45. Chemische Signale bei Tieren 45.1 Eine Vielzahl von chemischer Signale koordiniert die Körperfunktionen. Hormone Ein tierisches Hormon ist ein chemisches Signal, das in die Körperflüssigkeiten, meistens Blut, ausgeschüttet wird und regulierende Botschaften im Körper verbreitet. Dies erfolgt durch spezielle Zellen, die entweder endokrin oder neurosekretorisch sein können. Als neurosekretorische Zellen bezeichnet man besondere Neuronen, die Signale von anderen Nervenzellen empfangen und darauf mit der Ausschüttung von Hormonen in die Körperflüssigkeiten oder in Speicherorgane reagieren, aus denen die Hormone zu einem späteren Zeitpunkt abgegeben werden. Endokrine Zellen sind im Allgemeinen zu Organen zusammengefasst, die als endokrine Drüsen bezeichnet werden. Man unterscheidet bei Tieren zwischen exokrinen und endokrinen Drüsen. Exokrine Drüsen produzieren eine Vielzahl von Substanzen, wozu Schweiss, Schleim und Verdauungsenzyme gehören. Demgegenüber produzieren endokrine Drüsen Hormone und schütten diese chemischen Botenstoffe in die Körperflüssigkeiten aus. Die menschlichen Hormone sind nach ihrer chemischen Struktur in zwei Klassen unterteilt. Die lipophilen Steroidhormone (vor allem Geschlechtshormone) und die hydrophilen von Aminosäuren abgeleiteten Hormone. Pheromone Die Aufgabe der Pheromone besteht darin, die Übermittlung von Signalen zwischen Tieren derselben Art. Es sind flüchtige Moleküle, die sich rasch in der Umwelt verteilen und in geringen Mengen wirksam sind. Lokale Regulatoren Hormone übertragen Informationen via Blutkreislauf in den gesamten Körper, während andere chemische Signale zwischen nahen oder benachbarten Zellen funktionieren (lokale Regulatoren). Bei der synaptischen Signalübertragung schüttet ein Neuron seinen Transmitter in den synaptischen Spalt zwischen synaptischem Endkopf und Zielzelle aus. Etwas weniger direkt, aber immer noch lokal beschränkt, läuft die parakrine Signalübertragung ab. Diese findet statt, wenn eine Zelle regulatorisch wirkende Substanzen in die umgebende interstitielle Flüssigkeit ausschüttet und diese nur auf in der Nähe befindliche Zielzellen wirken. Beispiele: - einige Zellen produzieren Stickstoffmonoxid (NO), das hochreaktiv und giftig ist. Deshalb wirkt es innert Sekunden auf die Zielzelle. Abgesondert von Neuronen wirkt es als Neurotransmitter, weisse Blutzellen verwenden es als Killer von Krebszellen und Bakterien. - Wachstumsfaktoren sind Peptide und Proteine, die als lokale Regulatoren funktionieren. Sie müssen in der extrazellulären Umgebung vieler Zellen für das Wachstum, Teilung und Entwicklung vorhanden sein. Ein Wachstumsfaktor kann verschiedene Funktionen haben. Die Interaktion verschiedener Wachstumsfaktoren reguliert das Zellverhalten in der Entwicklung von Gewebe und Organen. -1- - Prostaglandine (PG) sind veränderte Fettsäuren, die meist von den Lipiden der Plasmamembran abstammen. PGs werden von den meisten Zelltypen in die interstitielle Flüssigkeit abgegeben und funktionieren als lokale Regulatoren auf benachbarte Zellen. PGs führen z.B. zu den Wehen oder helfen, Fieber, Schmerz und Entzündungen auszulösen. 45.2 Die Bindung von Hormonen an spezifische Rezeptoren löst Signalmechanismen auf zellulärer Ebene aus. Hormone können in sehr geringen Konzentrationen wirken und können auf unterschliedliche Zielzellen unterschiedlich wirken. Die Vielfalt der Antworten von Zielzellen auf Hormone ist sehr gross und hängt von der Anzahl und Affinität der Rezeptorproteine in den Zielzellen ab. Steroidhormone dringen generell in die Zielzelle ein, binden an einen spezifischen Rezeptor und der Hormon-Rezeptor-Komlex verändert die Genexpression. Die meisten anderen Hormone, darunter auch die Peptidhormone wirken über Signaltranduktionsketten, durch welche Enzyme im Cytoplasma über intrazelluläre Botenstoffe reguliert werden. Steroide wirken also vor allem auf die Synthese von Proteinen, während Peptidhormone auf die Aktivität von Enzyme und anderen Proteinen wirken, die in der Zelle bereits vorhanden sind. 45.3 Viele chemische Signale werden durch sekundäre Messeneger und Proteinkinasen übertragen und verstärkt. Signaltransduktionswege am Beispiel des cAMP (zyklisches Adenosimonophosphat) als sekundärer Messenger.(Vergleiche auch Bilder und Beschrieb im Buch) Ein Hormon, ein primärer Messenger, bindet an ein spezifisches Rezeptorprotein in der Plasmamembran einer Zielzelle und aktiviert diese. Der Hormon-RezeptorKomplex bindet dann an einen molekularen Überträger, ein G-Protein, das sich ebenfalls in der Plasmamembran befindet. Das G-Protein (Überträgerprotein) wiederum bindet GTP und stimuliert in diesem Zustand einen Effektor, das Enzym Adenylatcyclase. Dieses Enzym setzt ATP zu cAMP um, welches den sekundären Messenger darstellt. Einige G-Proteine stimulieren die Aktivität der Adenylatcyclase, wodurch die Konzentration an cAMP im Cytoplasma und damit die Wirkung des Hormons auf die Zielzelle gesteigert wird. Die inhibitorischen G-Proteine haben gegesätzliche Wirkung. Signalverstärkung und Signalspezifität Eine Enzymkaskade, von einem Hormon ausgelöst, aktiviert in jedem Schritt ein Enzym, welches seinerseits das nächste Enzym in der Folge aktiviert. Der Vorteil dieser komplizierten Enzymkaskade ist das Verstärken der Antwort auf das Hormon. In jedem katalytischen Schritt der Kaskade ist die Anzahl aktivierter Produkte sehr viel grösser als im vorherigen Schritt. Wie reagieren Zielzellen spezifisch auf die hormonellen Signale ? - Ein bestimmter Zelltyp ist nur auf gewisse Hormone eingestimmt. Die Hormone müssen auf die Rezeptoren auf der Oberfläche dieses Zelltyps passen. - Die cAMP-abhängigen Proteinkinasen unterscheiden sich von Gewebe zu Gewebe in ihrer Struktur und Funktion. - Die Schritte, die auf die Aktivierung der Proteinkinasen folgen, unterscheiden sich deutlich von einem Zelltyp zum anderen. -2- 45.4 Bei Regulationsmechanismen von Invertebraten endokrines System und Nervensystem oft eng zusammen. wirken In komplexeren Invertebraten wirken endokrines System und Nervensystem generell bei der Kontrolle von Fortpflanzung und Entwicklung zusammen, wie zum Beispiel bei den Insekten. Das Hormon Ectyson (E) stimuliert die Häutung und begünstigt die Entwicklung adulter Merkmale. Kontrolliert wird die E-Produktion vom prothoracotropen Hormon (PTTH), auch Brain Hormon genannt, welches in neurosekretorischen Zellen im Hirn gebildet wird. Ein drittes Hormon, das Juvenilhormon (JH), gleicht den PTTH- und E-Level aus und unterdrückt die Metamorphose. Nur wenn der JH-Level sehr tief ist, kann eine E-initiierte Häutung zur Puppe führen (siehe auch Bild im Buch). 45.5 Hypothalamus und Hypophyse steuern zahlreiche Funktionen im endokrinen System der Wirbeltiere. Hypothalamus Der Hypothalamus spielt eine wichtige Rolle beim Zusammenwirken von endokrinem System und Nervensystem. Diese Hirnregion empfängt Informationen von Nerven aus dem gesamten Körper und von anderen Teilen des Gehirns. Der Hypothalamus reagiert darauf mit dem Aussenden endokriner Signale, passend zur Situation im externen Milieu. Hypophyse (Hirnanhangdrüse) Die Hypophyse ist ein kleines Organ mit vielfältigen endokrinen Funktionen und liegt an der Basis des Hypothalamus. Sie ist eine übergeordnete Drüse, weil viele ihrer Hormone andere endokrine Funktionen regulieren. Sie selbst steht aber unter der hormonellen Kontrolle des Hypothalamus. Neurohhypophyse (Hypophysenhinterlappen) Die Neurohypophyse stellt eine Ausstülpung des Gehirn dar und speichert im Gehirn gebildete Hormone und schüttet diese ins Blut aus. Zum Beispiel synthetisiert der Hypothalamus die Peptidhormone Oxytocin und Adiuretin (ADH) und gibt sie dann an die Neurohypophyse ab. Oxytocin induziert Uteruskontraktionen bei der Geburt und regt die Milchdrüsen an. ADH wirkt auf die Nieren und fördert die Zurückhaltung des Wassers im Urin (Osmolarität wird kontrolliert). Adenohypophyse (Hypophysevorderlappen) Die Adenohyphphyse besteht aus nicht-neuralem Gewebe mit endokriner Funktion und synthetisiert selbst Hormone. Sie schüttet zwei Arten von Hormonen aus, Releasing-Hormone (Freisetzungshormone) und inhibitorische Hormone (hemmende Hormone). - Wachstumshormone (GHs) führen direkt zu Wachstum oder regen die Produktion von insulinartigen Wachstumsfaktoren (IGFs) in der Leber an. Störungen führen zu Gigantismus (Riesenwuchs), Zwergwuchs und Akromegalie (Vergröberung der Gesichtszüge und enormes Wachstum an Händen und Füssen). -3- Prolactin (PRL) hat eine grosse Vielfalt an Wirkungen, die es in verschiedenen Vertebraten hervorruft. Zum Beispiel Drüsenwachstum und Milchbildung bei Säugern, der Fettstoffwechsel bei Vögeln oder die Metamorphose bei Amphibien. - Follikelstimilierende Hormone (FSH) und Luteinisierendes Hormon (LH) sind die Gonadenhormone, da sie die Aktivität der männlichen und weiblichen Gonaden steuern. - Thyreotropin (TSH) reguliert die Thyroidhormone. Aus einem einzigen Ursprungmolekül (Pro-Opiomelanocortin) entstammen die drei weiteren Hormone: - Adenocortocotropin (ATCH) stimuliert die Produktion und Sekretion von Steroid-Hormonen in der Nebennierenrinde. - Melanotropin (MSH) reguliert die Aktivität von Zellen und Pigmenten. - Endorphine sind körpereigene Opiate. - 45.6 Das endokrine System der Vertebraten ist für die Homöostase verantwortlich und reguliert Wachstum, Entwicklung und Fortpflanzung. Schilddrüse Sie produziert zwei ähnlich Hormone, die von der Aminosäure Tyrosin abgeleitet werden: Trijodthyronin (T3, drei Jod-Atome) und Thyroxin (T4, vier Jod-Atome). Beide werden durch ein komplexes negatives Rückkopplungssystem des Hypothalamus und der Hypophyse kontrolliert. Schilddrüsenhormone sind zur normalen Entwicklung von Knochen- und Nervenzellen notwendig (eine Mangelerscheinung ist der Kretinismus) und helfen den Stoffwechsel, Blutdruck, Verdauung....(Homöostase) aufrecht zu erhalten. Störungen zeigen sich als Hyper-, Hypothyroidismus und Kropf. Die Schilddrüse sondert zudem Calcitonin ab, das den Calcium-Level im Blut senkt. Nebenschilddrüse Die vier Nebenschilddrüsen sind in die Oberfläche der Schilddrüse eingebettet. Sie sondern Parathyrin (PTH) ab, das den Calcium-Level im Blut erhöht. Die beiden antagonistischen Hormone Calcitonin und PTH halten den Calciumhaushalt im Blut aufrecht. Pankreas (Bauchspeicheldrüse) Er besteht aus endokrinem, hauptsächlich aber aus exokrinem Gewebe. Die Langerhansschen Inseln, die endokrinen Zellhaufen des Pankreas, haben AlphaZellen, die das Peptidhormon Glucagon abgeben, und Beta-Zellen, die Insulin absondern. Insulin und Glucagon regulieren auf antagonistische Weise die GlucoseKonzentration im Blut. Durch ein negatives Rückkopplungssystem determiniert die Glucose-Konzentration die Mengen von Insulin und Glucagon, die abgegeben werden. Insulin senkt den Blutzuckerspiegel, indem es alle Körperzellen (ausser Hirn) anregt, Glucose aufzunehmen und den Glycogen-Abbau in der Leber vermindert. Glucagon hingegen signalisiert der Leber mehr Glycogen abzubauen und Amino- und Fettsäuren zu Glucose zu verarbeiten. Diabetes Mellitus ist eine Störung der Glucose-Homöostase wegen mangelnden Insulins oder Fehlens einer Antwort auf Insulin im Zielgewebe. Die Folge ist ein zu hoher Blutzuckerspiegel. - Typ I : autoimmune Störung, eine Behandlung erfolgt durch Insulin-Injektionen. -4- - Typ II : Insulin-Mangel oder Veränderung der Insulin-Rezeptoren, eine Behandlung erfolgt durch eine Diät. Nebennieren (Rinde und Mark) Nebennierenmark: Es besteht aus sekretorischen Zellen, die ursprünglich von der Neuralleiste stammen. Das bekannte „fight-or-flight“-Verhalten wird ausgelöst durch Adrenalin und Noradrenalin bei Kurzstress. Diese beiden Hormone gehören zu den Catecholaminen, die aus der Aminosäure Tyrosin synthetisiert werden. Sie erhöhen die Erhältlichkeit von Energiequellen und steigern die Blutversorgung zu Herz, Hirn und gewissen Muskeln. Ausgelöst werden sie, wenn Nervenzellen erregt werden durch Stress-Stimuli und folglich den Neurotransmitter Acetylcholin ins Nebennierenmark freigeben. Nebennierenrinde: Sie gibt Antwort auf endokrine Signale (Langzeitstress). ACTH (aus Adenohypophyse) stimuliert Zellen der Nebennierenrinde Corticosteroide (z.B Glucocorticoid, Mineralcorticoid) zu produzieren und abzusondern. Glucocorticoide (z.B. Cortisol) rufen die Synthese von Glucose aus Proteinen (von Muskeln) und Fetten hervor. Mineralcorticoide (z.B. Aldosteron) regulieren den Salz- und Wasserhaushalt, indem sie durch die Nieren Sodium-Ionen und Wasser zurückhalten und so den Blutdruck und das Blutvolumen erhöhen. Gonaden (Hoden und Ovarien) Sie produzieren Androgene, Östrogene und Gestagene, die alle in verschiedenen Dosen bei Männern und Frauen vorkommen. Diese Steroidhormone wirken auf Wachstum und Entwicklung und regulieren den Fortpflanzungszyklus und das sexuelle Verhalten. Androgene (u.a. Testosteron) entwickeln und erhalten das männliche Fortpflanzungssystem, bestimmen im Embryonal-Stadium die Entwicklung zum Mann und sind verantwortlich für die Entwicklung der männlichen sekundären Geschlechtsmerkmale. Östrogene (u.a. Östradiol) übernehmen die weibliche Parallel-Rolle. Progestine (z.B. Progesteron) sind für die Vorbereitung und Erhaltung der Uterusschleimhaut verantwortlich. 45.7 Endokrines System und Nervensystem sind strukturell, chemisch und funktionell verbunden. Man kann die Beziehung zwischen Hormon- und Nervensystem in drei Bereiche unterteilen. 1. Strukturelle Beziehungen: Viele endokrine Drüsen bestehen aus Nervengewebe. Einige davon sind in ihrer gegenwärtigen Form keine Nervengewebe, haben sich aber evolutiv aus dem Nervensystem entwickelt. 2. Chemische Beziehungen: Mehrere Hormone der Wirbeltiere werden nicht nur vom endokrinen System, sondern auch vom Nervensystem als Signalmoleküle verwendet. 3. Funktionelle Beziehung : Die Kontrollmechanismen mancher physiologischer Prozesse umfasst sowohl neuronale als auch hormonelle Ereignisse, die einander abwechseln. Auch beeinflusst jedes System die Leistung des anderen. -5-