Vorlesung Bioethik WS 2009/2010

Werbung
Vorlesung Bioethik WS 2009/2010
Gliederung
A. Einführung: Sinn und Zweck von Bioethik
B. Geschichte der Medizin- und Bioethik
C. Wissenschaftsphilosophie der Medizin und der „life
sciences“
D. Bioethik (Ethik der „life sciences“)
E. Gesundheitspolitik
Bioethik: Eine erste Annäherung
 Weite, enge und mittlere Bereichsdefinitionen
 Bioethik als Teilbereich der angewandten Ethik
("applied ethics")
 Literatur zur Einführung:

A. Leist (Hg): Um Leben und Tod. 1990

M. Düwell, K. Steigleder (Hg.): Bioethik. Eine
Einführung. 2003

S. Schulz, K. Steigleder, H. Fangerau, N. Paul
(Hg.): Geschichte, Theorie und Ethik der
Medizin. 2006
 Unvermittelte (isolierte) und vermittelte (konkrete)
Ethik
 Geschichte: Historie und Tradition
 Theorie: Arbeit an Begriffen
 Ethik: Grundkonzeptionen von Bioethik, Themen
 Politik: Gesundheitssysteme
 Lernziele der Vorlesung: Verständnis, Reflexion,
Orientierung, Mündigkeit
Drei Aspekte praktischer Vernunft
 Zweckmäßigkeitsüberlegungen und Klugheit
 "Gutes" Leben und Authentizität
 Moralität und Autonomie
 (Gespür für das Sortieren von Aspekten)
Jürgen Habermas 2009, Bd. 3
Anthropologie und Medizin
 Lebensweltliche Erfahrung: Geburt, Krankheit,
Genesung, Alter, Sterben und Tod
 Anthropologie: Natalität, Prekarität, Resistenz,
Hinfälligkeit, Vergänglichkeit
 Biologie: Menschen als intelligente Organismen,
der Selbsterhaltungstrieb
 Gesundheit als "gut", Krankheit als "schlecht/übel"
 Religion: biblische Weisheit (Kohelet, Psalter),
platonisch-christlicher Dualismus von Körper und
Seele.
 Medizin: Kampf gegen Krankheit und Tod.
 Medizinischer Fortschritt: Erfolgsgeschichten
 Grenzerfahrungen
Memorandum: Das optimierte Gehirn
(Galert, Merkel, Schöne-Seifert et al. 2009)
"Wir vertreten die Ansicht, dass es keine
überzeugenden grundsätzlichen Einwände gegen eine
pharmazeutische Verbesserung des Gehirns oder der
Psyche gibt. Vielmehr sehen wir im pharmazeutischen
Neuro-Enhancement die Fortsetzung eines zum
Menschen gehörenden geistigen
Optimierungsstrebens mit anderen Mitteln."
NEP für Gesunde: Ritalin, Vigil, Prozac …..
Bedenken und Kontexte:
 Abhängigkeit und Sucht
 Konkurrenzdruck, Leistungsdruck, MitmachZwang?
 Risiko
 Wachsende Ungleichheit
 Ärzterolle
Vom suggestiven Gebrauch des "wir".
Medizin in der Antike
 Medizin: Episteme, phronesis, praxis, techne
 Techne therapeutike, „eupragie“ bzw. „eupraxia“
 Elemente, Säfte und Temperamente
 Gesundheit: harmonia, eukrasis, mesothes
 Private Leibespflege und öffentlicher
Gesundheitsdienst
 Medizin als Kultur und Bildung
 Der Eid des Hippokrates
 Galen und die Grade der Gesundheit
 Epimeleia seauto bzw. „cura sui“: sorgfältige
Aufmerksamkeit auf sich selbst
 Diätetik, Hygiene, Sexualität, Arbeit/Muße
 sex res non naturales: Licht/Luft, Speise/Trank,
Arbeit/Ruhe, Schlaf/Wachen, Affekte,
Ausscheidung/Absonderung,
 Platonisch-christliches Leibschema (Körper-Seele)
als eines von vielen kulturellen Leibschemata
Neuzeit
Descartes: Der Körper als Maschine, ähnlich wie
"Uhren, kunstvolle Wasserspiele und Mühlen".
Modernes Wissenschaftsverständnis: Ursachen,
Gesetzmäßigkeiten, Experimente, Daten, Wirkstoffe.
Aus Ursachen kurieren statt an Symptomen
herumzudoktern.
 Kant (1798): Dem Naturinstinkt nach ist dem
Menschen der Arzt der wichtigste Mann
Ausbildung des ärztlichen Standesethos
("Hippokratische Tradition")
 Paracelsus: "Sein Amt ist nichts, als den
anderen Barmherzigkeit zu schenken."
 „Ob man vor der Pest fliehen darf?“ (Luther)
 Behandlung der Armen
 Wahrheitsbindung und "gnädige Lüge"
 Kampf gegen „Quacksalber“, Ausgrenzung der
Para- und Pseudo-Medizin
 Forschung an Gefangenen
 Mitwirkung bei Hinrichtungen
 Militärmedizin und das „Triage“-Problem
 Selbstversuche
 Sozialmedizin bzw. Sozialhygiene (Virchow)
 Lebensbewertung „von außen“ (Hufeland)
 Einwilligungsproblematik (Stoos, von Bar)
Konsequenzen des ärztlichen Tötungsverbotes
1.
Mitwirkung bei Hinrichtungen ?
2.
Ärzte im Krieg und Ärzte für den Frieden ?
3.
Abtreibung ?
4.
Beihilfe zum Suizid ?
5.
Aktive Sterbehilfe ?
"Der Arzt soll und darf nichts anderes tun als Leben
erhalten, ob es ein Glück oder Unglück sei, ob es Wert
habe oder nicht, das geht ihn nichts an, und maßt er
sich einmal an, diese Rücksicht in sein Geschäft mit
aufzunehmen, so sind die Folgen unabsehbar, und der
Arzt wird der gefährlichste Mensch im Staate; denn ist
einmal die Linie überschritten, glaubt sich der Arzt
einmal berechtigt, über die Notwendigkeit eines
Lebens zu entscheiden, so braucht es nur noch
stufenweise Progressionen, um den Unwert und
folglich die Unmöglichkeit eines Menschenlebens auch
auf andere Fälle anzuwenden."
C. W. Hufeland "Die Verhältnisse des Arztes"
1806
Carl Stooss "Operativer Eingriff und Körperverletzung
(1893):
In Bezug auf Operationen mit ungewissem Ausgang
"wird der Patient das entscheidende Wort zu sprechen
haben. Um sein Wohl handelt es sich."
Ludwig von Bar "Medizinische Forschung und
Strafrecht" (1901)
"Es setzt sich daher jeder Mediziner, der an Menschen
ohne deren Zustimmung Versuche vornimmt, einer
sehr weitgehenden und schweren strafrechtlichen
Verantwortlichkeit aus, und die etwaige nachträgliche
Zustimmung oder Verzeihung des Verletzten ändert
hier nichts."
Sozialdarwinismus als Paradigma der Medizin
Vogt 1997
 Charles Darwin
 Herbert Spencer
 Staat als Organismus, Völker als Individuen,
äußere Politik als Kampf
 Drei Varianten des Sozialdarwinismus:
1.
Imperialismus
2. Liberalismus
3. Rassismus
 Rassenlehre und Deszendenztheorem
 Rassenhygiene (Tille, Ploetz, Schallmayr)
"Wir zivilisierten Menschen dagegen tun alles mögliche, um
diese
Ausscheidung
zu
verhindern.
Wir
erlassen
Armengesetze und unsere Ärzte bieten alle Geschicklichkeit
auf, um das Leben der Kranken so lange als möglich zu
erhalten. (…) Infolge dessen können auch die schwachen
Individuen der zivilisierten Völker ihre Art fortpflanzen.
Niemand, der etwas von der Zucht von Haustieren kennt,
wird daran zweifeln, dass dies äußerst nachteilig für die
Rasse ("race") ist. (….)
Die Hilfe, die wir dem Hilflosen schuldig zu sein glauben,
entspringt hauptsächlich dem Instinkt der Sympathie (…).
Jetzt können wir diese Sympathie nicht mehr unterdrücken,
selbst wenn unsere Überlegung es verlangte, ohne dass
dadurch unsere edelste Natur an Wert verlöre.
Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen, Kap. 5
"Aus der Lehre, dass alle Menschen eines Gottes Kinder und
vor ihm gleich sind, ist in erster Linie das Ideal des
Humanismus und des Sozialismus erwachsen, dass alle
Menschen
das
gleiche
Daseinsrecht,
den
gleichen
Daseinswert haben. (…) Mit der Entwicklungslehre ist
dieses Ideal unvereinbar. Sie muss mit ihm brechen, sobald
sie sich ihrer unmittelbaren Folgen bewusst wird. Sie kennt
Tüchtige und Untüchtige, Gesunde und Kranke, Genies und
Atavisten. An die Stelle des Wohls aller Menschen (…)
muss ihr eine glänzenden Zukunft der am höchsten
entwickelten Rasse treten. (…)
Eine Ethik, die völlig auf dem Boden der Entwicklungslehre
steht, wird das gleiche mit ihrem Ideal der Rassezukunft zu
tun versuchen.
Alexander Tille, Charles Darwin und die Ethik, 1894
"Das soziale Interesse der Gesellschaft ist heute mehr als
je ein ganz anderes; es geht auf Gesundung und Stärkung
hin, es hat von der Erhaltung wirklich wertlos gewordener
Leben gar nichts."
Alexander Elster: Euthanasie (Sterbehilfe) 1915
"Daß es lebende Menschen gibt, deren Tod für sie eine
Erlösung ist und zugleich für den Staat und die Gesellschaft
insbesondere eine Befreiung von einer Last ist, deren
Tragung (...) nicht den kleinsten Nutzen stiftet, lässt sich in
keiner Weise bezweifeln. Ist dem aber so - gibt es in der Tat
menschliche Leben an deren weitere Erhaltung jedes
vernünftige Interesse dauernd geschwunden ist - dann steht
die Rechtsordnung vor der verhängnisvollen Frage, ob sie
den Beruf hat, für deren unsoziale Fortdauer tätig
einzutreten oder unter bestimmten Voraussetzungen ihre
Vernichtung freizugeben."
Karl Binding und Alfred Hoche
"Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens" 1920
Medizin im Nationalsozialismus









Rassenlehre
Gesundheit des „Volkskörpers“
Gesundheit als politische Pflicht
Körperkult, Ernährungslehre, Sexualpolitik
Abhärtung, Ertüchtigung, Selektion
Reform der Psychiatrie
Vernichtung „lebensunwerten“ Lebens
Forschung an Gefangenen
Folge: Die Nürnberger Ärzteprozesse und
der Nürnberger Code
"Aktion T4"
Eugenik und Euthanasie
Karl Binding, Alfred Hoche (1920): "Die Freigabe der
Vernichtung unwerten Lebens"
H.F.R. Günther (1933): "Rassenkunde des deutschen
Volkes"
 Situation der Anstaltspsychiatrie um 1933 (340.000
Insassen)
 Ab 1933 rigorose Einweisung durch Behörden
 Senkung der Aufnahmehürden, Anhebung der
Entlassungshürden
 Anstalten der Segregation; Expansion der
Anstaltspsychiatrie
 Kürzung der Mittel; Sparzwänge
 Glaube an innovative Therapeutiken, Psychiatriereform
 Heilen und Vernichten
 Kinder-Euthanasie ab 1939 (ca. 5000 Tote)
 "Aktion T4": Vergasung mit Kohlenmonoxyd (19401941: 70273 Tote)
 Protest und Widerstand (Graf von Galen)
 1941: Abbruch der "Aktion T4", aber Fortsetzung der
Euthanasiepraxis (Hunger, Medikamente)
 "Aktion Brandt" (1942)
 Spätphase der Euthanasie
Ergebnis: ca. 250.000 getötete Menschen (180.000 in
Deutschland, 80.000 in Polen, Frankreich, UdSSR)
Humanexperimente in Konzentrations- und
Vernichtungslagern
 Höhenversuche (1942, Dachau)
 Unterkühlungsversuche (1942-1943, Dachau)
 Malaria-Experimente (1942-1945, Dachau)
 Senfgas (Lost)-Experimente (1940-1945,
Sachsenhausen, Natzweiler)
 Sulfonamid-Experimente (1942-1943, Ravensbrück)
 Versuche zu Knochentransplantationen (Ravensbrück)
 Meerwasser-Experimente (1944, Dachau)
 Experimente mit epidemischer Gelbsucht (1943-1945,
Sachsenhausen, Natzweiler)
 Sterilisationsexperimente (1941-1945, Ravensbrück,
Auschwitz)
 Fleckfieber-Experimente (1941-1945, Buchenwald,
Natzweiler)
 Phosphorbomben-Experimente (1943-1944,
Buchenwald)
 Skelett-Sammlung (Auschwitz)
Geschichte und Ethik der Medizin
1.
Position:
Hippokratische
Tradition
mit
normativen
Gehalten wie: "salus aegroti suprema lex", Schweigepflicht,
Abgrenzungsproblem, Verbot der Lebensbewertung "von außen"
(Hufeland), Zuwendung zu den Armen (Virchow) usw. (Problem
des Paternalismus)
2.
Erweiterung
durch
die
juristisch
begründete
Zustimmungspflicht (Stooss, v. Bar)
3.
Negation: Sozialdarwinismus, Eugenik mit normativen
Gehalten wie: Individuen als Teil eines größeren Ganzen
("Volkskörper"), Degenerationstheorem und eugenische Ziele,
Lebensbewertung anhand bestimmter Kriterien, Suspendierung
des Zustimmungsprinzips.
4. Neuer Ausgangspunkt: "the voluntary consent of the human
subject is absolutely essential" (Nürnberger Code 1947)
5. Heutige Situation:

Kritische Aneignung der Hippokratischen Tradition

Interpretation des "informed consent"-Prinzips

Individuen und Populationen

Kontrakte statt Konsens?
Medizin und moderne Gesellschaft
 Lebenserwartung
 Gesundheit als Grundwert
 Jugendkult und demographischer Wandel
 Veränderung des Reproduktionsverhaltens
 Pluralismus
der
Lebensstile
und
Wertvorstellungen
 Autonomie und Selbstbestimmung
 Kritik der "Schulmedizin"
 "Enhancement" und Anthropotechniken
 Teilhaberecht und Kosten
 Erwartungen an die Medizin
der
Dissensfaktoren in der Bioethik

Neue Möglichkeiten durch neue Technologien und die
Frage nach den Grenzen des Machbaren

Gefälle
moralischer
Sicherheit,
konfligierende
moralische Intuitionen

„essentially
Normalität,
contested
concepts“
Behinderung,
(Gesundheit,
Unzumutbarkeit,
„hochrangiges Forschungsziel“ usw.)

Neue
medizinische
Konzepte:
"individualized
medicine"

Risiken, Ungewissheiten, „Dammbrüche“

Konkurrierende bioethische Grundkonzeptionen

Ökonomische Faktoren und Interessen

„Polare“ Spannungsverhältnisse (s. Folie)
Themenfelder der Bioethik
 Verhältnis zur eigenen Leiblichkeit: Beispiel des Suizids
 Moralischer Status menschlicher Feten und Embryonen
 Ethische Probleme der Neonatalogie
 Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik, Problemfeld der
prädiktiven Diagnostik
 Schwerstbehinderte Neugeborene
 HIV/AIDS
 Tierversuche, Heilversuche, Humanexperimente
 Transplantationsmedizin, Organspende, Xenotransplantation
 Sterbehilfe („Euthanasie“), Todeskriterien ("Hirntod")
 Humanökologie und Umweltmedizin, Gesundheit und Natur
 „enhancement“, "doping" „converging technologies“
 Gesundheitsökonomie und –politik: Rationierung medizinischer
Dienstleistungen
Konzept „Individualisierte Medizin“ (IM)
Erwartungen an IM
 bei Patienten (individuelle Zuwendung, bessere Versorgung,
präzisere Therapien)
 bei Forschern (neue Erkenntnisse zur Ätiologie und Assoziation
von nosologischen Entitäten)
 bei Ärzten (prädiktive Diagnostik, Früh(st)erkennung)
 bei
Versicherungen
(exakte
Kalkulationen
von
Gesundheitspolicen durch Zuordnung von Personen zu
Risikokollektiven („Risikotarife“))
 in der biomedizinischen Industrie (neue Produkte und
Geschäftsmodelle insbesondere im Bereich der Diagnostika
i.w.S., Pharmakogenetik)
IM ist aufgrund dieser (heterogenen) Erwartungen überdeterminiert
(„hype“).
Welche Erwartungen lassen sich (eher) erfüllen?
Welche Erwartungen sollte man (nicht) wecken?
Ein Beispiel hierfür:
„Von Kranken wird häufig eine Medizin als ‚individuell‘ empfunden,
in der das Leben mit der Krankheit und die psychosoziale Dimension
der Erkrankung im Arzt-Patient-Verhältnis thematisiert und
Handlungsoptionen entwickelt werden. Eine biomarkerbasierte
individualisierte Medizin leistet hierzu jedoch keine unmittelbaren
Beiträge“ (TAB 2008, S. 30)
5 Individualisierungskonzepte in IM
 Biomarkerbasierte Stratifizierung
 Genombasierte
Merkmale
Information
über
gesundheitsbezogene
 Ermittlung individueller Erkrankungsrisiken
 Differenzielle Interventionsangebote
 Ermittlung der Wirksamkeit und Verträglichkeit
Medikamenten (Fernziel: Therapeutische Unikate)
von
„Individualisierung“ bedeutet in diesen Konzepten eine „über den
Status quo hinausgehende Unterteilung der Patientenpopulation in
klinisch relevante Untergruppen (sog. Stratifizierung (…)). Leitend ist
dabei die Annahme, dass Diagnose, Risikospezifizierungen und
Interventionen umso zielgenauer sein können, je mehr bzw. je
spezifischere Kriterien zur Gruppeneinteilung herangezogen werden
können. Für diese Unterteilung werden in der individualisierten
Medizin neue und spezifische Biomarker herangezogen, die aus der
Genom- und Postgenomforschung hervorgehen.“ (TAB 2008, S. 9)
Begriffliche Investitionen in dieses Definiens:
 Patientenpopulation
 Stratifizierung bzw. Gruppenbildung
 Biomarker
 Diagnose
 Risikospezifizierung
 Intervention.
Patientenpopulation
Als Patienten gelten üblicherweise
Personen,
die
an
Krankheiten (oder Folgen von Unfällen) leiden und deshalb in
medizinischer Behandlung sind. Die Populationen der IM
setzen sich nicht (nur) aus Patienten in diesem „klassischen“
Sinne zusammen, sondern auch aus Personen ohne klinische
Befunde
(„gesunde
Kranke“).
Werden
hier
ganze
Populationen zu virtuellen Patientenkollektiven? Wie also
verändert sich durch IM der Begriff eines Patienten?
Stratifizierung
Eine
Gruppenbildung
wäre
stricto
sensu
dann
„individualisierend“, wenn am Ende jede Gruppe idealiter aus
genau einem Individuum bestünde. Dies wird realiter nicht
möglich sein, „so dass eine besser zutreffende Begriffswahl
eine ‚stratifizierende‘ Medizin wäre“ (TAB 2008, S. 10.)
Unter dem Terminus „individualisierte Medizin“ wäre
demnach sachlich eine stratifizierende Medizin zu begreifen,
die
einzelne
Personen
bestimmten
Gruppen
zuordnet.
Entscheidend für IM ist demnach die Klassifikation von
derartigen Gruppen. Wie also werden solche Gruppen
identifiziert, gegeneinander abgegrenzt, miteinander korreliert
usw.?
Wie groß ist der Unterschied zu bestehenden Stratifikationen
(Geschlecht,
Alter,
Unverträglichkeiten)?
Vorerkrankungen,
Allergien,
Biomarker
Biomarker sind „objektive Messgrößen“ zur Bewertung von normalen
und
pathologischen
Prozessen
sowie
von
Reaktionen
auf
therapeutische und präventive Interventionen.
Problem: Was nicht alles kann ein Biomarker sein? Werden wir in den
nächsten Jahren mit einer Flut von Publikationen zu Biomarkern und
SNP's überschüttet? Was fangen wir damit an? Was heißt dann
„valide“
(verlässlich)?
Fallen
Individuen
dann
aufgrund
unterschiedlicher Biomarker in unterschiedliche Gruppen? In wie
viele Gruppen kann eine Person fallen?
Diagnose
Unter einer Diagnose wird üblicherweise eine Feststellung
verstanden, dass etwas "vorliegt". Im Kontext von IM
verschiebt sich der Begriff der Diagnose in den Bereich der
Prädiktion und der Probabilistik (Statistik). Im Kontext von
IM wird daher zu Recht von „prädikiv-probabilistischer
Diagnostik“ gesprochen. In diese Art der Diagnostik gehen
notwendigerweise
Dispositionsbegriffe
ein
(„virtuelle“
Krankheiten, Tendenz, Latenz, erhöhte Wahrscheinlichkeit,
mögliche
Assoziation,
möglicher
Verlauf
usw.).
Was
geschieht, wenn die Medizin verstärkt auf einer Interpretation
von Dispositionsbegriffen beruht (s. Intervention). Was folgt
daraus für das Arzt-Patient-Verhältnis und für das Verständnis
von „informed consent“?
Dispositionsbegriffe sind „tricky“! Sie verleiten zu falschen
oder problematischen Gleichsetzungen:
 Sind virtuelle Krankheiten jetzt schon reale Krankheiten
in statu nascendi? (Ist eine virtuelle Krankheit jetzt schon
(irgendwie)
„da“?
Gibt
es
hier
Analogien
zu
Inkubationszeiten?
 Ist ein „auffälliger“ genetischer Befund eine Diagnose?
 Ist eine prädiktive Diagnose eine Prognose?
 Ist eine Disposition (Veranlagung) eine Art der
Ursächlichkeit?
 Wie ist das Verhältnis zwischen einer kausal wirksamen
Basis (im Genom), einer daraus folgenden Disposition,
Einflüssen im Bereich von Umweltfaktoren, auslösenden
Ursachen zu bestimmen?
 Sind Werte außerhalb festgelegter Normbereiche eo ipso
pathologisch oder pathogen?
"Um den (potentiellen) Patienten besser helfen zu können,
müssen
wir
unter
den
Gesunden
nach
bestimmten
Prädispositionen suchen" (Golubnitschaja 2009)
Wann
und
bei
wem
sollen
diese
Untersuchungen,
Typisierungen und Diagnostiken (nicht) stattfinden? Kommen
obligatorische
Massenscreenings
(TAB:
„Bevölkerungsscreenings“) in Betracht? Sollen postnatale
genetische Diagnosen zur Routine werden? Wer darf Tests
anbieten? Braucht es eine Qualitätssicherung und eine
staatliche Aufsicht?
Risiko
IM identifiziert individuelle Risikoprofile. Ein Risiko ist eine
Kombination (Produkt) aus einer Eintrittswahrscheinlichkeit
(EW) und einem Schadensausmaß (SA). EW lässt sich
beeinflussen (reduzieren, verzögern usw.), das SA muss
bewertet werden. Gesundheitliche Risiken stehen im Horizont
allgemeiner Lebensrisiken.
„Durch Genotypisierung und Multiparameterdiagnostik sollen
bereits
vor
individuelle
klinisch
erkennbaren
Risikoprofile
Wahrscheinlichkeitsaussagen
Krankheitssymptomen
erstellt
über
und
die
damit
künftige
gesundheitliche Entwicklung des Individuums getroffen
werden“ (TAB 2008, S. 11, ähnlich auch S. 20)
Wahrscheinlichkeitsaussagen streuen über Bandbreiten und
beziehen sich auf unterschiedliche zukünftige Zeitpunkte. Bei
Assoziationen von Krankheiten werden unterschiedliche
Wahrscheinlichkeiten zusammengefasst. Lässt sich eine
Wahrscheinlichkeit nicht quantifizieren, spricht man von
Ungewissheit. Handelt es sich bei IM eher um Risiken oder
eher
um
Ungewissheiten?
Viele
Krankheiten
haben
unterschiedliche Verlaufsvarianten (mild, schwer). Was
besagen Informationen über diese möglichen Varianten?
Jeder Mensch ist wohl in mehreren Hinsichten ein
(potentieller) Risiko“patient“. Droht hier eine umfassende
Pathologisierung
der
Bevölkerung?
Taucht
hier
die
Problematik der WHO-Definition von Gesundheit wieder auf?
Wie grenzt man Risikogruppen ab? Gilt hier das „right to
know and not to know“? Sollte eine vorgängige Beratung
erfolgen, worauf man sich mit IM einlässt?
In jedem Fall öffnet sich hier das weite Feld der Risikoethik.
Gahl (2009): „Ein neues Krankheitskonzept, das dem
probabilistischen Charakter der Disposition Rechnung trägt,
muss von dem deontologischen, den Arzt zum ‚Eingreifen‘
verpflichtenden Appell befreit werden.“
Sollte man dieser Wertung zustimmen oder sie ablehnen?
Intervention
Der Begriff der Intervention umfasst Therapien im klassischen Sinn,
aber auch Formen von Prävention, Tests, Überwachung und
Früherkennung. Der therapeutische Impuls der Medizin verschiebt
und verlagert sich auf Formen von Prävention, Tests und
„Monitoring“ und „Checks“.
Probleme: Wie verändern sich die medizinischen Indikationsregeln
durch diesen weiten Begriff der Intervention? Wie „engmaschig“ soll
das Monitoring für welche Gruppen werden? Welche Tests gelten als
sinnvoll? Soll ein Labortest darüber befinden, ob ein bildgebender
Test angezeigt ist? Wie sollen unterschiedliche Tests aufeinander
aufbauen? Wie valide sind diese Test jeweils (false positive-false
negative)?
„Die
erhofften
positiven
individuellen
und
kollektiven
Gesundheitseffekte durch eine individualisierte Medizin (werden) sich
nur erreichen lassen, wenn Bürgerinnen und Bürger nicht nur bereit
sind,
Untersuchungen
zur
Ermittlung
ihres
individuellen
Erkrankungsrisikos durchführen zu lassen, sondern auch in der Lage
sind,
das
Testergebnis
in
ein
–
aus
medizinischer
und
gesundheitspolitischer Perspektive – ‚sinnvolles‘ und angemessenes
gesundheitsbezogenes Handeln umzusetzen“ (TAB, 2008, S. 21)
Diese zwei Bereitschaften müssen also geweckt und gefördert werden.
Auf welchen Wegen will man entsprechende Einstellungen befördern?
Welche
Anreize
erscheinen
hierzu
vertretbar?
Darf
man
Gesundheitsleistungen von der Teilnahme an Tests abhängig machen?
Was wäre, wenn diese Bereitschaft zunächst anwüchse, dann aber im
Lauf der Zeit zurückginge? Werden durch den Aufbau von IMInfrastrukturen Sachzwänge erzeugt, denen Personen sich fügen
müssen? Ändert sich durch IM die ärztliche Einstellung zum
bekannten Phänomen von "non compliance"?
Gilt man als „verantwortungslos“, wenn man sich Screenings
entzieht? Was ist, wenn man keine Präferenz für diese „MonitoringMühle“ hat? Wie könnte die erhoffte Stärkung der Patientenautonomie
auf diesem Gebiet erfolgen?
„Eine breite Nutzung von biomarkerbasierten prädiktivprobabilistischen Gesundheitsinformationen für das Gewähren bzw.
Versagen von Krankenkassenleistungen bzw. für das Einfordern
bestimmter gesundheitsbezogener Verhaltensweisen würde eine
Einschränkung der Selbstbestimmung des Einzelnen darstellen, das
gegen das Interesse der Solidargemeinschaft abgewogen werden
muss.“ (TAB 2008, S. 26)
Die Begriffe der Abwägung und der Angemessenheit zählen zu den
schwierigsten Begriffen der philosophischen Ethik.
Wer bestimmt dieses Interesse, wer darf abwägen? Was überhaupt
bedeutet es, (sorgsam) (gründlich) (mit Augenmaß) (verantwortlich)
(im Einzelfall) abzuwägen?
Was ist ein sinnvolles und angemessenes Handeln angesichts einer
prädiktiv-probabilistischen Information über ein Risiko oder eine
Ungewissheit? "Angemessen" woran?
Konzeptionelle Grundlagen der Bioethik:
Ein multipolares Spannungsgefüge
Recht und Moral
Art 5. Abs. 3 GG

Grenzen des Erlaubten

Patientenautonomie

“Individualrechte”


+

Forschungsfreiheit

ärztliches Ethos

“Hippokratische Tradition”
Questions about Moral Border Lines
1) Why draw a line?
2) How to draw a line?
3) Which lines should be drawn?
4) Which entities deserve what kind of
protection?
Claim: Moral borderlines are essentially contested in
bioethics. The other three principles (FIR, IC, EM)
are widely accepted in bioethics and in general
ethical theory.
Hypothesis: In cases of conflict, widely accepted
principles will (in the end) “trump” essentially
contested ones.
Prediction: It is to be expected with some confidence
that FIR, EM, IC will in the longer run “trump” the
quest for borderlines all the way down.
Problem: If the search for non-contested borderlines
is in vain and if the prediction is regarded as bad
news one needs a different approach to borderlines.
Grundpositionen in der Bioethik
1. Hans Jonas‘ Verantwortungsethik („Heuristik der
Furcht“, „Idee wahren Menschsein“)
2. Neo-Kantianismus („Menschenwürde“ als Grenze)
3. Individualrechte
(„Menschenrechte“,
„right
claiming“)
4. Utilitarismus („Nutzenmaximierung“)
5. Liberalismus-Kontraktualismus
(„Vereinbarung“,
„Vertrag“)
6. Trans-Humanismus
(Steigerung
Menschen-„Züchtung“, „enhancement“)
und
ggf.
Hans Jonas
 Hintergrund: Die Tradition der Prophetie
 Diagnose:
Selbstgefährdung
durch
Machtzuwachs; das Unheilspotential des
technologischen Fortschritts
 Heuristik
der
Furcht;
Primat
der
Unheilsprognose „in Dingen einer gewissen
Größenordnung“
 Retrospektive
und
prospektive
Verantwortung
 „Handle so, dass die Wirkungen deiner
Handlung
verträglich
sind
mit
der
Permanenz echten menschlichen Lebens.“
 (Theologie der Selbstkontraktion Gottes?
Peter Singers Position
in „Animal Liberation“ und „Praktische Ethik“
Allgemeine Gründe gegen das Töten
1. direkte Gründe
2. indirekte Gründe
Unterscheidungen:
1. human animals - nonhuman animals (Menschen - Tiere)
(biologische Bedeutung)
2. Personen - Nicht-Personen („Person“ als rationales und
selbstbewusstes Wesen) (normative Bedeutung)
3. „aktual“ versus „potentiell“
a. Töten von menschlichen Personen
b. Töten von nicht-menschlichen Personen (Menschenaffen)
c. Töten von menschlichen Nicht-Personen („human marginal
cases“, Problem der Potentialität)
d. Töten
von
nicht-menschlichen
Nicht-Personen
(Ersetzbarkeitsargument)
Im Utilitarismus ist das schmerzlose Töten von Nicht-Personen
kein Unrecht, wenn es der Nutzenmaximierung dient.
Peter Singer lehnt Potentialitätsargumente ab.
Trans-Humanismus: Die Extropischen Grundsätze
Max More 1998
 „dogmenfreie“ rationale Weltanschauung
 Aktiver Optimismus
 Überwindung „natürlicher“ menschlicher Grenzen
- Vitalität
- Hirnleistung bzw. Intelligenz
- Alter
- Tod
 Beschleunigung
des
Übergangs
vom
menschlichen zum post/transhumanen Zustand
(„posthumane
Synthesen
mit
künstlicher
Intelligenz)
 Besiedlung des Weltalls
 Wirtschaftswachstum,
Mobilisierung
aller
natürlichen Ressourcen
 Radikale Forschungsfreiheit
 Selbstbestimmte Experimente, „Selbstversuche“
Die extropischen Grundsätze (Auszüge)
„Für
uns
stellt
die
Menschheit
nur
ein
Übergangsstadium im Prozess der Evolution von
Intelligenz dar. (…)
Wir
wollen
die
traditionellen,
biologischen,
genetischen und intellektuellen Grenzen, die
unseren Fortschritt einschränken, überschreiten.
(…)
Wir sind überzeugt, dass das Leben sich von der
Bindung an die Erde (…) lösen wird. (…)
Was andere als Schwierigkeiten bezeichnen,
sind für uns Herausforderungen. Wo es anderen
zu viel wird, sagen wir: Vorwärts! Aufwärts!
Hinaus ins Unbekannte!“
Technologische Einsatzvarianten
1.
Neurochemie, Neurobiologie
2.
Arteficial Intelligence (AI)
3.
Mensch-Maschine-Synthesen
4.
Gentechnologie
5.
Bio-Medizin
6.
molekulare Nanotechnologie
7.
Informatik, Robotik
8.
„virtual reality“ (VR)
9.
bemannte Weltraumfahrt
10.
(„converging technologies“ (CT),
NBIC-Initiative: Nano, Bio, Info, Cogno.
Kommentar zu „Converging Technologies“
„Der ingenieurshafte Gestaltungsanspruch (wird)
auf den menschlichen Leib und die Psyche
ausgeweitet. Durch die stark visionäre CTDebatte eröffnen sich demnach neue diskursive
Räume der Technikgestaltung. (…) Dass in
diesem
Zusammenhang
spezifische
Herausforderungen bestehen, zeigen auch die
visionären Vorstellungen und quasi-religiösen
Motive ‚trans’- und ‚posthumanistischer’
CT-
Enthusiasten, deren Einfluss auf die US-NBICInitiative (…) in letzter Zeit verstärkt thematisiert
werden.“
Christopher Coenen 2006
Integratives Modell der Bioethik
1. Prozeduraler Rahmen (Diskursethik)
2. Mehrpoliges
Spannungsfeld
als
Grundstruktur
des
bioethischen Argumentationsraumes (s. o.)
3. Bioethische Grundkonzepte
4. Prinzipien "mittlerer Reichweite" (Beauchamp/Childress)
5. Themenfelder: Sachstandserhebung, Fallstudien
6. Konflikt- und Dissensanalysen
7. Analyse und Beurteilung von politischen und rechtlichen
Regulierungsoptionen
8. Positionierung, Urteil
Diskursethische Transformation bioethischer
Grundkonzepte in Argumentationstypen
R. Ueberhorst: diskursives statt positionelles Verhalten
Argumentative und reflexive „Aufhebung“ von Positionen
1. Hans Jonas → Warnungen, Risiko-Argumente,
Dammbruch-Argumente
2. Immanuel Kant → Menschenwürde-Argumente,
„Gebote
der
Moralität“,
Universalisierbarkeits-
morality“
→
Argumente
3. „right
based
Menschenrechts-
Argumente, „right claiming“
4. Utilitarismus → Konsequenzenbasierte Argumente
und gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt
5. Liberalismus-Kontraktualismus → „volenti-non-fiatiniuria“-Argumente, Präferenzenerfüllung, Effizienz
6. Transhumanismus → Steigerung, Verbesserung,
„enhancement“-Argumente, „Why-not?“-Argumente
Argumente für das „informed consent“-Prinzip bei
der Therapiewahl
1.
Juristische Perspektive
2.
Eingriff in die Sphäre der Personalität
3.
Spektrum der Therapieformen
4.
Abschätzung von Risiken und Nebenfolgen
5.
Werte und Lebensentwurf des Patienten
6.
Recht auf „eigenen Tod“ (s. Sterbehilfe)
Kritik am „informed consent“-Prinzip
1. Auflösung des ärztlichen Ethos
2. Arzt
als
Dienstleister,
Patient
als
„Konsument“
3. Prinzipielle Inkompetenz des Patienten
4. Überredungskünste des Arztes
5. Problem nichteinwilligungsfähiger Patienten
(Stellvertreterlösungen)
6. Festlegung der Summe der Informationen
The conditions for valid „informed consent“
(Brock 1993)
1. Competence
 Ability to express a preference (consumer model)
 Standards evaluating the content of the patient’s
decision (danger: drawback into paternalism)
 Standards evaluating the process of decision making
(balancing self-determination and protection of patients)
2. Voluntariness
 Coercion
 Manipulation
 Framing effects
3. Informed understanding
 Situation and prediction (diagnosis)
 Treatment alternatives including gains and risks
 Recommendation, „non directive counselling“
 Debate about different courses of action
 (Costs of treatment)
4. Ideal of shared decision making
 ideal agreement
 non-ideal agreement
 ideal disagreement
 non-ideal disagreement („failure“)
Medizinethische Grundnormen
nach Beauchamp & Childress
A. „primary virtues“
1. respect for autonomy
2. nonmalevolence
3. benevolence
4. justice/fairness
B. „secundary virtues“
1. truthfulness
2. confidentialness
3. respect for privacy
4. faithfulness
C. „ideal virtues“
1. mercy
2. foregiveness
3. generosity
Struktur eines kausalen Dammbruch-Argumentes
(Zoglauer 2004)
1.
Aus
x
folgt
(über
eine
Kette
von
Zwischenschritten) zwangsläufig y.
2.
Wer x bejaht, akzeptiert daher implizit y.
3.
y ist nachweislich moralisch unakzeptabel.
4.
Also darf x nicht zugelassen werden.
Struktur eines argumentativen Dammbruchs
1.
X
führt
über
eine
Reihe
von
Zwischenschritten Zn zwangsläufig zu y.
2.
Y
ist
nachweislich
moralisch
unakzeptabel.
3.
Es finden sich immer plausible Gründe G,
um
Z1,
Z2,
Z3....
(im
Einzelfall)
zuzulassen.
4.
Also argumentieren wir mit G faktisch
zugunsten von Y.
5.
(Die G-Gründe sind „trügerisch“.)
„Ganz ausnahmsweise…..“
Das Problem der bedingten Erlaubnis in der
Bioethik: Dammbruchtendenzen oder nicht?
1. F(x) in t1
2. P(x) gdw. R (r1, r2, r3…..rn) in t2
3. (1 → 2) = ΔN (normlogische Differenz)
4. Musterbeispiele für ΔN in der Bioethik
 ΔN1
= PID
 ΔN2
=
biomedizinische
Forschung
an
nichteinwilligungsfähigen Personen
 ΔN3
= aktive Sterbehilfe durch Ärzte
 ΔN4
= Keimbahntherapie
 (ΔN5 = Analogie: Erlaubnis zur Folter)
5. Begründungen (G) für ΔN: Notlagen, Interessen,
Nutzen, Gemeinwohl.
6. interne Dammbruchrisiken für ΔNx: Reduzierung
der Menge der Restriktionen „R“. Allmählicher
Übergang zur unbedingten Erlaubnis.
7. externe
Dammbruchrisiken:
Menge „ΔN“.
Erweiterung
der
8. Übergang zur „permissiven Abwägungsethik“
Verhältnis von Ausnahmen von Verboten und
bedingten Erlaubnissen
Alle Normen gelten nur prima facie und haben
eine Ausnahmeklausel:
1.
F(x), es sei denn A: (a1, a2, a3,
a4……an)
2.
 F(x) gdw. ax
3.
 F(x) → P(x).
4.
P(x) gdw. ax
Es besteht eine Strukturhomologie zwischen
Norm-Ausnahme und bedingter Erlaubnis.
Mögliche Dammbrüche in der Medizin
1. Von bedingten Erlaubnissen zur völligen
Freigabe.
2. Von normativen Schranken zur Abwägung.
3. Übergang
von
Früheuthanasie,
Abtreibung
auf
Ausweitung
von
Selektionspraktiken und Infantizid.
4. Von Pränataldiagnostik auf positive Eugenik .
5. Von aktiver Sterbehilfe ohne Zustimmung auf
generelle Lockerung des Tötungsverbots.
6. Schleichender Übergang zur ökonomisch
motivierten
Rationierung
medizinischer
Dienstleistungen.
7. Beseitigung seniler und geistig retardierter
Personen (Wiederkehr der NS-Praktiken).
8. Vom Autonomie-Argument zur Rückkehr der
Lebensbewertung „von außen“.
9. Vom
Hirntodkriterium
Teilhirntodkriterium.
zum
Bioethische Probleme am Lebensbeginn
 Abtreibung
 In Vitro Fertilization
 Status von Feten und Embryonen
 In utero - ex utero
 "Erlanger Fetus"
 Neonatalogie
 Schwer(st)behinderte Neugeborene ("Fall
Singer")
 Präimplantationsdiagnostik
Kriterien der Zuschreibung der Menschenwürde oder
eines Rechts auf Leben
 Anerkennung durch Eltern oder die Gesellschaft
 Aktualer Personenstatus
 Geburt als „Zur-Welt-Kommen“
 Lebensfähigkeit ex utero
 selbständige Körperbewegungen
 Schmerzempfindlichkeit, Bewusstsein
 Nidation
 Individuierung (Ausschluss der Mehrlingsgeburt)
 Moment der Befruchtung
Drei Arten der Möglichkeit
(Reichlin 1994)
 Possibility = logische Möglichkeit
 Probability = statistische Wahrscheinlichkeit
 Potency = intrinsisches Entwicklungspotential
Zum Status menschlicher Embryonen – Das SKIP-Spektrum
(Damschen & Schönecker 2003)
Spezieszugehörigkeit
Ist
die
Spezieszugehörigkeit
hinreichend
für
die
Zuerkennung von Würde? Oder kommt nur Menschen als
Personen
(als
Vernunftwesen)
Würde
zu?
Speziesismusvorwurf (P. Singer) versus Gattungssolidarität.
Verwendung des Terminus „Mensch“ als deskriptiver Term
(„ein Exemplar von homo sapiens“) oder als wertbesetzten
Sortalbegriff („Das ist doch ein Mensch!“)?
Kontinuität
Keine willkürlichen Schnitte in einem kontinuierlichen Ablauf
der Embryonalentwicklung zum Neugeborenen machen
dürfen.
Spricht
die
Kontinuität
für
oder
gegen
die
Gradierung von „Würde“ gemäß verschiedener „Stadien“?
Was, wenn man Infantizid für erlaubt erklärt (Michael
Tooley)?
Identität
Embryo als Adressat einer moralischen Verpflichtung wie der
mit ihm „identische“ Erwachsene. Ich heute, ich gestern, ich
als
Kind,
ich
als
Embryo?
Numerische
Identität,
ontogenetische Identität, sortale Identität.
Identitätsargument
und
Kontinuitätsargument
als
eigenständige Begründung oder als notwendige Bedingung
für das Potentialitätsargument?
Potentialität
Haben Embryonen als potentielle Personen bereits Würde?
Begründungsstrategie des NIP-Arguments. Ablehnung oder
Einklammerung
Identität
(und
des
Spezies-Argumentes,
Kontinuität)
Potentialitäts-Argument
eigentliche Begründung.
(im
als
Sinne
numerische
Randbedingungen,
von
„potency“)
als
Sog. NIP-Argument
(Damschen & Schönecker 2003)
1. Jeder lebendige menschliche Körper, der Träger
potentieller ф-Eigenschaften ist (oder diese selbst
hat), hat WürdeM.
2. Jeder entwicklungsfähige menschliche Embryo ist
ein lebendiger menschlicher Körper, der Träger
potentieller ф-Eigenschaften ist (oder diese selbst
hat).
3. Also gilt: Jeder entwicklungsfähige menschliche
Embryo hat Würde.
Begründung des NIP-Argument
 Überzeugung 1: Aktual ф zu haben, ist
hinreichend für WürdeM.
 Überzeugung 2: Reversibel Komatöse (sowie
Neugeborene und Schlafende) haben WürdeM,
ohne dass sie aktual ф sind.
 Überzeugung 3: Reversibel Komatöse (sowie
Neugeborene und Schlafende) sind potentiell ф.
 These: Jeder Versuch, zwischen reversibel
Komatösen und Embryonen einen moralischen
Unterschied zu machen, wäre willkürlich.
 Ergebnis: Reversibel Komatöse (sowie
Neugeborene und Schlafende) haben WürdeM,
weil sie potentiell ф sind.
"Wenn
es
die
fortpflanzungsmedizinischen
gegenwärtigen
Möglichkeiten
erlauben, menschliches Leben außerhalb des
Mutterleibes
zu
erzeugen,
darf
dies
in
moralischer Hinsicht nicht dazu führen, dass wir
den von uns erzeugten Embryonen eine
geringere Achtung entgegenbringen als sie im
natürlichen Zeugungsvorgang gefordert ist."
Eberhard Schockenhoff 2007
Frage:
Dürfen die technischen Möglichkeiten dazu führen,
dass wir Labor-Embryonen stärker schützen?
Abtreibung: Offene Fragen
Was haben Abtreibung und Zukunftsverantwortung
miteinander zu tun? Embryonen befinden sich in
einer Zwischenstellung zwischen heutigen Kindern
und zukünftigen Generationen.
Status und Kontext: Soll der Status des Embryos je
nach Kontext (Schwangerschaft, Laborembryonen)
variieren dürfen? Soll der Kontext den Status
definieren dürfen?
Ist die rechtliche Konstruktion „straflosen Unrechts“
befriedigend?
Ist die Abschaffung der embryopathischen Indikation
im § 218 eine befriedigende Lösung?
Was soll in Fällen postmortaler Schwangerschaft
geschehen? (Fall des „Erlanger Fetus“)
Sollen
die
Krankenkassen
Abtreibungen übernehmen?
die
Kosten
für
Hintergründe der Fertilitätsmedizin
Ungewollte Schwangerschaft und ungewollte
Kinderlosigkeit
Schwangerschaft als Risiko ("guter Hoffnung sein"):
Risikoreduktion in der Geburtsmedizin
Right claiming: Das Recht, eine Familie zu gründen, das
Recht auf "reproduktive Autonomie", das Recht auf ein
(gesundes) Kind
Aspekte des "Kinderwunsches": das richtige Kind zur
richtigen Zeit
Der "rechte Zeitpunkt" für das/die Kind(er) oder:
"Baby-Pause" und die "Vereinbarkeiten"
Adoption als Alternative oder das "eigene" Kind
Infertilitätsgründe bei Männern und Frauen
"ärztliches Ethos": Heilen und Helfen
Technische Optionen: Hormontherapie, IVF,
Kryokonservierung von Sperma und Ovarien, Pränatalund Präimplantationsdiagnostik, Geschlechtswahl usw.
Kinderwunsch, ärztliches Ethos und technische
Optionen vs. "Grenzen"
Ziele der Präimplantationsdiagnostik
Haker 2002
 Negative Selektion von Embryonen mit einer
schlechten Entwicklungschance
 Steigerung der Erfolgschance bei assistierter
Fortpflanzung durch positive Selektion;
Reduzierung von frühen Spontanaborten
 Geschlechtsselektion im Falle von
geschlechtsbezogenen Krankheiten oder zur
Geschlechtswahl
 Sog. medizinische Selektion eines Embryo
z.B. als Spender von Zellen und Gewebe
 Verhinderung späterer
Schwangerschaftsabbrüche; Vermeidung
eines größeren Übels
 Hilfe für Paare mit kranken oder behinderten
Kindern
Handlungsmöglichkeiten
1. Befruchtung in utero – PND – Feststellung
einer
Behinderung
des
Embryo
–
Entscheidung pro oder contra Austragung –
Abortus
(via
medizinisch-psychologische
Indikation) oder (wahrscheinliche) Geburt
des Kindes
2. IVF – Implantation eines oder mehrerer
Embryonen – PND – Entscheidung – wie 1.
3. IVF – PID – Entscheidung pro oder contra
Implantation – Implantation oder Verwerfung
– (wahrscheinliche) Geburt
Aus welchem Grund soll Möglichkeit 2
moralisch gegenüber Möglichkeit 3
vorzugswürdig sein?
Probleme der assistierten Fortpflanzung
 Gesundheitliche Belastung durch
Hormonstimulation
 "Risiko" von Mehrlingsschwangerschaften

Ethische Probleme der Präimplantationsdiagnostik
 Selektion
 Verbrauch von totipotenten Embryonalzellen
(Verbot gemäß EmbSchG)
 Genetische Diskriminierung?
 "Türöffner" für verbrauchende
Embryonenforschung (Dammbruch?)
 Folgeprobleme bedingter Erlaubnis:
Indikation, Qualitätskontrolle, Beratung etc.
 Enge Indikation ("hohes Risiko für eine
schwerwiegende genetisch bedingte
Erkrankung") auf Dauer durchzuhalten?
 Recht auf "Wunschkinder"?
Stadien der Behandlung von Spina Bifida
1. keine Behandlungsmöglichkeiten (vor 1950)
2. verbesserte Operationsmöglichkeiten
3. sofortige operative Schließung des Rückens
bei allen Spina Bifida Neugeborenen (Praxis
der sog. Sheffield-Schule 1963-1978)
4. Selektion nach Auswahlkriterien:

Größe
und
Sitz
der
Öffnung
der
Wirbelsäule

Schwere Lähmung

Verformung der Wirbelsäule

Ausgeprägter Hydrozephalus

Hirnschädigungen
5. Wenn O, dann K(1); wenn S, dann K(2).
6. Element von K(2): seligierte, d.h. nicht
behandelte Kinder sollen sterben.
7. Folgeproblem: sterben lassen oder töten?
(sog. Lorber/Harris-Debatte)
„Es ist nicht vornehmlichstes Ziel der Auswahl,
diejenigen unbehandelt zu lassen, die auch mit
Behandlung bald sterben, sondern diejenigen nicht zu
behandeln, auf die ein Leben mit schweren
Behinderungen wartet.“
John Lorber
Optionen nach der Entscheidung für die
Selektionspraxis, die unbehandelten Kinder
betreffend
 Unbehandelten Kindern weiterhin beim Leben
helfen (therapeutische Maßnahmen). Einwand:
Inkonsequenz!
 Unbehandelte Kinder sterben lassen bzw. „der
Natur
ihren
Lauf
Versorgung).
lassen“
Einwand:
(mit
pflegerischer
Dauer
des
Sterbeprozesses!
 Unbehandelten Kindern beim Sterben aktiv helfen
(Sedierung durch Pharmaka). Einwand: Schritt zur
Euthanasie.
 Unbehandelte Kinder aktiv töten (Euthanasie).
Einwand: Mit dem ärztlichen Ethos und der
allgemeinen Moral unvereinbar. Dammbruch in
Richtung auf Infantizid.
Grundzüge der Lorber-Harris-Debatte
 Lorber: Verrohung droht! – Harris: Trifft
psychologisch nicht zu.
 Lorber:
Nazi-Euthanasie!
-
Harris:
Schreckgespenst!
 Lorber: Kein „informed consent“ – Harris: IC
hat man bei Behandlung oder Entscheidung
zur Nichtbehandlung auch nicht eingeholt.
 Lorber:
Tötungsverbot
im
medizinischen
Ethos! - Harris: Neudefinierung der Arztrolle
ist zulässig.
 Lorber: Tötungspraxis ist rechtlich untersagt!
Harris: Rechtliches Verbot sagt nichts über
moralische Richtigkeit und Falschheit.
 Lorber: Argument der „letzten Tür“ - Harris:
Das
Argument
trifft
Sedierungspraxis zu.
faktisch
auch
auf
Ethische Probleme der Organtransplantation
 Mangel(diskurs)
 Wartelisten und Kriterien
 Kompatibilität
 Dringlichkeit
 Alter
 Lebensstil
 Familienstand
 Organspende bzw. -gabe ("donorship")
 Organe Verstorbener (Hirntodproblematik)
 Tierische Organe (Xenotransplantation)
 Organe Lebender
 Ansprüche auf den Körper der anderen
(Düwell 2009)?
Mögliche rechtliche Lösungen der OrganspendeProblematik bei Verstorbenen (Deutschland)
 enge Zustimmungslösung: Organentnahme ist ohne
ausdrückliche
Zustimmung
des
Betroffenen
verboten. (Organspenderausweis)
 weite Zustimmungslösung: Organentnahme ist bei
Einwilligung der engsten Angehörigen erlaubt. Die
Einwilligung wird im Kontext der Klinik eingeholt.
(Problem der Situation, Hirntodproblematik)
 weite Widerspruchslösung: Organentnahme ist
erlaubt, es sei denn, der Betroffene selbst hat
ausdrücklich widersprochen.
 enge
Widerspruchslösung:
Organentnahme
ist
erlaubt, es sei denn, der Betroffene selbst oder die
engsten
Angehörigen
widersprochen
haben
ausdrücklich
Organhandel
(Sheper-Hughes 2009)
 Organe als Eigentum und Waren
 Entnahme der Organe Verstorbener
 Anreize für Lebende
 Globaler Organmarkt
 Organmarkt als "micro-financing"?
 Indien: Der große Organbasar
 China: Der verstaatlichte Körper
 Brasilien: Agieren in Grauzonen
 Südafrika: Körper der Apartheid
Vorschlag des Nationalen Ethikrates zur
Organspende (2007)
 Ethisches Gebot, Mangel an Spenderorganen zu lindern
 1) Medizinisches Ethos des Heilens und Helfens
 2) Individuelle Beistandspflicht, Solidarität
 Annahme: Hohe passive Bereitschaft zur Organspende
 Ablehnung der Kommerzialisierung
 Ablehnung einer Sozialpflichtigkeit der Organspende
 Wahrung der Pietätspflichten gegenüber Toten
 Wahrung des "informed consent"-Prinzips
 Vorschlag: Staatliche Verpflichtung, die Bürger zu einer
Erklärung
zur
Organspende
aufzufordern
("Erklärungspflicht") mit Widerspruchslösung
 "Angesichts des legitimen Ziels (….) ist es jedoch legitim,
wenn der Gesetzgeber das (…) unschlüssige Verhalten als
Hintanstellen von Bedenken gegen die Organspende
wertet." (S. 41)
Bioethische Problemfelder der Xenotransplantation
 Medizinisches
Problem:
Abstoßungsreaktionen,
dauerhafte Immunsuppression
 Technische
Probleme:
Passung
und
Funktionsfähigkeit der Organe, Lebensdauer von
Xenotransplaten
gegenüber
Allotransplantaten,
Problem der Mehrfachoperation bei "Überbrückung".
 Hohes letales Risiko bei den Heilversuchen
 Lebensqualität der Patienten und das Problem der
Verhaltenseinschränkung Quarantäne. Ist das Ziel
einer Verbesserung der Lebensqualität erreichbar?
 Tierethische
Problematik:
Tierversuche,
Erzeugung von transgenen Tieren
 Risiken:
Übertragung
von
Krankheitserregern,
Bakterien, porcine endogene Retroviren, hohes Maß
an Ungewissheit
Immunologische Reaktionen bei XT
 Hyperakute Abstoßung nach wenigen Minuten
 Verzögerte (akut vaskuläre) Abstoßung nach
Stunden/Tagen
 Akute zelluläre Abstoßung nach Tagen/Wochen
 Chronische Abstoßung nach Jahren.
Patientenmonitoring bei XT
 "Contract" versus "consent
 Regelmäßige Überwachung
 Gebrauch von Verhütungsmitteln
 Verzicht auf Schwangerschaft
 Identifikation von Kontaktpersonen
 Verzicht auf Blutspende
 Einwilligung in Autopsie im Todesfall
 Evt. Einschränkungen in der Berufswahl
 Bekanntgabe von Wohnortwechsel
Infektionsrisiken ("Xenozoonosen")
 Verstärkte Immunsuppression
 Übertragung bekannter tierischer Erreger
 Übertragung unbekannter tierischer Erreger
 Entstehung neuer Erreger im
Empfängerorganismus
 Übertragung von Erregern auf andere
Personen
Einschätzung des Risikos von endogenen porcinen
Retroviren anhand von "Hürden"
1. Infektiöse endogene Retroviren müssen existieren.
2. Endogene Retroviren müssen in den jeweiligen
Schweinerassen vorkommen.
3. Sie müssen expirimiert werden.
4. Sie müssen den XT-Patienten infizieren können
(Infektionen menschlicher Zellen durch PERV in
vitro nachgewiesen, nicht in vivo. Offene Fragen.
Analogie AIDS, BSE zur Plausibilisierung.
5. Sie müssen sich im XT-Patienten verbreiten
können.
6. Die Infektion muß zur Erkrankung führen.
7. Übertragung auf andere Menschen muß stattfinden
können.
Ethische Probleme am Lebensende
1. Kultureller Hintergrund (P. Ariés:
"Geschichte des Todes im Abendland")
2. Die Patientenmorde der
Nationalsozialisten (sog. "Aktion T")
3. Orte des Sterbens
4. Terminologie
5. Moralische Probleme der passiven und
der aktiven Sterbehilfe
6. Die Empfehlungen des Nationalen EthikRates
7. Fazit: "Humanes" Sterben ?
Zur Selbstbestimmung und damit zur Würde
des Menschen gehört es, auch in seinem
Lebensende und einer Situation der Hilflosigkeit
nicht einfach zum Objekt des Handelns anderer
zu werden.“
Marcus Düwell 1996
Anforderungen an Todeskonzepte
1. Wer ist Subjekt des Todes?
2. Welcher Begriff des Todes wird zugrunde
gelegt?
3. Welche Sachverhalte gelten als Kriterien, die
den Eintritt des Todes markieren?
4. Welche
Test-Verfahren
und
kommen zur Anwendung?
Drei Todeskonzepte
1. Traditionelles Konzept
2. Hirntodkonzept
3. Teilhirntodkonzept
Indikatoren
Stebehilfe
Ein Akt der Euthanasie muss zugunsten dessen
ausgeführt werden, der aufgrund dieses Aktes
sterben wird. (P. Foot)
Kann der Tod ein gutes und glückliches
Ereignis für den/diejenige sein, der/die stirbt?
Ist das Leben an sich oder nur das Leben einer
bestimmten Qualität ein Gut?
Können einzelne Akte aktiver Sterbehilfe an
sich ethisch erlaubt oder geboten sein?
Ist eine "liberale" Praxis aktiver Sterbehilfe
aufgrund ihrer möglichen Gefahren ethisch
wünschenswert?
Gründe für die mögliche Zulässigkeit aktiver
Sterbehilfe
1. Mitleid mit den Qualen nicht urteilsfähiger
Personen (Mitleids-Argument, sog. „mercy
killing“).
2. Empfindungsunfähigkeit
der
betreffenden
Personen über einen längeren Zeitraum
hinweg ohne bzw. bei sehr geringer Aussicht
der
Reversibilität
dieses
Zustandes
(Argument des „permanent-vegetative-state“).
3. Analogie der Beihilfe zum Suizid.
4. Respekt vor dem ausdrücklichen Willen eines
schwer Leidenden oder eines Sterbenden
(Autonomie-Argument).
„
„Rather than starting out from the assumption
that voluntary active euthanasia is wrong in
itself, they (opponents -ko) concede (...) that
voluntary active euthanasia is not intrinsically
wrong. But it is then argued that there are
empirical facts that makes it likely that if society
allows voluntary active euthanasia then it will go
on to allow euthanasia in cases were it is
intrinsically wrong - such as the involuntary
killing of the senile, and of deformed or mentally
defective infants“ (Tooley, 1995, S. 312f.).
Tötungsverbot (a fortiori) im ärztlichen
Ethos
Suizid (aktive Selbsttötung)
Beihilfe zum Suizid
Ärztliche Beihilfe zum Suizid
Tötung auf Verlangen
Tötung auf Verlangen durch Ärzte
„mercy killing“
Definitionen zur Suizid-Problematik
(Paterson 2003)
„Suicide means an act or omission whose proximate
effect results in the person’s own bodily death,
voluntarily and knowingly undertaken, with the
intended objective (…) that one’s own bodily life be
to terminated.“
„Assisted suicide means an act or omission by a
person, voluntarily and knowingly undertaken, whose
intent is to furnish a potential suicide with the lethal
means necessary to commit suicide.”
“Voluntary
euthanasia
is
an
act
or
omission
voluntarily and knowingly performed by a third party,
whose intended proximate effect is the suicide’s
bodily death, undertaken with the motive of relieving
acute pain and/or suffering, and expressly consented
to by the suicide.”
Begründung von aktiver Sterbehilfe bei
Sterbenden ohne deren Zustimmung in den
Niederlanden
 starke Schmerzen
 niedrige Lebensqualität
 keine Aussicht auf Besserung
 nur geringer Verlust an Lebenszeit (Tage)
 weil der Tod „nicht länger hinausgezögert werden
sollte“
 weil die Angehörigen das Leiden nicht mehr mit
ansehen konnten.
Kriterien für die Erlaubnis aktiver Sterbehilfe
Peter Singer (1994)
1. Sterbehilfe wird von einem Arzt geleistet.
2. Der Patient hat über einen längeren Zeitraum
hinweg
mehrfach
ausdrücklich
und
unmissverständlich um Sterbehilfe nachgesucht.
Das Adjektiv „ausdrücklich“ ist dabei anhand
folgender
ernsthaft,
Kriterien
bei
Konsequenzen,
zu
definieren:
vollem
ohne
mehrfach,
Bewusstsein
Anzeichen
der
starker
Depressionen.
3. Die
Entscheidung
beruht
auf
gründlicher
Information.
4. Der Patient ist in einem unrettbaren Zustand
(terminale Erkrankung), der für ihn unerträglich ist
(oder zu werden droht).
5. Vom Standpunkt des Patienten aus ist keine
vernünftige Alternative verfügbar, schweres Leiden
zu lindern.
6. Der
Arzt
hat
einen
unabhängigen
hinzugezogen, der seinem Urteil zustimmt.
Kollegen
Beim Bestehen einer tödlichen Krankheit dürfen (oder dürfen
nicht)
1)
alle oder bestimmte Maßnahmen erst im
Sterbeprozeß unterlassen werden,
2)
nur
deren
tödliche
Hauptsymptome
unbehandelt bleiben (bspw. Metastasen),
3)
auch
deren
unspezifische
Nebenerscheinungen unbehandelt bleiben
(bspw. sekundäre Auszehrung)
4)
auch
zusätzliche
unbehandelt
Komplikationen
bleiben
(bspw.
Lungenentzündung)
5)
bestimmte Maßnahmen niemals unterlassen
werden (bspw. pflegerische Maßnahmen,
Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr)
6)
einmal begonnene Maßnahmen nicht untätig
abgebrochen werden.
Schöne-Seifert, 1996
Gehen von einzelnen Akten bzw. einer
geduldeten Praxis bzw. einer Legalisierung
der aktiven Sterbehilfe Gefahren aus, die
von passiver Sterbehilfe nicht ausgehen?
Mögliche Gefahren
1. Veränderungen im Selbstverständnis des
ärztlichen Standes
2. schwindendes Vertrauen zwischen
Patienten und Ärzten
3. Missbrauchsrisiken
4. allmähliche Ausweitung von
Tötungshandlungen (Dammbruch)
Dieter Birnbacher 1996
Medizin als soziales System
1. allgemeine Systemtheorie der Gesellschaft (N.
Luhmann), Geld als "sekundärer Code"
2. Sphären der Gerechtigkeit (M. Walzer)
3. Vom Arzt-Honorar zur Kranken-Versicherung
4. Ebenen der Allokation
 Makro-Allokation
 Meso-Allokation
 Mikro-Allokation
5. Idealtypus A: Solidarsystem
6. Idealtypus B: Marktsystem
7. "Back to the real world": Reformen im
Gesundheitswesen
Institutionen des modernen Gesundheitswesens
 Praxen und Kliniken
 Biomedizinische Forschung und Ausbildung
 Ärztekammern und -verbände ("Stand")
 Krankenversicherungssysteme
 Gesundheitspolitik
 Gesundheitsindustrie
Idealtypus A: Solidarsystem
 Alle Personen mit Einkommen zahlen einen bestimmten
Prozentsatz in das Gesundheitssystem ein (Details: alle
Einkommensarten? Staffelungen?)
 Es wird eine umfängliche Grundversorgung für alle
gewährleistet (Details: Abgrenzungen zur Kosmetik,
Prävention, Naturheilkunde usw.)
 Alle Bürgerinnen werden vom Gesundheitssystem gleich
behandelt (Details: Asylbewerber, Kriegsflüchtlingen,
Touristen).
 Die Spreizung bei den Einkünften der Mediziner ist
gering (Ärzte als "Stand"); die Rollen und die Einkünfte
der Allgemeinmediziner, des Pflegepersonals, der
häuslichen PflegerInnen usw. werden aufgewertet.
 Makroallokation: Verschiebung zur "Prävention ohne
Prohibition"
 Die Arzt-Patienten-Beziehung wird als dialogische
Konsultation aufgefasst.
 Reduktion der Kosten am Lebensende durch
Unterlassungen.
 Verkürzung der Patentlaufzeiten für Medikamente,
Verbot des "evergreening"
Probleme eines Solidarsystems
 Kostensteigerungen
 "Free Rider"-Problem
 "Fremdkörper"-Problem
 Demographischer Wandel
 Monopol-Problem
 Mikro-Allokation
Idealtypus B
 Individuelle Präferenzen nach medizinischen
Dienstleistungen
 Gegebene Ausgangsverteilung
 Versicherung als Angebot und Nachfrage
 Kein Kontraktionszwang
 Unterschiedliche Anbieter, hohe Suchkosten
 Differenzierung der Leistungen
 Viele private Zuzahlungen,
Zusatzversicherungen
 Anreize für Versicherte zur Organspende u.
dergl.
 "high-end-"Systeme mit umfassender
Versorgung
 "informed consent" als Vertragsbeziehung
 Ärzte als Dienstleister
Ergänzungen zur Vorlesung:
(Für Klausur nicht relevant!)
Patente auf/am Leben?
Methode des „advocatus diaboli“
1. Patent als Institution: Zeitweiliges Recht auf
Nutzungsausschluss.
2. Keine Erlaubnis, kein Eigentum, Öffentlichkeit
3. Bedingungen der Patentwürdigkeit: Neuheit,
erfinderischen Tätigkeit, Anwendbarkeit.
4. Ausnahmen:Theorien, Heilverfahren, Verstoss
gegen „Moral“, Tierarten und Pflanzensorten.
5. Entdecken und Erfinden: Isolation von Genen
in ihrer Funktion als „erfinderische“ Tätigkeit.
6. Gene als biochemische Makromoleküle, d.h.
als chemische Verbindungen.
7. Prinzip des chemischen Stoffschutzes: Alle
zukünftigen Anwendungen sind patentiert.
8. Anwendung des Prinzips des „absoluten“
chemischen Stoffschutzes auf Gene.
9. Umsetzung der EU Richtlinie 98/44 EG
Forderungen der Kritiker
1. Beendigung der „Überbelohnung“
2. Angabe der Herkunft des Materials
3. Anerkennung traditionellen Wissens als Eigentum
4. Differenzierung des Stoffschutzprinzips
On Biofacts
Konrad Ott
1. Songlines of bioethical reasoning
2. Norms and values in bioethics
3. Moral statusses of non-persons
4. Possibility, probability, potency
5. Brave new entities: bio-facts
6. Reflections about biofacts
7. Final remarks
Imitation:
plastic trees, dead stuffed animals
Automation:
mechanic toys, animal robots, Tamagoshi
Simulation:
artifical life
Fusion:
living beings (metabolism) combined from
living material (cells) and „deep“
technological interference
Claim: Only fusion constitutes „bio-facts“.
(Nicole Karafyllis 2005)
Types of biofacts
 GMO (microorganisms, plants, animals)
 GM-animals designed for xenotransplantation
 Synthetic bacteria
 Man-animal-hybrids
 Stem cell embryos
Scenario
IV-Embryo
↓
Stem cell line
↓
Single stem cells
↓
↓
Egg cell
Sperm
IVF
↓
„artifical“ embryo:
being human, being alive, being a product of biotechnology
How to baptize homunculus?
Final remarks
Type-1: „well identified“ entities → moral status
(contested demarcation problem)
Type-2: biofacts → moral status
Claims:
If the type-1-relation ist essentially contested in ethics, type-2relation will be contested a fortiori.
If so, biofacts are a new challenge in the search for moral
borderlines.
If we (who is „we“?) won’t find a new approach, a new
emerging cluster of transhumanism, biofact-engineering,
human enhancement, and converging technologies (nano, info,
neuro, genetic) will win the game.
HIV, AIDS und Ethik
Unschuld 2000
 Entstehung und Geschichte von HIV/AIDS
 Die Angst vor einer Pandemie
 Infektionswege
 Anzahl infizierter Personen in unterschiedlichen
Weltregionen
 Therapiemöglichkeiten
 Ethische Aspekte
Competing Hypotheses on the Origins of HIV/AIDS
Closeness between SIM and HIV virus
1. Oral Polio Vaccine (OPV) Hypothesis
2. "Escape from Laboratory"-Hypothesis
3. "Bushmeat"-Hypothesis
Bushmeat hypothesis as default option.
Pro and Con OPV-Hypothesis
(Martin 2007)
A. Initial Support of OPV-Hypothesis
1. First mass polio vaccine campaign in Africa 1957-1960
2. Coincidence between vacation locations and earliest
known cases of HIV
3. Polio vaccines have been cultivated on monkey kidneys:
a route for SIM contamination
4. Precedent: Another simian virus contaminated polio
vaccines
B. Reasons against OPV- Hypothesis
1. The case of David Carr in 1959
2. "Molecular clock" calculations
3. No evidence that chimp kidneys were used to produce
vaccines by the Wistar Institute
4. Impossibility to produce vaccines in Stanleyville at that
time"
C. Refinement of the OPV-Hypothesis
1. Vaccines, initially produced at the Wistar Insttute might
have been "prepared"/"amplified" in Stanleyville
2. Contested Testimony
3. Criteria to Judge Contested Testimony
Result?
HIV-Infektionswege
 homosexuelle Kontakte bei Männern (50%)
 Drogengebrauch (14%)
 heterosexuelle Kontakte (17%)
 Personen aus außereuropäischen Pandemiegebieten
(18%)
 Muter-Kind-Übertragung (< 1%)
 Infektion von Hämophiliekranken durch
Blutkonserven (< 1%)
Anzahl HIV-infizierter Personen
(Schätzwerte mit hoher Unsicherheit 2006)
Nordamerika: 1,4 Mio
Karibik: 250.000
Lateinamerika: 1,7 Mio
Mittel- und Südeuropa: 740.000
Osteuropa und Zentralasien: 1,7 Mio
Ostasien: 750.000
Südostasien: 7,8 Mio
Nordafrika: 460.000
Übriges Afrika: 25 Mio
Ethische Aspekte der HIV-Infektion
 Religiöse Deutungen: "Gottes Strafe" für
Homosexuelle, Prostituierte und Drogensüchtige
 Der Ausdruck "risk group"
 "Quarantäne"-Lösungen
 Diskriminierungsverbot
 Freiheit der Betroffenen vs. Schutz der Gesunden
 Gefährdung von Ärzten und Pflegern
 Verbreitung in der "Normalbevölkerung"
verhindern
 "Safe Sex" und erfreuliche Nebenwirkungen
(Rückgang von Hepatitis B-Infektionen)
 Massenscreening, Zwangstest, bspw. für
Asylbewerber und Immigranten aus
Risikogebieten?
 HIV-Infektion und Kinderwunsch
 Die "neue Lust am Risiko" (Dannecker)
 "Zweiteilung der Welt"
 Zugang zu Medikamenten und Patentschutz auf
antiretrovirale Arzneimittel
HIV und ethische Fragen
I. Besonderheiten der HIV-Problematik
 „virus and behavior“
 „moralisierbare“ (Hoch-)Risiko-Gruppen
 Risiko-Minimierung und staatliches Handeln
 Repression und Diskriminierung ?!
 HIV → AIDS
 Therapiefortschritt und Verhalten
II. Fallstudien
 Verantwortung für den Schutz der Gesunden
 Doppelblindversuche (Methode und Moral)
 Neue „Lust am Risiko“ („barebacking“) ?
 Krankenversicherung
 AIDS in der 3. Welt
 Forschungsstrategien (Vakzine?)
Forschung an nicht einwilligungsfähigen Personen
Chapter V – Scientific research
Article 15 – General rule
Scientific research in the field of biology and medicine
shall be carried out freely, subject to the provisions of
this Convention and the other legal provisions ensuring
the protection of the human being.
Article 16 – Protection of persons undergoing research
Research on a person may only be undertaken if all the
following conditions are met:
ii. there is no alternative of comparable effectiveness to
research on humans;
iii. the risks which may be incurred by that person are
not disproportionate to the potential benefits of the
research;
iv. the research project has been approved by the
competent body after independent examination of its
scientific merit, including assessment of the
importance of the aim of the research, and
multidisciplinary review of its ethical acceptability;
v. the persons undergoing research have been informed
of their rights and the safeguards prescribed by law
for their protection;
vi. the necessary consent as provided for under Article
5 has been given expressly, specifically and is
documented. Such consent may be freely withdrawn
at any time.
Article 17 – Protection of persons not able to consent to
research
1. Research on a person without the capacity to consent
as stipulated in Article 5 may be undertaken only if
all the following conditions are met:
i. the conditions laid down in Article 16, subparagraphs i to iv, are fulfilled;
ii. the results of the research have the potential to
produce real and direct benefit to his or her
health;
iii. research of comparable effectiveness cannot be
carried out on individuals capable of giving
consent;
iv. the necessary authorisation provided for under
Article 6 has been given specifically and in
writing; and
v. the person concerned does not object.
2. Exceptionally and under the protective conditions
prescribed by law, where the research has not the
potential to produce results of direct benefit to the
health of the person concerned, such research may
be authorised subject to the conditions laid down in
paragraph 1, sub-paragraphs i, iii, iv and v above,
and to the following additional conditions:
i. the research has the aim of contributing,
through significant improvement in the
scientific understanding of the individual's
condition, disease or disorder, to the ultimate
attainment of results capable of conferring
benefit to the person concerned or to other
persons in the same age category or afflicted
with the same disease or disorder or having the
same condition;
ii. the research entails only minimal risk and
minimal burden for the individual concerned.
Convention on Human Rights and Biomedicine
Article 16
Research on a person may only be undertaken if all the
following conditions are met:
1. there is no alternative of comparable effectiveness to
research on humans;
2. the risks which may be incurred by that person are not
disproportionate to the potential benefits of the research;
3. the research project has been approved by the competent
body after independent examination (...);
4. the necessary consent as provided under Article 5 has been
given expressly, specifically and is documented. Such
consent may be freely withdrawn at any time.
Article 17
1. Research on a person without the capacity to consent as
stipulated in Article 5 may be undertaken only if all the following
conditions are met
1. the conditions laid down in Article 16, sub-paragraph 1. to 4.
are fulfilled;
2. the results of the research have the potential to produce real
and direct benefit to his or her health;
3. research of comparable effectiveness cannot be carried out
on individuals capable of giving consent;
4. the necessary authorisation provided for under Article 6 has
been given specifically and in writing, and
5. the person concerned does not object.
2. Exceptionally, and under the protective conditions prescribed
by law, where the research has not the potential to produce
results of direct benefit to the health of the person concerned,
such research may be authorised subject to the conditions laid
down in paragraph 1, sub-paragraphs 1, 3, 4 and 5 above, and
to the following additional conditions
1. the research has the aim of contributing, through significant
improvement in the scientific understanding of the individual’s
condition, disease or disorder, to the ultimate attainment of
results capable of conferring benefit to the person concerned
or to other persons in the same age category or afflicted with
the same disease or disorder or having the same condition;
2. the research entails only minimal risk and minimal burden for
the individual concerned.
Problem der Gruppenbildung
“…to the ultimate attainment of results
capable of conferring benefit (…) to other
persons in the same age category or
afflicted with the same disease or disorder
or having the same condition.
Fremdnützige
Forschung
nichteinwilligungsfähigen
an
Person
einer
X
ist
zulässig gdw. „benefit“ für Personengruppe
A v D v O v C möglich ist.
Gefahr: Ausweitung der Erlaubnisse.
Das kategorische Argument gegen Forschung
an nichteinwilligungsfähigen Patienten
1.
"Informed consent" ist eine notwendige
Legitimationsbedingung für die Durchführung
von Humanexperimenten (Nürnberg-Code).
2.
Nichteinwilligungsfähige Patienten können
nicht informiert zustimmen.
3. Die Legitimationsbedingung kann nicht erfüllt
werden.
4.
Also dürfen an nichteinwilligungsfähigen
Patienten
keine
Humanexperimente
durchgeführt werden.
5.
"Punktum!" oder "Es sei denn…": Problem
der Ausnahmeklausel.
Alternative:
Übergang zur bedingten Erlaubnis mit
Dammbruchrisiko
Heilbehandlung: a) einwilligungsfähig, b) nichteinwilligungsfähig
Heilversuch:
a)
einwilligungsfähig,
b)
nicht-
einwilligungsfähig
Humanexperiment: a) einwilligungsfähig, b) nichteinwilligungsfähig
Tierversuche: nur: nicht-einwilligungsfähig
GLIEDERUNG
A. Geschichte der Medizin- und Bioethik
I.
Antike
1. Eid des Hippokrates
2. Die Idee der „eupragie“ bzw. „eupraxia“
3. „cura sui“
 Diätetik
 Hygiene
 Sexualität
4. Platonisch-christliches Leibschema (KörperSeele)
II. Neuzeit und Moderne
1. Ausbildung des ärztlichen Standesethos
a) Behandlung der Armen
b) „Ob man vor der Pest fliehen darf?“ (Luther)
c) Forschung an Gefangenen
d) Wahrheitsbindung und "gnädige Lüge"
e) Kampf gegen „Quacksalber“
f) Militärmedizin und das „Triage“-Problem
g) Lebensbewertung „von außen“
h) Selbstversuche
i) Sozialmedizin bzw. Sozialhygiene
j) Einwilligungsproblematik
2. Konzepte, Leitbilder, Paradigmata, , „framings“
a) Sozialdarwinismus
b) Humangenetik
c) Rassenhygiene
d) NS-Medizin
 Rassenlehre
 Gesundheit des „Volkskörpers“
 Gesundheit als politische Pflicht
 Körperkult, Ernährungslehre, Sexualpolitik
 Abhärtung, Ertüchtigung, Selektion
 Reform der Psychiatrie
 Vernichtung „lebensunwerten“ Lebens
 Forschung an Gefangenen
e) Die Nürnberger Ärzteprozesse und der
Nürnberger Code
B. Wissenschaftsphilosophie der Medizin und der
„life sciences“
I.
Gesundheit und Krankheit
1. Krankheits- und Gesundheitsvorstellungen
2. Gesundheitsvorstellungen
a) WHO-Definition
b) „Leben im Schweigen der Organe“
c) Nietzsche und die „große Gesundheit“
d) Das Konzept der Salutogenese
3. Heutige Konzeptionen von Krankheit und
Gesundheit
a) lebensweltlich
b) traditionell
c) genetisch orientiert („individualized
medicine“)
d) „alternativ“
e) konstruktivistisch
4. B. Gerts "malady"-Konzept
5. Sprachspiel und Diskurs
II. Medizin als Heilkunde – eine
Präsuppositionsanalyse
1. Das Grundschema
a) Anamnese, Ätiologie (Geschichten und
Ursachen)
 Äußerliche Ursachen (Krankheit als
Widerfahrnis)
 Intrinsische Ursachen (Lebensstile)
 Genetische Dispositionen
b) Diagnose (nosologische Entitäten und ihre
Klassifikation)
 Normierungen
 Alte und neue Krankheiten
 Fallstudien:
i) ADS
ii)
Metabolisches Syndrom
iii) Multi-Chemikalien-Sensitivität
(MCS)
c) Prädiktiv-probabilistische Diagnosen
d) Therapieoptionen (Entscheidung, Risiko,
Beratung)
2. Ärzte und Patienten – ein moralische
Beziehung
a) Die Rolle des Arztes (Idee eines „guten“
Arztes)
b) Die Rolle des Patienten (Idee des
„mündigen“ Patienten)
c) Situationsschemata
d) Gegenseitige Erwartungen
e) Rechte und Pflichten
f) Aktualität der Idee von „eupraxia“
3. Paradigmata der Medizinethik
a) Paternalismus
 Hippokratische Tradition
 „im besten Interesse des Patienten“
 Problem des Patientenwillens
 Problem der Pluralität der
Lebensentwürfe
 Problem der Vielzahl der
Therapieoptionen
 Beratung
b) Patientenautonomie
 Einwilligung
 „informed consent“
 Problem nicht-einwilligungsfähiger
Personen
 Problem seltener Therapierisiken
 Problem „irrationaler“ Entscheidungen
 Problem des Kontraktualismus
 Patienten und Probanden ( 4)
c) Vermittlung von Fürsorge und Freiheit
 Der Ansatz von Beauchamp & Childress
 „Soft paternalism“
 Dialogisch-konsultarische Ansätze
 Anerkennung von Grenzen
4. Medizinische Forschung
a) Das Grundschema
 Etablierte Heilverfahren
 Forschung an Tieren
 Heilversuche an Menschen
 Humanexperimente
b) Patienten und/oder Probanden
c) Aufklärung und Einwilligung
d) Die Rolle der Ethikkommissionen
e) Forschungsziele und ihre Beurteilung
 Projekte
 Programme
 Paradigmata
 Technologien (Biobanken)
f) Forschungs-Kontexte
 Gesundheitsindustrie
 Bewertung von Forschungsleistungen
 Karrieren
g) Moralische Grenzen der Forschung?
 Fallbeispiele: Stammzellenforschung,
Keimbahntherapie, „human cloning“
 Warum Grenzen, welche Grenzen,
welche Gründe?
 Bioethik als Legitimationswissenschaft?
C. Bioethik
I. Grundunterscheidungen und Argumentationsschemata
1. Schema bioethischer Konfliktlinie
2. Grundkonzeptionen der Bioethik
3. Moral, Kulturen und gutes Leben
4. Kategorische und konsequentialistische
Argumente
5. „Slippery-slope“-Argumente
6. Risiken, Bedenken und Besorgnisse
7. Handlungs- und Verantwortungskonzepte
III. Themenfelder der Bioethik
„Klassische“ Themen
1. Der Beginn des Lebens
a) Status von Feten und Embryonen
 § 218 und seine Novellierungen
 Status von Labor-Embryonen
b) PND, IVF, PID
c) Neonatalogie
d) Schwer(st)behinderte Neugeborene
 Der „Fall“ Peter Singer
 Beispiel Spina Bifida
2. Das Ende des Lebens
a) P.Aries „Der Tod im Abendland“
b) Altern, Sterben und demographischer
Wandel
c) Pflege-Stufen
d) Sterbehilfe („Euthanasie“)
e) Todeskriterium
f) Verwertung von Organen
g) Medizin und Pietät
3. Infektionskrankheiten
a) Das Musterbeispiel HIV/AIDS
4. Transplantationsmedizin
a) Organ-Gewinnung
b) Xenotransplantation
Neuartige Themen
1. „human cloning“
2. Informationssysteme, Biobanken
3. Biofakte
4. (Neuro)Enhancement
5. Converging Technologies
Exkurs: Bioethische Politikberatung. Das Beispiel des
Nationalen Ethikrates
D. Politische Ökonomie der „life sciences“
1. Theorien der Gerechtigkeit
a) John Rawls und der Schleier der Unwissenheit
b) Michael Walzer und die Sphären der
Gerechtigkeit
c) Teilhaberechte und ihre Interpretation
d) Gleichheit und Gerechtigkeit
e) Gesellschaftlicher Reichtum und
Gesundheitspolitik
2. Gesundheits-Ökonomie
a) Axiome ökonomischen Denkens
b) Rechte, Ansprüche und Kosten
c) Wieviel ist Gesundheit wert?
d) Mikro-Ebene: Arztkosten
e) Meso-Ebene: Praxis und Klinik als Betriebe
f) Makro-Ebene: Gesundheitssystem
g) Geld als „sekundärer Code“ und „dominantes
Gut“
3. Gesundheits-Systeme
a) Gerechtigkeitsvorstellungen
b) Kriterien einer vergleichenden Bewertung
c) Rationierung medizinischer Dienstleistungen
d) Was wird und was soll „übernommen“
werden?
e) Versorgung und Vertrag
f) Demographischer Wandel
g) Nord und Süd
4. Gesundheitsindustrie und Bioethik
Ausblick und (viele) offene Fragen
Herunterladen