John Locke, „Versuch über den menschlichen Verstand“ (Bd.1

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John Locke, „Versuch über den menschlichen Verstand“ (Bd.1, Auszüge)
Proseminar / Seminar – 3
4. Sitzung
2. Buch, Kap. 1: „Über die Ideen im allgemeinen und ihren Ursprung“
Uns ist bewusst, dass sich in unserem Geist viele Ideen befinden. Wenn diese Ideen nicht
angeboren bzw. aus angeborenen Ideen abgeleitet sind, woher kommen sie dann?
Locke: „Ich antworte darauf mit einem einzigen Worte: aus der Erfahrung. Auf sie gründet
sich unsere gesamte Erkenntnis, von ihr leitet sie sich schließlich her.“ (S. 108, erste H. von
ihm, zweite von mir.)
Es gibt zwei Quellen von Ideen: die sinnlich wahrnehmbaren Objekte der Außenwelt und die
Operationen unseres Geistes. (S. 108/109)
Über die Sensation, d.h. über die Wahrnehmung von äußeren Objekten
„Wenn ich sage, die Sinne führen sie [die Ideen von den äußeren Gegenständen] dem Geist
zu, so meine ich damit, sie führen von den Gegenständen der Außenwelt her dem Geist
dasjenige zu, was in demselben jene Wahrnehmungen hervorruft.“ (S. 108, Einschub und H.
von mir.)
D.h.: Die Gegenstände der Außenwelt haben unter anderem Eigenschaften, die wir
wahrnehmen können. Locke nennt diese Eigenschaften: „sinnlich wahrnehmbare Qualitäten“.
(ebd.)
Welche und wie viele Ideen werden durch Sensation und Reflexion erworben?
Ideenerwerb erfolgt allmählich.
Die ersten Ideen sind (einfache) Ideen von Gegenständen aus der unmittelbaren Umgebung
eines Kindes, also Ideen von äußeren Gegenständen. (S. 110/111 und 125)
Je vielfältiger die Gegenstände sind, umso mehr Ideen gelangen in den kindlichen Geist. (S.
110/111 und 124)
Der Erwerb dieser (einfachen) Ideen erfolgt ohne unser aktives Zutun. (S.111 und 126)
Ideen von den Operationen des Geistes werden in dem Maße erworben, in dem man über sie
nachdenkt – d.h. „seine Gedanken auf sie richtet und sie aufmerksam betrachtet“. (S. 111)
Weil dies im Unterschied zum Wahrnehmen ein aktiver Vorgang ist, ein Vorgang, der u.a.
Aufmerksamkeit erfordert, werden die Ideen der Reflexion später erworben. Viele Menschen
gewinnen niemals klare und deutliche Ideen von den Tätigkeiten ihres Geistes. (ebd.)
Zeitpunkt des Beginns des Ideenerwerbs fällt mit dem Zeitpunkt zusammen, an dem zum
ersten Mal irgendwas wahrgenommen wurde. (112)
These: Die Seele/ der Geist ist „eine ständig denkende Substanz“. (S. 112 u. 123)
Locke:
1. Für die Richtigkeit dieser These ist noch kein Beweis vorgebracht worden. (S. 112 ff)
2. Wir denken nicht immer, sondern nur zuweilen. Denken zu können ist nicht das Wesen
des Geistes, sondern eine seiner Operationen/Fähigkeiten.
Arg: „Aus Erfahrung wissen wir mit Sicherheit, dass wir zuweilen denken, woraus wir den
unfehlbaren Schluss ziehen, dass in uns etwas ist, das die Kraft hat zu denken. Ob aber diese
Substanz beständig denkt oder nicht, darüber können wir nur so viel Gewissheit haben, wie
die Erfahrung uns bietet.“ (S. 115, seine H.)
P1: Denken ist ein Vorgang, der für den Denkenden immer sinnlich wahrnehmbar, dem
Denkenden immer bewusst ist.
P2: Während eines festen, traumlosen Schlafes haben wir kein Bewusstsein, keine
Wahrnehmung davon, dass wir denken.
K1: Während eines festen, traumlosen Schlafes denken wir nicht.
K2: Wir denken nicht immer, sondern nur zuweilen. Denken zu können ist nicht das Wesen
des Geistes, sondern eine seiner Operationen/Fähigkeiten.
Arg. für P1:
„Wenn es möglich ist, dass die Seele, während der Körper schläft, ihr Denken, ihre Freuden
und Sorgen, Lust und Leid für sich besonders haben könnte, so dass der Mensch sich dessen
nicht bewusst und nicht daran teilhaben würde, dann wäre es gewiss, dass der schlafende und
der wachende Sokrates nicht ein und dieselbe Person sind; vielmehr müssten die Seele des
schlafenden Sokrates und der wachende Mensch Sokrates, der aus Körper und Seele besteht,
zwei Personen sein.“ (S. 115, seine H.)
Contra K1: Der Geist denkt auch im tiefsten Schlaf, aber das Gedächtnis speichert diese
Gedanken nicht. (S. 117)
Locke:
1. Auch dieser These fehlt ein stützendes Argument. (S. 117)
2. Außerdem ist sie nicht plausibel: „Wenn sich die Seele ihrer eigenen Gedanken nicht
erinnern kann […] zu welchem Zweck denkt sie dann? […] Die Natur schafft niemals
hohe Dinge zu geringem oder gar keinem Zweck.“ (S. 118)
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