4. Versicherungsangebot

Werbung
4. Versicherungsangebot
Georg Nöldeke
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Basel
Versicherungsökonomie (FS 11)
Versicherungsangebot
1 / 13
1. Einleitung
1.1 Hintergrund
In einem grossen Teil der mikroökonomisches Analyse von
Versicherungsmärkten wird unterstellt, dass
Versicherungsunternehmen eine risikoneutrale Bewertung von
Versicherungsverträgen vornehmen.
Ignoriert man alle Kosten eines Versicherungsunternehmens bis
auf die Zahlungen für Versicherungsfälle bedeutet dies, dass der
1
2
der erwartete Gewinn eines Versicherungsunternehmens aus
Abschluss eines Vertrages mit Prämienzahlung P und
Auszahlungen C̃ durch P − E[C̃] gegeben ist und
es Ziel des Versicherungsunternehmens ist, diesen erwarteten
Gewinn zu maximieren.
Wird zusätzlich angenommen, dass der Versicherungsmarkt ein
Wettbewerbsmarkt ist, so führt dieses dazu, dass
1
2
beliebige Versicherungsverträge mit fairer Prämie, P = E[C̃],
vollkommen elastisch im Markt angeboten werden.
die Versicherungsnachfrager unter den angebotenen Verträgen
diejenigen mit vollständiger Versicherung, C̃ = L̃, nachfragen
werden.
2 / 13
1. Einleitung
1.2 Risikobündelung und Risikostreuung
Fragestellung: Wie kann man die Annahme rechtfertigen, dass
Versicherungsunternehmen eine risikoneutrale Bewertung von
Versicherungsverträgen vornehmen?
Mögliche Ansätze:
1
2
Risikobündelung: Das Versicherungsunternehmen schliesst viele
ähnliche Verträge ab, deren Risiken unabhängig sind und sich
daher im Aggregat ausgleichen (Gesetz der grossen Zahlen), so
dass jeder einzelne Vertrag risikoneutral bewertet werden kann.
Risikostreuung: Das Versicherungsunternehmen hat viele
Eigentümer, die jeweils nur einen kleinen Anteil des Risikos, das
mit einem Versicherungsvertrag verbunden ist, zu tragen haben. In
Bezug auf ein solches “kleines” Risiko sind die Eigentümer fast
risikoneutral (lokale Risikoneutralität), so dass das
Versicherungsunternehmen als risikoneutral modelliert werden
kann.
Im folgenden werden wir diese beiden Ansätze (ein wenig)
genauer betrachten.
3 / 13
2. Risikobündelung
2.1 Modellrahmen
Versicherungsverträge i = 1, · · · , n, beschrieben durch die
Zufallsvariable C̃i (Schadensforderung aus Vertrag i).
Annahme: Die Zufallsvariablen C̃i sind unabhängig und identisch
mit Erwartungswert µ > 0 und Varianz σ 2 > 0 auf dem Interval
[0, C̄] verteilt.
Die zu leistenden Zahlungen einer Versicherung, welches diese n
Verträge abgeschlossen hat, sind durch C̃(n) = ∑ni=1 C̃i mit
E[C̃(n)] = nµ und Var[C̃(n)] = nσ 2
gegeben. Beachte: Diese Zufallsvariable ist auf dem Interval
[0, nC̄] verteilt.
4 / 13
2. Risikobündelung
2.2 Bewertungsansätze
1
Die Einnahmen aus den Prämienzahlungen n · P sollen
mindestens so gross sein, dass sie mit Wahrscheinlichkeit 1 − ρ
ausreichend sind, um die Zahlungen im Schadensfalle
abzudecken:
W S[C̃(n) ≤ nP] = 1 − ρ
ρ ≥ 0 ist die Ruinwahrscheinlichkeit
Im Fall ρ = 0 folgt sofort P = C̄; wir betrachten also ρ > 0.
2
Sei u eine Bernoulli-Nutzenfunktion, welche die Präferenzen des
Versicherers darstellen und W0 sein Ausgangsvermögen. Die
Einnahmen aus den Prämienzahlungen sollen mindestens so
gross sein, dass
E[u(W0 + nP − C̃(n))] = u(W0 )
gilt.
5 / 13
2. Risikobündelung
2.3 Bewertung über die Ruinwahrscheinlichkeit
Sei Pn (ρ) die Lösung der Gleichung
W S[C̃(n) ≤ nP] = 1 − ρ
Diese Gleichung besitzt eine Lösung und für hinreichend kleine ρ
gilt Pn (ρ) > µ, d.h. es wird ein Zuschlag auf die faire Prämie
verlangt.
Frage: Was geschieht, für n → ∞?
Satz
Für alle ρ > 0 gilt:
lim Pn (ρ) = µ.
n→∞
Interpretation?
6 / 13
2. Risikobündelung
2.3 Bewertung über die Ruinwahrscheinlichkeit
Dieses Ergebnis ist eine Konsequenz (einer Version) des Gesetz
der grossen Zahlen:
Beachte: W S(C̃(n) ≤ nP) = W S(∑ni=1 (C̃i − µ)/n ≤ P − µ)
Gesetz der grossen Zahlen besagt, dass für alle ε > 0 gilt:
n
lim W S(| ∑ (C̃i − µ)/n |< ε) = 1
n→∞
i=1
Insbesondere gilt also für alle ρ > 0 undP > µ, dass
lim W S(C̃(n) ≤ nP) > 1 − ρ.
n→∞
Hieraus wiederum folgt, dass Pn (ρ) gegen µ konvergiert.
7 / 13
2. Risikobündelung
2.4 Bewertung über die Indifferenzbedingung
Sei nun Pn als die Lösung der Gleichung
E[u(W0 + nP − C̃(n))] − u(W0 ) = 0
definiert.
Unter der Annahme, dass die Bernoulli-Nutzenfunktion für alle
w ∈ R definiert, sowie stetig und (zumindest für positive Vermögen
streng) steigend ist, besitzt diese Gleichung eine eindeutige
Lösung.
Ist u streng konkav, so gilt Pn > µ.
Frage: Gilt auch hier limn→∞ Pn = µ?
Es erscheint intuitiv, dass dieses so sein sollte, da für gegebenes
P > µ, gilt:
lim W S(nP − C̃(n) > 0) = 1.
n→∞
. . . so dass der Abschluss einer hinreichend grossen Anzahl
solcher Verträge mit beliebig hoher Wahrscheinlichkeit zu einem
Gewinn führt.
8 / 13
2. Risikobündelung
2.4 Bewertung über die Indifferenzbedingung
Aber ...
Satz
Wenn u streng positive konstante absolute Risikoaversion besitzt,
dann existiert P∗ > µ, so dass Pn = P∗ für alle n gilt. Insbesondere gilt
lim Pn = P∗ > µ.
n→∞
Was geht hier schief?
Das Problem ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes mit
wachsendem n zwar gegen Null geht, aber . . .
zugleich der grösstmögliche Verlust gegen unendlich geht und . . .
extremen Verluste eine extreme Bedeutung bei der Bildung des
Erwartungsnutzen zukommt.
Das erinnert an das Rabin-Paradox.
9 / 13
2. Risikobündelung
2.4 Bewertung über die Indifferenzbedingung
Das Problem verschwindet, wenn man stattdessen unterstellt,
dass Risikoaversion für hinreichend grosse Verluste keine Rolle
spielt.
Betrachte z.B. den Fall der beschränkten Haftung, in dem es
z < 0 ≤ W0 gibt, so dass
u(w) = u(z) gilt für alle w ≤ z
u ist streng steigend und streng konkav für alle w > z.
Satz
In dem Fall der beschränkten Haftung gilt limn→∞ Pn = µ.
10 / 13
3. Risikostreuung
3.1 Modellrahmen
Ein Versicherungsvertrag mit Auszahlungen C̃
Das Versicherungsunternehmen ist im Besitz von Individuen
i = 1, · · · , n. (Versicherungssyndikat)
Alle Individuen besitzen identische, streng steigende und streng
konkave Bernoulli-Nutzenfunktionen u und identische
Ausgangsvermögen W0 .
Die Prämienzahlung und die Leistungen im Schadensfall werden
gleichmässig unter den Individuen aufgeteilt.
Ist die Prämienzahlung P, so ist das Vermögen von i also durch
die Zufallsvariable
w̃ = W0 − C̃/n + P/n
gegeben.
11 / 13
3. Risikostreuung
3.2 Bewertungsansatz
Definiere Pn als die Lösung der Gleichung
E[u(W0 − C̃/n + P/n)] = u(W0 )
Dies ist die minimale Prämie, zu welcher die Mitglieder des
Versicherungssyndikats bereit sind, den Vertrag zu akzeptieren.
Eine eindeutige Lösung der Gleichung existiert für alle n und es gilt
Pn > µ.
Frage: Welche Auswirkung hat das Ausmass der Risikostreuung
(d.h. die Anzahl der Mitglieder des Syndikats) auf die Prämie, zu
welcher das Syndikat bereit ist, den Vertrag zu akzeptieren?
12 / 13
3. Risikostreuung
3.3 Arrow-Lind-Theorem
Satz
limn→∞ Pn = µ.
Es ist leicht zu sehen, dass Pn /n gegen Null gehen muss, wenn n
gegen unendlich geht.
Der Trick des Beweises des Arrow-Lind-Theorem besteht darin,
Pn als rn /sn zu schreiben, wobei rn := Pn /n und sn := 1/n,
auf die Gleichung
E[u(W0 − sC̃ + r(s))] − u(W0 ) = 0
den Satz über implizite Funktionen anzuwenden,
um dann mit der Regel von l’Hopital den Grenzwert von rn /sn zu
bestimmen, wenn n gegen unendlich geht.
13 / 13
Herunterladen