II - Geschichtliche Kontexte

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RECORDINGofPOLelevenPHILfrom160104totheFEDERALISTpAPERS:
Liebe Kommiliton(Inn)en !
Da sich die Anfertigung des Protokolls etwas verzögert hatte, habe ich jetzt (Di) nur noch
ganz wenig Zeit, es richtig durchzuarbeiten. Bin auch im Geiste schon in der ganz anderen
Welt Hegels.------Ist aber auch gar nicht so schlimm. weil das Protokoll als Grundriß die
Ausführungen sehr gut wiedergibt. Ich werde nur an einigen Stellen darauf hinweisen,
dass Sie bitte alle Ihre Notate einfügen, z.B. bei dem Umbenennungs- und UmdefinitonsArtikel No 10 u.a. – Aber insgesamt ist das Protokoll schon viel besser als das erste (mit den
vielen Bindestrichen). Sie sehen, man lernt es auch durch Üben. Aufrichtigen Dank dafür
auch an Sofia Karimi.---Motto : ‚In die Milch springen und so lange zappeln, bis man auf
der Butter sitzt.’ Das war jetzt nicht persönlich gemeint, nur generell als Studien-Einstellung
empfohlen !!!!!! Also ich zeige nur einige Lücken auf, die Sie dann bitte selbst auffüllen.
Es folgt jetzt erst mal das Protokoll der 11. Vorlesung zur Politischen
Philosophie der Federalist Papers, angefertigt von SOFIA KARIMI:
11. Überblicksvorlesung zur politischen Philosophie der „Federalist Papers“(Löcherbach)
Ein us-amerikanischer Beitrag zu einer republikanisch-liberalen Politikphilosophie
oder: Wie konzipiert man im Jahre 1787 eine Verfassung für ein land mit dem Willen
zur Kontinentalität?
I – Vorbemerkungen
Amerikanische Ideengeschichte ist geprägt von Europa. Andrerseits hat auch die us amerikanische politische Philosophie stark auf europäische politische Theorie eingewirkt. Das
deutsche Grundgesetz z.B. ist stark von amerikanischem Gedankengut beeinflusst. Insgesamt
lässt sich sagen, dass der Austausch von Gedanken zwischen den Kontinenten die
Variationsbreite des politischen . und politiktheoretischen Denkens erheblich erweitert hat.
Kriterien für die Beurteilung der Federalist Papers sind der Liberalismus, den wir anhand von
Hobbes und Locke kennen gelernt haben und im Gegensatz dazu der Republikanismus nach
Montesquieu und Rousseau. Es sei darauf hingewiesen, dass unsere drei Amerikaner „große
Umbenenner“ sind, die besonders den Begriff des Republikanismus „leichthändig“ verändern
und umdefinieren (z.T. Umbenennungen hin zum Gegenteil der Ursprungs-Auffassung)
II - Geschichtliche Kontexte
a – realgeschichtlich
Ab ca. 1600 beginnt die Geschichte der Besiedlung Amerikas. Die Kolonie Virginia wird
1607, Massachussets 1620 gegründet. Zu diesem Zwecke mussten sich die Siedler mit den
bereits dort lebenden „native Americans“ (gewaltsam) auseinander setzen. Bereits relativ am
Anfang des 18.Jh. kommt es zu Rangeleien zwischen Briten und Amerikanern. Ab etwa 1740
hatte sich ein distinkter „amerikanischer“ Charakter (Stichwort: „awakenings“) und ein reges
Interesse an den eigenen amerikanischen Verhältnissen herausgebildet.
1756 kommt es zum sog. Dominanzkrieg zwischen England und Frankreich (bis 1763).
England gewinnt zwar, trägt aus diesem Krieg jedoch erhebliche Schulden davon. Diese
versucht das Mutterland nun auf die Einwohner der Kolonien abzuwälzen. Damit sind diese
jedoch nicht einverstanden, zumal sie selbst im englischen Parlament mit keiner Stimme
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vertreten wurden. Sie protestieren unter dem Motto „ No taxation without representation“,
worauf die Briten noch härtere Maßnahmen wie z.B. den Entzug diverser Rechte und der
Aufstellung von Truppen in den Kolonien reagieren. (1770 Boston Massacre, 1773 Boston
Tea Party)
Die Amerikaner sind empört.1774 wird der erste Kontinentalkongress in Philadelphia
gegründet, dem 56 Delegierte angehören. Sie sprechen sich stark gegen England aus und
wollen den Handel mit dem noch - Mutterland unterbinden. George Washington wird von
dieser Versammlung zum Oberbefehlshaber ernannt. Thomas Jefferson verfasst 1776 die
Unabhängigkeitserklärung. 1777 gibt sich Amerika seine erste Verfassung, die „Articles of
Confederation“. Diese tritt jedoch erst 1781 in kraft, 1783 ist der Krieg, der sieben Jahre
gedauert hatte zu ende. Die Amerikaner gingen hieraus als klare Sieger hervor. Ihre
Souveränität wird anerkannt und die Grenzen für die Besiedlung bis zum Mississippi und den
„Great Lakes“ erweitert. (Frage an Prof. Löcherbach: Wozu brauchten sie zur Erweiterung
der Grenzen eine Erlaubnis, wenn sie den Krieg doch gewonnen hatten???)
DL: Den Krieg hatten die Amerikaner nur durch taktisch geschickte Manöver
gegen die viel stärkere Armee der Engländer gewonnen. Nach dem Krieg
hätten sich die Engländer auch einfach massiv an die Westgrenze der 13 Kolonien stellen können, ihnen damit die Westausdehnung verbauen können.
Bekanntlich hat man gegen eine überlegene Armee, wenn sie dann irgendwo
fest steht, keine so großen Chancen wie im unwegsamen Gelände, wo sich
(wie z.B. am Delaware) diese Armee kaum vorteilhaft bewegen konnte.
Außerdem hätten die Engländer dann sich diese Westausdehnung selber
zunutze machen können. Kurz: Der Passus im Friedensvertrag, dass die Besiedlung bis zum Mississippi freigegeben war, hatte schon erhebliche
Bedeutung für die Amerikaner.
Dieser erste Unabhängigkeitskrieg wird auch als „American Revolution“ benannt, strittig ist
jedoch welche Zeitspanne tatsächlich als revolutionär zu betrachten ist. (Grund: In ihm fanden
ja nicht nur militärische Aktionen statt, sondern auch die politische Abnabelung vom
Mutterland, die gleichzeitig militärisch abgesichert werden musste. Es liegen also viele
Züge einer Revolution vor. (Meiner Meinung nach kann man die ‚American Revolution’
am sinnfälligsten zwischen 1770 und 1788 in etwa datieren, also über den reinen Krieg
hinaus, einschließlich der unserem Thema zugrunde liegenden Geschehnisse)
Die Amerikaner gehen aus diesem Krieg mit einem neuen, gestärkten Selbstbewusstsein
hervor, besitzen jedoch sehr wenig know how über den Umgang der erworbenen politischen
Freiheit. Aus ihrer england-feindlichen Haltung leiten sie die Vorstellung eines „Negative
Government“ ab. („The government that governs least governs best.“). Die von ihnen selbst
zuvor entwickelten ‚Articles of Confederation’ bereiten ihnen bei der Verwirklichung ihrer
Vorstellungen einige Probleme….
b – problemgeschichtlich
Die ‚Articles of Confederation’ sehen eine aus nur einer Kammer bestehende Regierung vor,
die so gut wie alles bestimmt Diese besitzt keine separierte Exekutive und keine
eigenständige Judikative. Sie steht lediglich mit den Staaten in Kontakt und greift nicht zu den
Individuen durch. Bestimmungen werden mit einer Mehrheit von 9 Staaten getroffen.
Manchmal war sogar Einstimmigkeit gefordert. Schon bald stellten sich die
Unzulänglichkeiten der Articles heraus. Nach dem Frieden von Paris 1783 etwa, ließ die
Zahlungsmoral der Staaten stark nach. Somit sah sich die Konföderation mittellos, um eine
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eigene Armee aufzustellen oder Söldner zu kaufen, zumal es immer noch Feinde im Land
gab. 1783 befand sich Amerika in einer brenzligen Situation, was den Amerikanern und auch
den Feinden bewusst war. 1786 begann die Constitutional Convention (CC) zu tagen, um sich
eine Verfassung mit einer starken Exekutive zu geben, die die Unzulänglichkeiten des jungen
souveränen Staates zu überwinden helfen sollte. Es kam zu erheblichen Loyalitätskonflikten
gegenüber den Articles, so dass es nötig wurde, die neue Verfassung fast „konspirativ“ zu
erarbeiten. (Beispiel: G. Washington als Oberbefehlshaber war auf die Articles vereidigt
worden. Wenn er jetzt ziemlich offen mit der CC sympathisierte, brachte dies erhebliche
Schwierigkeiten – z.B. Verdacht des Hochvaerrats – high treason)
Die Articles hatten jedoch auch durchaus Positives bewirkt: Zu ihren Erfolgen zählte z.B. der
Frieden, den die erste Verfassung ermöglicht hatte, der Landerwerb, den er rechtlich
abgesichert hatte und die „Northwest Ordinance“(1787), die besagte, dass Erweiterungen der
Siedlungsgebiete immer gemeinsam getätigt werden müssten. 1821 im Missouri Compromise
wurde daran angeknüpft, indem Staaten abwechselnd Sklaven hatten oder nicht hatten.
c – denkgeschichtlich
Grundlage für diese Verfassung waren europäische Erfahrungen . Man bewegte sich in einem
Spannungsfeld zwischen Republikanismus und Liberalismus. Man orientierte sich an Hobbes
und Locke auf der einen und Montesquieu und Rousseau auf der anderen Seite. Auch
skeptische Denker wie z.B. David Hume spielten auch eine nicht zu vernachlässigende
Rolle. In diese Zeit fällt auch die Idee einen Wirtschaftsliberalismus ( „Wealth of Nations“),
der jedoch in seinen Grundzügen auf Adam Smith zurückging. Auch er hatte erheblichen
Einfluß.
Man wollte sich im Amerika der damaligen Zeit jedoch nicht mit einer Kopie europäischer
Ideen begnügen. Thomas Paine drückte dies 1776 aus, indem er sagte: “We have to begin the
world anew.“ Auch Locke hatte bei der Konstruktion seines Naturzustands wohl ein Szenario
wie im Amerika von damals vor Augen.
Aufgrund ihres römischen Komplexes“ (sie hatten die Antike eher durch römische Werke
rezipiert) hegten die Amerikaner große Sympathien für die Idee der Republik. Diese
impliziert jedoch die Suprematie der Gemeinschaft (z.B.volonté générale) über das
Individuum. Die durch den Puritanismus geprägten Amerikaner jedoch fügen diesem System,
dass ohne transzendente Instanz zurechtkommt, einen (christlichen) Gott hinzu und lassen
diesen einfach als das Universale (=Allgemeine der Welt) weiter gelten. Diese Vorstellung
wird zumindest der modernen Idee des Individualismus gerecht, da sie sich auf die Idee der
Rechtfertigung des einzelnen vor Gott als dem Allgemeinen und das ewige Heil bei dessen
Wohlgefallen stützt. Dieser bis heute mit einem teilweise mittelalterlichen Gottesbegriff
gepaarte moderne Individualismus stellt ein Charakteristikum des amerikanischen Denkens
dar. =WW
d – lebensgeschichtlich
o - zu John Jay (1745-1829): Ein sehr konservativer Typ mit außenpolitischer Erfahrung und
juristischer Ausbildung. Er war oft krank und hat zu den Federalist Papers fünf hier
vernachlässigbare Artikel beigetragen.
o - zu Alexander Hamilton (1755-1804):War für die Organisation und auch inhaltlich von
großer Bedeutung. Er wurde auf den West Indies geboren, was ihm seitens vieler Menschen
Skeptizismus einhandelte, studierte ebenfalls Jura, engagierte sich schon früh bei der „local
militia“, war später Adjutant unter George Washington, der ihn später auch zum Secretary of
State machte. Er nahm am ersten Unabhängigkeitskrieg teil (worauf er immer sehr insistierte).
-4–
Er nahm teil an der CC und tritt entschieden für „starke Lösungen“ ein. Man könnte ihn
vielleicht schon als einen sehr national gesonnenen Amerikaner betrachten. Manche warfen
ihm sogar vor, Anhänger der Monarchie zu sein. Zu seinen Ressorts gehörten der Handel und
die Außenpolitik. Das amerikanische Handels- bzw. Finanzsystem ist von Hamilton geprägt.
Er ist der am deutlichsten für eine Westorientierung eintretende und einer der ersten, die auf
die Bedeutung der Kontinentalität Kolonialamerikas hinweist. Hamilton stirbt 1804
unehrenhaft im Duell gegen einen früherenWidersacher Jeffersons, gegen Aaron Burr.
o - zu James Madison (1751-1836) : M. wird als der gescheiteste Theoretiker unter den
dreien betrachtet. Von ihm stammen die Struktur und die entscheidenden Artikel (10 und 51).
Auch er wird oft krank und kann nicht an Kriegen teilnehmen, kann aber dafür mit seiner
hohen Präsenzintelligenz und seinem immensen Zitatwissen bei der CC, an der er als
Delegierter aus Virginia teilnimmt, glänzen. Er ist befreundet mit Thomas Jefferson und wird
selbst 1809 Präsident für 8 Jahre. Sein Versuch, Kanada(1814) zu erobern schlägt fehl und
auch sonst ist seine Präsidentschaft eher ein Misserfolg. Merke: (Ein guter Denker muß nicht
schon ein guter Präsident werden)
III – Die
„Federalist Papers“
A – Unmittelbarer Anlass
Im Sommer 1787 (Mai - Sept.) tagt die CC und legt als Ergebnis der Tagung den Rohentwurf
der Verfassung den 13 Kolonialstaaten vor, die diese mit mindestens 9 positiven Stimmen
ratifizieren müssen. Es stimmen schließlich alle Staaten, teilweise mit sehr knappen
Mehrheiten der Verfassung zu. Hamilton, der sich der Dramatik vorher der Situation bewusst
ist, beschließt gemeinsam mit Madison und Jay, diverse, damals schon weit verbreitete
Zeitungen in New York zu kontaktieren, um Artikel zu der Verfassung zu publizieren. Die
Autoren nennen sich selbst Publius nach einer historischen Figur, die die frühe römische
Republik gerettet hatte, weil auch sie glaubten, die amerikanische Republik retten zu müssen.
Die Artikel entstanden parallel zur CC und sollten bis zur Ratifizierung im Frühjahr 1788
erscheinen.
B – Arbeitsteilige Autorenschaft
Hamilton, der stark an der Organisation der Papers beteiligt war, gab ihnen den Rahmen und
schrieb ebenfalls zu den Themen innere und äußere Angelegenheiten sowie zur Wirtschaft
und zur Judikative. Auf Madison ist die Theoriearchitektur der Artikel zurück zu führen. Jay
ist für die Außenpolitik zuständig.
C – Kursorischer Überblick auf die 85 Artikel
:::::::::Artikel 1 – 10: Hier geht es um innere und äußere Gefahren, wobei die „factions“, d.h.
Interessengruppen (die ja ein typisches Merkmal liberaler Gesellschaften sind!) die größte
innere Gefahr darstellen (s. No 10).(Die äußeren Gefahren waren die schon beschriebenen)
:::::::::Artikel 11 bis 20 handeln von der Union und der gemeinsamen Stärke vor allem
jedoch von der „extension“ (s. No 14). Der geniale Trick, der den Federalist Papers ihre große
Anziehungskraft einbrachte, war die Verheißung von Land. Indem sie zumindest mental den
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Weg nach Westen ebneten, unterschieden sie sich stark von ihren Gegnern, die aufgrund ihrer
kleinstaatlichen Orientierung solches nicht oder kaum versprechen konnten..
::::::::::::Art.. 21 bis 36 beschäftigen sich mit den Defekten der Articles of Confederation.
Hamilton setzt sich stark für ein „strong and energetic government“ ein, indem er der Union
die Kompetenz für Verteidigung und Steuern zuspricht. Diese Vorstellung war derjenigen der
Antifederalists entgegengesetzt, da sie als („echte“) Republikaner eher für überschaubare
Staaten ohne „strong government“, eher mit ‚negative Government’ (s.o.) eintraten.
::::::::::In Art 37 bis 51 lässt Madison das politische Gedankengut seiner Zeit noch einmal
Revue passieren. Er erwägt alle bis dahin entwickelten Ideen von Staatlichkeit und entwickelt
im No 51 die für amerikanische Verhältnisse originelle und völlig neue Konstruktion der
Gewaltenverschränkung.
II::::::::Im zweiten Komplex (beginnend mit Nr. 52-61) werden die einz.Gewalten behandelt.
:::::::In Art 52-61 wird zunächst die Legislative, das Repräsentantenhaus, behandelt.
:::::::Im Art 62- 66 wird die damals erneut aufgegriffene Idee einer zweiten Kammer
entwickelt (Der Senat). Dieser soll als Senat (Ältestenrat) als „Weißheitsmoment“ ein
Gegengewicht gegen das volkssouveräne Prinzip und gegen die direkt ‚vom nicht so
sachkundigen Volk’ gewählten Abgeordneten darstellen.
::::::::Die Artikel 67 bis 77 handeln von einer möglichst starken Exekutive.
::::::::Die Art 80 bis 83 behandeln die Judikative Gewalt und entwickeln die ebenfalls neue
Idee einer obersten gerichtlichen Instanz, des USSC. Dieses Gremium soll jedoch nicht
gewählt, sondern ernannt werden.
::::::::In den Artikeln 84/85 fragt Hamilton nach etwaigen Einwänden und verneint deren
Rechtfertigung Auch der Einwand, eine Bill of Rights sei von Nöten lehnt er ab.Die
Verfassung als solche stelle genügend Grundrechts-Schutz dar. Die Idee der Grundrechte sei
nur gegen eine Monarchie gerichtet. Die Grund- und Menschen-Rechte werden jedoch später
auf Initiative der Antifederalists (und daraufhin mit Hilfe von Jefferson und Madison) doch
noch als Amendments der Verfassung vorangestellt.(aber erst 1791).
Hamilton wäre als quasi Wirtschaftsliberaler nicht so sehr an der Freiheit der Menschen
orientiert, als doch vielleicht eher an der Expansion der jungen Nation. Madison vermochte es
nicht, sich gemeinsam mit Jefferson gegen Hamilton durchzusetzen. Ihm war auch nicht
bewusst, das seine Konstruktion des Senats ein Einfallstor für die Reichen darstellen könnte.
Was allen drei Federalists gemeinsam war, war die Tatsache, dass sie ihre eigene
Interessiertheit als Zugehörige der amerikanischen Aristokratie nicht offen legten. Sie blenden
eher trotz Kritik seitens ihrer Gegner alle Fragen, die das Gesellschaftliche ansprechen, aus
und argumentieren quasi nur konstitutionell.
D – Kursorischer Überblick auf die 85 Artikel der Antifederalists
Die Antifederalists wurden in den letzten 20-30 Jahren wieder entdeckt, obwohl sie zu ihrer
Zeit als „hinterland dummies“ bezeichnet wurden. Ihre Schriften waren bei weitem nicht so
verbreitet wie die der Federalists. Wenn diese sie damaligen Patrizier waren, so waren die
Antifederaliste eher die Plebejer. Sie schrieben ihre Artikel parallel zu denen ihrer Gegner.
In Artikel 1 bis10 sprechen auch sie von den Gefahren, die ihrer Meinung bei den Reichen
liegen.
-6–
In Nr. 11 bis 20 sprechen sie sich entschieden gegen die “extension” aus und pochen auf der
klassisch republikanischen Idee eines kleinflächigen Staates, der auf „attachment“ und
„acquaintance“ basiert.
In den Artikeln 18-20 plädieren die Antifederalists für das Beharren auf den Bill of Rights.
Artikel 21 bis 36 sprechen sich dafür aus, dass die Staaten ihre local militia behalten dürfen
und ihnen die Steuerhoheit nicht entzogen wird.
In Nr. 41 bis 43 werden unter anderen die Federalists als aristokratische Junta genannt, deren
Ziel es sei, die Menschen zu betrügen(„to dupe the people“).
Artikel 54 befasst sich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen und prangert die Sklaverei
und den Umgang mit ihr durch die Aristokratie, die sich durch diese parasitär am Leben
erhält, an.
(Auch der „große Humanist“ Madison besaß Sklaven.)
In den Artikeln 62 bis 66 spricht man sich für eine viel stärkere Rückrufbarkeit des Senats
aus und in Nr. 67-77 erklärt man die Exekutive für viel zu stark und indiskutabel für einen
wahren Republikanismus. Das ganze Verfahren, insbesondere das electoral college dienten
lediglich dazu, einen neuen König zu wählen. Auch gegen die zu umfassende (militärische)
Machtfülle des Präsidenten wird angeschrieben.
Artikel 78 bis 85 beinhalten die Kritik an der Judiciary, die nicht vom Volk erwählt, sondern
ernannt wird und anschließend eine ungeheure Interpretationsmacht inne habe (Stichwort:
Marshall ab 1803), wobei ihre Integrität nicht immer gewährleistet ist (vergl auch 2000).
Art. 85 beinhaltet die berühmte pess. Prophezeiung eines Plebejers ( Melancthon Smith:
„...a government which will raise a few to the hight of human greatness and wealth, while it
will depress the many to the extreme of poverty and wrechedness.”.
.
Insgesamt kann man als die Aufnahme der Bill of Rights als „amendments“ als die größte
Errungenschaft der Antifederalists betrachten. (DL: Ein wirklich ehrlich herausgearbeiteter
Kompromiß zwischen beiden Fraktionen hätten vielleicht den USA und der Welt ein ausbalancierteres Regierungs- und Herrschaftssystem gebracht……, aber das ist historische
Spekulation, die man innnerhalb von PolPhil nur am Rande als solche erwähnen sollte…  )
E – Federalist Paper No 10 (Madison)
Die Argumentation der Federalists erfolgt im allgemeinen unter Ausblendung jeglicher
gesellschaftskritischer Erwägungen. Sie stützt sich vor allem auf vermeindliche „eternal
truths“ die aus sich heraus evident und ewig wären.
No 10 befasst sich vor allem mit der Gefahr, die Partikularinteressen, sog. „factions“ (für
Definition s. Gliederung) für die von ihnen wohlgefügte konstitutionelle Ordnung darstellen
und prangert das Fehlen einer energischen Regierung an. Diese Interessen stehen im
Verhältnis zu einem „common weal“. Es handelt sich also um die alte Sorge des
Republikanismus, wie denn mit solchen Individualismen umzugehen sei. Madison entwickelt
hierzu zwei Ansätze. Der erste Weg stellt die eher europäische Variante dar, die besagt, man
könne Partikularismen unterbinden, indem man diese von der Wurzel her bekämpft (von AbErziehung bis zu gewaltsamer Unterdrückung – zwischen ca. 1500 und ca. 1800 wurde in
Europa nicht viel Individualität zugelassen, eher fast überall unterdrückt, auch in GB und F)
Die zweite Art ist ein originär amerikanischer und auch pragmatischer Gedankengang, der
dafür plädiert, Interessen zuzulassen, da sie ja Ausdruck der „Natur des Menschen“ seien und
sich darauf beschränkt, ihre Auswirkungen zu kontrollieren. Durch diesen zweiten Weg
werden Interessen integriert, bis sie im besten aller
-8–
Fälle eine positive gesellschaftliche Rolle einnehmen. Der Republikanismus hatte versucht,
die Menschen zu verändern und sie zu einer Unterordnung unter ein Gemeinwesen zu
bewegen (Rousseau: „On les forcera d’etre libre.“) und dabei teilweise auch Gewalt und
Repression in Aussicht genommen. In soweit ist der amerikanische Umgang mit
Partikularismen sehr originell, da er gerade diese Problematik zu umschiffen versteht.
Ein weiteres antirepublikanisches Argument des No 10 ist die Idee der Verrechtlichung der
Verhältnisse in der Gesellschaft („No man is allowed to be a judge in his own case, because
his interest would certainly bias his judgement...“) Ein Republikaner hätte gesagt, dass er oder
ein überschaubares Kollektiv durchaus in der Lage wären, zu richten. Madison negiert dies
und plädiert in der Konsequenz für das Prinzip der Repräsentation (im Gegensatz zur „pure
democracy“) und für einen großflächigen Staat (“Extend the sphere, and
you take in a greater variaty of parties and interests; you make it less probable that a majority
of the whole will have a common motive to invade the rights of other citizens;...“) , wobei
sich sagen lässt, dass diese Prophezeiung nicht eingetreten ist, da bei großer Fläche, das
Zugehörigkeitsgefühl zu einem politischen System zusehends verloren geht. Hier findet nun
die große Umbenennung statt. Madison widerspricht den genuin republikanischen
Argumenten seiner Gegner und nennt sich selbst dennoch weiterhin einen Republikaner
(vielleicht um einen reformierten, wahren Republikanismus zu begründen, oder einfach um
seiner politischen Ausrichtung trotzdem die Popularität dieses Begriffs zu eigen zu
machen???!!!!!!)
(Bitte hier noch unbed. ihre eigenen Notate einfügen,was denn von wo.. nach
wo…….. umdefiniert wird……)!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
(Stellen Sie sich bitte vor, ich früge Sie nach der Begriffsdifferenzierung
zwischen ‚pure democracy’ und ‚republic’ in Madisons 10. FedPapArtikel…….=bitte ernstnehmen!!!!!!!!!!!!!) Ich habe es genau erklärt. DL
Noch einmal: Bitte ernstnehmen!!!!!!!)
F – Der Übergang zum inneren Staatsaufbau
Die Extension wird von Hamilton als “happy decision for the human race” angesehen und
liefert gemeinsam mit der hergeleiteten Überlegenheit des repräsentativen Systems die innere
Rechtfertigung für die Gewalt gegen die amerikanischen Ureinwohner. In No 11 konstatiert
Hamilton, dass eine energische Regierung das Recht hierzu hätte („to dictate the terms of
connection“). Es macht sich in den Federalist Papers zunehmend eine missionarische Sprache
bemerkbar, die vermittelte, dass Amerika „stellvertretend für die Menschheit“ etwas täte
(siehe auch „Manifest Destiny“ von O’Sullivan, 1839 ff.)). In Artikel 21-36 (common
taxation, common defense) wird auf den No 12 zurückgegriffen, der besagt dass der Staat
unter keinen Umständen den Besitz der Reichen belangen dürfte („personal estates can not be
subjected ……“). Die Einwände seitens der Antifederalists, die die Unterdrückung der Armen
und vor allem die fehlende Nähe der Regierten zur Regierung fürchteten, bezeichnete
Hamilton als „subtleties“ (=Haarspaltereien). Hamilton stützt seine aggressive, expansive und
wirtschaftsliberale Argumentation unter anderem mit dem 1776 von Thomas Paine verfassten
Werk „Common Sense“. Was dieser Common Sense darstelle und wie dieser sich artikuliere,
wird nicht erläutert. In No 37 bis 51 stimmt Madison noch einmal ein Loblied auf die
Verfassung ein und fragt sich in No 47, wie die Gewalten im amerikanischen System einander
-9–
gegenüber stehen sollen („Montesquieu – Frage“). Er verwirft eher die Idee einer
Gewaltenteilung und entwickelt dafür genauer die Idee einer Verschränkung der Gewalten.
DL: Bitte fügen Sie hier wieder Ihre Notate ein. In der Gewaltenteiluing tut jeder
quasi das Seine…………..In der Gewaltenverschränkung ist jeder auch in
die politisch-konstitutionellen Befugnisse der anderen Gewalten insoweit eingebunden,
als er darauf aufpasst, dass diese verfassungsgemäß ausgeführt werden und im Falle
der Abweichung: ihre Aufdeckung im eigenen, karrierefördernden Sinne verwende darf und soll. Dieser tut damit etwas, was damit dem Gesamtzusammenhang
zugutekommt und auch dem eigenen Karriere-Interesse sehr förderlich ist. ‚Ambition
is to be made to counteract ambition……’ = das ist einer der Grundgedanken der
amerikanischen Verfassung. (Auch dieses ist ein sehr klausur-verdächtiges Thema !!!)
G – Federalist Paper No 51 (Madison)
Die im 51 von Madison hergeleiteten Ideen stellen eine Weiterentwicklung der modernen
Verfassungstheorie dar. Sie beinhalten den Gedanken einer Balance und der gegenseitigen
Kontrolle zwischen den Gewalten. (Checks and balances)
Im Republikanismus wurden zwei sich gegenüberstehenden Gewalten im Streitfall eine dritte
Übergeordnet, die die Aufgabe eines Schlichters inne hatte. Im amerikanischen Modell
jedoch, sollen sich die Gewalten gegenseitig einer Kontrolle unterziehen, die etwaige
„encroachments“ unterbinden soll.(„Ambition must be made to counteract ambition.“) Die
Regierung muss 1. die Regierten (!!!) und 2. sich selbst kontrollieren können. Diese
Forderungen ist auf ein eher negatives bzw skeptisches Menschenbid (im Gegensatz zu
Rousseau!)oder einer „reflection on human nature“ zurückzuführen. Das dargestellte System
impliziert zuletzt auch, dass die im Republikanismus „geächteten“ Privatinteressen die
Wächter (sentinels) des gemeinen Wohles darstellten.
Eine weitere Gefahr wird in dem Übergewicht der Legislative gesehen. Abhilfe soll hier die
Zweiteilung der Legislative schaffen. Um des weiteren Minderheiten zu schützen, werden
zwei Lösungsvorschläge geliefert. Entweder soll eine homogene, gesellschaftliche
„community“ geschaffen werden (dies ist aber nicht mit der „Natur des Menschen“
vereinbar.) oder es sollen so viele Einzelinteressen zugelassen werden, dass die Kombination
dieser Partikularismen eine über die Mehrheit herrschenden Minderheit nicht zulässt. Diese
Idee wirkte ebenfalls fördernd für die extension und implizierte den Gedanken des „self –
government“ , wobei angenommen wurde, dass mit der Größe einer Gesellschaft die
Fähigkeit, sich selbst zu regieren, zunähme.
Im No 51 wird das Ziel einer Regierung klargestellt („Justice is the end of government. It is
the end of civil society.“) Es wird im Gegensatz zu der sonst rein konstitutionellen
Argumentation versucht, eine Brücke zwischen der Regierung und der Zivilgesellschaft zu
schlagen, aber nicht weiter ausgeführt.
H – Ausblick auf die ,Great Institutions’ der drei Gewalten
Artikel 52-61 handeln vom Repräsentantenhaus und beinhalten eine Forderung nach längeren
Amtsperioden der Abgeordneten. Man einigte sich schließlich auf vier Jahre, was eine zu
lange Zeit ist, um republikanischen Idealen gerecht zu werden. Das Quorum wurde auf 1 zu 6800 000 festgelegt (ca 430 Repräsentanten). Nicht eingebaut wurde eine Barriere gegen
- 10 –
Reiche. Nicht jeder kann für solch einen Posten kandidieren. Eine Diskussion über die
gesellschaftliche Ermöglichung der Kandidatur wurde versäumt. In Artikel 54 befasst
Madison mit der Sklaverei. Dieser Artikel hat jedoch lediglich Alibi – Funktion und deckt alle
Ungerechtigkeiten ab. No 62-66 behandeln den Senat. Er soll aus „enlightened people“
bestehen, in denen sich Integrität und Begabung vereint. Er ist vor allem als „counterpoise“
zur Legislative und als Vertretung der Staaten konzipiert und stellt zudem die Instanz für
impeachment – Prozesse dar. Man sprach sich entschieden für längere Amtsperioden aus. (6
Jahre!), Die Institution, die die „geballte Republikanizität“ darstellen sollte, hat sich
möglicherweise als deren Hemmnis erwiesen (Vgl. Dahl).
No 67-77 befassen sich mit der Exekutive, die trotz der amerikanischen Aversion gegen
Monarchen eine sehr hervorgehobene Position innehat, indem sie z.B. den Oberbefehl über
die Armee ausübt und USSC – Richter ernennt. Der Präsident wird durch das electoral
college, das die Beeinflussung der Menschen durch Demagogen verhindern soll, gewählt
(„intermediary body“). Das Verhältnis der Exekutive zur Legislative ist eher
antiparlamentarisch und das zum Volk quasi aristokratisch. Ein Gegengewicht zum
Präsidenten gibt es nicht, was die Ratifizierung der Constitution heute als Wunder („prodigy“)
erscheinen lässt. Häufiger Buchtitel: ‚The miracle of Philadelphia’)
In Artikel No 85 wird zu guter letzt die „ständige Verleumdung der Reichen“ beklagt.
Hamilton fühlt sich und die beiden anderen so ungerecht verdächtigt. (Das Thema der
Ideologie-Kritik, d.h. der Kritik der im Hintergrund schwelenden, aber nie ausgesprochenen
eigentlichen Herrschafts- und Selbst-Bevorteilungs-Absichten wäre eine eigene Untersuchung
wert)
I – Zwischen – Frage: Sind die Federalist Papers eher liberal oder eher republikanisch?
Wieweit geling ihnen die Überbrückung zwischen Verfassungstheorie und
Sozialanalyse?
Diskussionspunkt. Wird hoffentlich aus dem Rest deutlich...
DL: Zählen Sie je für sich noch mal die Kriterien auf, die für liberale
und die, welche für die republikanische Qualität der Verfassung stehen sollen.
(Ist das Amendment 2: das Recht, eine Waffe zu tragen, eigentlich ein
liberales oder ein republikanisches Grund-, gar Menschenrecht ?)
IV – Exkurs zum Ratifizierungsprozess der Verfassung in den 13 Staaten
Der Ratifizierungsprozess fällt äußerst knapp aus (z.B. in Virginia und NY) und wird von
Unruhen auf den Straßen begleitet. Die Erfordernis von neun positiven Stimmen wird aber
erfüllt. Alle Staaten und die extra zu diesem Zweck gewählten Delegierten stimmen mehrheitlich der Verfassung zu. Die Meinungen der Antifederalists bleiben weitgehend ungehört,
weil sie 1. „anti“ sind (Das ist in Amiland nicht gern gesehen und „federal“ hört sich in
amerikanischen Ohren sehr positiv besetzt an.) und weil sie 2. wegen ihrer Neigung zu
- 11-
kleinflächigen Staaten nicht mit der Verheißung von Land und einer Chance zur
Verwirklichung eines individuellen Lebensentwurfs für sich werben konnten.!!!!!!!!!
V – Zwei kritische amerikanische Stimmen zur (Real-) Verfassung der USA:
A – Das Urteil eines amerikanischen Demokratie-Theokratikers: ROBERT A. DAHL:
,How democratic is the American Constitution?’ Yale University Press, 2001
Dahl, ein emeritierter Yale – Professor, sieht das amerikanische Regierungssystem aus
demokratietheoretischer Sicht als kritikwürdig an, räumt jedoch ein, das die politischen
Strukturen so verfestigt sind, dass eine Reform nicht allzu praktikabel erscheint.
DL: Vergleichen Sie bitte hierzu auf meiner Homepage die Aufzeichnungen von vor einem Jahr. Also: WS 2002/03---Alle LVS- und hier
insbesondere ProtFifteenMARCUS
B – Das Urteil eines amerikanischen Ökonomen: KEVIN PHILLIPS: Die amerikanische
Geldaristokratie, Reinbek 2003
Phillips bezeichnet die amerikanische Verfassung als ein Produkt von und für eine (damals
schon bestehende) Geldaristokratie.
DL: Vergleichen Sie hierzu auf meiner Homepage, ebenfalls aus dem
WS 2002/03, Alle LVs, insbes. ProtSixteenREBECCA
VI – Ausblick auf ALEXIS DE TOCQUEVILLE: ,Democracy in America’
Zu Tocqueville fällt mir nur noch ein, dass er fragt, ob dass mit dem „self – government“
eigentlich noch der Fall sei...
DL: Vergleichen Sie auch zu diesem Punkt die Seminar-Aufzeichnungen aus dem letzten Sommersemester auf meiner Homepage.
Also: SS 2003. Blättern Sie einfach mal herum. Dann bekommen
einen Eindruck von T’s ‚Democracy in America’ Es ist eine
höchst eindrucksvolle Einklage von wahrer Republikanizität im inzwischen immer wirtschafts- und beute-liberaler gewordenen
Amerika der 1830-er Jahre.
DL: Die Fortsetzung dieses Themas erfolgt in meiner letzten diessemestrigen Vorlesung zur Pol.Phil. von JOHN RAWLS.
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