Laudatio Pflegerpreis 2004 für Prof. Konrad Sandhoff (dated June 5, 2004) Meine Damen und Herren, Es ist mir eine Freude, die Laudatio abzugeben zur Verleihung des Robert Pfleger Forschungspreises 2004 an Herrn Professor Dr. Konrad Sandhoff. Herr Sandhoff erhält den Preis für hervorragende Beiträge zur Erforschung des Glykolipidstoffwechsels und die Analyse lysosomaler Speicherkrankheiten. Zunächst kurz zur vita: Konrad Sandhoff wurde am 11. August 1939 in Berlin geboren, also gerade noch ein Vorkriegskind, er legte in München 1958 das Abitur ab und studierte Chemie an der dortigen Ludwig-MaximiliansUniversität (Diplom 1964, Promotion 1965). Er ist seit 1965 verheiratet, und ich begrüsse auch herzlich Frau Sandhoff, und er hat drei Kinder. Die Habilitation für Biochemie erfolgte 1972 (übrigens auch das Jahr meiner Habilitation in München). Seine akademischen Lehrer waren H. Jatzkewitz und Feodor Lynen, und seine prägenden Jahre verbrachte er an der Neurochemischen Abteilung des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie bei Professor Jatzkewitz. In diesen frühen Jahren wurde der Grundstein gelegt für die Arbeiten, die heute ausgezeichnet werden. Nach Gastaufenthalten bei Saul Roseman an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore und bei Arnon am Department of Chemical Immunology am Weizmann-Institut in Rehovot in Israel übernahm er 1979 den Lehrstuhl für Biochemie am Kekulé-Institut für Organische Chemie und Biochemie der Universität Bonn. Herr Sandhoff hat hohe Auszeichnungen und Preise erhalten, er war Dekan und Prodekan, ist Sprecher eines Sonderforschungsbereiches der Deutschen Forschungsgemeinschaft, und ist seit 1994 Mitglied der NordrheinWestfälischen Akademie der Wissenschaften und seit 1999 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Nun aber zu seinem Arbeitsgebiet und die auszuzeichnenden Ergebnisse: Es handelt sich um ein spezielles Gebiet des „Recycling“. Als Organismus unterliegen wir einem ständigen Aufbau neuer körpereigener Substanz, und nach Beendigung des Wachstums einem ständigen Abbau in gleicher Rate. Dabei sind die Umsätze je nach Organ sehr unterschiedlich, das Darmepithel wird in Stunden bis Tagen umgesetzt, andere Organe wie Leber und Nervengewebe im Bereich von Monaten, und Knochen brauchen Jahre. Wir erfahren also auch auf zellulärer Ebene nicht nur ständigen Neuaufbau, sondern ebenso ständigen Abbau, um Platz für Neues zu schaffen. Das spezielle Gebiet, dass Herr Sandhoff 1964 betrat, war ein recht komplexes, und es hatte noch viele weisse Flecken: das Gebiet der Glykolipide, also der Klasse von Lipiden, welche auch Zucker enthalten. Besonders im Nervensystem sind die nach aussen aus der Plasmamembran ragenden Zuckerreste für viele Funktionen essentiell. Nun zum Recycling: die in der Membran befindlichen Moleküle, genauer gesagt die Glykosphingolipide, werden auch wieder abgebaut und durch neue Moleküle ersetzt. Dies geschieht zunächst durch einen Transportprozess, die Endozytose, hin zum Ort des Abbaus, das Lysosom, welches seinen Namen wegen seiner Rolle in der ‚Auflösung’, der Lyse, von Stoffen erhalten hat. Werden die Glykosphingolipide dort zerlegt, ist der Kreis geschlossen, die Bausteine können nach Bedarf zur Neusynthese oder zum Abtransport verwendet werden. Die zerlegenden Enzyme sind Hydrolasen, welche durch Wassereinlagerung die Bindung zwischen Zucker und Lipid spalten. Und hier gibt es die Probleme. Ein Molekül, das sowohl wasserlösliche als auch fettlösliche Anteile hat, ist nicht ganz so einfach zu spalten. Die dazu erforderlichen Enzyme, die Hexosaminidasen, treten als Dimere auf, und wie Herr Sandhoff herausfand, sind auch noch sogenannte Aktivatorproteine erforderlich, welche das Gangliosid, also ein derartiges Glykosphingolipid, quasi der Hexosaminidase präsentieren. In diesem komplexen System kann es nun zu fehlerhaften Konstruktionen kommen, als angeborene oder erworbene Änderungen in der Proteinstruktur, und bei den Glykosphingolipiden führt dies dazu, dass diese am Ort liegen bleiben: die Ursache für lysosomale Speicherkrankheiten. Der molekulare Fehler in der Hexosaminidase, der mit dem Ausfall seiner hydrolytischen Aktivität verbunden ist, hat letztendlich den geistigen Verfall und den Tod des Patienten zur Folge. Es ist nun das Verdienst von Herrn Professor Sandhoff, dass er eine neue Krankheit dieser Art beschrieben hat, die daher auch seinen Namen als „Sandhoff’sche Erkrankung“ trägt. Das Spektrum der wissenschaftlichen Arbeiten von Herrn Sandhoff reicht aber weit darüber hinaus, obwohl es bemerkenswert ist, dass bis zum heutigen Tage die Arbeiten auf den initialen Stimulus zurückzuführen sind, den Herr Sandhoff als 25-Jähriger erfahren hat. Wie wichtig es ist, schon früh die richtigen Antennen auszufahren! Ich möchte aus den vielen und hochinteressanten Themen nur Einiges noch erwähnen: die Sphingolipide der Haut, die zum Aufbau der Wasserpermeabilitätsschranke beitragen. Diese Barriere ist in der Hornschicht der Epidermis aufgebaut und besteht zu einem wichtigen Anteil aus Phytosphingosin, sie schützt vor dem transepidermalen Wasserverlust. Ohne sie würden wir austrocknen, Landtiere können ohne sie nicht überleben. Ein weiteres wichtiges Gebiet, in dem Herr Sandhoff weltweit führend ist, liegt in der Erforschung der Glykolipidstörungen bei Tiermodellen, als Ausgangspunkt für die Entwicklung und Erprobung von therapeutischen Konzepten. Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen die bahnbrechenden Leistungen von Professor Sandhoff nähergebracht zu haben, welche mit dem Robert Pfleger Forschungspreis 2004 hiermit ausgezeichnet werden. Vielen Dank!