Schatten des Zweiten Weltkriegs Auszüge aus dem Eizenstat-Bericht Die «Präliminarstudie» über die «USA- und alliierten Bemühungen zur Wiedererlangung und Rückgabe von Gold und andern Werten, die von Deutschland während des Zweiten Weltkriegs gestohlen oder versteckt wurden» - nach dem dafür zuständigen Koordinator Eizenstat-Bericht genannt - umfasst 51 Seiten Einleitung, 210 Seiten Text und 278 Seiten Anhang. Letzterer enthält neben Dokumenten vor allem Fundstellen und ist im Bericht selber nur zum Teil ausgewertet. Das von Stuart E. Eizenstat selbst verfasste Vorwort ist hier in einer stark gekürzten Übersetzung der NZZ wiedergegeben sowie mit Zwischentiteln und Anmerkungen1 versehen worden. Die Rolle der Alliierten, der Neutralen . . . Der Bericht dokumentiert einen der grössten Diebstähle einer Regierung in der Geschichte: die Konfiskation durch Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg von geschätzten 580 Millionen Dollar Zentralbankengold - etwa 5,6 Milliarden nach heutigem Wert - zusammen mit einer unbekannten Menge anderer Vermögenswerte. Diese Güter wurden Regierungen und Zivilpersonen in den Ländern geraubt, welche Deutschland überrannte. Sie stammen gleicherweise von jüdischen wie nichtjüdischen Naziopfern, inbegriffen die in den Vernichtungslagern ermordeten Juden, welchen alles genommen wurde bis hin zu den Goldfüllungen ihrer Zähne. Der Bericht behandelt auch die zunächst tatkräftigen, im Endergebnis jedoch ungenügenden Schritte der Vereinigten Staaten und ihrer Alliierten, um diese Werte der Unterstützung der staatenlosen Opfer von Nazigrausamkeit zukommen zu lassen. In diesem Zusammenhang katalogisiert der Bericht auch die Rolle der neutralen Länder, deren Entgegennahme gestohlenen Goldes im Tausch für kriegswichtige Güter und Rohmaterialien mithalf, das Naziregime zu stützen und seine Kriegführung zu verlängern. Diese Rolle wurde, trotz mehreren Warnungen der Alliierten, noch lange nach der Zeit weitergeführt, da diese Staaten irgendeinen legitimen Grund hatten, eine deutsche Invasion zu befürchten. . . . und die besondere Rolle der Schweiz Unter den Neutralen wird der Schweiz in diesem Bericht am meisten Aufmerksamkeit gewidmet.2 Wir haben nicht die Absicht, ein Land besonders herauszugreifen, das eine gefestigte Demokratie, ein grosszügiger Teilhaber an humanitären Aktionen und heute ein geschätzter Partner der Vereinigten Staaten ist. Aber die Schweiz hat eine prominente Rolle in jeder Geschichte des Schicksals des Nazigoldes und anderer Vermögenswerte während und nach dem Zweiten Weltkrieg, weil die Schweizer die hauptsächlichen Bankiers und Finanzmakler der Nazis waren und riesige Summen von Gold und harten Devisen durch ihre Hände gingen. Die Studie ist allerdings vorläufig und deshalb unvollständig. Wir sahen uns gezwungen, uns vor allem auf US-Dokumente zu stützen. Wir sind uns aber bewusst, dass ein vollständigeres Bild erst gezeichnet werden kann, wenn die Dokumente anderer Länder analysiert worden sind. Wieso diese plötzliche Aufwallung von Interesse an tragischen Ereignissen vor 50 Jahren? Es gibt dafür verschiedene Erklärungen. Aber die überzeugendste ist die ausserordentliche Führungskraft («leadership») und Vision einiger weniger Personen, welche das Problem auf die Traktandenliste der Welt gesetzt haben: die Führung durch den World Jewish Congress, Edgar Bronfman, Israel Singer und Elan Steinberg; eine Gruppe von Mitgliedern des Kongresses aus beiden Parteien, insbesondere die frühe, unbeirrbare und wichtige Rolle von Senator Alfonse D'Amato von New York; und Präsident Bill Clinton, der veranlasste, dass wir die Fakten eruierten und publizierten. Amerikanische Unterlassungen Kein Land, auch die Vereinigten Staaten nicht, tat so viel, wie es hätte tun können oder müssen, um unschuldige Opfer der Naziverfolgung zu retten - Juden, Zigeuner, politische Gegner und andere. Die USA selbst blieben während mehr als zweier Jahre nach dem Ausbruch des Krieges in Europa nichtkriegführend. Restriktive amerikanische Immigrationsvorschriften hinderten Hunderttausende von Flüchtlingen daran, in den Vereinigten Staaten Sicherheit zu finden. Am tragischsten wird das durch unsere Weigerung illustriert, das Schiff St. Louis mit seiner Ladung von Flüchtlingen an Dock gehen zu lassen. Viele kamen um, als das Schiff gezwungen wurde, nach Europa zurückzukehren. Immerhin froren die USA im April 1940 (18 Monate vor Kriegseintritt) deutsche Guthaben ein, unterhielten wenig Wirtschaftsbeziehungen mit Nazideutschland und unterstützten grosszügig - trotz heftigem Widerstand im Land - Grossbritannien, die Sowjetunion und den Naziwiderstand mit Programmen wie etwa «Lend- Lease». Die Neutralen - «kriegsverlängernd» Viele der Neutralen hatten eine rational begründete Angst, dass ihre eigene Unabhängigkeit nicht mehr als eine Panzerdivision von der Vernichtung entfernt sein könnte. Wenn aber Selbstverteidigung und Furcht Faktoren zur Rechtfertigung der Neutralität waren, so waren das auch Profit in allen neutralen Ländern und offene Nazisympathien in einigen. Was immer die Motivation war: die Tatsache, dass sie blühende Handelsbeziehungen mit dem Dritten Reich unterhielten, hatte die klare Wirkung, die Fähigkeit Nazideutschlands zur Kriegführung zu unterstützen und zu verlängern. Dabei können drei Phasen unterschieden werden: * Während der ersten Phase vom Kriegsausbruch 1939 bis zur Schlacht um Stalingrad im Frühjahr 1943 war die deutsche Macht so gross, dass die Furcht vor einer bevorstehenden Invasion legitim war. * Während der zweiten Phase verschob sich die Balance zugunsten der Alliierten und endete mit deren Sieg. Die Nazibesetzung Europas wurde zurückgerollt, und die Bedrohung der Neutralen ging stark zurück, obschon immer noch andere Formen von Vergeltungsschlägen befürchtet wurden. Der Wirtschaftsverkehr mit Deutschland ging hingegen weiter. Deutsche Werte in neutralen Ländern wurden, trotz alliierten Forderungen und Warnungen, nicht eingefroren. Die Neutralen profitierten weiterhin von ihren Handelsbeziehungen mit Deutschland und halfen so mit, einen der blutigsten Konflikte der Geschichte zu verlängern. Während dieser Periode erlitten die Alliierten Hunderttausende von Opfern, und Millionen von unschuldigen Zivilisten wurden getötet. * In der dritten Phase, unmittelbar nach dem Krieg, bestritten die Neutralen die Legalität der alliierten Forderungen nach Kontrolle der deutschen Vermögenswerte. Oft stritten sie ab, Naziraubgold zu besitzen. Sie verteidigten ihre kommerziellen Interessen, zogen die Verhandlungen mit den Alliierten in die Länge und bestanden am Schluss auch auf ihren eigenen Restitutionsforderungen gegenüber Deutschland. Im Unterschied zu den andern Kriegsneutralen war Schweden3 vergleichsweise entgegenkommend in Umfang und Raschheit bei der Übergabe von Nazigold und anderen Werten an die Alliierten. Spanien, Portugal, die Schweiz, die Türkei und andere widersetzten sich der Zusammenarbeit, obschon der Krieg vorbei war.4 Von allen Neutralen war die Schweiz jener mit der komplexesten Rolle und mit den grössten und entscheidendsten Wirtschaftsbeziehungen mit Nazideutschland. Die Rolle der Schweiz war sehr ambivalent. Das Land beendete den Zweiten Weltkrieg als eine der reichsten Nationen Europas. Es betrieb Handel sowohl mit den Alliierten als auch mit den Achsenmächten. Die Schweizerische Nationalbank unterhielt Konten und erhielt Gold nicht nur von und für Nazideutschland sondern auch von und für die USA, Kanada und Grossbritannien. Die Schweiz war eine Schlüsselposition für die amerikanischen Informationsdienste. Sie war auch - vor allem für unsere Kriegsgefangenen wichtig - Schutzmacht für die Alliierten. Aber, wie die Schweizer Regierung bereits 1952 zugegeben (und in den letzten Monaten wiederholt) hat, hatte die Schweizer Flüchtlingspolitik auch Mängel. Die Schweiz veranlasste die Nazis zum «J»-Stempel, der Zehntausende von Juden daran hinderte, in die Schweiz oder an andere potentielle Zufluchtsorte zu gelangen. Wie Kanada und die Vereinigten Staaten verschärfte die Schweiz die Immigrationspolitik, und während des Krieges verschloss es den aus Frankreich und Belgien fliehenden Juden praktisch die Grenze. Von 1933 bis zum Ende des Krieges wurden ungefähr 50 000 jüdische Flüchtlinge aufgenommen, von denen 30 000 im Land blieben und hier den Krieg überlebten. Aber die Schweiz bürdete die Unterhaltskosten für die nach Kriegsausbruch aufgenommenen Juden (von denen die meisten in Arbeitslagern interniert wurden) den jüdischen Gemeinschaften auf. Im August und Dezember 1944 nahm die Schweiz weitere 1700 Konzentrationslagerinsassen aus Bergen-Belsen und im Februar 1945 nochmals 1200 aus Theresienstadt auf. Verschiedene jüdische Gemeinschaften mussten für diese zusätzlichen Überlebenden aufkommen. Die Schweiz akzeptierte nach 1940 auch weit über 100 000 andere Flüchtlinge. Unterschiedliche Beurteilungen in den USA Noch 1944 urteilten Staatssekretär Stettinius und seine Kollegen, dass, alles in allem, die schweizerische Neutralität für die Alliierten während des Krieges mehr positiv als negativ gewesen war. Dieser relativ wohlwollende Schluss wurde von den andern Regierungsämtern - vom War Department und vom Schatzamt bis zum Office of Strategic Services und zum Justizdepartement - nicht geteilt. Diese Ämter hielten fest, dass die Schweiz, abgesehen von der kritischen Rolle ihrer Banken für die Nazis, mit ihrer Industrie in der direkten Produktion für die Achse engagiert war und deren Investitionen schützen half.5 Schweizerische Reedereien stellten Deutschland eine grosse Zahl von Schiffen für Gütertransporte zur Verfügung. Die Schweiz liess auch einen noch nie dagewesenen Gebrauch ihrer Eisenbahnverbindungen für den Transport von Kohle und anderen Gütern zwischen Deutschland und Italien zu. Die Schweiz belieferte Deutschland mit Waffen,6 Munition, Aluminium, Maschinen und Präzisionsgeräten sowie Landwirtschaftsprodukten. Schweizerische Konvois führten Produkte von Spanien durch Frankreich und die Schweiz nach Deutschland. Schweizer Banken dienten Nazimärkten in Lateinamerika. Dieses Verhalten ging selbst nach dem Rückzug der Deutschen weiter, als die Gefahr einer Invasion verraucht war. Noch im Frühjahr 1945 setzte sich die Schweiz über eine eben mit den Vereinigten Staaten geschlossene Vereinbarung hinweg, deutsche Guthaben einzufrieren und den Kauf von Gold von Deutschland einzuschränken. Den Schweizern waren die Nazi-Goldplünderungen in Frankreich, Belgien und in andern Ländern sehr wohl bekannt. - Die «Business as usual»-Einstellung der Schweiz prägte auch noch die Nachkriegsverhandlungen, und es ist diese Periode, welche am schwierigsten zu verstehen ist. Die Schweizer waren hartnäckige Verhandler, die mit legalistischen Argumenten jedes ihrer Interessen verteidigten, unbesehen der moralischen Aspekte. Endlich, nach langem, feindseligem und schwierigem Handeln, wurde in der Form der alliiert- schweizerischen Washingtoner Vereinbarung von 1946 eine Einigung erreicht. In einem Brief dazu ging die Schweiz auch die Verpflichtung ein, erben- und nachrichtenlose Vermögen, die zum Wohl von Naziopfern verwendet werden sollten, zu identifizieren. Vollzug des Washingtoner Abkommens Die 58,1 Millionen Dollar (250 Millionen Schweizer Franken) in deutschem Raubgold, welche den Alliierten zurückzugeben worden waren, waren weit weniger als die 185 bis 289 Millionen Dollar Raubgold, welche das Aussenministerium und das Schatzamt als am Ende des Krieges bei der Schweizerischen Nationalbank auf eigene Rechnung befindlich schätzten. Diese 58 Millionen in monetärem Gold wurden der «Tripartite Gold Commission» (TGC) zur Weiterleitung an die berechtigten Ländern prompt bezahlt. Aber der andere Teil der Vereinbarung, die Liquidation von Hunderten von Millionen Dollar in deutschen Werten, wurde weder prompt noch je ganz erfüllt. Die amerikanischen Unterhändler waren 1950 überzeugt, dass die Schweizer keine Absicht hatten, das Washingtoner Abkommen von 1946 je umzusetzen.7 Staatssekretär Dean Acheson bemerkte, dass, wenn Schweden ein unnachgiebiger Verhandlungspartner gewesen sei, die Schweiz «Intransigenz im Kubik» darstelle. Endlich, 1952, nach langen und frustrierenden Bemühungen einigten sich die Schweiz und die Alliierten auf eine Zahlung von total 28 Millionen Dollar, viel weniger als die vereinbarten 50 Prozent der deutschen Vermögenswerte in der Schweiz. Erst 1962 begann die Schweiz auch die 1946 übernommene Verpflichtung zu erfüllen, «mit Wohlwollen» erbenlose Vermögen zum Wohl von Holocaust-Überlebenden zu verwenden. Über die Jahre machte es die mangelnde Flexibilität der Schweizerischen Bankiervereinigung und anderer Schweizer Banken den überlebenden Familienmitgliedern von Naziopfern extrem schwierig, zu Bankberichten und Vermögenswerten zu kommen. Dieses Muster augenfälliger Indifferenz schweizerischer Bankiers gegenüber den Nöten von Holocaustopfern und ihrer Nachkommen hielt bis zum heutigen internationalen Druck an, das heisst bis (zum Beispiel) der Einsetzung des Ombudsmannes im Jahre 1996. Der Bericht wirft allerdings auch ernsthafte Fragen zur amerikanischen Rolle auf. Die fehlende Unterstützung einer harten Verhandlungsposition gegenüber den Neutralen durch die Spitzen der Hierarchien war offensichtlich. Mit grösserer Unterstützung durch die alliierte Führung wäre es möglich gewesen, mit den Neutralen ein besseres Verhandlungsergebnis zum Raubgold und zu andern deutschen Vermögenswerten zu erzielen. Die USA waren am aktivsten bei der Suche nach Kompensation für die Flüchtlinge, stiessen aber auf Widerstand, zum Beispiel von Grossbritannien (das, nach der damaligen Analyse amerikanischer Beamter, fürchtete, die Zurverfügungstellung von Geld für die Umsiedlung von Flüchtlingen würde zu Konflikten mit seiner Restriktion der Zahl von jüdischen Zuwanderern nach Palästina führen). Am wichtigsten war aber, dass die Kriegsziele durch den Imperativ des Aufbaus eines integrierten Europa und dann durch die Ziele des Kalten Krieges abgelöst worden waren. Zahn- und Raubgold Der Bericht behandelt auch das heiss debattierte Thema, ob Opfergold nach der Schweiz und in andere neutrale Länder gesandt wurde und ob solches auch im TGC-Goldpool enthalten war. Beides war der Fall. Die Reichsbank oder ihre Agenten schmolzen Gold, das Konzentrationslagerinsassen, Verfolgten sowie andern Zivilpersonen entwendet worden war, und verwandelten es in Barren. Der Beweis ist klar, dass solche Barren Deutschlands Goldreserven hinzugefügt wurden, zusammen mit dem Gold, das bei den vom Dritten Reich besetzten Zentralbanken konfisziert worden war. Es gibt allerdings keine Beweise, dass die Schweiz oder andere Neutrale mit Wissen Opfergold annahmen. Die Studie enthält jedoch Beweise - die Praxis der Reichsbank beim Einschmelzen von Gold, die Vermischung von monetärem und nichtmonetärem Gold, Goldtransfers und eine Analyse einer Ladung niederländischen Raubgoldes -, dass mindestens ein kleiner Teil des Goldes, das nach der Schweiz und Italien gelangte, nichtmonetäres Gold enthielt, das von Zivilpersonen in besetzten Gebieten, Konzentrationslageropfern und andern Ermordeten stammte. 8 Für die Opfer bleibt Gerechtigkeit schwer zu erreichen. Ihre Beschwerden müssen, im Namen der Menschheit, als Verantwortung der ganzen internationalen Gemeinschaft gesehen werden. Die im vorliegenden Bericht enthaltenen Fakten und Schlüsse sollten die Überzeugung von Unrecht und die Entschlossenheit zum Handeln wecken. Gerechtigkeit ist teilweise eine finanzielle Aufgabe. Aber sie ist zugleich ein moralisches und politisches Anliegen, welches jede in diese tragischen Ereignisse verstrickte Nation bewegen müsste, mit ihrer eigenen Geschichte und ihrer eigenen Verantwortung ins Gericht zu gehen. Schweiz hat Führungsrolle übernommen Unter den neutralen Staaten hat die Schweiz die Führungsrolle übernommen. Sie hat zwei verschiedene Kommissionen eingerichtet (die Volcker-Kommission und die Bergier-Kommission). Grosse Schweizer Banken und Firmen sowie die Schweizerische Nationalbank haben einen Fonds von jetzt 180 Millionen Dollar für notleidende Opfer der Nazis und ihre Erben eingerichtet. Die Schweizer Regierung hat die Errichtung einer Stiftung vorgeschlagen, welche Erträge für Überlebende und für andere humanitäre Zwecke abwerfen soll. Private, einschliesslich Kirchen und Mittelschüler, haben über 500 000 Schweizerfranken für Holocaust-Überlebende gesammelt. Die Vereinigten Staaten begrüssen und applaudieren diese bedeutenden Gesten. Die USA befürworten die sofortige Offenlegung aller TGC-Dokumente, welche die Herkunft des TGC-Goldpools betreffen. Die USA werden auch die Idee einer internationalen Konferenz von Historikern und andern Experten prüfen, die Informationen, Erkenntnisse und Dokumente austauschen über das Schicksal von Nazi- Vermögenswerten, über Beziehungen zum Dritten Reich und über Massnahmen zum Finden überlebender Eigentümer oder die Verwendung erbenloser Vermögen. Es gibt weitere ungelöste Probleme, welche in diesem Bericht nur kurz erwähnt werden. Ein erst kürzlich aufgetauchtes ist das des Schicksals erbenloser Vermögenswerte bei amerikanischen Banken und tatsächlich auch das möglicher Naziraubwerte in amerikanischen Banken, mit Einbezug der amerikanischen Töchter schweizerischer Banken. Es ist das ein wichtiges Thema, das auch Untersuchungen anderer Institutionen bedingt, inklusive solcher der zuständigen Gliedstaatenbehörden. Es ist auch wichtig, Versicherungsansprüchen der Familien von Holocaustopfern nachzugehen, deren Policen von den Nazis konfisziert wurden oder deren Ansprüche aus verschiedensten Gründen abgelehnt wurden. Die Vereinigten Staaten, unsere Alliierten und die Neutralen sollten, wenn die Überprüfung zu Ende ist, nicht so sehr auf Grund der Handlungen oder Unterlassungen einer früheren Generation beurteilt werden, sondern eher auf Grund des Willens unserer Generation, der Vergangenheit ins Gesicht zu schauen, Fehler gutzumachen und die den Opfern der Naziaggression angetanen Ungerechtigkeiten zu bereinigen. Es ist unsere Hoffnung, dass die Studie auf diesem Weg zu einer breiteren Zielsetzung weiterführt. ------------------------------------------------------------------------ 1 Die Anmerkungen stammen im wesentlichen aus dem Bericht selber bzw. aus dessen Zusammenfassung (mit «Bericht» eingeleitet). 2 Von den 205 Seiten des eigentlichen Berichts befassen sich knapp 80 spezifisch mit der Schweiz. 3 Der ausführliche Bericht (S. 123 f.) hält fest, dass Schweden unter dem Titel (belgisches) Raubgold 8,1 Millionen Dollar ablieferte, von den Alliierten hingegen die Zusicherung erhielt, dass diese keine Forderungen mit Bezug auf von Deutschland erworbenes Gold erheben würden, welches Schweden vor dem 1. Juni 1945 an Drittländer weitergegeben hatte. Die Verhandlungen mit Schweden wurden offenbar auch im Hinblick auf eine Beschleunigung jener mit der Schweiz orchestriert. 4 Über die Verhandlungen zur Rückgabe von Raubgold und Naziwerten mit Portugal (Schätzung der USA 51 Millionen Dollar, 4 Millionen dann erhalten), Spanien (60 Millionen, 114 329 Dollar erhalten) und der Türkei (49 Millionen, nichts erhalten) enthält die Berichts-Zusammenfassung nicht mehr als insgesamt eine Seite, der Bericht selber 21 Seiten. Letzterer zeigt zudem, dass im Falle von Argentinien (das Deutschland in den letzten Tagen noch rasch den Krieg erklärte) Verhandlungen gar nie ernsthaft geführt wurden. Bei der Kontrolle der Implementation des SafeHaven-Programms gegen Verschiebungen von Nazivermögen ins sichere Ausland stellte der USA-Beauftragte Samuel Klaus 1944 fest, dass Spanien «zweifellos das Land ist, in dem die Safe-Haven-Aktivitäten vor sich gehen oder erwartet werden können, welche den grössten Schaden anrichten.» 5 Bericht: «Die Sicht der Diplomaten des State Department (welche die Briten teilten) war nicht die der Foreign Economic Administration, des Schatzamtes oder des Justizdepartements, welche eine aggressivere Politik zur Erzwingung schweizerischer Kooperation favorisierten. Die Vereinigten Stabschefs hätten ebenfalls wirkungsvolle Massnahmen zur Unterbindung allen Handels mit Deutschland und der Eisenbahntransporte durch die Schweiz vorgezogen. Alle Amtsstellen beugten sich jedoch der diplomatischen Führung durch das Aussenministerium.» 6 Bericht: «Deutschland war auch in der Lage, die Wirkung der alliierten Bombardemente geringfügig zu mildern, indem ein Teil der Waffenproduktion in Sicherheit hinter die Schweizer Grenzen verlegt wurde.» 7 Bericht: «Im Herbst 1950 schlugen amerikanische Unterhändler ihren alliierten Kollegen vor, das 1946er Abkommen öffentlich als unvollziehbar zu erklären und sich von der Durchführung zurückzuziehen. Briten und Franzosen widersetzten sich jedoch mit Nachdruck einer solchen Absicht, weil sie die harte Schweizer Währung benötigten, welche die Vereinbarung brachte. Das Abkommen blieb, wenn auch nicht umgesetzt, in Kraft.» 8 Bericht: «Die Reichsbank richtete das ‹Melmer›-Konto ein, genannt nach SS-Hauptsturmführer Bruno Melmer, in welches die SS bei Holocaust-Opfern und andern Zivilpersonen konfisziertes Gold deponierte. Das eingeschmolzene SS-Gold war im Aussehen von dem bei Zentralbanken in Europa geraubten Gold nicht zu unterscheiden. Eine Analyse einer Einschmelzaktion geraubter niederländischer Goldgulden im Jahre 1943 bei der preussischen Münze hält fest, dass 37 000 Gramm Feingold aus dem SS-Hort beigefügt wurden. Von den so hergestellten Barren wurden 83 Prozent an die Schweizerische Nationalbank, der Rest an Italien verkauft (‹die Gesamtgewichte werden nicht angegeben›). Es ist deshalb klar, dass ein Teil des der Schweiz und anderen Neutralen verkauften Münzgoldes etwas von solchem Opfergold enthielt. - Funde von eingeschmolzenem Opfergold, Goldzähnen, Juwelen und jüdischen Ritualgegenständen wurden in der Merkers-Mine und andernorts in Deutschland gefunden. Auf Grund ihres Beschlusses, Goldmünzen und Barren ohne Münzzeichen zum TGC-Goldpool hinzuzufügen, besteht kein Zweifel, dass die amerikanische Regierung wissentlich Gold und Münzen aus der Merkers- Mine, die KZ-Opfern und andern Zivilpersonen gehört hatten, verwendete.» Neue Zürcher Zeitung vom 9. Mai 1997 Dieses Dossier | Aktuelle Dossiers | Frühere Dossiers Impressum Webmaster Werbung © AG für die Neue Zürcher Zeitung NZZ 2000