AUSZUGvonNo8inPOLPHILzuLOCKRdurchCARSTEN

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AUSZUGvonNo8inPOLPHILzuLOCKEdurchCARSTEN:
Liebe Kommiliton(Inn)en !
Prima. Ein gut geschriebenes und unter Normalumständen auch angemessen verknapptes
Protokoll unserer Locke-Vorlesung. – Gleichwohl bitte ich alle, ihre eigenen Notate noch mal
einzufügen. ----Das hat einfach damit zu tun, dass aus diesem Stoffbereich sich mit ziemlicher Sicherheit eine Klausurfrage diesmal ergeben wird. Und bei einer Klausurfrage müssten
Sie schon etwas genauer antworten.- Also eigene Notate bitte einfügen und eventuell
auch noch mal in das entsprechende Protokoll aus dem letzten Semester hineinschauen. Und
dann werde ich unten an den ensprechenden Stellen auch noch meine Bemerkungen einfügen,
meistens aber auch nur als Hinweis auf Ihre eigenen Notate.
So, jetzt folgt erst mal das Protokoll unserer politik-philosophischen
Überblicksvorlsung zu JOHN LOCKE vom 11.6.2004 durch CARSTEN
KOSCHMIEDER:
I Vorbemerkung:
DL betont Lockes Wichtigkeit für die europäische Aufklärung und als Begründer des
Liberalismus, wobei er den Unterschied zwischen politischem und ökonomischem
Liberalismus herausarbeiten möchte.
II Geschichtlicher Hintergrund:
Realgeschichte:
Im Jahre 1066 erobert William the Conqueror England; in den folgenden Jahrhunderten
wehren sich die einheimischen Adligen gegen diesen „Eindringling“. So kommt es zum
Machtkampf zwischen dem Parlament auf der einen und dem König auf der anderen Seite;
dieser spitzt sich im 14. und 15. Jahrhundert zu und eskaliert schließlich, als die
katholischen Stuarts die Herrschaft 1603 übernehmen. Die Gentry (=niederer, landbesitzender
Adel bis hinunter zum Bürgertum) und die Puritaner schließen sich zusammen, 1640 kommt
es zu einer ersten Revolution, nach einem langen Bürgerkrieg wird 1649 Charles I.
hingerichtet, bis 1660 herrscht der Puritaner Cromwell. Dann folgt erneut eine Epoche der
Herrschaft der Stuarts, die 1688 durch die „Glorious (weil unblutige) Revolution“, getragen
hauptsächlich von den landbesitzenden „Whigs“, beendet wird. Jakob II. verlässt freiwillig
das Land, nachdem er mit seiner Rekatholisierung gescheitert war. Auf der Suche nach einem
neuen, protestantischen König finden die Parlamentarier schließlich Wilhelm von Oranje;
dieser wird 1689 König, nachdem er sich in einem Vertrag zur konstitutionellen Monarchie
bekannt hat – er ist also König von Volkes Gnaden. (Statt „King AND Parlament“ jetzt „King
IN Parlament“) Im selben Jahr sichert die „Bill of Rights“ dem Parlament das Budgetrecht zu
und verbietet es dem König, willkürlich Gesetze zu erlassen oder – in Friedenszeiten - ein
stehendes Heer zu unterhalten; gleichzeitig wird der Katholizismus endgültig aus England
verdrängt.
-2–
Wichtig hier ist vor allem, dass John Locke als Freund von Anthony Ashley Cooper einer der
geistigen Führer der Whigs ist – sein Standpunkt ist also, im Gegensatz zu dem von Hobbes,
die Seite des Parlaments.
DL: Hobbes stand aufseiten der Krone.
Denkgeschichtlicher Hintergrund:
Nach dem Nominalismusstreit (vgl. Überblicksvorlesung über Thomas von Aquin, 21.05.04)
stellt sich die Frage:
WAS ist in den Singularien wichtig?
DL: Was ist die entscheidende Kraft und Fähigkeit auf seiten der
einzelnen Menschen, mit der sie sich problem-wahrnehmend,
problem-identifizierend und problem-lösend (=handelnd)
ihrer neuen Lage zuwenden ?
Der von René Descartes begründete Rationalismus sagt, dass die Ratio, die Vernunft, wichtig
sei, mit der man alles erkennen könne. Dass hierfür aber angeborene Ideen (ideae innatae)
benötigt werden, kritisiert Locke – wo sollten diese herkommen, wenn nicht von Gott?
Locke ist gegen diese angeborenen Ideen; diese Position nennt man „Anti-Innatismus“.
John Locke selber vertritt die Position, dass in den Singularien am Anfang nur die Sinne
wichtig sind: er gilt deswegen als Begründer des Sensualismus und Empirismus. Er geht aus
von der „Tabula rasa“(DL: im Menschen) und meint, dass es keine fertigen Bilder in unseren
Köpfen gibt.
Dadurch, dass es KEINE Erbschaften von Gott gibt, müssen die Menschen selber tätig werden
und mit ihrer Vernunft eine Lösung suchen – nach DL ein sehr puritanischer Ansatz.
DL: Bitte hier Ihre Notate einfügen. Oder am 22.6.04 in die
‚grüne’ Vorlesung kommen ! So verknappt ist es missverständlich.
Ein bisschen ausführlicher darf ein Protokoll ruhig sein.
Lebensgeschichtlicher Hintergrund:
Am 29. August 1632 wird John Locke in der Nähe von Bristol als Sohn puritanischer Eltern
geboren. Er studiert im Internat von Westminster School, unter anderem Sprachen und
Naturwissenschaften, aber auch Medizin. Er kommt auch mit den Schriften von Thomas
Hobbes in Berührung, leugnet diesen (nach DL offensichtlichen) Einfluss jedoch;
verständlich, stand Hobbes doch auf der Seite des Königs.
DL: ….und unter Atheismus-Verdacht………
Ein weiterer Denker, der Einfluss auf Locke hat, ist James Harrington, der ein „government
of laws, not of men“ forderte.
-3–
DL: Bitte hier Ihre Notate einfügen, eventuell auch noch mal
nachschlagen !
Wichtig ist noch, dass Locke die aristokratische Erziehung ablehnt. Im niederländischen Exil
– Locke hatte als Anhänger des Parlaments Probleme nach der Wiederherstellung der
Monarchie – lernt er den Arminianismus
DL: Bitte Ihre Notate einfügen !
kennen, eine Gegenströmung des Calvinismus. Hierdurch kommt Locke zu der Überzeugung,
Gott würde nicht ohne Verdienst die Menschen prädestinieren; das führt zum wichtigen
Gedanken, dass Menschen sich selber anstrengen müssen, sich selber kulturell und
wirtschaftlich betätigen müssen.
1689 kehrt Locke nach England zurück und lebt bis zu seinem Tode am 28. Oktober 1704
wohlsituiert durch seine Einkünfte im Überseehandel, unter anderem mit Sklaven.
DL: Ihre Notate. Locke lebt nicht mit Sklaven, aber er hat
Papiere im damaligen Sklavenhandel, die ihm beträchtlichen Gewinn
einbringen und ihn vermögend sterben lassen.
Die letzten Jahre seines Lebens ist er Politikberater der Whigs, er möchte nicht selber in die
aktive Politik eingreifen. Dadurch jedoch gilt er als einer ihrer geistigen Führer.
III Erkenntnis-Philosophie
‚Essay concerning Human Understanding’ (1689)
Der schon weiter oben im denkgeschichtlichen Hintergrund angegebene Ansatz, dass die
Singularien wichtig sind und in ihnen die Sinne, führt ihn zur Annahme, dass es KEINE
absolute Wahrheit gibt.
Wichtig hierfür ist, dass es nicht nur primäre Wahrnehmung, sondern auch vermittelte gibt –
da Wissen nicht angeboren ist, nicht „gepachtet“ werden kann, muss man es empirisch
erarbeiten und dann darüber reflektieren. Da nun jeder Mensch anders darüber nachdenkt, gibt
es keine absolute Wahrheit; dies ist elementar wichtig für den von Locke vertretenen
Freiheitsgedanken.
(Zur Erinnerung: im Mittelalter war die Freiheit des Einzelnen nicht nötig, da es nur einen
Führer brauchte, der die bekannte Wahrheit [die christliche Heilslehre] umsetzte; in der
Neuzeit ist durch den Wegfall dieser Wahrheit ein wichtiger Grund für Freiheit geschaffen
worden...)
-4–
DL: Bitte vergegenwärtigen Sie sich ideen- und denk-geschichtlich
diesen Zusammenhang noch mal sehr deutlich:
So lange man sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnt, braucht
man keine Freiheit. Worin sollte sie denn auch bestehen gegenüber
der absoluten Wahrheit. Absolute Wahrheit braucht nur getreuliche
Wahrnehmung, Verkündung und Umsetzung.
Erst wenn absolute Wahrheit (wie spätestens seit dem NominalismusStreit) verloren gegangen ist, wenn also erst mal und wahrscheinlich auf
Dauer (Und ja wohl auch heute noch!!) Ungewissheit über die Frage
der Welt-Konstitution herrscht, erst dann und dann auch dringend ist
Freiheit der einzelnen Individuen notwenig, damit sich alle je für sich,
aber auch alle gemeinsam: einen Ansatz für ihren Neuanfang suchen
und er-arbeiten können. Jenes ‚jeder für sich je einzeln…’ hat nach
Locke etwas mit Arbeit, Inbesitznahme von Land, Eigentum etc. zu tun;
Dieses ‚alle gemeinsam’ hat nach Locke etwas mit dem Begründungsfeld von Demokratie zu tun. Wenn nicht mehr – wie früher – eine kleine
Wissenselite die absolute Wahrheit behauptet zu besitzen und für deren
Durchsetzung folgerichtig nur eine Ein-Herrschaft (Monarchie) einzusetzen braucht, - dann ist seit der Erfahrung der Verlustes der absoluten
Wahrheit: das ganze Volk (=alle Menschen) berufen, ihre je subjektiven
(Un-)-Gewißheiten in die gemeinsame Reflexion einzubringen und sich
aufgrund gemeinsamer ‚Weisheit’ einen neuen Weg zur Regelung der
gemeinsamen Dinge zu finden. Dazu muß es frei sein, ‚sich seiner
eigenen Verstandeskräfte ohne Anleitung eines anderen zu bedienen’
(Kant) – Zudem: Wer betrügt sich und andere schon, wenn es um die
eigene und gemeinsame Selbsterhaltung geht. Jeder wird dann sein
Bestes geben, für das eigene Lebensprojekt, wie abaer auch für das
gemeinsame Lebensprojekt.----- Hier liegen wohl für Lockes politische Philosophie die Ursache dafür, dass Demokratie letztlich
mit Freiheit beginnt.
M.a.W.: Aus Ungewissheit folgt Freiheit; aus Ungewissheit kommt
aber auch das Einräumen der gleichen tastenden Ungewissheit beim
anderen Menschen. Also muß man ihm die gleiche Freiheit einräumen.
Und das heißt Toleranz. Toleranz nicht nur aus Großzügigkeit, sondern
auch aus einem Kollektiv-Kalkül: Gerade einem der anderen könnte ja
etwas Befreiendes und Rettendes, etwas Produktives zur Lösung der
anstehenden Probleme einfallen. Die Menschen brauchen sich. Also
sollten sie sich nicht einschränken und bevormunden (wie früher),
sondern sich diskursiv und habituell fördern, miteinander diskutieren.
Hier entwickelt Locke einen wichtigen Liberalismus-Ansatz: ALLES ist ungewiss, und da ich
nichts weiß, muss ich Allem und Allen gegenüber tolerant sein.
Diese Toleranz gilt bei Locke jedoch nicht für Atheisten, Katholiken, Monarchisten, Sklaven
und ähnliche, was natürlich einen Widerspruch in seinem Werk darstellt.
-5–
Ohne das Wissen jedoch, das absolute, braucht der Mensch einen äußeren Halt, da der Gott
nur noch inneren Halt bietet, nur noch ein „denkbarer Gott“ ist. Diesen Halt findet man nach
Locke im Eigentum, durch Arbeit. (Doch dazu später mehr...)
DL: Bitte hier Ihre Notate einfügen. Locke ist hier nahe daran, sich ein
zweites ‚exeundum e statu naturae..’ zu konstruieren. Der Mensch
arbeitet sich durch Arbeit aus dem Naturzustand heraus, bildet dabei
Eigentum und gewinnt hierdurch neuen Halt an der Welt (vielleicht
sogar anstelle des alten Gottes-Haltes). Der Impuls zu diesem
Prozeß verdankt sich wieder der Freiheit…..; Während aber bei der
Demokratie stets dafür gesorgt ist, dass die gemeinsame Überlegung
und Abstimmung der Menschen den Prozeß konstituiert und begleitet,
also keine Versaelbständigung der Resultate stattfinden kann, ist dies
beim System der Arbeit sehr wohl möglich und auch historisch so
passiert. Memo: Das Recht zur Arbeit ist heute in vielen Verfassungen
garantiert, die Folgen davon aber (die mögliche und häufige Aneigung
ihrer ‚Früchte’ ist nie so verfasst worden, steht in keiner Verfassung, ist
eher mit allen Fragezeichen eines ‚verwilderten Naturrechts’ zu
versehen, verwildert spätestens, wenn und weil seine Ausübung deutlich
aufkosten der gleichen Freiheit anderer gehen kann und oft genug geht.
Diese soll keine dogmatische Position meinerseits markieren, schon
gar keine aus meiner 68-er ‚Schatzkiste’ , eher nur ein Merkposten
für unsere späteren Diskussionen. Stichwort: Wo sind die verschiedenen
Systeme der Arbeit verfasst ? Wo sind sie – und in welcher – in der Verfassung (in welchem Urvertrag ?)verankert ?
IV Politische Philosophie
‚Two Treatises of government’ (1689)
Im ersten Buch (First Treatise) widerlegt Locke die Theorie aus dem 3.Buch des Leviathan
von Thomas Hobbes (vergleiche Vorlesung vom 4.6.04), dass es nach der Bibel eine
absolutistische Herrschaft geben sollte. Nachdem er das (nach DL sehr erfolgreich) getan hat,
sucht er im „Second Treatise“ eine neue Legitimation für Herrschaft. Er findet sie in der
Zustimmung der Beherrschten.
Hierzu bedient er sich der Mittel von Hobbes, den er zwar inhaltlich ablehnt, dessen
Methoden er aber immer wieder übernimmt.
Er erfindet also einen Naturzustand, ein rein denkerisches Experiment, den es so nie gegeben
hat. In diesem Naturzustand (ich nenne den ab jetzt NZ) ist jeder Mensch frei und
selbstbestimmt, es existiert keine Herrschaft. Locke sieht, anders als Hobbes, den NZ nicht
anthropologisch, es gibt bei ihm keine „Wolfsnatur“ des Menschen. Vielmehr gibt es einen
normativ geregelten Rechtszustand: jeder Mensch trägt die natürlichen Rechte in sich, wobei
es drei Rechte erster Ordnung gibt und eines zweiter Ordnung. Die drei sind:
-6–
-
Freiheit
(liberty)
Leben
(life)
Eigentum, Vermögen, Besitz (Property)
Das vierte Recht, das Recht zweiter Ordnung sozusagen, ist das
-
„Recht auf Privatjustiz“.
Jeder kann danach seinen Rechtsansprüchen nachgehen, wenn eines der drei anderen Rechte
beschnitten wird.
Da nun aber jeder eine andere Meinung darüber hat, wann seine Rechte eingeschränkt werden
und durch wen – da es ja keine Wahrheit gibt -, verfällt der Mensch in einen unhaltbaren
Zustand, ähnlich dem wie bei Hobbes.
DL: Es herrscht Privatjustiz und damit potentielles mörderisches Chaos.
Man kann nicht mehr in Sicherheit leben; es braucht einen Staat, der das vierte
Recht im Namen aller wahrnimmt, um damit die ersten drei Rechte aller zu schützen.
So wird zunächst mal der Gesellschaftsvertrag geschlossen, wiederum in Anlehnung an
Hobbes.
DL: Nein, Hobbes kannte keinen Gesellschaftszustand. Beim ihm ging es
ein-stufig sofort in den Zivilzustand.
Die Zweistufigkeit kennt erst Locke: Vom Naturzsautand in den
Gesellschaftszustand und vom Gesellschaftszustand in den Ziviloder Staatszustand.
Locke sieht die Gesellschaft als etwas positives, die Menschen leben zusammen und wollen
das auch. Um aber den Schutz der Rechte durchzusetzen, muss noch eine Institution
geschaffen werden, es muss Regeln geben. Die Einigung zu diesen Regeln erfolgt bei Hobbes
über Wahlen, also durch die Mehrheit des Volkes.
= und erst aus Wahlen geht der Staat hervor.
Als nächstes widmet sich Locke dem Eigentum. Gott gab ja bekanntlich den Menschen die
Erde, und alles herrenlose Land gehört damit erst mal allen Menschen. Da aber jeder Mensch
wiederum ganz alleine Herr über seinen Körper und damit über die mit seinem Körper
verrichtete Arbeit ist, wird das Land und alle Gegenstände sein Eigentum, wenn er ihnen
Arbeit hinzufügt, sie gleichsam vermischt mit seiner Arbeit. Eigentum ist also alles, in das
man Arbeit investiert hat.
DL: alles Land beispielsweise, in dessen Besitz man sich gebracht hat
(bis hierhin ist das noch keine Arbeit, sondern Usurpation, unter der
oft vorgeschobenen Behauptung, es sei herrenloses Land) und in das man
dann eigene Arbeit investiert……..
(Ein wichtiger Grund für den Vertrag ist dann, dass das Eigentum im Naturzustand gefährdet
ist.)
-7–
Locke fügt hier die – für DL reichlich naive – Einschränkung ein, dass man nur so viel
besitzen darf, wie man nutzen kann; es darf nichts verkommen oder kein Land brach liegen.
Außerdem darf man sich nur so viel aneignen, dass für alle anderen ebenfalls noch genug von
gleicher Qualität vorhanden ist.
Ein weiterer Widerspruch zwischen seinem Leben und seinem Werk ist dabei, dass Locke von
der Rendite einer Handelsgesellschaft reich wurde – er also für das Geld gar nicht selber
arbeiten musste.
Durch das negative Menschenbild von Locke
DL: Ich würde es eher ein skeptisches Menschenbild nennen.
– nicht so schlimm wie bei Hobbes, aber immerhin – ist für die Durchsetzung des schon
gehörten vierten Rechts ein wehrhafter Staat nötig. Zu diesem Staat kommt man nach Locke
mit einem zweiten Vertrag. (Daher ist er zusammen mit Hobbes, Rousseau, Kant und John
Rawls der wichtigste Kontraktualist.) Die Dinge, die in diesem Vertrag geklärt werden
müssen, leiten sich einfach aus den Mängeln ab, die der NZ hatte. Es gab keine
Gesetzgebung, keine Vollstreckung und keine Richter.
DL: Erst mal ergeben sich daraus die 3 Gewalten (=powers), erst dann kommt
es zur Teilung der Funktionen unter ihnen.
Hieraus ergibt sich die heutige Gewaltenteilung in legislative, exekutive und judikative
Gewalt. (DL spricht in diesem Zusammenhang von zweieinhalb Gewalten, da die Judikative
noch nicht sonderlich ausgeprägt war bei Locke.)
Locke sieht die Gesellschaft als politischen Körper; jeder Mensch hat die im NZ geltenden
Grundrechte, Naturrechte, und darum hat diese auch die gesamte Gesellschaft. Sie überträgt
dann zwar ihre Rechte auf den Staat, verliert sie aber nicht wie bei Hobbes.
DL: Dem Staat wird nur die Wahrnehmung der Grundrechte übertragen.
Der Staat ist also naturrechtlich begründet: zur Sicherung der Grundrechte werden die
Gewalten zu seiner Sicherung geschaffen, wodurch sich der Staat konstituiert.
Hierbei ist die Legislative die „pouvoir constituant“: sie ist das „Herz der Gemeinschaft“, in
ihr wird durch den Willen der Mehrheit das Gesetz geschaffen, das die anderen Gewalten
dann umsetzen, bzw.überprüfen. Die Mehrheit ist für Locke wichtig; gäbe es einen
absolutistischen Staat wie bei Hobbes, so meint er, wäre man nicht besser dran als im NZ.
(DL nennt es „vom Regen in die Traufe“ kommen.)
Allerdings sieht Locke nicht alle Menschen als Wahlberechtigte an; es gibt ein
Zensuswahlrecht, am liebsten wäre ihm, wenn nur die wählten, die auch „zur Wohlfahrt
beitragen“.
DL: Dies ist so einer der Punkte, an denen eine so bedeutende Theorie
noch zeitgeschichtlich Grenzen hat, über die Locke noch nicht
so konsequent nachdenken konnte oder wollte.
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Im ersten Vertrag, der Bildung der Gesellschaft, war Konsens unabdingbar. Alle mussten
zustimmen, damit die Gesellschaft entstehen konnte. Beim zweiten Vertrag reicht dann die
Mehrheit, denn nur so funktioniert das Gemeinwesen. Dass keine Minderheit herrschen kann,
leitet er ab aus dem Naturrecht, weil ja die Gesellschaft die Rechte der Individuen
übernommen hat.
Da die Repräsentanten auch nur Menschen und damit auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind,
braucht man die schon erwähnte Gewaltenteilung. Die Mandatsträger kontrollieren sich
gegenseitig, da es in ihrem eigenen Interesse liegt, dass kein anderer zu viel Macht erhält. Der
Zeit geschuldet jedoch schafft er bei der Exekutivgewalt noch das Prärogativ-Recht: damit
können Notstandsgesetze, Parlamentsauflösungen und Begnadigungen erwirkt werden. Diese
Machtkonzentration wird bei Montesquieu aufgehoben, der die Grundsätze der
Gewaltenteilung bei Locke übernimmt.
Nun stellt sich die Frage, wer die Minderheit vor der Mehrheit schützt. Hierzu gibt es die
Naturrechte (vergleichbar beinahe mit unseren heutigen Grundrechten), die als eine Art
Verfassung die Legislative binden. Wenn diese Grundrechte angegriffen werden, dann gibt es
das Recht zum Widerstand. Dabei fordert Locke quasi drei Schritte: man soll erst ein
gewisses Vertrauen haben (trust) in den Staat, man muss ihn ständig kontrollieren, wenn das
Vertrauen nicht gerechtfertigt erscheint, und man muss Widerstand leisten, wenn die
Kontrolle versagt.
V Wirkungsgeschichte
Locke hat, um mit DLs Worten zu sprechen, den Leviathan gezähmt, da alle an das
Naturrecht gebunden sind und niemand, auch der Staat nicht, über ihm steht.
Die Wirkung dessen war enorm; in Europa vor allem in England und dann in Frankreich mit
Montesquieu, Voltaire und Rousseau. (Deutschland war von diesen fortschrittlichfreiheitlichen Gedanken natürlich erst mal weniger angetan, erst später dann bei Kant...)
Noch stärker war die Wirkung allerdings in Amerika: Thomas Jefferson schrieb wesentliche
Teile der „Declaration of Independence“ 1776 bei Lockes „Second Treatise“ ab; die
Verfassung der USA nimmt heute noch starken Bezug auf seine Gedanken.
VI Zwischenresümee zum politischen Liberalismus
DL sieht die Demokratisierung des Leviathans äußerst positiv und lobt den politischen
Liberalismus; gleichzeitig sieht er aber im ökonomischen Liberalismus die Grundlage für den
Kapitalismus, wie ihn Adam Smith und andere ausformuliert haben. Locke konnte zwar nicht
alle Folgen vorausahnen, weswegen DL ihm eine gewisse naive Unschuld zubilligt – den
Besitzindividualismus stellt er jedoch klar infrage. Auch in diesem Punkt, so DL, hätte Locke
über Kontrolle und Widerstand nachdenken müssen, da sein Prinzip dort nur und
ausschließlich auf „trust“ beruht.
Ein Problem in der Verfassung der USA war dann, dass sich die Federalists durchgesetzt
haben; da sie reich waren, wurde die Verfassung in diesem Besitzpunkt ungerecht. Ein Ansatz
-8–
heute dagegen bietet die Gerechtigkeitstheorie von John Rawls, der ebenfalls wieder einen
Naturzustand postuliert, um eine gerechtere Gesellschaft zu bilden.
(Doch ich denke, dass DL diesen kleinen Ausblick noch intensiviert in einer anderen
Vorlesung...)
VII Ausblick
Ab 1700 setzt dann in Europa republikanisches Denken ein; dazu kommt DL in den nächsten
Vorlesungen.
Hinweisen wollte er noch auf die Dienstagsvorlesung (Punkt 08.30 Uhr im HFB) über Calvin.
Außerdem erklärt er ultimativ, dass, wer nicht wählen geht von Euch am Sonntag, sich ein
anderes Studienfach suchen sollte... :-)
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