeit ihre 38. Saison.
Ein wenig aufgefrischt wurde die Produktion heuer, vielleicht um
Startenor Rolando Villazón Gelegenheit zu geben, eigene Ideen
einzubringen, die aber bei anderen Sängern nicht funktionieren
werden. Denn nur Rolando hat so prächtig wuchernde Locken am
Kopf, dass er darin Mimis Zimmerschlüssel verstecken kann. Und
ich kenne auch keinen anderen Tenor, der zu Beginn des 4.Aktes
der Bohème eine klassische Ballettszene einlegen könnte, die in
eine köstliche Parodie mündet, was den nachfolgenden Akkord,
der die todkranke Mimi ankündigt, noch schauriger macht.
Im Übrigen bietet diese Inszenierung nichts Berichtenswertes, es ist
gutes, konservatives Theater, das die Liebesgeschichte von Rodolfo
und Mimi nicht über ihren romantischen Charakter hinaushebt.
In Salzburg wurde heuer ja versucht, die Bohème zu
modernisieren, aber es hat sich schnell gezeigt, dass ein bisserl
Punk bei Puccini eher lächerlich wirkt und der Geschichte keine
andere Dimension gibt.
Es wäre an der Zeit, in dieser Oper zu zeigen, wie schamlos die
Pariser Grisetten ausgebeutet wurden. Denn es stimmt doch nicht,
dass Puccini mit diesem Werk bloß von der Liebe eines armen
Paares und dem Tod eines jungen Mädchens erzählen wollte. Er
gab seiner Mimi gerade im ersten Akt sehr viele kokette Noten,
lässt im Libretto andeuten, dass sie die Verführerin ist, die dann im
zweiten Akt sehr bald ein Geschenk von ihrem Liebsten erbittet.
Ehe sie nur mehr als leichtfertige Mädchen angesehen wurden,
waren die Grisetten im Paris des 19.Jahrhunderts Putzmacherinnen,
Näherinnen, Stickerinnen. Sie arbeiteten zu Hause oder im Geschäft,
dekorierten Kleider und Hüte mit Seidenblumen und bestickten
Bändern, mussten oft auch die Ware den wohlhabenden Kundinnen
zustellen. Dafür stattete das Geschäft seine Näherin mit einem
grauen Kleid aus, das bald zum Ausweis, zum Erkennungszeichen
wurde , sie zur Grisette machte.
Diese Mädchen arbeiteten oft mehr als zwölf Stunden täglich, doch
ihr Lohn war so niedrig, dass sie davon kaum leben konnten. Die
meisten von ihnen suchten sich einen helfenden Freund, der sie
zum Essen einlud,
von Zeit zu Zeit auf einen Jahrmarkt in den
Vororten führte, ihnen kleine Geschenke machte, eine Haube,
einen Schal, einen Muff - Dinge, die eine Grisette sich selbst
kaum leisten konnte.
Dass Mimi bei Puccini sich in einen Mann verliebt, der genauso
arm ist wie sie selbst, ist noch nicht die Tragik in dieser Oper,
denn sie bekommt ja das Bohème-Quartett, quasi eine Familie, in
der jeder das , was er hat, mit den anderen teilt.
Die Tragik liegt vielmehr in der Person von Rodolfo, der es nicht
aushält, ein armer Freund einer kranken Grisette zu sein, der sie
wegschickt, ihr sagt, such dir einen anderen Freund.
Ich habe in der Vorstellung vom 20.Dezember in London wieder
einmal erlebt, dass Rolando diese spezielle Interpretation nur
gemeinsam mit Anna Netrebko gelungen ist. Seither sind alle
seine Zwischentöne an die verschiedenen Mimis verschwendet
gewesen. Leider war auch Maja Kovalevska keine Ausnahme.
Diese Sopranistin trug ein Allerweltslächeln über die Bühne,
antwortete den warmen, zärtlichen Tönen von Rolando mit
schrillen Höhen und banaler Dynamik der Stimme, die sie mit viel
Forte einsetzte. Sie zwang Rolando dadurch , das Äußerste an
Volumen zu geben, was seiner Stimme nicht gut tut. Sein Samt und
sein schönes Timbre kamen nur zur Geltung, wenn er ohne diese
Mimi singen durfte und gemeinsam mit dem wunderbaren
Dirigenten Mark Elder Puccinis Musik gestalten konnte. Ich saß in
der ersten Reihe schräg hinter dem Dirigenten, der bei aller
Leidenschaft sehr genau agierte und sah, wie der Mann
aufleuchtete, wenn Rolando seine weichen Legati, seine perfekte
Phrasierung zeigte und auch in seinen intensivsten Momenten nie
den Ductus der Musik verließ, nie aus dem Rhythmus glitt (was
leider M.Kovalevska einige Male passierte).
Die Mitsänger waren alle passend besetzt. Ich möchte nur den
Argentinier Nahuel di Pierro herausheben, er gab den Colline.
Diese Rolle wird sehr oft mit älteren Herren und schweren
Bassstimmen besetzt. Diesmal
erlebten wir einen jungen
Philosophen mit Spielfreude und einem sehr schönen, weichen,
auch hellen Bass, der eine beeindruckende Mantel-Arie sang. Den
Mann muss man sich merken.
Beim Bühnentürl traf unsere recht große Wiener Gruppe einen
entspannten und gut gelaunten Rolando, der sich über die von
Helga gebackenen Vanille-Kipferl sehr freute und gleich drei
davon in den Mund stopfte.
Ich blieb auch noch zur Vorstellung vom 22.Dezember, und für
diesen Abend hatte Rolando seine Stimme aufpoliert , sie war
nicht bloß lyrisch, sondern auch groß und dramatisch.
Er sang die „gelida manina“ - Arie sehr, sehr schön , die Melodie
floss mit dieser zärtlichen Leidenschaft dahin, für deren Ausdruck
Rolando berühmt ist. Der Sänger hatte Kraft und war gleichzeitig
sanft, vermittelte die Momente einer aufkeimenden Liebe
eindringlich und berührend.
Für diese außergewöhnliche Leistung spendete das Publikum ihm
langen Szenenapplaus , und die Bravo-Rufe kamen nicht bloß von
den deklarierten Rolando-Fans.
Besonders schön gestaltete Rolando auch das Ende des dritten
Akts, wenn das Paar versucht, die Schrecken von Krankheit und
Tod zu verdrängen und noch einmal die Liebe siegen soll.
Diesmal gelang es ihm, seine Partnerin ein wenig zu dämpfen, sie
mitzunehmen in diese Atmosphäre
einer letzten Illusion der
Liebenden.
Unser bewunderter Tenor hat ja nie ein Problem damit, rasch von
einer Stimmung in die andere zu wechseln, ich glaube, er kann das
im Leben so gut wie auf der Bühne. Doch an diesem Abend war
es besonders verblüffend, wie er im letzten Akt aus der Komik des
Bohème-Quartetts zum schrecklichen Schmerz wechselt, aus der
Parodie eines Balletts in die Hilflosigkeit verfällt, die der Mensch
im Angesicht des Todes empfindet. Die letzte Szene dieser Oper,
wie sie Rolando an diesem Abend sang und lebte, wird jedem,
der dabei war, noch lange begleiten.
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Wer
heute Abend einen Rolandinischen Stimmungswechsel
versuchen möchte
nach Stille Nacht und Bescherung bringt
ARTE TV
um 20.15 Uhr die Aufzeichnung von Rolandos
Liebestrank im Wilden Westen.
Am 31.Dezember dürfen wir dann in der Tradition bleiben, ARTE
überträgt ab 18 Uhr 10 das Silvesterkonzert aus Baden-Baden mit
Rolando Villazón, Thomas Hampson und Olga Peretyatko.
Zum Abschluss dieses Jahres ein Psychogramm, das der bekannte
französische Journalist Olivier Bellamy vor einigen Wochen über
Rolando veröffentlichte :
„ Er wagt alles, was und wie auch immer. Er fürchtet sich vor
niemandem und ganz bestimmt nicht vor dem Blick der Puristen,
die er zwar respektiert, aber deren Vorschriften er nicht folgt.
Weil er so viele Talente hat, geht er seinen eigenen Weg mit
Intelligenz und Großzügigkeit, ohne sich zu ängstigen vor dem,
was irgendjemand dazu sagen mag. Er ist bereit, auf andere
Künstler zu hören, wie zum Beispiel auf Daniel Barenboim oder
Emmanuelle Haim, er vertraut ihnen und gibt dann alles.
Er ist Sonne und Mond in einem, witzig, voll Tiefe, einzigartig,
genial. Ohne jemanden zu belehren, ohne selbstbezogen zu sein,
ohne sich hinter einer Rolle zu verstecken und ohne sich selbst zu
schützen, singt er wie ein Vogel auf einem Ast, ein Vogel, der
seine Musik gut kennt, der Bücher liest, in Museen geht, im Kino
weint und im Leben lacht. Ein Künstler und ein freier Mann. Und
ein Künstler, der diejenigen frei macht, die ihm zuhören und ihn
lieben.“
Mit allen guten Wünschen für ein schönes Neues Jahr
Brigitta
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