Hausaufgabe von Nicole Hoppe Im Fach Pädagogik Fachlehrer: Herr Temme 03.04.2003 Die Platonische Ideenlehre Das Höhlengleichnis 1. Einleitung: In dem berühmten Höhlengleichnis lässt Platon Sokrates einen Dialog mit Glaukon über Menschen führen, die seit ihrer Kindheit in einer Höhle eingesperrt sind. Die Menschen sind seit ihrer Geburt an Hals und Schenkeln gefesselt, so dass sie sich nicht bewegen können und nur auf die Höhlenwand vor ihnen sehen können. Hinter den Gefesselten steht eine Mauer, von der oberhalb ein Feuer brennt, wodurch die Höhle mit Licht versorgt wird. Hinter dieser Mauer tragen Menschen Gegenstände umher, manche von ihnen sprechen auch dabei. Auf Grund des Feuers können die gefesselten Menschen diese Vorgänge, die durch Schatten an die Wand vor ihnen projiziert werden beobachten. Den einzigen Eingang zum Licht kann man über einen steilen, holprigen Aufstieg erreichen. In dem Dialog zwischen Sokrates und Glaukon wird nun die Möglichkeit der Befreiung eines Gefangenen überlegt. Sie fragen sich was passieren würde, wenn der Befreite danach gezwungen werden würde sich in der Höhle umzusehen, ins Feuer zu schauen, durch den Eingang ins Licht zu treten. Der Befreite würde plötzlich mit einer ganz neuen Realität der Welt konfrontiert werden. Platon lässt Sokrates immer wieder die Fragen aufstellen, wie der Befreite mit der neuen Situation umgehen würde und welche Welt für ihn die „reale“ Welt ist? Und ob der Befreite, nachdem er sich an sein neues Leben gewöhnt hat, noch in der Höhle leben könnte? Interpretation: 1. Phase: In der ersten Phase beschreibt Sokrates die Höhle der Gefangenen. In Bezug auf unser Leben würde ich das Leben in der Höhle als unser ganz gewöhnliches Dasein interpretieren. Wir wachsen „geschützt“ in unserer Umgebung (Zuhause) auf, dass man auch als geschlossenes System mit unterschiedlichen Bräuchen und Riten auffassen kann. Das Kind erfährt meist nur diese Sichtweise der Welt, ist also auch nur mit einer Sicht der Welt vertraut, genau wie der Gefangene, der die Welt nur anhand der Schatten auf der Wand kennt. Das Kind fühlt sich in dieser Welt wohl und hat auch nicht den Wunsch in einer anderen Welt zu leben, da nur die bekannte Welt für das Kind real ist. Es kann sich gar nicht vorstellen, dass es außerhalb seiner bekannten Welt noch eine viel umfassendere Wirklichkeit existiert. Das Kind nimmt, zumindest in den ersten Jahren, seine Welt mit den Sinnen wahr, so dass es nur die wahrgenommene Welt als die ultimative Welt ansieht. 2. Phase: In dieser Phase wird der Gedanke erhoben, was passieren würde, wenn der Gefangene befreit werden würde. Um diesen Abschnitt zu verstehen, muss man sich selbst einmal vorstellen, wie es wäre, wenn man sein Leben lang gefesselt vor einer Mauer verbracht hätte und man daher nur diese Lebensweise als „normal“ anerkennen würde. Wenn einen nun ein fremdes Wesen losbinden und zwingen würde Dinge zu tun, wie umherzulaufen, in das Licht zu blicken und die Höhle zu verlassen, was würde man in dieser Situation empfinden? Schmerz?! Verwirrung?! Schließlich sind die Muskeln zurückgebildet und man fragt sich, warum man sich unter Schmerzen fortbewegen soll. Man würde seine eigenen Erkenntnisse in Frage stellen und somit nach einer neuen Wahrheit suchen. Aber würde man den unbekannten Wesen wirklich bedingungslos folgen oder würde man doch versuchen in seine vertraute Welt zurückzukehren? Platon meint, dass der Mensch zunächst wieder in seine geborgene Welt zurückkehren will, da die Entfesselung ein ungewollter und auch schmerzvoller Vorgang für ihn war. Deshalb kann man meiner Meinung nach auch nicht von einer Befreiung reden, da diese Befreiung nicht von dem Gefangenen ausgeht. 3. Phase: In der dritten Phase beschreibt Platon den Vorgang des Hinaufsteigens zum Licht. Da der Entfesselte den Ort der Geborgenheit nicht verlassen will, muss das fremde Wesen ihn mit Gewalt aus der Höhle hin zur Außenwelt ans Lichts zwingen. Den Weg der Erkenntnis zu gehen wird für ihn aber noch viel schmerzhafter sein, da er die neue Welt an sein vorhandenen Denkmuster anpassen muss. Hat der Mensch nun das Ende des Weges erreicht, steht er vor dem grellen Licht, dass ihn blendet und somit zwingt, den Blick zum Boden zu richten. Mit der Zeit aber gewöhnen sich seine Augen an das Licht und er lernt mit der neuen Sicht der Welt umzugehen. Er beginnt Ideen über Zusammenhänge zu bekommen und erfährt schließlich auch, dass die Schatten, die er auf der Höhlenwand sah, nur Abbilder der originalen Welt waren. Der Entfesselte begreift, dass sein zu voriges Wissen nur minimal war und er denkt wahrscheinlich an seine Leidensgenossen zurück, die immer noch in dem Zustand der Unwissenheit leben. Der Mensch hat, nach Platon, die Stufe der Wahrheit erlangt. 4. Phase: In dieser Phase wird der Anblick des Lichtes und der anschließende Hinabstieg in die Höhle beschrieben. Nachdem der Mensch seine Augen endgültig an das Licht gewöhnt hat, richtet er seinen Blick auf die reale Welt und ist sogar bereit in die Sonne zu schauen und somit nach Platon die „Form des Guten“ zu erkennen. Der Mensch erkennt nun die Quelle allen Lebens in der Sonne und kann Zusammenhänge auch deuten. Der Mensch spürt den Drang Wissen zu erwerben und dieses an andere Menschen weiterzugeben, genau wie der Entfesselte, der anschließend das Bedürfnis hat in die Höhle zurückzukehren, um seine Leidensgenossen von seinen neuen Erfahrungen zu berichten. Aber der Weg zurück in die Höhle ist genau so schwer, wie der anfängliche Aufstieg und der Gefangene kann sich in der Dunkelheit wahrscheinlich wieder nicht zurechtfinden. Er ist also wieder orientierungslos und muss sich erst wieder an seine „alte“ Welt anpassen. Seine Brüder werden seine neue Sichtweise nicht verstehen, da es ihren Horizont übersteigt. Platon ist der Meinung, dass man das lernt, wenn man selbst erkennt und erlebt. Der Mensch aber wird nicht aufgeben das Erfahrene weiterzugeben, wird jedoch an der Übermacht der Unwissenheit scheitern, die ihm keinen Glauben schenken will. Erläuterung: Für Platon steht das Höhleninnere für den Bereich des Sichtbaren und die Gegend außerhalb für den Bereich des Denkbaren. Die Sonne symbolisiert die „Form des Guten“, die „Ideen der Dinge“, „Gott“, deren Wahrnehmung und Erkenntnis erst nach einem langen und beschwerlichen Weg erreicht werden kann. Das Sehen in der Höhle gibt die Meinung aufgrund der Sinneswahrnehmung wieder und das Sehen außerhalb der Höhle entspricht der Tätigkeit des erweiterten, abstrakten Denkens. Die Gefangenen stehen für die Kinder, die in ihrer „kleinen“, beschränkten Welt aufwachsen und diese als ihre reale Welt sehen. Wir können selbst bestimmen, auf welcher Stufe wir uns befinden und welchen Grad der Erkenntnis wir erreicht haben. In Bezug auf die Bildung würde ich sagen, dass Platon damit ausdrücken will, dass die Menschen sich immer weiter bilden und somit die Sichtweisen und Denkweisen der „Lehrer“ annehmen. Die Schatten des Realen stehen für die Oberflächlichkeit. Das bedeutet, dass die Menschen Dinge nicht voreilig und auf Grund ihrer einseitigen Sichtweise beurteilen, sondern versuchen sollen das Ganze (hintergründig) zu sehen. Schlusswort: Meiner Meinung nach will der Text uns darauf aufmerksam machen, dass es immer jemanden gibt, der uns zu unserem „Glück“ zwingen will. Auch wenn wir die Tipps und Denkanstöße anderer zunächst nicht annehmen wollen, da es meist schwer ist diese Ratschläge zu befolgen, sind sie in den meisten Fällen gut gemeint. Damit man die Ratschläge anderer befolgen kann, muss man sich selbst zu einem Neuen und Unbekannten hinwenden, um so den eigenen Horizont zu erweitern, neue Erfahrungen zu sammeln und schließlich auch Zusammenhänge zu deuten und zu verstehen. Hat man nun selbst diese Stufe erreicht, will man anderen Menschen seine Erfahrungen mitteilen und sieht sich schließlich auch in der Situation, andere Menschen zu ihrem Glück zu zwingen. --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------[Die Schülerin hat ihren pädagogischen Interpretationsansatz wesentlich auf entwicklungsspezifische Aspekte konzentriert, indem sie den „Weg aus der Höhle“ mit den menschlichen Entwicklungsstufen vom Kleinkind zum Erwachsenen in Beziehung gesetzt hat; dieses könnte man anhand vieler Bezüge zu den Modellen der kognitiven und der moralischen Entwicklung konkretisieren. Ergänzend möchte ich das folgende Zitat anfügen, das ich der Quelle „Erziehungsgedanke der klassischen griechischen Philosophie“ von Ernst Hoffmann in „Erziehung und Bildung in der heidnischen und christlichen Antike“, hrsg. Von H. Th. Johannes, 1976 entnommen habe: “Als Platon hochbetagt war, hat er gesagt, einen eigentlichen Unterricht in der Philosophie gebe es nicht; man müsse den Weg selber machen; in den geeigneten Naturen entzünde sich auf dem Wege von selber die philosophische Erkenntnis, die zum Höchsten, also zu Gott führt. Die Entfesselung in der Höhle schien den Menschen zunächst der Unschuld seiner naiven Erkenntnis zu berauben, ihn seinem primitiven Glauben an magische Gewalten zu entfremden. Aber die Philosophie führt nur vom naiven Glauben fort, um auf höchster Stufe (nach Platon) zum Gottesbegriff hinzuführen. Dies ist der Kern der pädagogischen Bedeutung von Platons Ideenlehre. Die Wissenschaften, in die Ordnung ihrer naturgemäßen Folge gebracht, sind Phasen eines Weges, an dessen Zurücklegung unmittelbar der höchste erzieherische Sinn haftet. Der Weg der Erziehung durch die Wissenschaften ist steil, beschwerlich, schmerzhaft. Er verlangt eine Abkehr von der natürlichen Sinnlichkeit; aber er löst dem Menschen die Fesseln, führt ihn ins freie Reich der Gedanken, ermöglicht ihm, nach übersinnlichen Gesichtspunkten die Welt zu verstehen und mit metaphysischem Bewusstsein den Lebensweg zu gehen. Das Ziel ist das Absolute. Das Ganze aber ist der Weg, und darauf kommt es an. Nicht Resultate, Dogmen, Mitteilungen sind das Vehikel; sondern nur die Selbstzucht der Erkenntnis, die den Weg zum Absoluten – als Weg - findet, kann ihn auch gehen. Wer ihn gegangen ist, weiß nun, dass die Höhle ein Grab war, das heißt, dass das Leben des Menschen erst wahrhaft lebenswert ist, wenn er den Weg der Erkenntnis durch wissenschaftliche Erziehung geht. Dabei kehrt der Mensch nun um, geht pflichtgemäß zurück zur Höhle und befreit andere, wie er befreit worden ist.“ Ulrich Temme]