Hepp Andreas Die Publika von "Nationwide" und Fernsehserien als Ausgangspunkt (aus: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden, 1999.) Abstract Der Forschungshintergrund des Textes beruht auf der Fernsehaneignungsforschung und dem Wandel der Cultural Studies von Fragen der Produktion, hin zum Prozess der Medienaneignung selbst. Die Analyse erfolgte im Zuge von vier Studien, die die Rezeption und Aneignung von Fernsehserien untersuchten. Die betrachteten Serien stammten alle aus dem angloamerikanischen Raum der 1980er Jahre. Die Schlussfolgerung lässt auf ein aktives Publikum schließen, das Medienkompetenz besitzt und mittels Medien nicht manipuliert werden kann. Die erwähnten Studien sind von höchster Bedeutung für den weiteren Forschungsverlauf innerhalb der Cultural Studies. Schlagwörter Aneignungsforschung – Publikum – Mapping –Alltagkompetenz – Produktionsprozesse Emotionaler Realismus – Ideologie der Massenkultur – Ideologie des Populismus - FernsehLesefähigkeit - Produktivität der Publica Jiménez Nicole, 0214344 A 033 641 Neumeister Theresa, 0221413 A 033 641 696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur Univ.- Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, WS 2004/ 2005 Jiménez Nicole 0214344; A 033 641 Theresa Neumeister 0221413; A 033 641 VO Medienpädagogik Univ.- Prof. Dr. Thomas A. Bauer WS 2004/2005 1. Abstract Der Forschungshintergrund des Textes beruht auf der Fernsehaneignungsforschung und dem Wandel der Cultural Studies von Fragen der Produktion, hin zum Prozess der Medienaneignung selbst. Die Analyse erfolgte im Zuge von vier Studien, die die Rezeption und Aneignung von Fernsehserien untersuchten. Die betrachteten Serien stammten alle aus dem angloamerikanischen Raum der 1980er Jahre. Die Schlussfolgerung lässt auf ein aktives Publikum schließen, das Medienkompetenz besitzt und mittels Medien nicht manipuliert werden kann. Die erwähnten Studien sind von höchster Bedeutung für den weiteren Forschungsverlauf innerhalb der Cultural Studies. 2. Zusammenfassung – Die Publika von "Nationwide" und Fernsehserien als Ausgangspunkt von Andreas Hepp Als eine elementare Studie der Aneignungsforschung der Cultural Studies kann die Untersuchung The Nationwide Audience: Structure and Decoding 1von David Morley gesehen werden. Ausgangspunkt dieser ist das Encoding-Decoding Modell Stuart Halls. Ihr Ziel ist es, die "Dekodierungs-Positionen"2 der Rezipierenden dieser Sendung zu untersuchen. Ausgangspunkt ist sowohl die Kritik am damaligen Begriff von Publikum, als auch an der kommunikationswissenschaftlichen Medienwirkungsforschung. Morley versuchte einen passenderen Begriff des Publikums für eine kulturanalytische Aneignungsforschung zu konstruieren und kritisiert die Simplifizierung und Verallgemeinerung der psychischen Aneignungsprozesse. Die kommunikationswissenschaftliche Medienwirkungsforschung scheint ihm weniger einengend als der Uses- and- Gratification- Approach. Morley schlägt einen neuen Begriff des Publikums vor der subkulturelle Gruppen beschreibt, deren Mitglieder bestimmte kulturelle Orientierung bezüglich der Dekodierung von Medienproduktion teilen. 1 Hepp, Andreas: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 1999. S. 165 2 ebd. 2 Jiménez Nicole 0214344; A 033 641 Theresa Neumeister 0221413; A 033 641 VO Medienpädagogik Univ.- Prof. Dr. Thomas A. Bauer WS 2004/2005 Weitergehend versucht er Stuart Halls Typologie der drei mit Klassenlage korrelierenden "Dekodierungspositionen" empirisch prüfen. Morley führt im Zuge seiner Untersuchung 29 Gruppendiskussionen mit Personen aus unterschiedlichen Schichten durch, denen er zuvor zwei Nationwide- Sendungen vorführte. Morley kam zum Ergebnis, dass keine eindeutigen Klassenbezüge in der Aneignung zu sehen sind und kommt zu zwei Folgerungen: 1. Soziale Faktoren haben keinen direkten Einfluss auf Leseart. 2. Ein Mapping kultureller Kontexte ( "kulturelle Karte") des adressierten Publikums ist notwendig um die Bedeutung eines Medienproduktes zu erkennen, da dieses unterschiedliche Subgruppen aufweist. Das folgende Teilkapitel geht auf drei Studien, welche die Rezeption und Aneignung von Fernsehserien untersuchten und erstmals die Schwierigkeit einer kulturanalytischen Aneignungsforschung und deren Potential aufzeigten, ein. In der ersten Studie befasst sich Dorothy Hobson mit der englischen Fernsehserie Crossroads. Um zu ihren Ergebnissen zu gelangen, verwendet Hobson ein Mehrmethodendesign, indem sie teilnehmende Beobachtung während der Serienrezeption in unterschiedlichen häuslichen Kontexten mit offenen Interviews und einer Auswertung von Rezipierendenpost verbindet. 3 Als das vorwiegende Publikum von Crossroads werden Frauen bezeichnet. Hobson weist auf die verschiedenen Lesearten der Seher hin, die aber alle auf einem "Common-Sense"4 gründen, der von ihren Erfahrungen im Alltagsleben und denen als langer Medienrezipient herführt. Hobson spricht von einem kompetenten Seher und stellt das von Morley aufgestellte Schema des Mapping infrage. Mit dieser zu Morley entgegenstehenden Ansicht , betont sie die Kritikfähigkeit und Alltagskompetenz mit der die Rezipienten ausgestattet sind und ihre Abneigung zur Idee des Klassenabhängigen. Aber Hobson spricht dennoch den Einfluss der soziokulturellen Faktoren an: Die betrachteten Frauen entstammen primär dem Kleinbürgertum und sind in ihren Rollen als Hausfrauen oft ans Haus gebunden. Die fest habitualisierte Rezeption der Serie, lässt sie ihre Arbeit unterbrechen (was mitunter Schuldgefühle mit sich zieht) und führt sie aus ihrer Isolation heraus. Das Heraus – Brechen – 3 Hepp, Andreas: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 1999. S. 173 4 Hepp, Andreas: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 1999. S.173, Zit. nach Hobson, D. 1982: 105f. 3 Jiménez Nicole 0214344; A 033 641 Theresa Neumeister 0221413; A 033 641 VO Medienpädagogik Univ.- Prof. Dr. Thomas A. Bauer WS 2004/2005 wollen aus der häuslichen Isolation ist dennoch nicht als Flucht zu sehen. Vielmehr können sich die Rezipienten in die dargestellten Szenen einfühlen und suchen Anregungen für Lösungen eigener Probleme ihrer Welt. Folglich richten sich die Ergebnisse auch gegen die aus dem Uses-and-Gratifikation-Approach bekannte Eskapismus – These. Die Studie von Ien Ang über die Studie Dallas, beruht auf 42 Zuschriften von (vorwiegend weiblichen) Rezipienten, die auf eine Anzeige in einer holländischen Frauenzeitschrift antworteten. Ang wollte durch eine Auswertung der Schreiben erfahren, was den Rezipienten Vergnügen bereitet habe und welche Muster sich ergaben. Es zeigte sich, dass der "Unterhaltungswert"5 der Serie insbesondere in ihrem emotionalen Realismus liegt. In diesem wird nicht die gesamte Serienhandlung als solches akzeptiert, sondern einzelne Konflikte und damit verbundene Gefühle und sie kommt so zu ähnlichen Ergebnissen wie Dorothy Hobson. Die Einstellung zur Aneignung der Serie kann unterschiedlich erfolgen, je nachdem ob die Rezipienten die sogenannte Ideologie der Massenkultur oder die des Populismus verfolgen. 6 Erstere vertritt die Massenkulturtheorie Adornos und Horkheimers, zweitere widerstrebt generell dem Versuch über die Vorlieben von Leuten zu urteilen. In Public Secrets: EastEnders and It's Audience 7 erforscht David Buckingham den Umgang von Kindern und Jugendlichen mit der auf sie konzipierten Serie. Die Studie kann als eine der ersten Aneignungsstudien im Theorierahmen der Cultural Studies gesehen werden, der sich mit der Medienaneignung von dieser Altersgruppe befasst. Hierfür arbeitet der Forscher neben Produktanalysen vorwiegend mit qualitativen Interviews der Medienschaffenden und Rezipienten. Es geht im quasi um das "Mapping" der jungen Zielgruppe. Infolge von Gruppendiskussionen, die innerhalb von "natürlichen" Gruppen, also Freundeskreisen beispielsweise, durchgeführt wurden, kam er zu folgendem Schluss: Kinder und Jugendliche werden von EastEnders nicht manipuliert. Sie verfügen sogar über eine erstaunlich alltägliche Medienkompetenz, die er in späteren Werken als "Fernseh- 5 Hepp, Andreas: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 1999. S. 176 6 Hepp, Andreas: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 1999. S. 177 7 Hepp, Andreas: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 1999. S. 179 4 Jiménez Nicole 0214344; A 033 641 Theresa Neumeister 0221413; A 033 641 VO Medienpädagogik Univ.- Prof. Dr. Thomas A. Bauer WS 2004/2005 Lesefähigkeit"8 bezeichnet. Trotz gewissem Einfluss auf die Sozialisation, nehmen Kinder die Rolle eines aktiven Produzenten ein. Sie wissen zu Differenzieren und Abzugrenzen zwischen eigenen und in der Serie angebotenen Werten und Vorstellungen. Um zu einem sich aus verschiedensten Gruppen mit verschiedenstem kulturellen Hintergrund konstituierenden Gesamtpublikum Zugang zu bekommen, benötige insofern es eines empirisch fundierten und differenzierten "Mappings". 9 3. Auswertung und Besprechung Bereits in den frühen 1970er Jahren, befassten sich die Cultural Studies mit der Analyse von Medieninhalten. Jedoch erst in den 1990ern drangen sie in den deutschsprachigen Raum vor und gewinnen seither an Bedeutung. 1997 erfolgten Übersetzungen einiger grundlegender angloamerikanischen Texte und 1999 erschien die erste Monographie von Andreas Hepp.10 Das zentrale Programm der Aneignungsforschung der Cultural Studies: In ihr geht es darum, Medienaneignung als einen komplexen soziokulturellen Prozess zu beschreiben, der nur durch eine umfassende Studie der Aneignungskontexte der jeweiligen Gruppen von Rezipierenden fassbar ist.11 Kultur wird in den Cultural Studies als "practise of everyday living" verstanden.12 Innerhalb der Cultural Studies sind für die Legitimierung des Begriffs Gesellschaft und der Interpretation von Kommunikation alle damit verbundenen Aspekte maßgebend. Relevant sind die Zusammenhänge. Erfahrungs- und Lebenszusammenhänge, sowie ethnische, soziale oder ästethische Auffassungen wandeln sich als Untergruppierungen innerhalb einer Kultur. Da Kultur, Gesellschaft, Kommunikation keine eigenständige Realität haben, definieren und 8 Hepp, Andreas: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 1999. S. 181 9 Hepp, Andreas: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 1999. S. 183 10 Bonfadelli, Heinz/ Jarren, Otfried: Einführung in die Publizistikwissenschaft. Pa Haupt, Wien 2001. S. 400 11 Hepp, Andreas: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 1999. S. 171 12 Bonfadelli, Heinz/ Jarren, Otfried: Einführung in die Publizistikwissenschaft. Paul Haupt, Wien 2001. S. 400 zit. nach: Braun 1991: 180 5 Jiménez Nicole 0214344; A 033 641 Theresa Neumeister 0221413; A 033 641 VO Medienpädagogik Univ.- Prof. Dr. Thomas A. Bauer WS 2004/2005 gestalten sie sich gegenseitig und besitzen eine starke Dynamik.13 Folglich ist auch die Interpretation von Texten und Inhalten innerhalb von Gesellschaften und Kulturen individuell und besitzt unterschiedliche Aneignungsmuster. Sowohl Kommunikator, als auch Rezipient treten nicht vorraussetzungslos in den Kommuniktationsprozess ein, sondern handeln in Abhängigkeit von ihren subjektiven, psychischen und sozialen Beschaffenheiten.14 Wie bereits erwähnt, war das Buch von Andreas Hepp für die Weiterentwicklung der Cultural Studies im deutsprachigen Raum von großer Bedeutung. Der von uns behandelte Artikel ist Teil davon. Die von Andreas Hepp dargestellten Studien aus den 1980er Jahren ermöglichen einen ersten Einblick in die Thematik. Er geht dabei auf verschiedene zentrale Begriffe der Aneignungsforschung ein und diskutiert die damit verbundene Problematik. Leider geht Hepp vor allem zu Beginn des Textes zu sehr theoretisch auf die Thematik ein, wodurch es einem schwer fällt die einzelnen Aspekte nachzuvollziehen. In der Beschreibung der Fallbeispiele der Serienanalysen erscheint die Struktur westlich klarer und weniger dicht gedrängt von abstrakt wirkenden Darstellungen. Die Begrenztheit der Ausführungen, ohne deren Qualität zu kritisieren, ermöglicht uns nicht eine umfassende Kompetenz auf dem Gebiet der Aneignungsforschung zu erlangen, sie gibt uns jedoch einen guten ersten Einblick in die Thematik. Wir sind uns über die fehlende Aktualität der behandelnden Fallbeispiele im klaren. Sie waren jedoch zum Zeitpunkt ihres Erscheinens durch das Einbringen neuer Forschungsansätze maßgebend um eine Weiterentwicklung auf diesem Gebiet voranzutreiben. Generell sind wir der Auffassung, dass es für Analysen, Forschungen und Theorien in der Gegenwart und der Zukunft essentiell ist ihren historischen Verlauf zu verstehen und zu erfassen. 13 14 Bauer, Thomas in der Vorlesung Medienpädagogik in Wien, am 13.190.2004 Burkart, Roland: Kommunikationswissenschaft.Böhlau. Wien 2001. S.499 6 Jiménez Nicole 0214344; A 033 641 Theresa Neumeister 0221413; A 033 641 VO Medienpädagogik Univ.- Prof. Dr. Thomas A. Bauer WS 2004/2005 4. Bibliographie o Bauer, Thomas: Mitschriften aus der VO Medienpädagogik. WS 2004/2005 o Bonfadelli, Heinz/ Jarren, Otfried: Einführung in die Publizistikwissenschaft. UTB. Wien 2001. o Burkart, Roland: Kommunikationswissenschaft.Böhlau. Wien 2001 o Hepp, Andreas: Cultural Studies und Medienanalyse. Eine Einführung. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 1999 5. Schlagwörter Aneignungsforschung – Publikum – Mapping –Alltagkompetenz – ProduktionsprozesseEmotionaler Realismus – Ideologie der Massenkultur – Ideologie des Populismus – FernsehLesefähigkeit - Produktivität der Publica 7